Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 2231
Bruneck (Brunico, Italien, Provinz Bozen, Region
Trentino-Südtirol)
Amtshaus des Klosters Neustift
Dieses langgestreckte, zweistöckige Haus, das schon bald nach der Gründung der Stadt Bruneck erbaut wurde, steht in der Stadtgasse 63 und war der Amtshof des nördlich von Brixen gelegenen Klosters Neustift (casa administrativa dell'Abbazia di Novacella), in dessen Besitz es bis ins 18. Jh. blieb. Das hohe Alter des modernisierten Gebäudes, das auf Mauern aus der Gründungszeit der Stadt basiert und teilweise noch originale Fensteröffnungen besitzt, erkennt man auch an den Gewölben im Inneren, vor allem in der Eingangshalle mit einem Sterngratgewölbe. Andere Innenräume besitzen Tonnengewölbe oder Kreuzgratgewölbe. An der Fassade des Klosterhofes befinden sich insgesamt fünf Wappen, ein älteres als Steinrelief über dem Rundbogenportal und vier jüngere in Form von Wandmalereien zwischen den Fenstern des Obergeschosses. Einst waren es sogar fünf Malereien, doch die zweite von optisch links ist zerstört. Nach der Aufgabe des Hauses seitens des Klosters diente es als k. k. Rentamt, dann als Magistratsgebäude, gegen Ende des 19. Jh. als Kaserne, zuletzt zogen die städtischen Versorgungswerke (Wasserwerk, Elektrizitätswerk) ein. Ab 2007 wurde das Haus für ca. 5 Mio. Euro renoviert und modernisiert und beherbergt seitdem Schulräume der Tourismus-Management-Fakultät der Freien Universität Bozen.
Der älteste Wappenbeleg ist ein direkt über der Tür eingelassenes steinernes Relief mit der Jahresangabe MDXLVII = 1547 und der Inschrift "VIVAT FELIX NOVACELLA" - es lebe das glückliche Neustift. Die Buchstabenligaturen HP NP stehen für Hieronymus Piesendorfer Novacellae Praepositus. Hieronymus I. Piesendorfer war 1542-1561 der 34. Propst von Kloster Neustift. Er stammte aus Sterzing. Er war der erste Propst, der mit dem Tragen der Pontifikalien begann, und er ließ sich das Recht dazu auf dem Konzil in Basel bestätigen. Er starb am 1.9.1561 im Kloster Neustift. Das Wappen ist geviert, Feld 1: in Rot ein goldenes Antoniuskreuz (Kloster Neustift), Feld 2 und 3: in Gold eine naturfarbene Gemse über eine Gruppe von mehreren naturfarbenen oder silbernen Felsen springend (persönliches Wappen des Propstes), Feld 4: rot-silbern mit vier Spitzen bzw. im Spitzenschnitt geteilt (ebenfalls zum Kloster Neustift gehörig). Die Angaben zur Tingierung beruhen auf einem Portraitgemälde im Kloster Neustift. Dieser Propst erbaute nicht nur diesen Amtshof neu, auch im Kloster Neustift gehen etliche Bauten auf ihn zurück. Sein Wappen ist das einzige aus Stein an der Fassade des Amtshofes. Nach ihm werden acht Pröpste übersprungen, und dann beginnt die Serie der Malereien.
