Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2162
Johannisberg im Rheingau (zu Geisenheim, Rheingau-Taunus-Kreis)

Die Basilika St. Johannes der Täufer in Johannisberg im Rheingau

Hoch über dem Rheintal erhebt sich in beherrschender Lage der Johannisberg, der früher einfach Bischofsberg genannt wurde (1130 Biscoffesberc, 1194/98 mons episcopi). Er hieß so, weil sich die weit vorschiebende Bergnase der Rheingauer Vorhöhen im Besitz der Fürstbischöfe von Mainz befand. Erst später, als die mittlerweile dort errichtete Klosterkirche bzw. ihr Hochaltar 1130 dem hl. Johannes d. Täufer geweiht wurde, kam der Name Johannisberg auf, der heute auch für Schloß und Ortschaft üblich ist (1143 u. 1153 mons sancti Johannis, 1240 monasterium in monte sancti Johannis). Der Mainzer Fürstbischof Ruthard (reg. 1088-1109) hatte den Berg dem Kloster St. Alban geschenkt, einem Mainzer Benediktinerkloster, und auf dem Berg wurde eine Zweigniederlassung gegründet. Bereits 1108 konnte Bischof Ruthard einen Altar in dem teilweise fertiggestellten Kloster weihen. Die Kirche, eine dreischiffige, flachgedeckte und kreuzförmige Pfeilerbasilika mit drei unmittelbar angesetzten Apsiden, ist eine romanische Anlage vom Anfang des 12. Jh. Die altmodische Chorform ohne eigenes Chorquadrat spiegelt das Mutterkloster St. Alban wieder, dessen Kirche damals ebenfalls noch diesem karolingischen Konzept folgte. Die Kirche ist 44 m lang und 17,60 m breit; die Seitenschiffe sind halb so breit wie das Hauptschiff. Das Kloster auf dem Johannisberg, das 1130 schon eine selbständige, vogtfreie Abtei wurde und seinen ersten Abt wählte, erlebte im 15. Jh. eine Blüte insbesondere in Zusammenhang mit der Bursfelder Reform, dann aber im 16. Jh. einen Niedergang. Diesen hatten die Zerstörungen im Bauernkrieg 1525 und im Markgräflerkrieg 1552 eingeläutet. Im Jahre 1563 wurde der letzte Abt des Klosters, Valentin Horn, abgesetzt und die Abtei durch den Mainzer Erzbischof Daniel Brendel von Homburg (amtierte 1555-1582) aufgelöst. Ein Schaffner verwaltete fortan den Besitz und die Einkünfte im Auftrag des Mainzer Erzbischofs. Die Klosterkirche wurde einfache Pfarrkirche des Dorfes, und die Pfarrer wurden zunächst von der Abtei Brauweiler gestellt. Schließlich wurde 1635/1641 das ehemalige Kloster an Hubert Bleymann verpfändet als Sicherheit für eine vom Hochstift Mainz unter Erzbischof Anselm Casimir Wambolt von Umstadt aufgenommene Kriegsanleihe. Er konnte sich als Reichspfennigmeister den Preis von 30000 Reichstalern (1635: 20000, zusätzlich 1641 noch einmal 10000) leisten, und das Kloster blieb bis zum Beginn des 18. Jh. im Besitz seiner Nachkommen, Georg von Gise und dessen Sohn Johann Heinrich von Gise.

Schließlich erwarb im Jahre 1716 der Fuldaer Fürstabt Konstantin von Buttlar (regierte 1714-1726) das ehemalige, nun in Ruinen liegende Kloster für die Abtei Fulda und baute statt dessen eine Sommerresidenz. Er beauftragte Johann Dientzenhofer (1663-1726), der auch den Fuldaer Dom erbaute, mit der Barockisierung der Klosterkirche, die 1717-1726 stattfand. Die Kirche blieb Pfarrkirche, nur wurden die Pfarrer jetzt von Fulda gestellt. Für den Neubau des Schlosses wurde die Kirche verkleinert, der Westturm mußte weichen, und das Hauptschiff wurde auf sieben Joche verkürzt. Der Vierungsturm wurde abgerissen und durch einen Dachreiter mit geschweifter Haube ersetzt, ebenso wurden die Querhausgiebel beseitigt und die Querschiffe verstümmelt, und die Hauptapsis wurde erhöht. Über alles wurde ein vereinheitlichendes Dach gesetzt. Das Kirchenschiff wurde, um breiter zu wirken, aufgeschüttet, der neue Fußboden lag einen Meter höher als der alte. Aus dieser Zeit stammt das barocke, wappengeschmückte Sandsteinportal, das sich jetzt nicht mehr am ursprünglichen Ort befindet, sondern außen für den Eingang in das nördliche Querschiff zweitverwendet wurde.

Das Wappen über der Tür ist das des Fuldaer Fürstabtes Konstantin von Buttlar (regierte 1714-1726). Das Wappen des Fürstabtes ist geviert, Feld 1 und 4: in Silber ein schwarzes, durchgehendes Kreuz, Fürstabtei Fulda, Feld 2 und 3: in Rot eine silberne Butte mit goldenen Reifen und links zwei goldenen Tragbändern, Stammwappen der von Buttlar. Auf der ovalen Kartusche ruht der Fürstenhut, schrägrechts steht ein Krummstab hinter der Kartusche, schräglinks das gestürzte Schwert für die weltliche Macht. Dieses Wappen ist im Rheingau eine Besonderheit, taucht aber mehrfach in Fulda auf, z. B. mehrfach am und im dortigen Stadtschloß, an der Orangerie, an der Stützmauer unterhalb des Michaelsberges zum Domplatz hin, an seinem Grabdenkmal im Fuldaer Dom, im Lapidarium des Vonderau-Museums im ehemaligen Päpstlichen Seminar und am Portalbogen zum Bischofshof.

