Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 2348
Lahrbach (zu Tann, Rhön, Landkreis Fulda)
kath. Pfarrkirche St. Johannes der Täufer in Lahrbach
Bei der katholischen Pfarrkirche St. Johannes der Täufer in Lahrbach, heute in die Stadt Tann eingemeindet, handelt es sich um eine ehemalige Wehrkirche, deren Wurzeln mindestens in das 15. Jh. reichen. Evtl. existierte hier noch früher schon eine Kirche, ehe der alte Ort im 15. Jh. zeitweise zu einer Wüstung wurde, bevor er kurz vor der Wende zum 16. Jh. neu besiedelt wurde. Reste der ehemaligen Kirchhofsbefestigung sind noch vorhanden; die Friedhofsmauer war früher wesentlich höher als heute. Der älteste Teil des Kirchenbaus ist der dreigeschossige Turm, dessen unterer Teil noch von 1523 stammt; die Datierung ist am südlichen Turmgesims angebracht. Früher war er mit Schießscharten versehen. Es handelt sich um eine Chorturmkirche, denn der Altarraum liegt im kreuzgratgewölbten Erdgeschoß des Turmes. Die beiden unteren Turmgeschosse sind aus Stein aufgeführt; das dritte Geschoß besteht aus verputztem Fachwerk. Der Taufstein im Kircheninneren ist auf 1552 datiert. Man kann eine Gründung wohl zu spätromanisch-frühgotischer Zeit im 13. Jh. nur vermuten; gesichert ist eine weitgehende nachgotische Erneuerung im frühen 16. Jh., typisch für die im Zuge der Visitationen durch Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn veranlaßten Erneuerungen der Dorfkirchen im Hochstift Würzburg.
Unter Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn, der aus seiner eigenen Schatulle 40 fl. dazu spendierte, .entstand in den Jahren 1607-1616 ein neuer Kirchenbau in dem bis zum Jahre 1802 zum würzburgischen Amt Auersberg gehörenden Ort. Der unter Bewahrung des alten Turmes entstandene Neubau ist im Stile der sog. Echtergotik gehalten: Spitzbogenfenster und das Maßwerk mit Fischblasen zitieren gotische Formen in der Renaissancezeit. Ebenso typisch für die Echter-Kirchen ist die große Tafel über dem Südeingang mit dem fürstbischöflichen Wappen und einer ausführlichen Bauinschrift. Am 17.9.1618 erfolgte die Kirchenweihe. Lahrbach wurde erst 1793 selbständige Pfarrei; von 1609 bis 1793 gehörte es zur Pfarrei Simmershausen, und vor 1609 gehörte es zur Pfarrei Hilders. Im Barock gab es einige Veränderungen im Kircheninneren, so wurden neue Seitenaltäre im Stil der Zeit eingebaut.
Der auf 1614 datierte Wappenstein trägt oben in der Mitte das Wappen des Landes- und Bauherrn, des Würzburger Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn (reg. 1573-1617). Sein Wappen ist geviert: Feld 1: "Fränkischer Rechen" = von Rot und Silber mit drei aufsteigenden Spitzen geteilt, Herzogtum zu Franken, Feld 2 und 3: in Blau ein silberner Schrägbalken, belegt mit drei blauen Ringen, Stammwappen der Echter von Mespelbrunn, Feld 4: "Rennfähnlein" = in Blau eine rot-silbern gevierte, an den beiden senkrechten Seiten je zweimal eingekerbte, schräggestellte Standarte mit goldenem Schaft, Hochstift Würzburg. Über dieser großen Platte ist noch ein kleinerer Stein mit der Jahreszahl 1608 angebracht, und zwischen den Ziffernpaaren ist noch einmal ein kleiner, eher nachlässig gearbeiteter Wappenschild des Fürstbischofs zu sehen.
Die Bauinschrift lautet: "Bischoff Julius sein getrew Undertha(n) / Bringt wieder zur wahren Religion / Dacht wie er schafft des Nützens mehr / Baut diese Kirch(e) zu Gotter Ehr(e) / Zur Seelen Heil der trewe(n) Herdt(e) / Darfür er nur den danck bege(h)rt / Das(s) wie es wo(h)l angefangen sey / Also auch bleib(e) geschützt darbey". Wie so viele Bauinschriften dieses Fürstbischofs thematisiert auch diese seine Bemühungen um Rekatholisierung und Gegenreformation, und die Untertanen wurden im Gegenzug für ihr "richtiges" Verhalten mit Bauten beglückt. Die Stelle mit dem Dank und dem Schutz ist als Wunsch nach Bestandsschutz zu sehen, denn die Herren von der Tann, die ihrer eigenen Pfarrei eine lutherische Kirchenordnung gegeben hatten, versuchten aufgrund der Tatsache, daß sie auch Lehen im Dorf besaßen, ihren Einfluß auf Lahrbach auszudehnen, obwohl der Ort eindeutig zum Hochstift Würzburg gehörte. Deshalb ist die Tafel nicht nur ein Hinweis auf die aus Bauherrensicht unanfechtbare Landeshoheit über den Ort, sondern birgt mit der "wahren Religion" eine besondere Spitze gegen die benachbarten Herren von der Tann. Lahrbach blieb bis heute weitgehend katholisch. Nachdem 1964 die neue Hauptkirche St. Elisabeth erbaut wurde, diente die Kirche St. Johannes der Täufer als Friedhofskirche.
Am Turm ist an der Nordostkante des ersten Obergeschosses über dem Gesims noch ein Allianzwappen angebracht, dessen genaue Zuordnung mangels weiterer Daten noch offen ist, Hinweise willkommen. Der rechte Schild besitzt zwei Seitenspitzen, möglicherweise auch eine Spaltung im Spitzenschnitt, der linke einen Balken mit uneindeutiger Feinstruktur, möglichwerweise den Herren von Thüngen zuzuordnen.
Literatur,
Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher,
insbesondere Band Bistümer
Kirche von Lahrbach: https://de.wikipedia.org/wiki/Lahrbach#Kirche
Lahrbach: http://www.rhoen.info/lexikon/orte/Lahrbach_6351969.html
Geschichte von Lahrbach: http://ffw-lahrbach.de/ffw-dateien/info/geschichte/lahrbach.htm
Julius Echter von Mespelbrunn: http://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Echter_von_Mespelbrunn
Peter Kolb: Die Wappen der Würzburger Fürstbischöfe.
Herausgegeben vom Bezirk Unterfranken, Freunde Mainfränkischer
Kunst und Geschichte e.V. und Würzburger
Diözesangeschichtsverein. Würzburg, 1974. 192 Seiten.
Turm: http://katalog.ub.uni-heidelberg.de/cgi-bin/titel.cgi?katkey=900259504
Michael Imhof, Burghard Preusler, Gregor Stasch: Barockkirchen in
Fulda und im Fuldaer Land mit dem Geisaer Amt, Dermbach,
Hammelburg und Hünfelder Land, mit einem Beitrag von Gerd Weiß,
Michael Imhof Verlag, Petersberg 2020, 496 S., ISBN-10:
3731908050, ISBN-13: 978-3731908050, S. 26-29
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