Die Wandmalerei ganz links zeigt das Wappen von Augustinus IV. Pauernfeind, der 1707-1721 als 43. Propst von Neustift amtierte. Sein Amtsvorgänger hatte übrigens am 12.4.1668 den Ehrenrang und alle Privilegien eines Abbas Lateranensis erhalten, und seit diesem Jahr führten alle Pröpste von Neustift diesen Titel zusätzlich. Das Wappen ist geviert, Feld 1: in Rot ein goldenes Antoniuskreuz (Kloster Neustift), Feld 2 und 3: in Schwarz ein silberner Schräglinksbalken, oben und unten von je einem goldenen, sechszackigen Stern begleitet (persönliches Wappen des Propstes), Feld 4: rot-silbern mit einer halben und drei ganzen Spitzen bzw. im Spitzenschnitt geteilt (ebenfalls zum Kloster Neustift gehörig). Auf der Kartusche ruht eine Inful, schrägrechts dahinter ist der Krummstab zu sehen; schräglinks dahinter ein grüner Palmwedel. Die Wappenkartusche ist wie alle folgenden auch vor blauem Hintergrund dargestellt, der von einem grünen Laubkranz eingerahmt wird. Die Jahreszahl bezieht sich bei allen Malereien auf das Jahr des Amtsantrittes. Von diesem Propst können weitere Wappen am Kloster Neustift selbst gefunden werden.
Nun wird ein Propst übersprungen, denn anstelle einer Wappendarstellung für Alfons von Rost in Kelburg und Aufhofen, der aus St. Lorenzen stammte und 1721-1728 als 44. Propst von Neustift amtierte und am 22.5.1728 verstarb, sieht man an der entsprechenden Stelle an der Fassade nur bloßen Putz mit Löchern, so wie die kaputte Ecke im nächsten Fall. Sein Familienwappen Rost wäre geviert, Feld 1 und 4: in Rot ein nach innen gewendeter silberner Rüdenkopf mit schwarzem Halsband (Stammwappen), Feld 2 und 3: schräggeteilt von Silber und Schwarz mit einer von der Teilungslinie in das linke Obereck aufsteigenden schwarzen Spitze (Hungershausen).
Bis auf besagte Ecke erhalten ist jedoch die Malerei für den aus Meran stammenden Christoph II. von Pach, welcher 1728-1737 als 45. Propst von Neustift amtierte und am 18.10.1737 verstarb. Das Wappen ist geviert, Feld 1: in Rot ein goldenes Antoniuskreuz (Kloster Neustift), Feld 2 und 3: geviert mit Herzschild, Feld a und d: in Schwarz ein goldenes Adlerbein (Vogelbein), Feld b und c: in Blau eine silberne, schwarzgefugte Zinnenmauer, Herzschild: in Rot ein silberner Wellenschrägbalken (persönliches Wappen des Propstes), Feld 4: rot-silbern mit drei ganzen Spitzen und einer halben Spitze bzw. im Spitzenschnitt geteilt (ebenfalls zum Kloster Neustift gehörig). Auf der Kartusche ruht eine Inful, schrägrechts dahinter ist der Krummstab zu sehen; schräglinks dahinter ein grüner Palmwedel. Das Gemälde des Propstes in Kloster Neustift zeigt eine alternative Anordnung der Felder; es ist unter einem gespaltenen Schildhaupt, rechts das Antoniuskreuz, links die Spitzenteilung, geviert mit Herzschild mit den familiären Komponenten wie angegeben.
Die nächste Wappenmalerei zeigt das Wappen von dem aus Sterzing stammenden Antonius Steigenberger, der 1737-1767 als 46. Propst von Kloster Neustift amtierte Er starb am 8.4.1767. Das Wappen ist geviert, Feld 1: in Rot ein goldenes Antoniuskreuz (Kloster Neustift), Feld 2 und 3: in rot-silbern gespaltenem Feld ein Mann mit Kleidung und Hut in verwechselten Farben (persönliches Wappen des Propstes), Feld 4: rot-silbern mit einer halben und drei ganzen Spitzen bzw. im Spitzenschnitt geteilt (ebenfalls zum Kloster Neustift gehörig). Auf der Kartusche ruht eine Inful, schrägrechts dahinter ist der Krummstab zu sehen; schräglinks dahinter ein grüner Palmwedel. In der Gemäldegalerie der Pröpste im Kloster Neustift ist das Motiv deutlich klarer zu erkennen als hier am Amtshaus; das Ölbild stellt den Mann zusätzlich auf eine grüne Landschaft und gibt ihm einen Stab in die Linke.
