Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 1329
Stadt Luxembourg (Großherzogtum Luxembourg)
Das ehemalige Hospice Saint-Jean in Luxembourg-Grund
Tief unter den Felsen und Verteidigungsmauern der Corniche und der Luxemburger Altstadt liegt im Alzette-Tal das Quartier Grund, wo sich das ehemalige Hospice Saint-Jean befindet. In dessen Räumen an der 25, rue Münster (Mënstergässel) ist seit 1996 das Naturkundemuseum untergebracht. Das Gebäude erstreckt sich in Nord-Süd-Richtung und besteht zur Straße hin aus mehreren Bauabschnitten, im Norden umschließen die Gebäude mit vier Flügeln einen Innenhof, und im Süden ist hinten ein weiterer Flügel rechtwinklig in Richtung zur Alzette angebaut.
Die Inschrift über dem repräsentativen Portal besagt: "ANCIEN HOSPICE SAINT-JEAN / FONDE A CET ENDROIT EN 1308 / PAR HENRI VII DE LUXEMBOURG ET MARGUERITE DE BRABANT / RECONSTRUIT EN 1674 / PAR LES RELIGIEUSES DE SAINTE ELISABETH / QUI L'ONT DESSERVI JUSQU'EN 1843 / ANNEE DU TRANSFERT AU PFAFFENTHAL".
Der erwähnte Heinrich VII. starb übrigens am 24.8.1313 in Buonconvento an Malaria, seine Frau Margarethe v. Brabant lebte 4.10.1276-14.12.1311. Heinrich VII. hatte ein bewegtes Leben, und 1308 war ein Schicksalsjahr für die Familie, denn in diesem Jahr wurde nicht nur dieses Hospiz gegründet, sondern am 11.3.1308 empfing sein Bruder Balduin, dem der Kronvasall Heinrich 1307 das Erzbistum Trier verschafft hatte, in Poitiers die Bischofsweihe. Und im selben Jahr 1308 wurde König Albrecht I. ermordet, und Heinrich von Luxemburg wurde am 27.11.1308 in Frankfurt zum deutschen König gewählt. Seine diversen Krönungen zogen sich zeitlich etwas in die Länge, 06.1.1309 in Aachen zum deutschen König, 6.11.1311 in Mailand zum König der Langobarden, im Juni 1312 in der Lateranbasilika von Rom zum Kaiser des HRR. Leicht war es nicht, die Machtstellung des Reiches in Italien wiederherzustellen, Aufstände und Bürgerkrieg zwischen Ghibellinen und Guelfen verzögerten seine Ankunft und Krönung in Rom und die Durchführung seiner Vorhaben. Soweit zum Gründer des Hospizes.
Von dessen ursprünglichen Bau in nächster Nähe zur mittelalterlichen Holzbrücke über die Alzette ist aber nichts mehr vorhanden. Was wir heute sehen, geht auf den Neubau ab 1674 zurück. Von diesem zeugt das Monumentalportal zwischen korinthischen Säulen, in dessen Giebel die drei Wappen angebracht sind, welche das Hospiz zu einem der interessantesten Wappenfundorte von Luxembourg machen. Zu diesem Neubau paßt eine zweite Inschrift: CaroLo regnante / Montereo VICes regIas beLgIo gerente / phILLIppo ahrenbergIo gVbernante / hospItaLe sanCto IohannI saCratVr - unter der Regierung von Karl, als Monterrey die Regierung in Belgien führte, und als Philipp von Arenberg Gouverneur war, wurde das Hospiz dem Heiligen Johann geweiht. Darin steckt ein Chronogramm: 100 + 50 + 1000 + 5 + 1 + 100 + 1 + 50 + 1 + 1 + 50 + 50 + 1 + 1 + 5 + 1 + 50 + 100 + 1 + 1 + 100 + 5 = 1674. Diese erwähnten drei Personen sind:
