Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2557
Gaildorf (Landkreis Schwäbisch Hall)

Altes Schloß in Gaildorf

Das Alte Schloß der Schenken von Limpurg liegt im Ortszentrum direkt an der Kocherbrücke. Die Grabenstraße und die Schloßstraße rahmen das ringsum von einem heute verfüllten und trockenen Graben umgebene Schloß ein; statt Wasser gibt es Straßen und Parkplätze. Am besten kann man den ehemaligen Graben unter der Schloßbrücke zum Haupttor wahrnehmen. Die Schenken von Limpurg sind in Gaildorf seit 1374 urkundlich belegt, aber wahrscheinlich gehörte ihnen der Ort schon früher. Das Halsgericht bekamen sie 1403 als Reichslehen. Der erstmals 1260 urkundlich erwähnte Ort bekam am 12.7.1404 von König Ruprecht Stadtrechte, damit verbunden das Marktrecht und das Recht, sich mit einer Stadtbefestigung abzusichern, die von Schenk Friedrich III. und seinem Sohn Konrad IV. erbaut wurde, trapezförmig war, drei Tore und Ecktürme hatte und nach ihrer Niederlegung im 19. Jh. nur noch anhand des Straßenverlaufs und geringfügiger baulicher Reste (Bürgerturm im Südwesten) nachzuvollziehen ist. Das Alte Schloß bildete die Nordostecke der Stadt. Aufgrund der komplizierten Ganerbschaft, die nach dem Erlöschen der Schenken von Limpurg folgte, gibt bzw. gab es in Gaildorf noch zwei weitere Schlösser, das Neue Schloß der Ganerben Bentinck-Waldeck jenseits des Kochers, jetzt Rathaus, und das 1945 zerstörte, ehemals klassizistische Schloß der Grafen von Pückler.

Das Alte Schloß wird bereits 1399 erstmals als "Veste" urkundlich erwähnt, in einem Vertrag zwischen Schenk Friedrich mit der Stadt Schwäbisch Hall über die Holzflößerei auf dem Kocher und die Durchgangszölle. Vermutlich ist die erste Anlage noch älter und wurde bereits in der Stauferzeit gegründet. Dafür sprechen verwitterte Buckelquader, die am Fuße des großen Turmes aus dem Putz ragen. Von dieser mittelalterlichen Wasserburg sind in den Kellergewölben noch Grundmauern erhalten. Gaildorf wurde Residenz, nachdem sich nach 1441 die Schenken von Limpurg in mehrere Linien teilten. 1441 teilten sich die Brüder Konrad IV. und Friedrich V. ihr Gebiet in zwei gleich große Teile auf, ersterer hatte Gaildorf als Zentrum, letztere Speckfeld. Beide Linien waren unabhängig und in ihrem jeweiligen Territorium souverän. Und beide Linien teilten sich in der nächsten Generation noch einmal, die ältere in die Linien Gaildorf und Schmiedelfeld, die jüngere in die Linien Speckfeld und Obersontheim. Die Stadt Gaildorf wurde so 1441 Sitz eines Vogtamtes. Nachdem der Zweig Gaildorf-Schmiedelfeld erlosch, war Gaildorf von 1682 bis 1690 wieder in einer Hand vereint. 1690 erlosch die Linie zu Gaildorf im Mannesstamm.

 

Insgesamt wirkt das Schloß noch burgähnlich. Die ältesten Teile der heutigen, ein unregelmäßiges, längliches Viereck bildenden Anlage stammen aus der zweiten Hälfte des 15. Jh., als die Anlage von Schenk Albrecht von Limpurg-Gaildorf-Schmiedelfeld in Form einer Wasserburg ausgebaut wurde. Das Gebäude in der Nordostecke entstand 1464. Der Torbau ist auf 1482 datiert. Der Westflügel entstand um 1500. Zweimal wurde das Schloß erweitert, 1570-1573 in der Renaissance und 1660 im Manierismus. Mehrere inhomogene Flügel umschließen einen rechteckigen Innenhof. Von jeder Seite aus betrachtet hat das Schloß eine andere, aber immer eindrucksvolle Ansicht. Der vierstöckige Nordflügel zur Kocherseite hin war von Anfang an als herrschaftliches Wohngebäude konzipiert. Der dreistöckige Südflügel diente der Bewirtschaftung und Verwaltung, auch waren hier vermutlich früher Wohnungen für Bedienstete. Der Westflügel gegenüber der Kirche besteht aus zwei verschiedenen Teilen, der eine drei, der andere zwei Stockwerke hoch. Insgesamt entstand so eine beeindruckende Renaissance-Anlage mit einigen verbliebenen spätmittelalterlichen Elementen. Der Innenhof ist frei zugänglich, aber das durch den Historischen Verein für die Stadt Gaildorf betreute Museum mit zwei Schwerpunkten, einem zur Wirtschaftsgeschichte und einem zur Stadtgeschichte mit ihren Adelsgeschlechtern, und mit einer Nachbildung des berühmten Schenkenbechers (siehe Kapitel zur Herrenmühle Obersontheim) ist wegen Renovierung auf unbestimmte Zeit geschlossen.

