Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1259
Michelstadt (Odenwald)

Michelstadt-Steinbach, Schloß Fürstenau

Schloß Fürstenau in der Flußaue der Mümling im Stadtteil Steinbach von Michelstadt ist ein hauptsächlich während der Renaissance auf der Basis einer spätmittelalterlichen Burg vom Kastelltyp ausgebautes Schloß der Grafen von Erbach, das in der Mitte des 14. Jh. durch Verpfändung von Mainz an die Grafen von Erbach kam und auch heute noch der Familie gehört und von ihr bewohnt wird. Eine freie Besichtigung des Schloßhofes ist zwar möglich, aber an bestimmte Zeiten gebunden, und das Innere ist strikt privat. Das Schloß besteht aus mehreren Baugruppen: Im Nordosten befindet sich die alte mittelalterliche Kernburg, das mit vier Ecktürmen bewehrte, dreiflügelige und vierstöckige Herrenhaus, welches sich mit einem Hof trapezförmigen Grundrisses nach Westen öffnet. Im Hof stehen zwei polygonale Treppentürme, mehr oder weniger in den Bau integriert. Der Bauschmuck entstammt späteren Umbauphasen, desgleichen die vergrößerten Fenster. An den Alten Bau (Mainzer Schloß) schließt im Nordwesten die innere Vorburg (Neues Palais im Westen und Beschließerei im Norden) an. Beide Bereiche trennt der gewaltige Renaissance-Schwibbogen. Im Süden erstreckt sich hufeisenförmig um ein weitläufiges, baumbestandenes Areal die äußere Vorburg mit Marstall und Neuem Bau. Diese räumlichen und funktionellen Einheiten wurden durch Wassergräben vom Umfeld und voneinander getrennt. Außerhalb der südlichen Vorburg steht die Schloßmühle, jenseits des Flusses ein weiteres barockes Gebäude. Die wesentlichen Bauphasen sind 14. Jh. (Wasserburg), eine Erneuerung in der Mitte des 15. Jh. unter Graf Philipp I. und noch einmal um 1500 unter Graf Eberhard XI, dann der weitere Ausbau unter Georg II in den Jahren 1528 und 1542, zuletzt erfolgte unter Georg III um 1588/90 der Renaissance-Ausbau mit dem riesigen Schwibbogen, der als Ersatz für die alte westliche Ringmauer geschaffen wurde.

Abb.: Außenansicht des Zuganges zur äußeren, südlichen Vorburg. Über der rundbogigen Durchfahrt des Neuen Baus unter dem gekuppelten Zwillingsfenster ein Wappenstein.

Der Wappenschild der Grafen von Erbach entspricht der seit der Breuberg-Erbschaft 1556 üblichen gevierten Form:

Das Wappen ist hier ohne Helm und Helmzier abgebildet. Dafür haben wir hier auf deutschem Boden und insbesondere im Odenwaldraum eine große Besonderheit, die Anordnung des Schriftbandes auf einem umlaufenden Gürtel mit Schnalle, was in der englischen Heraldik viel verbreiteter ist als in der deutschen. Die Inschrift nennt Georg Albrecht III Graf zu Erbach Herr zu Breuberg (1648-1717). Die barocke Ovalkartusche wird von grüngestrichenen Arabesken eingerahmt und von einem Fürstenhut bekrönt.

Abb.: Blick auf die nordwestliche, innere Vorburg, aus zwei Flügeln bestehend. Der Blick fällt auf den zweigeschossigen Nordflügel (sog. Beschließerei) von 1590 mit fünf Fensterachsen und gekuppelten Zwillingsfenstern und mittig angeordnetem zweigeschossigem Zwerchgiebel. Im Westen grenzt das barocke sog. Neue Palais an.

Dieser Wappenstein mit einem von zwei Putten flankierten Ehewappen ist innen am Ostflügel der südlichen Vorburg zu finden (Stallbau). Der Wappenschild der Grafen von Erbach auf der heraldisch rechten Seite entspricht der seit der Breuberg-Erbschaft 1556 üblichen gevierten Form und ist Georg III. Graf zu Erbach (15.7.1548 - 1605) zuzurechnen:

Helmzier ein Paar Büffelhörner, silbern-rot übereck geteilt, Stammkleinod der Grafen von Erbach, bereichert um zwei schräggekreuzte Fähnchen, silbern und mit zwei roten Balken, die für die Breuberg'sche Erbschaft stehen. Decken rot-silbern.

Der Wappenschild der Reuss von Plauen ist geviert und Georgs dritter Frau Dorothea Reuss v. Plauen (28.10.1566 - 26.10.1591) zuzuordnen, was die mögliche Entstehungszeit des undatierten Ehewappens auf den Zeitraum 1587-1591 eingrenzt:

Zwei Helme (das ursprüngliche Kleinod der Reuß sind Pfauenfedern zu schwarz-goldenen Decken, die hier gar nicht vorkommen):

Abb.: Blick auf die zweigeschossige Schloßmühle im Südosten außerhalb der Anlage mit breitem Stufengiebel und Beschlagwerkszwickeln. Links dahinter die südliche Vorburg mit Zufahrtstorbogen.