Carlos/Karl II, König von Spanien (lebte 6.11.1661 - 1.11.1700, regierte 16651700), genannt El Hechizado, der Verhexte, letzter spanischer König aus dem Hause Habsburg (Casa de Austria) nach König Karl I (regierte 15161556, = Kaiser Karl V), Philipp II (regierte 15561598), Philipp III (regierte 15981621) und Philipp IV (regierte16211665). Nach dem Tod des trotz zweier Ehen kinderlosen Karl II (dadurch wurde er Verursacher des Spanischen Erbfolgekrieges) kam das Haus Bourbon auf den spanischen Thron. Karl II von Spanien war zugleich als Karl II König von Sardinien (1665-1700) und als Karl V König beider Sizilien (Neapel und Sizilien, ebenfalls 1665-1700), dazu Herzog von Mailand (1665-1700) und - hier besonders wichtig - Herzog von Luxemburg (1665-1684 und 1697-1700). Außerdem war er noch in seiner ganzen Regierungszeit Großmeister des Ordens vom Goldenen Vlies. Karl II war ein Produkt einer in jeder Hinsicht unstatthaften Verbindung, denn sein Vater Philipp IV hatte in zweiter Ehe mit Maria Anna von Österreich nicht nur die Braut seines verstorbenen Sohnes, sondern auch seine eigene leibliche Nichte geheiratet, dazu war sie bei der Eheschließung ein Kind von 15 Jahren. Und Karl II wurde ein degeneriertes Produkt der jahrhundertelangen Inzucht zwischen den Herrscherhäusern. Was sich hinter dem beschönigenden Begriff "Ahnenschwund" verbirgt, ist nichts anderes als Inzucht. Hat ein Normalsterblicher 2^5=32 Urururgroßeltern, so hatte Karl II deren nur 10! Nach dem Spanischen Erbfolgekrieg fiel Luxemburg übrigens an die österreichischen Habsburger.
(bestes Photolicht: später Vormittag)
Das Wappen von Karl II. als Souverän von Luxembourg befindet sich zuoberst am Giebel. Das Wappen ist sehr komplex aufgebaut:
Zum französischen Blason: Die Grundstruktur ist folgende: Coupé: I, parti: 1, écartelé de Castille et de Léon; 2, parti d'Aragon et de Sicile; enté en pointe du coupé de Grenade; sur-le-tout du coupé de Portugal; II, écartelé: 1, d'Autriche; 2, de Bourgogne moderne; 3, de Bourgogne ancien; 4, de Brabant; sur-le-tout du coupé parti de Flandre et de Tyrol.
Mit eingefügten Details: Coupé: I, parti: 1, écartelé de Castille, qui est de gueules au château d'or, donjonné de trois tours, ouvert d'azur, et de Léon, qui est d'argent au lion de gueules, armé, lampassé et couronné d'or; 2, parti d'Aragon, qui est d'or à quatre pals de gueules, et de Sicile, qui est écartelé en sautoir, 1 et 2 d'or à quatre pals de gueules, 2 et 3 d'argent à l'aigle de sable, becquée et membrée de gueules; enté en pointe du coupé de Grenade, qui est d'argent à la grenade de sinople, ouverte de gueules; sur-le-tout du coupé de Portugal, qui est d'argent à cinq écussons d'azur, posés en croix, les deux de flanc mis de côté, chaque écusson chargé de cinq besants du champ, posés en sautoir, à la bordure de gueules, chargée de neuf châteaux d'or, donjonnés de trois tours, ouverts et ajourés d'azur; II, écartelé: 1, d'Autriche, qui est de gueules à la fasce d'argent; 2, de Bourgogne moderne, qui est d'azur semé de fleurs de lys d'or à la bande componée d'argent et de gueules; 3, de Bourgogne ancien, qui est bandé d'or et d'azur de six pièces, à la bordure de gueules; 4, de Brabant, qui est de sable au lion d'or, armé et lampassé de gueules; sur-le-tout du coupé parti de Flandre, qui est d'or au lion de sable, armé et lampassé de gueules, et de Tyrol, qui est d'argent à l'aigle de gueules, membrée, becquée, couronnée et liée d'or.