An der Nordostecke befindet sich ein mächtiger, isoliert stehender Rundturm von ca. 10 m Durchmesser und ca. 30 m Höhe. Die Südwestecke ist abgeschrägt, hier befindet sich das Zugangstor mit großer Wagendurchfahrt und separatem, nur halb so hohem Fußgängerdurchlaß links daneben. Beide Durchlässe besaßen eine separate Zugbrücke, wie die beiden Falze im Mauerwerk, in denen die Zugbrücken bündig anlagen, zeigen. Für die große Zugbrücke sind zwei Rollen ins Mauerwerk eingelassen, für die kleine nur eine - alles noch original vorhanden. Nur die Brücken selbst sind durch eine gepflasterte Steinbrücke ersetzt worden, die vom heutigen Straßenniveau der Schloßstraße zum Hof hin leicht abwärts verläuft. Die bärtige Halbfigur in der Nische zwischen den beiden Einzeldurchlässen stellt vielleicht den Baumeister Hans Urner dar, dafür sprechen das Baumeisterzeichen auf dem Schild und die Nennung seines Namens rechts und links des Kopfes. Interessant ist der Schlußstein des Torbogens, der auf jeder Seite zur besseren Verzahnung mit den Nachbarsteinen zwei Auspfropfungen besitzt.

Die Inschrift über der Toranlage lautet: "Wir albrecht herre zu limpurg des / ro(e)mischen reichs erbschenck und sem / per frei habend angefangen und / vol(l)bracht di(e)sen baw (a)uf san(k)t mi / ch(a)els tag nach c(h)ristus geburt vier / tzie(n)hundert und in dem lxxxii ja(h)r." Diese Datierung ist die älteste am Gebäude aufgefundene Jahreszahl.

 

Die Toranlage wird von zwei Rundtürmen flankiert. Mit den Fachwerkstrukturen im zweiten und dritten Obergeschoß und den beiden geschweiften Hauben auf den Türmen bietet das Schloß aus dieser Richtung einen besonders malerischen Anblick. Von innen erkennt man, daß über dem Tor nur ein schmaler Wehrgang verläuft und daß die beiden Obergeschosse wie eine schräge Brücke darüber schweben, am westlichen und südlichen Schloßflügel mit Balken abgestützt. Auch sonst dominiert das Fachwerk in den Obergeschossen. Besonders eindrucksvoll ist die lange Nordseite zum Kocher hin, wo je nach Baugruppe über dem massiven Unter.- und Erdgeschoß je nach Abschnitt zwei oder drei Fachwerkobergeschosse zu sehen sind, darüber noch zwei Reihen Dachgauben. Auch die bauliche Anbindung des unten freistehenden Rundturmes erfolgt mit einem Fachwerk-Zwischenstück mit vier Ebenen. Im Turmbereich ist oben im vierten Stock über einer Tür die Jahreszahl 1570 angebracht. Der riesige Ostgiebel hat über dem massiven Unterbau drei normale und drei Giebelgeschosse, alles in Fachwerk ausgeführt.

 

Zum Innenhof hin öffnen sich hölzerne Arkaden im Erdgeschoß und Galerien mit Geländern im ersten Obergeschoß. Direkt hinter dem rechten Flankierungsturm steht im Eck ein kleiner runder und massiv gebauter Treppenturm, im oberen Teil fast vollständig eingebaut. Dem Zugang schräg gegenüber springt ein polygonaler Treppenturm im Nordosteck in den Innenhof vor. Die im Innenhofbereich verputzten Wände sind mit Renaissance-Ornamenten bemalt, vor allem um die Fenster und Portale herum: Alle Fenster- und Portalumrahmungen, all die schönen Schnecken, Gebälke, Pilaster und das Rollwerk sind Illusionsmalerei. Dahinter ist Putz, und weiter oben sogar Holz.