Das letzte Wappen in der Reihe zwischen erstem und zweitem Fenster von rechts gehört zu Leopold I. von Zanna zu Königstein, der 1767-1787 als 47. Propst von Kloster Neustift amtierte. Auf ihn geht die Errichtung des Rokokosaales für die 1780 fertiggestellte Bibliothek in Neustift zurück. Das sehr komplexe Wappen ist geviert, Feld 1: in Rot ein goldenes Antoniuskreuz (Kloster Neustift), Feld 2 und 3: geviert mit Nabelschild, Feld a: in Silber ein roter Zinnenturm, Feld b: in Rot ein silberner Zinnenturm, darüber eine herabfliegende silberne Taube, auf der Spaltlinie zwischen a und b ein tatzenendiges Patriarchenkreuz in verwechselten Farben, Feld c und d jeweils silbern-rot gespalten mit einem tatzenendigen Patriarchenkreuz auf der Spaltlinie, in c über 3 (2:1) Vierpässen, in d über 3 (2:1) Lilien, alles in verwechselten Farben, auf der Nabelstelle ein rot-silbern schräggeteiltes Schildchen mit einem tatzenendigen Patriarchenkreuz schrägrechts auf der Spaltlinie in verwechselten Farben, oben und unten nach der Figur von je drei goldenen Kronen begleitet, die unteren gestürzt (persönliches Wappen des Propstes), Feld 4: rot-silbern mit einer halben und drei ganzen Spitzen bzw. im Spitzenschnitt geteilt (ebenfalls zum Kloster Neustift gehörig). Auf der Kartusche ruht eine Inful, schrägrechts dahinter ist der Krummstab zu sehen; schräglinks dahinter ein grüner Palmwedel. In der Gemäldegalerie der Pröpste im Kloster Neustift ist das Motiv deutlich klarer zu erkennen als hier am Amtshaus, auch wenn dort das reine Familienwappen dargestellt wird und die amtsbezogenen Komponenten in der Schildkartusche fehlen.
All diese gemalten Wappen wurden vermutlich im Jahre 1772 angebracht. Zu diesem Schluß kommt man, weil der Maler sich offensichtlich mit seinen Initialen "R.V." und der entsprechenden Jahreszahl an der Fassade verewigt hat. Die Fresken sind das Ergebnis aufwendiger Restaurierungsarbeiten, weil sie erst mit Skalpell, Glasfaserstift und Hämmerchen in minutiöser Arbeit freigelegt und mit weißem Kalkputz und Lasur ergänzt werden mußten. Nur beim Wappen von Alfons von Rost war wegen völliger Zerstörung keine Restaurierung mehr möglich.
Liste der Pröpste und Äbte von Kloster Neustift unter Hervorhebung der hier mit einem Wappen vertretenen:
Literatur,
Quellen und Links:
Liste der
Baudenkmäler in
Bruneck: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Baudenkmäler_in_Bruneck
Stadtrundgang durch Bruneck: http://www.kronplatz.net/kultur/brauchtum/historischer-rundgang-bruneck/
Hieronymus I. Piesendorfer http://www.tirolerportraits.it/Portraits/Images/s00135-details.jpg
Tiroler Portraits suchen: http://www.tirolerportraits.it/de/Portraits-suchen.aspx - dort auch wenige biographische Details zu
den
Pröpsten
Augustinus IV. Pauernfeind http://www.tirolerportraits.it/Portraits/Images/s00149-details.jpg
Alfons von Rost in Kelburg und Aufhofen http://www.tirolerportraits.it/Portraits/Images/s00159-details.jpg
Antonius Steigenberger http://www.tirolerportraits.it/Portraits/Images/s00158-details.jpg
Leopold I. von Zanna zu Königstein http://www.tirolerportraits.it/Portraits/Images/s00157-details.jpg
Kloster Neustift: https://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_Neustift
Restaurierung des Amtshauses: http://www.provinz.bz.it/news/de/news.asp?news_action=4&news_article_id=166027
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