Und ohne Zuordnung verkürzt als reiner Blason: Coupé: I, parti: 1, écartelé de gueules au château d'or, donjonné de trois tours, ouvert d'azur, et d'argent au lion de gueules, armé, lampassé et couronné d'or; 2, parti d'or à quatre pals de gueules et d'un écartelé en sautoir, 1 et 2 d'or à quatre pals de gueules, 2 et 3 d'argent à l'aigle de sable, becquée et membrée de gueules; enté en pointe du coupé d'argent à la grenade de sinople, ouverte de gueules; sur-le-tout du coupé d'argent à cinq écussons d'azur, posés en croix, les deux de flanc mis de côté, chaque écusson chargé de cinq besants du champ, posés en sautoir, à la bordure de gueules, chargée de neuf châteaux d'or, donjonnés de trois tours, ouverts et ajourés d'azur; II, écartelé: 1, de gueules à la fasce d'argent; 2, d'azur semé de fleurs de lys d'or à la bande componée d'argent et de gueules; 3, bandé d'or et d'azur de six pièces, à la bordure de gueules; 4, de sable au lion d'or, armé et lampassé de gueules; sur-le-tout du coupé parti de d'or au lion de sable, armé et lampassé de gueules, et d'argent à l'aigle de gueules, membrée, becquée, couronnée et liée d'or.
Damit führt Karl II genau das gleiche Wappen wie zuvor schon sein Vater, umgeben von der Collane des Ordens vom Goldenen Vlies, dessen Großmeister er war, und gekrönt mit der spanischen Königskrone. Dieses Wappen ist in dieser Anordnung üblich seit König Philipp II., genauer: seit Philipp II. auch König von Portugal wurde. Es sei angemerkt, daß der portugiesische Schild eigentlich zu diesem Zeitpunkt bereits von der Geschichte überholt ist, wie auch schon bei seinem Vater während dessen später Regierungszeit, denn Portugal hatte sich seit 1640 wieder vom Königreich Spanien abgelöst, so daß es hier ein Erinnerungswappen ist zur Aufrechterhaltung eines gewesenen Anspruchs. 1385-1580 wurde Portugal von Königen aus dem Haus Avis beherrscht (Dinastia de Avis), dann kam es an die spanischen Habsburger, wobei wir mit den Zählungen höllisch aufpassen müssen, denn der spanische König Philipp II. war der portugiesische König Philipp I., der spanische Philipp III. war der portugiesische Philipp II, und der spanische Philipp IV. war bis 1640 der portugiesische Philipp III. Nach diesen wurde Portugal 16401853 wieder von einem eigenem Herrscherhaus geführt, dem Haus Braganza (Dinastia de Bragança). Hier im Jahre 1674 ist der Anspruch obsolet, Karl II. war nie König von Portugal, zu dieser Zeit war zwar der portugiesische König Alfons VI. (Dom Afonso VI. o Vitorioso, 21.8.1643 - 12.9.1682) seit 1667 de facto abgesetzt, aber sein Bruder und Nachfolger Peter II. (Dom Pedro II. o Pacífico, 26.4.1648 - 9.12.1706) führte die Regierungsgeschäfte und erfreute sich nicht nur noch bester Gesundheit, sondern auch erbfolgefähiger Söhne. Im Laufe seiner Regierungszeit ließ Karl II. auch später davon ab, den portugiesischen Schild zu präsentieren, hier ist er aber noch im Wappen enthalten.
Zum zweiten Wappen des Giebels, welches sich in der unteren Zone optisch rechts befindet: Es handelt sich um das Wappen des Gouverneurs von Luxembourg von 1654 bis 1675, Philippe de Croy-Ligne, prince de Chimay et d'Arenberg, geb. 8.5.1619, gest. 12.1.1675. Er war der Nachfolger in diesem Amt von Don Francisco Sanchez Garrido Pardo und der Vorgänger von Jean-Charles de Landas, comte de Louvigny, der aber nur ganz kurz als Interimsgouverneur im Amt war. Der Schild ist wie folgt aufgebaut:
Der französische Blason wäre: Écartelé: aux 1 et 4 d'argent à trois fasces de gueules (Croy), aux 2 et 3 contre-écartelé d'azur à tris fleurs de lis d'or (France) et de gueule plain (Albret). Lesdits 2 et 3 chargés en coeur d'un écusson d'hermines (la Bretagne). Sur le tout du grand écartelé de gueules à trois quintefeuilles d'or (Arenberg). Couronné à 5 fleurons et quatre perles (hier freilich anders dargestellt).