Diese Bemalung entstand um 1600. Nur die unten zu besprechenden Wappenreliefs sind echte Bildhauerarbeiten aus Stein. Die Ecken des Treppenturmes und ebenso die Ecken anderer Gebäude sind mit Scheinquaderung bemalt. Auch innen gibt es schöne Renaissance-Räume, besonders hervorhebenswert ist der Wurmbrandsaal mit einer unter eine Stuckdecke gesetzten, freitragenden Kassettendecke aus dieser Epoche, eine Decke, die konstruktiv eine außerordentliche Leistung darstellt.

Über dem stadtseitigen Zugang zum Alten Schloß ist eine Wappentafel zwischen die beiden Schießscharten des Wehrganges im Obergeschoß eingelassen. Sie besteht aus einem Vollwappen, zwei Wappenschilden, einer Inschriftentafel und zwei Figurenreliefs. Die optisch linke Figur stellt Maria dar, die rechte Jesus, unter letzterem ist eine niedliche figürliche Konsole eingemauert.

   

Das Vollwappen ist das der Schenk von Limpurg, geviert, Feld 1 und 4: in Blau 5 (3:2) aufrechte silberne Heerkolben, Feld 2 und 3: in Rot vier aufsteigende silberne Spitzen, auf der Herzstelle ein hier sehr kleiner goldener Schenkenbecher. Auf dem gekrönten Helm mit blau-silbernen oder auch rot-silbernen Decken ein goldener Schenkenbecher (Doppelbecher) zwischen zwei rot-silbern im Spitzenschnitt geteilten Büffelhörnern, in den Mundlöchern jeweils mit einem rot-silbern im Spitzenschnitt geteilten Fähnchen an silberner Stange besteckt.

 

Die beiden kleinen Wappenschilde enthalten heraldisch rechts das Schenkenwappen ohne den Doppelbecher und heraldisch links das Motiv der von Oettingen, (in Eisenhutfeh aus in vier Reihen angeordneten aufrechten roten und gestürzten goldenen Eisenhüten ein blauer Mittelschild, alles überdeckt von einem silbernen Schragen. Diese aus der ersten Ausbauphase der Burg stammende Wappenkombination steht für Albrecht II. Schenk von Limpurg zu Gaildorf (-4.12.1506), Sohn von Konrad IV. Schenk von Limpurg-Gaildorf (-2.6.1482) und Klara von Montfort (-1440), und seine Frau, Elisabeth von Oettingen (7.3.1449-1509), Tochter von Wilhelm I. Graf von Oettingen-Oettingen (-12.3.1467) und Beatrice della Scala (-14.2.1466).Die gleiche Kombination ist als Grabplatte an der Stadtkirche erhalten.

 

Der nächstjüngere Wappenstein ist am Treppenturm im Innenhof zu finden. Über dem Rundbogenportal ist eine Ädikula in die Wand eingelassen. Das Wappen selbst wird von einem Rundbogen-Rahmen eingefaßt und von zwei kannelierten Säulen flankiert. Diese tragen ein üppig mit Akanthusblättern verziertes Gebälk. Ebenso reich verziert ist die Sockelzone unterhalb der Säulenbasen. Im dreieckigen Giebelfeld ist die Zuordnung zu den Bauherren anhand der Initialen möglich: "CHZL und EFZLGFVL 1573" steht für Christoph III. Herr zu Limpurg-Gaildorf (12.7.1531-3.9.1574) und seine Frau Eva Frau zu Limpurg geborene Frau von Limpurg-Speckfeld (-25.3.1587). Über der ersten Zeile ist ein liegender Achtknoten als Zierrat angebracht, darunter eine Reihe von drei Achtknoten. In der linken unteren Ecke des Dreiecks bläst ein geflügelter Triton in sein Horn, gegenüber eine ebenso geflügelte Sirene, und in der oberen Ecke ist ein geflügelter Engelskopf angebracht.

Beim Ehewappen sind zwei Schilde mit dem Limpurg-Wappen unter einer gemeinsamen Helmzier wie beschrieben vereinigt. Nur der Ehemann hat den Schenkenbecher auf der Herzstelle. Beide Quadrierungen sind spiegelbildlich angeordnet, sodaß die Spitzenteilung jeweils oben innen zu liegen kommt. 

