Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2370
Empfertshausen (Wartburgkreis, Thüringen)

evangelische Pfarrkirche Empfertshausen

Die Pfarrkirche in Empfertshausen ist ein schlichter barocker Steinbau mit drei Langhausfenstern mit schlichten, verkröpften Umrahmungen und zwei Portalen auf der Südseite, deren Gewände neben dem Wappenstein den einzigen Bauschmuck darstellen. Im Osten trägt ein kleiner Dachreiter des Jahres 1776 mit Laterne und geschweifter Haube den Glockenstuhl. Die Besonderheit dieser Kirche ist die Tatsache, daß ein katholischer Fürstabt den Protestanten ein Gotteshaus stiftete, das sich äußerlich nicht von katholischen Kirchen unterscheidet. Nicolaus Dietrich, Pfarrer im Amt Fischberg, wechselte 1544 zum protestantischen Glauben über. Der Fuldaer Fürstabt Balthasar von Dernbach versuchte um 1570 eine Rekatholisierung, was zu Spannungen führte. Das Amt Fischbach fiel zeitweise nach dem Dreißigjährigen Krieg an das Herzogtum Sachsen. 1707 kam das Amt zurück an Fulda. Erneut versuchte man die Rekatholisierung. Stützpunkte für diesen beabsichtigten Prozeß waren die nahe Propstei in Zella und das Franziskanerkloster in Dermbach. Auch das war vergebens, das Volk im Ort blieb protestantisch. Also baute der Landesherr hier eine Kirche für die Protestanten.

1983-1984 fand eine Innenrenovierung statt. Im Jahr 1992 wurde das Dach neu mit anthrazitfarbenen Ziegeln eingedeckt; ferner wurde 2001 der Dachreiter neu verschiefert. Knopf und Wetterfahne des Dachreiters wurden 1999 erneuert. Die westliche Giebelseite wurde 2001 neu verputzt. Mehrere zweigeschossige Emporen strukturieren den Innenraum in der Vertikalen. Innen ist eine Markert-Orgel aus Ostheim zu sehen. Seit dem 1.7.1999 sind die zum evangelisch-lutherischen Kirchenkreis Bad Salzungen - Dermbach gehörenden Kirchspiele Neidhartshausen, Brunnhartshausen, Zella, Empfertshausen und Andenhausen zusammengelegt; der Hauptsitz ist Empfertshausen.

Über der rechten Tür unter dem mittleren Langhausfenster ist ein Wappenstein des Bauherrn angebracht. Die unterste Zone enthält die Inschrift: "D(EI) G(RATIA) CONSTANTINUS S(ACRI) I(MPERII) R(OMANI) PRINCEPS ET ABBAS FULDENSIS DIVAE AUGUSTAE ARCHICANCELLARIUS PER GERMAN(IAM) ET GALL(IAM) (ABBATUM) PRIMAS DUM FOELIX PIUS ET INCLYTUS EST ANTISTES HAEC ERECTAE SUNT AEDES MDCCXIX" - Als Constantin von Gotten Gnaden Fürst des Heiligen Römischen Reiches und Abt von Fulda, Erzkanzler der erlauchten Kaiserin und Primas von Germanien und Gallien, der glückliche, fromme und berühmte Kirchenfürst war, sind diese Gebäude errichtet worden 1719. Der Zustand der Inschrift ist nach der letzten Restaurierung irreführend, weil sich die Bemalung teilweise nicht an die eingegrabenen Buchstaben hält: So wurde "DIVAE" als "DILCAE" gemalt, "GALL" wurde zu "SAN" ergänzt, beides Mal trotz deutlich vorhandener Originalbuchstaben, die man noch unter der falschen schwarzen Schrift sehen kann, "INCLYTUS" wurde zu "INGLUTUS", "CANCELLARIUS" wurde zu "CANCENARIUS", und der Teil "DUM FOELIX" wurde gar nicht erkannt und nachgezogen, ebensowenig wie der Teil "HAEC ERECTAE", wodurch der Sinn des Kontextes verloren geht. Das Portalgewände und der schräg aufgehängte Wappenstein bröckeln und bedürfen dringend einer Renovierung, bei der hoffentlich auch die Inschrift wieder korrekt lesbar gemacht wird.