Kirche und Schloß waren bis zur Säkularisierung 1803 im Besitz von Fulda. Danach wurde die Kirche weiter verändert, erst unter Clemens Wenzel Fürst von Metternich in klassizistischem Stil. Auch von dem Umbau ab 1835 ist nichts mehr in der heutigen Kirche erhalten, so wenig wie von der Barockausstattung davor, denn im 2. Weltkrieg wurde die Kirche 1942 weitgehend zerstört, nur die ausgebrannten, nackten Mauern blieben übrig. Beim modernen Wiederaufbau nach 1945 unter dem Pfarrer Christian Neuroth (amtierte 1936-1964) und dem Architekten Rudolf Schwarz (1897-1961) orientierte man sich am ursprünglichen, romanischen Baukonzept mit flacher Balkendecke. Das Fußbodenniveau wurde wieder abgesenkt, die Apsiden wieder herausgearbeitet, die reine Wand kam mit ihren Arkaden im Innern wieder zur Geltung, ein neuer Vierungsturm wurde geschaffen. Die mittelalterliche Klosterkirche war unrettbar verloren. Entstanden ist aus den Ruinen ein sich wieder an den einfachen kubischen Grundformen (Quader, Würfel, Pyramide, Halbzylinder, Halbkonus etc.) orientierender, nüchterner Neubau, der eher assoziativ als kopierend, eher monumental als historisierend das Vorbild ersetzt. Der Neubau wurde am 8.6.1952 durch den Limburger Bischof Wilhelm Kempf geweiht.

Ein weiteres Wappen befindet sich am Rundbau der Sakristei, der erst 1954/55 erbaut und an das nördliche Querhaus angesetzt wurde. Es ist eine von einem älteren Gebäude stammende Spolie ohne den ursprünglichen Kontext, eventuell ein alter Schlußstein aus der Gotik. Das Wappen zeigt einen von drei (2:1) gekrönten Löwenmasken (hersehenden Löwenköpfen) begleiteten Balken, vermutlich das Wappen der von Fürstenberg, deren Tinkturen in der Literatur (Siebmacher Band: NaA Seite: 22 Tafel: 33, Zobel Tafel 108, dort auch eine Variante mit Königsköpfen und Stern auf dem Balken) wie folgt angegeben werden: In Gold ein schwarzer Balken, von drei roten, blau gekrönten Leopardenköpfen (= hersehenden Löwenköpfen) begleitet, Kleinod unbekannt; nach dem Holzhausen-Epitaph von 1553 ein Flug. Diese zur Sippe Salmann gehörende mainzische Familie, die auch dem Frankfurter Patriziat angehörte, gelangte im 15. Jh. durch Kauf in den Besitz der Burg Frauenstein bei Wiesbaden. Die Familie erlosch 1527 in Frankfurt, worauf die Burg an Kurmainz zurückfiel. Bei Angehörigen der Salmann taucht als Kleinod einer der Löwenköpfe auf.

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher, Band Bistümer und Band Nassau, Abgestorbene
Die Wappen der Hochstifte, Bistümer und Diözesanbischöfe im Heiligen Römischen Reich 1648-1803, hrsg. von Erwin Gatz, erstellt von Clemens Brodkorb, Reinhard Heydenreuter und Heribert Staufer, Schnell & Steiner Verlag 2007, ISBN 978-3-7954-1637-9

Johannisberg:
http://www.rheingau.de/sehenswertes/kirchen/basilika-schloss-johannisberg
Johannisberg:
http://www.kath-kirche-geisenheim.de/Basilika-am-Schloss.111.0.html - http://www.kath-kirche-geisenheim.de/Johannisberg.70.0.html
Clemens Jöckle, Josef Staab, Johannisberg im Rheingau, Basilika St. Johannes der Täufer, Schnell-Kunstführer Nr. 1099 (Erstausgabe 1977), Verlag Schnell und Steiner GmbH, Regensburg, 5. Auflage 2007, ISBN 978-3-7954-4823-3
Johannisberg (Kloster bzw. Schloß), Rheingau-Taunus-Kreis, in: Historisches Ortslexikon
http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/ol/id/43900402003, Stand: 17.2.2014
Rolf Zobel: Wappen an Mittelrhein und Mosel, Books on Demands GmbH, Norderstedt 2009, ISBN 978-3-8370-5292-3, 527 S.
Burg Frauenstein:
http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/xsrec/id/14750/current/26/pageSize/30/sn/ol?q=YToxOntzOjg6ImdlbWVpbmRlIjtzOjk6IldpZXNiYWRlbiI7fQ%3D%3D
Herrn Rolf Zobel ein herzliches Dankeschön für wertvolle Hinweise zu den Salmann.
Michael Imhof, Burghard Preusler, Gregor Stasch: Barockkirchen in Fulda und im Fuldaer Land mit dem Geisaer Amt, Dermbach, Hammelburg und Hünfelder Land, mit einem Beitrag von Gerd Weiß, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2020, 496 S., ISBN-10: 3731908050, ISBN-13: 978-3731908050, S. 186-187

Schloß Johannisberg

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