Da Philippe de Croy-Ligne, prince de Chimay et d'Arenberg seit 1646 Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies war, sehen wir auch hier die Ordenscollane mit den Feuerstählen, das Widderfell selbst ist aufgrund der Perspektive durch das Sims verdeckt. Philippe war der Sohn von Alexandre de Chimay et de Croy d'Arenberg, Prince de Chimay, Comte de Beaumont, Baron de Comines, Seigneur d'Avesnes (15.9.1590 - 16.8.1629) und von Magdalena v. Egmond (- 7.11.1663), sowie der Enkel von Charles Fürst v. Arenberg, Prince de Rebecq, Baron de Zevenbergen (22.2.1550 - 18.1.1616) und Anne de Croy, Princesse de Chimay, Duchesse d'Aerschot (4.1.1564 - 26.2.1635). Philippe war außerdem noch Comte de Beaumont. Er war mit Theodore de Gavre, Comtesse de Frezin, (gest. 1676) vermählt.
Übrigens war auch sein Sohn Ernest-Dominique-Alexandre de Croy-Ligne, Herzog v. Arenberg, Prince de Chimay, Comte de Beaumont et de Frezin, Baron de Hallwin et de Comines Virrey de Navarra (geb. 26.12.1643) Gouverneur von Luxembourg, er folgte dem oben erwähnten Interimsgouverneur Jean-Charles de Landas, comte de Louvigny, 1675 nach. Leider war ihm das Glück nicht hold, er mußte am 4.6.1684 kapitulieren und die Stadt Luxembourg an den Marschall de Créquy übergeben, und die spanische Herrschaft über Luxemburg wurde durch die von Ludwig XIV. ersetzt, wobei die französische Herrschaft bis 1697 währte, dann wurde Luxembourg an Spanien zurückgegeben. Ernest-Dominique-Alexandre starb knapp zwei Jahre nach dem Verlust der Stadt an Frankreich als Vizekönig von Navarra. Sein Wappen war identisch mit dem hier abgebildeten seines Vaters, auch der Sohn war seit 1675 Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies.
Der dritte Schild schließlich, optisch links unten, zeigt das Staatswappen des Herzogtums Luxembourg, in neunmal von Silber und Blau geteiltem Feld ein eigentlich doppelschwänziger, roter Löwe, golden bewehrt, gezungt und gekrönt, als französischer Blason: Burelé (10) d'argent et d'azur, au lion de gueules, la queue fourchée passée en sautoir, armé, lampassé et couronné d'or, und als luxemburgischer Blason: Sëlwer a blo gesträift mat engem roude Léiw mat gesplécktem, gekräiztem Schwanz, mat gëllene Krallen, Zong a Kroun. Dieses Wappen ist unterlegt vom Croix St. André, gebildet aus zwei schräggekreuzten naturfarbenen Knotenstöcken (ein altes Gerichtsbarkeits-Symbol mit Bezug zum Tag des Saint-André, an dem früher jährlich das Oberhaupt des Magistrats (justicier) gewählt wurde, und besonders überall dort zu finden, wo der Magistrat tagte), und oben von einer Krone besetzt.
Blick von der Oberstadt auf das Hospiz an der Alzette
Literatur,
Links und Quellen:
Siebmachers
Wappenbücher
Dr. Jean-Claude Loutsch, Armorial du
pays de Luxembourg, 1974
http://www.onsstad.lu/uploads/media/ons_stad_81-2006_8-9.pdf
http://www.mediart.lu/index.php?id=221&L=1
http://www.pfaffenthal.info/2009/09/nouveau-livre-de-lhospice-st-jean.html
http://lb.wikipedia.org/wiki/Hospice_Saint-Jean
Spanische Wappen: http://www.heraldique-europeenne.org/Regions/Iberique/Espagne.htm
detaillierter Stadtplan von Luxembourg mit historischen Bauten
und Verteidigungsanlagen: http://whc.unesco.org/download.cfm?id_document=101154
Luxemburgische Staatssymbole: http://www.gouvernement.lu/publications/download/AP_Symboles_Etat_Nation.pdf
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan,
Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag
ISBN 978-3-7686-2515-9
Geschichte Luxemburgs: http://www.gouvernement.lu/publications/luxembourg/apropos_histoire/ap_histoire_2008_DE.pdf
Roger Bour, Stadt und Festung
Luxemburg von A-Z, 1992.
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