Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2386
Dermbach / Rhön (Wartburgkreis)

Die katholische Kirche St. Peter und Paul in Dermbach

Im Norden des Ortes Dermbach beherrscht eine barocke Baugruppe aus Kloster, Klosterkirche und Schloß das städtebauliche Bild: Westlich der Geisaer Straße bildet die schlanke Einturmfassade der ehemaligen Klosterkirche den architektonischen Gegenpol zum Schloß gegenüber jenseits der Straße. Hier geistliches, dort weltliches Zentrum, hier schlanke, himmelstrebende Architektur, dort breitgelagerte, zweistöckige Architektur - beide Teile des Ensembles sind aufeinander bezogen und steigern ihre gemeinsame Wirkung, indem die eine Seite der architektonische Kontrapunkt der anderen Seite ist. Vor allem symbolisiert diese Baugruppe die Macht und Präsenz des katholischen Landesherrn in einem Ort, der unter den Hennebergern 1524 evangelisch geworden war, und sollte Symbol der Rekatholisierung sein.

Bereits vor der Errichtung der Kirche hatte sich 1716 der aus Erfurt gekommene Franziskanermönch Paulus Wolf in Dermbach niedergelassen. Nach dem Wunsch von Fürstabt Konstantin von Buttlar sollte er im evangelischen Dermbach die Kuratie über die Katholiken im Amt Fischberg übernehmen. Am 15.5.1730 wurde die Errichtung eines entsprechenden Klosters beschlossen, ein bewußt gegenreformatorischer Akt der Fuldaer Fürstäbte. Das Franziskanerkloster wurde unter Fürstabt Adolph von Dalberg erbaut, nachdem das Amt Fischberg bzw. Dermbach erneut dem Stift Fulda zugesprochen worden war. Der Fürstabt war am 30.6.1730 persönlich vor Ort, um die Lage der Kirche und des Klosters in Bezug auf sein Schloß zu besprechen. Die Grundsteinlegung erfolgte am 30.9.1730 durch Wilhelm von Harstall, Propst in Zella, und Friedrich von Hanxleben, fürstäbtlicher Oberjägermeister.

Die schlichten, wohlproportionierten Gebäude ohne hervorhebenswerten Bauschmuck liegen südlich der Kirche. 1731-1735 wurde die Klosterkirche errichtet, die heutige katholische Pfarrkirche St. Peter und Paul. Bevor die Kirche fertig wurde, nutzten die Mönche eine im gegenüberliegenden Schloß eingerichtete Kapelle, genau wie die katholische Minderheit des Ortes. Auch die Klosterkirche sollte eine doppelte Funktion haben und auch als Pfarrkirche genutzt werden. Am 17.8.1735 wurden beide, Kloster und Kirche, von Amand von Buseck geweiht, der damals noch Weihbischof und Propst von Neuenberg war und erst später selbst Fürstabt werden sollte. Stilistisch ist die Dermbacher Klosterkirche mit den jeweiligen Kirchen von Zella, Bremen und Schleid eng verwandt; der Baumeister der spätbarocken Dermbacher Saalkirche ist ebenfalls der italienische Architekt Andrea(s) Gallasini, Fuldaer Bauinspektor und Hofarchitekt. Das bedeutet aber im wesentlichen, daß der Entwurf von ihm stammt. Er selbst war selten vor Ort, belegt sind eigentlich nur vier Tage im Jahr 1735, als er vermutlich die abschließende Abrechnung mit den Handwerkern machte. Vor Ort war der verantwortliche Maurermeister vermutlich Matthias Böhm. Am 17.8.1735 wurde die Kirche durch Weihbischof Amand von Buseck geweiht.

Der schlichte zweigeschossige Konventbau wurde ab 1732 errichtet. Am 13.6.1734 wurde die Dermbacher Franziskaner-Niederlassung zum Konvent erhoben. Der erste Leiter war der bisherige Präses Werner Büttner.

Die nach Osten gerichtete Schaufront der Klosterkirche wird durch vier mächtige, bis zum Hauptgesims aufsteigende Pilaster gegliedert. Über die ganze Breite der Front erhebt sich darüber eine Giebelmauer, deren schräge Seiten in einem großen Volutenelement enden, während das Mittelstück den dreieckigen Giebel trägt, der dem nach oben fortgesetzten mittleren Pilasterpaar aufsitzt. Weiße Putzflächen wechseln mit den Gliederungselementen aus rötlichem Sandstein ab. Der Turm, eine verschieferte Holzkonstruktion, erhebt sich mittig über dieser Giebelfront, ohne jedoch Anschluß an deren architektonische Kraft zu erlangen. Das ist ein gestalterischer Bruch: Die Fassade schöpft aus dem italienisch beeinflußten Formenschatz großartiger Barockarchitektur, während die Turmspitze ein wenig aufregendes, landesübliches Modell mit geschweifter Kuppel, Laterne und schlanker Pyramidenspitze auf oktogonalem Grundriß darstellt.