Mit der Inschrift wird die Kirche auf das Jahr 1719 datiert. Ein zweites Mal findet sich diese Jahreszahl übrigens auf der Wetterfahne auf dem Dachreiter. Interessant ist die Titulatur als Erzkanzler der Kaiserin. Genau wie der Kaiser hatte die Kaiserin Erzämter zu vergeben: Der Fürstabt von Fulda war ihr Erzkanzler, der Fürstabt von Kempten ihr Erzmarschall, und der Abt von St. Maximin in Trier war ihr Erzkaplan. Das war eine ritualisierte Höflichkeit und ohne Einfluß auf die Reichspolitik. Ungleich wichtiger war der Erzkanzler des Reichs, das war der Kurfürst von Mainz. Als Erzkanzler der Kaiserin durfte man bei Hof- und Reichstagen unmittelbar zur Linken des Kaisers Platz nehmen, und man durfte der Kaiserin beim An- und Ablegen des vollen Ornats, etwa bei Krönungen oder anderen hochoffiziellen Anlässen, beim Auf- und Absetzen der Krone assistieren und die Krone halten. Das Privileg galt als alt, aber umstritten. Klarheit wurde geschaffen, als das Privileg in der Goldenen Bulle 1356 verbrieft wurde. Der Fürstabt Heinrich VII. von Craluc (von Kranlucken) weilte für längere Zeit am kaiserlichen Hof und konnte dem Kaiser einige Privilegien abluchsen. Einige dieser Privilegien waren gut für das Image, ohne wirklich etwas bewirken zu können, so auch das 1360 erhaltene Recht des Fuldaer Fürstabtes, dem kaiserlichen Heer das Reichsbanner vorantragen zu dürfen.

Das Wappen des Fuldaer Fürstabtes Konstantin von Buttlar (regierte 1714-1726) ist geviert, Feld 1 und 4: in Silber ein schwarzes, durchgehendes Kreuz, Fürstabtei Fulda, Feld 2 und 3: in Rot eine silberne Butte mit goldenen Reifen und links zwei goldenen Tragbändern, Stammwappen der von Buttlar.

Das Wappen wird mit drei Helmen geführt, Helm 1 (Mitte): auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken auf einem roten Kissen in einer Laubkrone ein stehendes schwarzes Kreuz, Fürstabtei Fulda, Helm 2 (rechts): auf dem gekrönten Helm mit schwarz-silbernen Decken eine Bischofsmütze, aus der noch zwei Fähnchen schräg herausragen, jedes Fähnchen gespalten, vorne in Rot ein grüner Lilienstock mit drei silbernen Blüten und hinten in Gold ein halber schwarzer Adler am Spalt, Fürstabtei Fulda, Helm 3 (links): auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken ein Jagdhorn mit Band, dessen Farben als golden oder rot beschrieben werden und dessen Mundloch mit drei rot-silbern-rot tingierten Straußenfedern besteckt ist, Stammkleinod der von Buttlar. Hinter dem Schild stecken außen das gestürzte Schwert links und der Krummstab rechts.

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher
Josef Leinweber: Die Fuldaer Äbte und Bischöfe, Knecht Verlag Frankfurt am Main, 1989, ISBN 3-7820-0585-6, S. 144-147
Die Wappen der Hochstifte, Bistümer und Diözesanbischöfe im Heiligen Römischen Reich 1648-1803, hrsg. von Erwin Gatz, von Clemens Brodkorb, Reinhard Heydenreuter und Heribert Staufer, Schnell & Steiner Verlag 2007, ISBN 978-3-7954-1637-9
Heinrich von Kranlucken:
https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_VII._von_Kranlucken
Josef Rübsam: Der Abt von Fulda als Erzkanzler der Kaiserin, in: Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde Bd. 20 (1883) S. 1-16 -
http://fuldig.hs-fulda.de/viewer/resolver?urn=urn:nbn:de:hebis:66:fuldig-1176021
Konstantin von Buttlar:
https://de.wikipedia.org/wiki/Konstantin_von_Buttlar
Konstantin von Buttlar: Hessische Biographien
http://www.lagis-hessen.de/pnd/118977717
Empfertshausen:
http://salzungen.elkth-online.de:8001/portal/kirche/empfertshausen/?close=1
Kirchenkreis Bad Salzungen - Dermbach:
http://www.kirchenkreis-bad-salzungen-dermbach.de/
Georg Voss, Paul Lehfeldt: Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens, Heft XXXVII, Großherzogthum Sachsen-Weimar-Eisenach: Verwaltungsbezirk Dermbach: Amtsgerichtsbezirke Vacha, Geisa, Stadtlengsfeld, Kaltennordheim und Ostheim v. d. Rhön, Verlag von Gustav Fischer, Jena, 1911, S. 190,
http://digitalesammlungen.uni-weimar.de/viewer/image/PPN63256699X/1/ - http://goobipr2.uni-weimar.de/viewer/resolver?urn=urn:nbn:de:gbv:wim2-g-2484283 - http://digitalesammlungen.uni-weimar.de/viewer/content/?action=pdf&metsFile=PPN63256699X.xml&targetFileName=PPN63256699X.pdf
Michael Imhof, Burghard Preusler, Gregor Stasch: Barockkirchen in Fulda und im Fuldaer Land mit dem Geisaer Amt, Dermbach, Hammelburg und Hünfelder Land, mit einem Beitrag von Gerd Weiß, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2020, 496 S., ISBN-10: 3731908050, ISBN-13: 978-3731908050, S. 218

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