Im Innenhof befindet sich oberhalb des zum Durchgang unter dem Nordflügel führenden Torbogen der beste Wappenstein nicht nur von Gaildorf, sondern im gesamten ehemaligen limpurgischen Herrschaftsgebiet: Das äußerst fein gearbeitete Prunkwappen besitzt zwei Vollwappen, flankiert von zwei drallen nackten Putti, die sich lässig mit gekreuzten Beinen an die Wappen lehnen, jeder den inneren Ellenbogen auf die Helmdecke legend und in der äußeren Hand einen Palmzweig haltend. Die schmuckvoll mit Rollwerk gerahmte Inschrift unterhalb der Wappenzone trägt den Wortlaut: "Maria Juliana Fraw zue Lümpurg / gebohrne Gräffin von Hohenloh(e) und Gleich(en) / Fraw zue Langenburg und Cranichsfeldt / Wittibin Im Jahr 1660". Der trapezförmige Aufsatz trägt einen Engelskopf mit sehr elegant ausgearbeiteten Flügeln.

Das heraldisch rechte Wappen ist das der Schenken von Limpurg, aber nun in umgekehrter Reihenfolge im Vergleich zu dem am Tor. Es ist geviert, Feld 1 und 4: in Rot vier aufsteigende silberne Spitzen, Feld 2 und 3: in Blau 5 (3:2) aufrechte silberne Heerkolben, auf der Herzstelle ein goldener Schenkenbecher (Doppelbecher). Auf dem gekrönten Helm mit blau-silbernen oder auch rot-silbernen Decken ein goldener Schenkenbecher (Doppelbecher) zwischen zwei rot-silbern im Spitzenschnitt geteilten Büffelhörnern, in den Mundlöchern jeweils mit einem rot-silbern im Spitzenschnitt geteilten Fähnchen an silberner Stange besteckt. Hier steht das Wappen für Johann Wilhelm Graf von Limpurg-Gaildorf (13.12.1607-7.11.1655), Sohn von Albrecht III. von Limpurg-Gaildorf (2.10.1568-6.11.1619) und Emilie Freiin von Rogendorf (-3.3.1650). Er war schon 5 Jahre tot, als seine Witwe diesen Wappenstein anläßlich eines Ausbaus des Schlosses in Auftrag gab.

Das andere Wappen ist das der Grafen von Hohenlohe, geviert, Feld 1 und 4: Stammwappen Hohenlohe, in Silber zwei rotgezungte, schwarze Leoparden (schreitende, hersehende Löwen), Feld 2 und 3: Langenburg, geteilt, oben in Schwarz ein schreitender goldener Löwe, rot gezungt, golden gekrönt, unten gold-schwarz gerautet, Herzschild: Grafschaft Gleichen, in Blau ein silberner Löwe, golden gekrönt. Auf dem Schild befinden sich 3 Helme: Helm 1 (Mitte): gekrönt, ein goldener Löwe, golden gekrönt, rot gezungt, zwischen zwei schwarzen Büffelhörnern. Helmdecken schwarz-golden (Kleinod Langenburg), Helm 2 (rechts): ungekrönt, ein silberner, sich aus rot-goldenen Flammen erhebender Phönix mit roten Schwungfedern, Helmdecken rot-silbern (Stammkleinod Hohenlohe), Helm 3 (links): gekrönt, der silberne Löwe aus dem Schild, wachsend, seine Krone ist mit 3 Straußenfedern in den Farben blau-silbern-blau geschmückt, Helmdecken blau-silbern (Grafschaft Gleichen). Hier steht das Wappen für Maria Juliana von Hohenlohe-Langenburg (6.6.1623-11.1.1695), Tochter von Philipp-Ernst Graf von Hohenlohe-Langenburg (11.8.1584-29.1.1628) und Anna Maria zu Solms-Sonnenwalde und Pouch (1585-20.11.1634).

Die historischen Besitzverhältnisse nach dem Aussterben der Linie Limpurg-Gaildorf 1690 im Mannesstamm sind extrem kompliziert. Die andere Linie der Schenken von Limpurg-Speckfeld-Obersontheim existierte zunächst noch bis 1713. Limpurg-Gaildorf wurde erst zwischen den Gaildorfer Erbtöchtern einerseits und Limpurg-Speckfeld-Obersontheim andererseits halbiert. Die Speckfelder Hälfte kam 1707 an Vollrath von Limpurg-Speckfeld zu Obersontheim, den letzten männlichen Vertreter des Hauses Limpurg.

