Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2229
Bruneck (Brunico, Italien, Provinz Bozen, Region Trentino-Südtirol)

Ansitz Sternbach

Außerhalb der mittelalterlichen Altstadt von Bruneck und jenseits des Ragentores befindet sich an der Kreuzung von Oberragen (Via Ragen di sopra) und Paul-von-Sternbach-Straße (Via Paul von Sternbach) der Ansitz Sternbach (Residenza Sternbach). Das dreigeschossige Gebäude besitzt vier charakteristische, übereck gestellte und jeweils bis zur Traufkante reichende Rechteckerker an allen vier Ecken, an der südlichen Schmalseite einen weiteren Rechteckerker in der Fassadenmitte, der sich auf zwei Granitsäulen stützt und ein Portal überdacht, sowie einen weiteren, aber niedrigeren Erker auf zwei weiteren Granitsäulen über dem steingerahmten, rundbogigen Hauptzugang auf der westlichen Längsseite, dessen Söller dem zweiten Obergeschoß als überdachter Balkon dient. Die betreffende Fensterachse wird von einem Zwerchgiebel überhöht, und hier setzt rückwärtig auf der Gartenseite ein kurzer zweiter Flügel an, der das Treppenhaus enthält und einen umlaufenden Balkon besitzt. Die Kreuzungsstelle beider Flügel wird durch einen oktogonalen Dachreiter mit geschweiftem Kupferdach markiert. Im Osten schließt ein rechteckig ummauerter, weitläufiger Garten an, der bis zur Chiesa parrocchiale di Santa Maria Assunta reicht.

Dieser adelige Sitz entstand um 1500 in den Formen der Gotik und mit symmetrischem Grundriß. Die ebenerdig gelegene Eingangshalle hinter dem Hauptportal besitzt noch ein gotisches Gratgewölbe, das von einer mächtigen, achteckigen Mittelsäule gestützt wird. Er wurde von Bart(ho)l(o)mä(us) Ritter von Welsperg erbaut, nachdem sein Vorfahr Caspar Ritter von Welsperg auf dem Erbweg in den Besitz einer vorher dort befindlichen Kaplanei gekommen war. Bartlmä von Welsperg war 1478-1493 und nach 1502 Schloßhauptmann auf Burg Bruneck; er war kaiserlicher Rat unter Maximilian I. und wurde 1509 als Gewerke des Kupferbergwerks am Rettenbach in Prettau genannt.

Nach den von Welsperg kam der Ansitz an die Freiherren von Wolkenstein, weil Bartlmäs Tochter Susanna Veit von Wolkenstein-Rodenegg geheiratet hatte. Neben dem Ansitz kamen auch die Bergwerke an die von Wolkenstein; die Nachkommen von Veit von Wolkenstein waren ebenfalls als Gewerken in Prettau tätig. Aufgrund eines wirtschaftlichen Engpasses wurde der Ansitz zwischenzeitlich an die Linie von Wolkenstein-Trostburg verkauft. Zwischen 1645 und 1682 wechselte der Ansitz sechsmal den Besitzer. Unter anderem gehörte er dem Brixener Kleriker Jesse Perkhofer (Grabdenkmal in Brixen, siehe dort).

 

1682 wurde der Ansitz erneut verkauft, zum letzten Mal. Der Erwerber war Andrä (Andreas) von Wenzl d. J. von Stock und Sternbach (1619-), ein Brunecker Bürger, der 1664 in den Adelsstand erhoben worden war und mit Maria Hueber von Mauern verheiratet war. Seitdem ist die Immobilie in Familienbesitz der Wenzl (auch Wenzel oder Wentzl geschrieben) geblieben. Nur der Name der Familie hat sich geändert, denn aus den von Wenzl wurden die Freiherren von Sternbach. 1684 wurde das Anwesen durch den fürstbischöflichen Landesherrn in den Rang eines Ansitzes mit entsprechenden Adelsfreiheiten erhoben. Im Jahre 1712 wurde der spätgotische Ansitz unter dem Sohn des Erwerbers, Anton Wenzl Freiherr Reichsfreiherr von Sternbach zu Stock, Luttach und Angerburg (1651-1716, aus der Jüngeren Linie, vermählt mit Anna Katharina Mohr von Sonegg zu Köstlau, wurde 1716 bei einem Raubüberfall ermordet), der durch Bergwerke bei Taufers und in Ahren nördlich von Bruneck wohlhabend geworden war und großen Grundbesitz erworben hatte, barock umgestaltet. Dabei erhielt der Bau im Norden und im Süden die geschweiften Giebel, außerdem die Vorbauten und die Erker sowie den rückwärtigen Treppenhausanbau. Innen wurde eine Hauskapelle eingerichtet. Außerdem wurden in den Gemächern der oberen Geschosse barocke Stuckdecken und 1715 Deckengemälde eingefügt (Themen: Allegorie auf den Frühling, Göttermahl und Raub der Sabinerinnen). Ein bedeutender Besitzer aus dem Pustertaler Ast der Familie war Johann Freiherr von Sternbach (16.5.1804-1879), 1835 Bürgermeister von Bruneck, 1848 Landtagsabgeordneter, 1841 k.k. Kämmerer von Kaiser Ferdinand I. Als Besitzer folgte sein Sohn Gottfried (31.8.1831-1895), der das Bergwerk im Tinnebachtal bei Klausen leitete, ehe er den Besitz in Bruneck übernahm, 1886 Landtagsabgeordneter wurde, dann 1895 sein Sohn Hans, dann 1899 dessen Bruder Paul Reichsfreiherr von Sternbach (29.7.1869-22.10.1948), Politiker und Verwaltungsjurist, 1902 Mitglied des Tiroler Landtages und Landesausschusses, 1924 Abgeordneter im Parlament in Rom, vermählt seit 1902 mit Gottfrieda von Henriquez. Seit 1948 war Pauls Sohn Lothar Freiherr von Sternbach (1905-2005) Besitzer des Ansitzes. Dessen Brüder waren Wolfgang Freiherr von Sternbach (1903-1938) und Nikolaus Freiherr von Sternbach (1907-1915).