Im Hof des Alten Schlosses finden wir unter dem hofseitigen, in der Mitte des Hocherdgeschosses auf drei dreifach profilierten Konsolen ruhenden Erker des Ostflügels aufgestellt zwei herrliche Renaissance-Wappensteine von besonders herausragender künstlerischer Qualität und aufregend dynamischer Plastizität. Die Steine stammen von einem 1590 errichteten und 1809 abgebrochenen Tor und wurden hierhin gerettet, als die Verbindung zwischen den einzelnen Baugruppen geöffnet wurde.

Der Wappenschild für Georg III. Graf zu Erbach, Herr zu Breuberg (15.7.1548 - 1605) auf der heraldisch rechten Seite entspricht der seit der Breuberg-Erbschaft 1556 üblichen gevierten Form:

Die Helmzier ist leider nicht mehr erhalten, dürfte aber dem oben Gesagten entsprochen haben. Der Schild ist aus Courtoisie wenige Grad nach heraldisch links geneigt, der Helm leicht in diese Richtung gedreht. Besonders bemerkenswert ist zum einen die Schildform mit den zwei schneckenförmig eingerollten Oberecken und der häufig konkav-konvex wechselnden äußeren Begrenzung, zum anderen der in weitem Ausfallschritt stehende, widersehende schildhaltende Löwe, ein Meisterwerk der Expressivität.

Der Wappenschild der Reuss von Plauen, hier für Georgs dritte Frau Dorothea Reuss v. Plauen (28.10.1566 - 26.10.1591), was die mögliche Entstehungszeit der beiden undatierten Darstellungen auf den Zeitraum 1587-1591 eingrenzt, ist geviert:

Auch hier sind die Helmkleinode beider Helme leider nicht mehr erhalten, sie dürften aber dem oben Gesagten entsprochen haben. Schildform und Schildhalter sind wie beim Wappen des Ehemannes geformt.

Genealogie zu den Wappen:

Einen weiteren wundervollen Renaissance-Wappenstein mit zwei schildhaltenden Engeln finden wir am Beginn der vor der Hoffront des Südflügels der Kernburg befindlichen barocken Freitreppe aus dem 18. Jh. unter dem Vordach. Auch dies ist eine sekundäre Anbringung.

Der Wappenschild der Grafen von Erbach auf der heraldisch rechten Seite entspricht der seit der Breuberg-Erbschaft 1556 üblichen gevierten Form; auch hier ist er Georg III. Graf zu Erbach (15.7.1548 - 1605) zuzuordnen:

Helmzier: ein Paar Büffelhörner, silbern-rot übereck geteilt, Stammkleinod der Grafen von Erbach, bereichert um zwei schräggekreuzte Fähnchen, silbern und mit zwei roten Balken, die für die Breuberg'sche Erbschaft stehen. Decken rot-silbern.

Das vermehrte, vierfeldrige Wappen der Grafen von Solms, hier für Georgs zweite Frau Anna Gräfin v. Solms-Laubach (31.3.1557 - 8.12.1586), ist zwar undatiert, kann aber nur im Zeitraum 1572-1586 entstanden sein:

Das Wappen trägt hier zwei Helme:

Weitere Wappen:
Ein weiteres prächtiges Allianzwappen Erbach/Plauen befindet sich oben am großen Schwibbogen in Höhe des 3. Obergeschosses an der Balustrade mit einer durchbrochenen Beschlagwerkbrüstung auf 1588 datiert. Diese Steinmetzarbeit wurde 1997/98 in hervorragender Qualität erneuert.

Am Erker des Nordflügels befindet sich ein einfacheres Ehewappen Erbach/Wertheim von 1528 von Eberhard XI. Graf v. Erbach (22.4.1475 - 1539) und dessen Frau Maria v. Wertheim (geb. 23.2.1485).

Weitere - unzugängliche - Wappen im Innern sind bei Sattler/Bartmann beschrieben.

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher
Schloß Fürstenau:
http://forschung.gnm.de/ressourcen/schloesser/XML/141_Steinbach_SchlossFuerstenau.xml
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Peter W. Sattler, Helga Bartmann: Erbach im Odenwald: Wappen erzählen Geschichte. Aus der Geschichte von Stadt und Grafschaft Erbach, Band 7, Herausgeber: Magistrat der Kreisstadt Erbach im Odenwald und Historischer Verein für die Kreisstadt und ehemalige Grafschaft Erbach e.V., ISBN 3-9801518-2-4
Dehio-Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Hessen. Bearbeitet von Magnus Backes. München 1966, 2. Aufl. 1982, S. 833 f.
Georg Schäfer, Kunstdenkmäler im Großherzogtum Hessen, Kreis Erbach. Darmstadt 1891, S. 107-120
Thomas Biller: Burgen und Schlösser im Odenwald. Ein Führer zu Geschichte und Architektur. Regensburg 2005, S. 177-180
Karl Bronner, Odenwaldburgen, Groß-Umstadt 1924, S. 119-128
Alexander Röder, Falk-Eckhard Krebs: Schloß Fürstenau. Beerfelden 1976
Falk Krebs: Schloß Fürstenau. Michelstadt-Steinbach im Odenwald. Baugeschichtliche Entwicklung von der Burg der Mainzer Erzbischöfe zum Residenzschloß der Grafen zu Erbach-Fürstenau. Dissertation Uni Kaiserslautern 1980, ferner als Nachdruck, Michelstadt 1982.
Hessische Kulturdenkmäler:
http://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/cgi-bin/mapwalk.pl?obj=11473&session=913&event=Query.Details

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