 

Nachdem Vollrath 1713 verstarb, kamen die Preußen und machten Ansprüche geltend. Preußische Truppen besetzten am 9.12.1713 Gaildorf; die Einwohner mußten 1714 Preußen huldigen. Der Hintergrund war die bereits 1690 komplizierte Lage in der Herrschaft: In Wien war man am Kaiserhof der unrichtigen Auffassung, daß die gesamten Limpurgischen Besitzungen Reichslehen seien. Diese würden nach Erlöschen der Familie im Mannesstamm heimfallen und erneut vergeben werden können. Kaiser Leopold I. schuldete dem damaligen Kurfürsten Friedrich von Brandenburg, der 1701 König von Preußen werden sollte, noch einen Gefallen. So stellte er ihm 1693 ein kaiserliches "Expektanzdekret" auf das Limpurgische Reichslehen aus, also eine Bescheinigung über eine zu erwartende Neuvergabe des Reichslehens an ihn nach dem Heimfall. Dazu kam, daß Schenk Georg Eberhard zu Speckfeld zur Absicherung seiner Töchter die politische Nähe des preußischen Herrschers suchte. Nach dem Tod des letzten Schenken erhob König Friedrich Wilhelm I. von Preußen Ansprüche auf das gesamte Limpurger Herrschaftsgebiet. Der Geheime Rat Freiherr von Böhringer sollte im August 1713 in Gaildorf eine reibungslose Besitzübernahme regeln. Als das nicht klappte, wurden Truppen geschickt. Das mehr als 600 Mann starke preußische Bataillon zog am 13.2.1714 endlich wieder ab. Kaiser Karl VI. versprach, sich erneut um den Limpurger Erbstreit zu kümmern. Erst eine kaiserliche Kommission, die am 25.2.1714 nach Gaildorf kam, sicherte den Ganerben ihre Ansprüche und Rechte. 1742 trat Preußen seine Ansprüche an Brandenburg-Ansbach ab, das den Fall löste, indem es die Ganerben als Inhaber eines Reichs-Unter-After-Lehens einsetzte. Aber erst am 15.8.1746 endete der Erbstreit in einem Vergleich und in einer Neuordnung der Besitzverhältnisse. Der Streit ums Limpurger Erbe war aber selbst danach immer noch nicht zu Ende.

Die Speckfelder Hälfte von Gaildorf fiel 1775 an die Grafen von Pückler. Die Gaildorfer Hälfte wurde unter den beiden Erbtöchtern bzw. deren Ehemännern erneut halbiert. Dadurch bekamen die Grafen von Wurmbrand und die Grafen von Solms-Assenheim 1707 den Anteil der Gaildorfer Erbtöchter, jeweils ein Viertel der Stadt und je eine Hälfte des Alten Schlosses. Von den Grafen von Wurmbrand und den Grafen von Solms-Assenheim ausgehend kam es nun zu unendlich komplizierten Weitergaben über immer neue Erbtöchter und zu einer extremen Verkomplizierung der jeweiligen anteiligen Besitzverhältnisse. Die jeweiligen Regenten der Anteile besaßen das Alte Schloß gemeinsam, nutzten es aber nach 1757 so gut wie nicht mehr, höchstens ab und an als Sommersitz. Dazu begann Württemberg ab 1780, Anteile aufzukaufen. 1805 teilten sich drei Parteien die Gaildorfer Hälfte, während die Speckfelder Hälfte bei den Grafen von Pückler war. Durch die Mediatisierung kam 1806 die ganze Landeshoheit an Württemberg. Schließlich blieben am Ende des 19. Jh. drei Haupteigner übrig, das Haus Bentheim-Steinfurt (siehe dazu im Kapitel zum Kaffeehaus), Württemberg und das Haus Bentinck-Aldenburg (siehe dazu im Kapitel zum Neuen Schloß). Zeitweise gehörte das westliche Viertel des Schlosses den Fürsten von Solms-Braunfels, die übrigen drei Viertel der Linie Waldeck-Limpurg, nachdem diese den Anteil des Staates am Schloß erworben hatten. Schließlich kamen die von Bentinck-Aldenburg in den Besitz des Schlosses.