Die Geschichte der Tiroler Adelsfamilie von Sternbach begann mit Pankraz Wenzl, vermählt mit Christine Kerschbaumer vom Ritten. Er stand zunächst in Diensten der Grafen von Thurn, und später wurde er Pfleger zu Lengberg in Kärnten in Diensten des Fürsterzbischofs von Salzburg. Das Stammwappen von 1571 ist identisch mit dem Herzschild: In Schwarz ein silberner Wellenschrägbalken, begleitet oben und unten von je einem goldenen, sechszackigen Stern, auf dem gekrönten Helm mit schwarz-goldenen Decken ein mit dem Wellenbalken und den Sternen des Schildes belegter, schwarzer Flug. Dieses Wappen entspricht dem vom Hofpfalzgrafen Franz Grafen Thurn auf Schloß Lipnitz in Böhmen am 9.4.1571 für Pankraz Wenzl (-1574) aus Pühl ausgestellten Wappenbrief.

Eine Wappenbesserung (gekrönter Bügelhelm statt ungekrönter Stechhelm) gab es am 12.1.1664 zu Regensburg durch Kaiser Leopold I., und diese begleitete die Verleihung des rittermäßigen Reichsadelsstandes für Johann Baptist Wenzl, Doktor beider Rechte und Kanoniker in Freising und Brixen, fürsterzbischöflich salzburgischer Geheimer Sekretär und Konsistorialrat. Da er als Kanoniker kaum für den Fortbestand der Familie sorgen würde, wurden mit ihm seine Brüder Stefan Wenzl auf Kirchegg und Getreuenstein und Andreas Wenzl auf Stock zu Uttenheim, Christoph Wenzl und Jakob Wenzl und auch ihre Cousins Wilhelm Wenzl und Caspar Wenzl entsprechend mit den gleichen Rechten begünstigt. Der Fürstbischof von Brixen als Herr über die Burg Bruneck verlieh dem Gesamtgeschlecht am 18.11.1684 das Prädikat "von Sternbach", und seitdem nannte sich die Familie "Wenzl von Sternbach" oder auch unter Weglassung des Ursprungsnamens" von Sternbach zu Stock und Luttach". Stock ist ein Ansitz im Pustertal bei Uttenheim, den die Familie 1619 von den Freiherren von Spaur gekauft hatte. Luttach liegt im Dorf Pfalzen bei Bruneck, das der Familie früher gehört hatte.

Das vermehrte Wappen ist geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: in Rot eine schwebende, schwarz gefugte, silberne Mauer mit drei Spitzenzinnen (Luttach), Feld 2 und 3: in Rot drei silberne Balken (Groppenstein, hier Anzahl der Teilungen geringer, scheinbar nur zwei rote Balken in Silber), gekrönter Herzschild: in Schwarz ein silberner Wellenschrägbalken, begleitet oben und unten von je einem goldenen Stern, der hier am Ansitz achtzackig dargestellt wird. Dazu werden drei gekrönte Helme geführt: Helm 1 (Mitte): auf dem Helm ein mit dem Wellenbalken und den Sternen des Stammschildes belegter, schwarzer Flug, Helm 2 (rechts): auf dem Helm zwei silbern-rot übereck geteilte Büffelhörner, Helm 3 (links): auf dem Helm wachsend ein rotgekleideter, bärtiger Mannesrumpf, dessen gekröntes Haupt mit einer nach hinten abfallenden schwarzen Binde umwunden ist, alle Decken rot-silbern. Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: Bö Seite: 258 Tafel: 118, Band: Kä Seite: 127 Tafel: 11, sowie in Band: Mä Seite: 147 Tafel: 107.