Der Segmentbogengiebel über dem Hauptportal ist durchbrochen; die Profile rollen sich an den Enden schneckenförmig ein. Im dadurch freiwerdenden Raum ist der große fürstäbtliche Wappenstein angebracht, eine mit eisernen Stangen befestigte und nach außen zum Betrachter hin geneigte Sandsteinreliefplatte. Darüber befindet sich eine halbrund geschlossene Statuennische mit einer Darstellung des hl. Franz von Assisi mit Kruzifix in der Linken. In der zweiten Reihe weiter oben befinden sich drei riesige Statuen in Rundbogennischen, Christus zwischen Maria links und Joseph rechts (heilige Familie). Die Vielzahl der Figurennischen erklärt sich aus der Doppelfunktion als Pfarr- und Klosterkirche und entsprechend vielen Patrozinien. Das Kranzgesims ist über der mittleren Figur im syrischen Bogen nach oben gezogen. Die Langhauswände, von denen nur die nördliche Wand frei liegt, während die südliche durch das Klostergebäude verdeckt wird, sind durch schlichte, flache Lisenen in fünf Felder unterteilt, jedes mit hohem Rundbogenfenster und Blendokulus darüber. Diese Kombination aus großem Rundbogenfenster und darüberliegendem Ochsenauge läßt sich häufig an Gallasinis Bauten finden. Der polygonale Chor besitzt Eckpilaster.

 

Die Inschrift auf der keilförmigen, im Stile eines Schlußsteines gestalteten Mittelpartie des Hauptportalsturzes lautet: "DEO TER OPTIMO MAXIMO SACRISq(ue) X(RIS)TI v. VULNERIBUS DEDICATA *NONA HAEC IN PATRIA FVNDITVS ERECTA SVB SEXTO ANNO REGIMINIS* REV(EREN)Di(ssimi) et CEL(sissi)mi PRINCIPIS ac D(OMI)NI D(OMINI) ADOLPHI EX PERILLVSTRI et ANTIQVISSIMA FAMILIA CAMERARIOR(VM) De WORMAT(IA) LL(IBERIS) BB(ARONIS) DE DALBERG INC(L)YTAE ET IMMEDIATAE ECCLESIAE FVLDENSIS ABBATIS S(ACRI) ROM(ANI) IMPERII PRINCIPIS D(IVAE) AUGVSTAE ARCHICANCELLARII PER GERM(ANIAM) ET GALLIam PRIMATIS *COELESTI PSALMODIAE INAVGVRATA VIATORI SE EXHIBET* SPECTANDA ECCLESIA 1731" - dem höchsten und besten dreifaltigen Gott und den fünf heiligen Wunden Christi geweiht, wurde diese Kirche als neunte in der Heimat von Grund auf errichtet im sechsten Jahr der Regierung des hochwürdigsten und durchlauchtigsten Fürsten und Herrn, des Herrn Adolph aus der sehr angesehenen und sehr alten Familie der Kämmerer von Worms Freiherren von Dalberg, Abt der glorreichen und (reichs)unmittelbaren Fuldaer Kirche, Fürst des Heiligen Römischen Reiches, der erhabenen Kaiserin Erzkanzler, Primas für Germanien und Gallien; sie wurde mit himmlischen Psalmengesängen eingeweiht und steht dem Wanderer zum Anblick 1731.

Diese Inschrift enthält zusätzlich zur angegebenen Jahreszahl 1731 zwei jeweils am Anfang und am Ende mit Sternchen abgesetzte Chronogramme mit durch ihre Größe hervorgehobenen Zahlzeichen, die dasselbe Baujahr ergeben. Die vierte bis sechste Zeile lautet "*NONA HAEC IN PATRIA FVNDITVS ERECTA SVB SEXTO ANNO REGIMINIS*" und ergibt C + I + I + V + D + I + V + C + V + X + I + M + I + I = 100 + 1 + 1 + 5 + 500 + 1 + 5 + 100 + 5 + 10 + 1 + 1000 + 1 + 1 = 1731. Die siebzehnte bis neunzehnte Zeile lautet: "*COELESTI PSALMODIAE INAVGVRATA VIATORI SE EXHIBET*" und ergibt C + L + I + L + M + D + I + I + V + V + V + I + I + X + I = 100 + 50 + 1 + 50 + 1000 + 500 + 1 + 1 + 5 + 5 + 5 + 1 + 1 + 10 + 1 = 1731.