 

Im Gegensatz zum Pückler-Schloß und der Stadtkirche überstand das Alte Schloß den Zweiten Weltkrieg weitgehend unbeschadet. Wie so viele ungenutzte historische Gemäuer diente es in der Nachkriegszeit als Flüchtlingsunterkunft und Notunterkunft für Gaildorfer, die ihre Häuser durch Bomben verloren hatten. Anfang der 1970er Jahre begann man mit der Rettung des Bauwerks, das zwar nie in seiner Geschichte zerstört wurde, sich aber mittlerweile in desolatem Zustand befand; insbesondere das Fachwerk trug nicht mehr, hatte seinen Zusammenhalt mit den Füllungen verloren und fiel zum Teil einfach in den Schloßgraben herab, so z. B. 2002 am westlichen Torturm. da die Decken des Schlosses einerseits mit dem Fachwerk zusammenhängen und andererseits die wertvollen Stuckdecken erhalten werden sollen, ist die Renovierung insgesamt komplex und sehr aufwendig.

Die Schäden wurden durch eine in den 1930er Jahren angebrachte Fassadenverblendung verursacht, hinter der das Holz schön unbemerkt vor sich hin faulen konnte. Auch im Turm gilt es, die Stuckdecken zu erhalten. Die Arbeiten waren 2013 noch im Gange und sind es anscheinend aktuell immer noch. Die Denkmalstiftung Baden-Württemberg wählte das Gaildorfer Schloß zum Denkmal des Monats Januar 2006, um auf die Renovierung und den Bedarf an Mitteln aufmerksam zu machen. Genutzt wird das seit 1985 in Staatsbesitz befindliche Schloß vom Museum, von Vereinen; dazu nutzen Künstler die Räume als Atelier, Kammermusikabende sowie Open-Air-Kino sorgen für Belebung der Räume und des Innenhofes.

 

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.0007211,9.7704056,19z - https://www.google.de/maps/@49.0008412,9.7706102,175m/data=!3m1!1e3
Schenken von Limpurg auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schenken_von_Limpurg
Gerd Wunder, Max Schefold, Herta Beutter: Die Schenken von Limpurg und ihr Land, Forschungen aus Württembergisch Franken, Band 20, Sigmaringen 1982, ISBN 3-7995-7619-3
Steffen Hinderer: Die Schenken von Limpurg:
https://adw-goe.de/fileadmin/dokumente/forschungsprojekte/resikom/pdfs/HBIV/A_B_C_Limpurg.pdf
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Ort auf Leo-BW:
https://www.leo-bw.de/detail-gis/-/Detail/details/ORT/labw_ortslexikon/2903/Gaildorf+%5BAltgemeinde-Teilort%5D
Ortslexikon BW:
https://www.leo-bw.de/web/guest/detail-gis/-/Detail/details/ORT/labw_ortslexikon/2896/Gaildorf
Oberamtsbeschreibungen:
https://de.wikisource.org/wiki/Beschreibung_des_Oberamts_Gaildorf/Kapitel_B_1
Gaildorf auf Burgenarchiv:
https://burgenarchiv.de/burg_gaildorf_in_baden-wuerttemberg
Altes Schloß:
https://www.gaildorf.de/de/stadtinfo/stadtinfo-geschichte/stadtgeschichte/altes-schloss/
Schenkenbecher:
https://www.gaildorf.de/de/stadtinfo/stadtinfo-geschichte/stadtgeschichte/schenkenbecher/
Zeittafel:
https://www.gaildorf.de/de/stadtinfo/stadtinfo-geschichte/stadtgeschichte/zeittafel-bis-1800/
Altes Schloß Gaildorf:
https://www.gaildorf.de/de/tourismus/sehenswuerdigkeiten/tour-durch-gaildorf/altes-schloss/
Altes Schloß auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Altes_Schloss_(Gaildorf)
Museum im Alten Schloß:
https://www.gaildorf.de/de/tourismus/museen-im-alten-schloss/stadtmuseum/
Heike Krause: Die Preußen verlassen Gaildorf - Artikel vom 8.2.2014 auf SWP:
https://www.swp.de/suedwesten/staedte/gaildorf/die-preussen-verlassen-gaildorf-17557673.html
Denkmalstiftung Baden-Württemberg:
https://denkmalstiftung-baden-wuerttemberg.de/das-alte-schloss-in-gaildorf-landkreis-schwaebisch-hall-ist-denkmal-des-monats-januar-2006/
Wolfgang Willig, Landadel-Schlösser in Baden-Württemberg, eine kulturhistorische Spurensuche, 1. Auflage 2010, ISBN 978-3-9813887-0-1, S. 161-162

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