Am 26.3.1689 verlieh Kaiser Leopold I. in Wien dem kaiserlichen Rat Anton Wenzl von Sternbach den Reichsfreiherrenstand als "Wenzl Freiherr von Sternbach", ebenso seinem Cousin, dem kaiserlichen Rat Franz Andreas Wenzl von Sternbach. Bei dieser Gelegenheit wurde das Wappen so vermehrt, wie wir es heute am Ansitz über der Tür sehen, zusätzlich von zwei Greifen als Schildhaltern flankiert. Einen böhmischen Freiherrenstand gab es ferner noch für den k. k. Oberkriegskommissär in Schlesien, Christoph Andreas Wenzel auf Kirchegg im Jahre 1700. Ihm wurde dabei das Prädikat "von Kirchegg und Sternbach" verliehen. Im Jahre 1790 bekam die Familie das Oberst-Erbland-Falkenmeister-Amt in Tirol, nachdem der bisherige Inhaber, Carl Graf von Sonnberg und Freiherr von Heindl, ohne Nachkommen gestorben war. Der mit dieser Würde Begünstigte war Carl Matthias Freiherr von Sternbach zu Stock und Luttach aus dem Mühlauer Ast, k. k. wirklicher Geheimer Rat.

Die Familie, der neben diesem Ansitz in Bruneck auch noch die Edelsitze Stock und Luttach im Pustertal, das Schloß Wolfsthurn bei Sterzing, die Herrschaft Bludenz, die Herrschaften Oberfalkenstein und Groppenstein im Mölltal, Deutschnoven, Taur und ein Anwesen in Graz gehörte, spaltete sich in eine ältere und eine jüngere Linie auf, letztere wiederum schied sich in mehrere Äste. So gibt es das Haus Bludenz (Bludenz und Sonnenberg), das Haus Mühlau, den Mareiter (Wolfsthurn), den Pustertaler (Stock, Ansitz in Bruneck) und den Sterzinger Ast (Herrschaft Landstein in Böhmen und Triesch in Mähren).

 

Das Wappen wiederholt sich auf dem Sockel der barocken, dem in Bruneck und Brixen tätigen Bildhauer Michael Rasner zugeschriebenen Mariensäule vor dem Ansitz, die laut Inschrift 1716 von Anton Wenzl Freiherr von Sternbach gestiftet wurde; die Erhaltung ist jedoch schlecht (ohne Abb.).

Literatur, Quellen und Links:
Ansitz Sternbach: http://www.archiv-bruneck.it/de/erinnerung/hoefenamen/bruneck/ansitz-sternbach
Ansitz Sternbach:
http://www.burgen-adi.at/ansitz_sternbach/ - Geschichte: http://www.burgen-adi.at/ansitz_sternbach/sternbach_geschichte.htm
Hinweistafel am Gebäude
Liste der Baudenkmäler in Bruneck:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Baudenkmäler_in_Bruneck
Genealogie der Freiherren von Sternbach:
https://de.wikisource.org/wiki/BLKÖ:Sternbach,_die_Freiherren,_Genealogie (Constantin von Wurzbach: Die Freiherren Sternbach, in: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Band 38. Verlag L. C. Zamarski, Wien 1879, S. 250 f.), desgleichen http://www.literature.at/viewer.alo?objid=11786&page=254&scale=3.33&viewmode=fullscreen
Stadtrundgang durch Bruneck:
http://www.kronplatz.net/kultur/brauchtum/historischer-rundgang-bruneck/
Freiherren von Sternbach:
http://www.austroaristo.com/adelslexikon/4133-wenzl-sternbach.html
Ernst Heinich Kneschke: Die Wappen der deutschen freiherrlichen und adeligen Familien, Band II, Leipzig 1855, S. 421-423
Ernst Heinrich Kneschke: Neues allgemeines deutsches Adelslexikon, Band 9, Leipzig 1870, S. 18.
Sternbach, ein Freyherrliches Geschlecht, in: Johann Heinrich Zedler Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste, Band 39, Leipzig 1744, Spalte 1972 f.
http://www.zedler-lexikon.de/index.html?c=blaettern&bandnummer=39&seitenzahl=1000
Siebmachers Wappenbücher wie angegeben
Familie von Sternbach, Stadtarchiv Bruneck:
http://www.archiv-bruneck.it/de/erinnerung/strassennamen/bruneck/paul-von-sternbach-strasse

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