 

Der Fuldaer Fürstabt Anton Adolph Kämmerer von Worms gen. von Dalberg (29.5.1678-3.11.1737) führt sein Wappen geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: unter einem goldenen, mit drei Spitzen abgeteilten Schildhaupt in Blau sechs (3:2:1) silberne Lilien, Stammwappen der Kämmerer von Worms, Feld 2 und 3: in Gold ein schwarzes Ankerkreuz, Stammwappen der von Dalberg, Herzschild: in Silber ein schwarzes durchgehendes Kreuz, Fürstabtei Fulda. Die Lebensgeschichte dieses Fürstabtes wird ausführlich im Kapitel zu St. Georg in Eiterfeld besprochen.

Das Oberwappen besteht aus insgesamt fünf gekrönten Helmen, von denen die drei mittleren Helme unter der Krone jeweils ein rotes, golden bequastetes Kissen tragen, Helm 1 (Mitte): auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken ein aufrechtes schwarzes Kreuz, Hochstift Fulda, Helm 2 (innen rechts): auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken eine silberne, golden verzierte Bischofsmütze, aus der noch zwei Fähnchen schräg herausragen, Fürstabtei Fulda, Helm 3 (innen links): auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken ein Fürstenhut, mit goldenen Bügeln, rot gefüttert und hermelingestulpt, Helm 4 (außen rechts): auf dem Helm mit blau-goldenen Decken ein Flug, unter einem mit drei Spitzen abgeteilten goldenen Haupt in Blau sechs (3:2:1) silberne Lilien, Stammkleinod der Kämmerer von Worms, Helm 5 (außen links): auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken ein goldener Flug, beiderseits belegt mit jeweils einem schwarzen Ankerkreuz, Stammkleinod der von Dalberg. Weit außen seitlich neben dem Schild, außen neben den äußersten Helmen, ragen rechts der Krummstab und links das gestürzte Schwert hervor. Die ganze Komposition wird ummantelt von einem aus einem Fürstenhut herabfallenden, beiderseits mit Bändern hochgerafften, roten, hermelingefütterten Wappenmantel. In dieser Form handelt es sich um das aufwendigste Wappen, das dieser Fürstabt führte.

Abb.: Wappenstein am Chorscheitelbogen, von der Eingangstür der Kirche aus gesehen.

Im Innern der Kirche ist ein weiteres Wappen dieses Fürstabtes am Chorscheitelbogen zu sehen. Es folgt dem beschriebenen Aufbau; lediglich der Verzicht auf Helmdecken läßt das Oberwappen ungewöhnlich kahl und leer erscheinen. Das Wappen ist farbig gefaßt, jedoch mit Fehlern: Die Lilien in Feld 1 und 4 sowie im Kleinod des Helmes 4 (rechts außen) müssen silbern sein, nicht golden. Das weiße Absetzen der Trennlinien zwischen den Feldern und des Zackenschildhauptes entbehrt jeder Grundlage. Der Flug auf Helm 5 (links außen) muß natürlich wie das zugehörige Feld auch eine goldene Grundfarbe haben, nicht Blau. Weiterhin sind die Fähnchen auf Helm 2 (innen rechts) nicht korrekt bemalt.

Der Ort Dermbach wurde 1813 von den sich zurückziehenden französischen Truppen ausgeplündert. 1815 wurde Dermbach kurzfristig preußisch, kam aber dann wieder zu Sachsen-Weimar-Eisenach. 1818 wurde nach der im selben Jahr verfügten Aufhebung des Franziskanerklosters im Klostergebäude eine katholische Schule mit Wohnungen für Lehrer, Pfarrer und Kantor eingerichtet. Die restlichen Franziskanermönche kamen in das Kloster Frauenberg in Fulda. Während des preußisch-deutschen Krieges in der Rhön (Gefecht am 4.7.1866 bei Dermbach, Roßdorf und Zella zwischen Preußen und Bayern) diente das Klostergebäude als Lazarett.

Heute ist in dem Klostergebäude das katholische Pfarramt untergebracht, denn sowohl die Kirche als auch das Klostergebäude sind seit 1996 wieder kirchliches Eigentum. Die Kirche wurde 1964-1972 renoviert, wobei die unpassenden Ergänzungen im Inneren und die Ausmalung vom Ende des 19. Jh. entfernt wurden. Eine weitere Kirchenrenovierung fand 2012-2013 statt; dabei wurden alle Figuren gereinigt und neu gefaßt, die Orgel saniert, die Kirchenbänke überarbeitet und eine neue Lichtanlage sowie eine Elektroheizung unter den Kirchenbänken eingebaut.

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere Band Bistümer und Klöster
Die Wappen der Hochstifte, Bistümer und Diözesanbischöfe im Heiligen Römischen Reich 1648-1803, hrsg. von Erwin Gatz, von Clemens Brodkorb, Reinhard Heydenreuter und Heribert Staufer, Schnell & Steiner Verlag 2007, ISBN 978-3-7954-1637-9
Adolph von Dalberg:
https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_von_Dalberg
Stefan Alles (bearbeitet von Simon-A. Göllner): Adolph von Dalberg, in den Hessischen Biographien
http://www.lagis-hessen.de/pnd/11887862X
Josef Leinweber: Die Fuldaer Äbte und Bischöfe, Festgabe des Bistums Fulda für Bischof Eduard Schick zum Diamantenen Priesterjubiläum, Frankfurt am Main 1989, S. 146-151, 156-158, 163 u. 193 f.
Adolph Freiherr von Dalberg
http://www.adolphiana.de/index.php?id=510
Georg Voss, Paul Lehfeldt: Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens, Heft XXXVII, Großherzogthum Sachsen-Weimar-Eisenach: Verwaltungsbezirk Dermbach: Amtsgerichtsbezirke Vacha, Geisa, Stadtlengsfeld, Kaltennordheim und Ostheim v. d. Rhön, Verlag von Gustav Fischer, Jena, 1911, S. 140-159, insbesondere
http://digitalesammlungen.uni-weimar.de/viewer/image/PPN63256699X/233/ - http://digitalesammlungen.uni-weimar.de/viewer/image/PPN63256699X/234/ - http://digitalesammlungen.uni-weimar.de/viewer/image/PPN63256699X/235/ etc.
Chronik Dermbach:
http://www.dermbach.info/plaintext/gemeinde/chronik/index.php
Adalbert Schröter: Land an der Straße. Die Geschichte der katholischen Pfarreien in der thüringischen Rhön. St. Benno Verlag, Leipzig 1989, ISBN 3-7462-0430-5, S. 77-80.
Bruno Kühn: Die Geschichte des Amtsbezirks Dermbach. In: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Alterthumskunde. Band 1, 1854, ISSN 0943-9846, S. 249-296.
Pfarrgemeinde St. Peter und Paul Dermbach:
http://www.peter-und-paul-dermbach.de/
St. Peter und Paul Dermbach
https://de.wikipedia.org/wiki/St._Peter_und_Paul_(Dermbach)
Georg Dehio, bearbeitet von Stephanie Eißling, Franz Jäger und anderen Fachkollegen: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Thüringen. Deutscher Kunstverlag, 2003, ISBN 3-422-03095-6
Renovierung:
http://www.dermbach.info/veranstaltungen/katholischer-pfarrbrief/index.php
http://www.thueringen.info/dermbach-rhoen-katholische-kir.html
Kirche in Dermbach:
http://www.rhoen.info/lexikon/staetten/Katholische_Pfarrkirche_St._Petrus_und_Paulus_%28Zu_den_Hl._F%9Fnf_Wunden%29%2C_ehem._Franziskanerklosterkir_9377361.html
Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler Thüringen, München 1998.     
Lieselotte und Wolfgang Swietek: Dorfkirchen in Thüringen, Kleine Thüringen-Bibliothek, Erfurt 1992.     
Peter Mötzing, Dieter Möller: Dermbach, Fulda 1992.
Burghard Preusler: Kirchliche Denkmalpflege im Bistum Fulda, Jahresbericht 2003, darin ein Artikel zur Renovierung der katholischen Pfarrkirche
Volker Rößner, Sabine Wagner, Sabine Fechter: Andrea(s) Gallasini 1681-1766: Vom Stuckateur zum fürstlichen Baumeister in Fulda, 320 S., Verlag Michael Imhof Verlag, 2018, ISBN-10: 3731907178, ISBN-13: 978-3731907176, S. 176-179

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