Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 608
Neckarsteinach am Neckar

Die Hinterburg in Neckarsteinach

Die vier Neckarsteinacher Burgen
Neckarsteinach ist seit frühester Zeit ein Wormser Besitz. Vom Hochstift bekamen die Herren von Steinach dieses zu Lehen. Im Laufe der Zeit entstanden insgesamt 4 Burgen über Neckarsteinach auf dem Hügelkamm zwischen dem Neckar und der Steinach, die die wechselvolle Geschichte des Ortes zwischen den Hochstiften und den Pfalzgrafen widerspiegeln. Eine geschickte Politik der Herren von Steinach, der späteren Landschad von Steinach verhinderte, daß Neckarsteinach zu sehr unter den Einfluß der Pfalzgrafen geriet, dazu gehörte auch die Offenhauspolitik, durch die sich der Pfalzgraf der Stadt Neckarsteinach gegen jeden außer dem Bischof von Worms (Lehnsherr) bedienen konnte. 1377 wird Neckarsteinach erstmalig als Stadt erwähnt. Die Stadt gehörte jeweils zur Hälfte den Besitzern der Vorderburg und der Hinterburg. Die wechselhafte Geschichte der vier Burgen ist relativ komplex. Vom Fluß aus gesehen, reihen sich auf dem Hügelkamm von links nach rechts, alle von den Herren von Steinach erbaut, drei davon, um nach einem Erbfall jeweils für einen nichterstgeborenen Sohn eine Bleibe zu schaffen:

Abb.: Blick auf die Hinterburg exakt von Osten. Dem dahinterliegenden Bergrücken ist die Spitze des fünfeckigen Grundrisses zugewandt, und genau in der Spitze steht der Bergfried, dem Berghang als mögliche Hauptangriffsseite seine Kante zuwendend, damit Geschosse an den schrägen Seiten abgleiten statt ihn zu beschädigen. Links der Eingang in die Kernburg, rechts Zugang zu einem Kellergewölbe. Wenn man durch das linke Tor durchblickt, erkennt man die rötlicher getönte rückwärtige Schildmauer und bei genauerem Hinsehen auch die darauf angebrachte Wappentafel.

Ein Allianzwappen aus der Renaissance
Dieser 82 cm hohe und 1,23 m breite Wappenstein aus gelblichgrauem Sandstein befindet sich auf der sog. Hinterburg, sekundär angebracht im Innenhof unter dem Treppenaufgang zum Turm. Das ist das Allianzwappen der Landschad (Lantschadt) von Steinach und der von Helmstatt (Helmstadt). Ein leicht beschädigter Wappenstein von ausgesuchter künstlerischer Qualität, der heute durch eine davorgeschraubte Plexiglasscheibe geschützt wird - daher die unvermeidbaren Trübungen auf dem Photo (Tip: frühes Vormittagslicht ist am Besten, bevor die südliche Mauer Schatten wirft). Die beiden Vollwappen werden von einem Architekurrahmen mit drei Engelköpfen am Architrav (der mittlere ist gut erhalten, die beiden äußeren sind beschädigt) und detailreichen Ranken auf den beiden seitlichen Pilastern eingefaßt. Die Nennung der Familiennamen auf dem unteren Rand erfolgt in erhaben gehauener Kapitalis-Schrift.

Man beachte insbesondere die Darstellung der Oberwappen: Während das heraldisch linke Helmstatt-Wappen eine Helmdecke nach allen Regeln der Kunst besitzt, im verzaddelten, fast unübersichtlichen Stil der Renaissance, so besitzt das heraldisch rechte Landschad-Wappen statt einer textilen Helmdecke das wuchernde Haupt- und Barthaar des Davidskopfes der Helmzier. Das Wappen der Landschad von Steinach zeigt in Gold eine schwarze Harfe. Die Helmzier ist ein gekröntes Männerhaupt mit wild wucherndem Haupt- und Barthaar, auch als Davidshaupt bezeichnet. Wenn das Wappen mit Helmdecken dargestellt wird, sind dieselben schwarz-golden, in den meisten Darstellungen ersetzt das Haar des Davidskopfes die Helmdecken. Das ist eine recht seltene Ausnahme, bietet sich hier aber wegen der wild wuchernden Haarpracht geradezu an, was letztendlich die Künstler der Renaissance auch gerne als Idee aufgegriffen haben - eine Darstellung, die uns heute als heraldisch gewagt erschiene, aber hier in Neckarsteinach durch genügend historische Beispiele belegt wird.

Die Symbolik des Wappens wird naheliegend interpretiert, denn die Wahl der Harfe kann sich auf das Minnesängertum von Bligger II beziehen. Auch die Interpretation der Helmzier als Davidshaupt schlägt in die selbe Kerbe. Welche Rolle die Harfe spielte, zeigt auch der Name der nahen Harfenburg.

Das Wappen der Landschad von Steinach lebt übrigens im heutigen Wappen von Neckarsteinach fort: Auch die Stadt führt in Gold eine schwarze Harfe.

Das Wappen derer von Helmstatt (Helmstadt): In Silber ein schwarzer auffliegender Rabe, kann golden gekrönt sein. Kleinod ein schwarzes und ein silbernes Büffelhorn. Helmdecken schwarz-silbern. Allein aufgrund des Schildbildes kann man die drei Kraichgauer Geschlechter eines gemeinsamen Stammes, die Göler von Ravensburg, die von Mentzingen und die von Helmstatt nicht unterscheiden, nur anhand ihrer Helmzier. Die von Helmstatt besaßen Rechte in und an Neckarsteinach und seinen Burgen im Verlauf der komplizierten Geschichte.

Die Landschad von Steinach
Die Landschad von Steinach stellten über mehr als 360 Jahre lang - insgesamt 13 Generationen - die Herren von Steinach am Neckar. Der erste faßbare Herr von Steinach ist Bligger IX. von Steinach, 1286 erwähnt, der letzte ist Friedrich III. Landschad von Steinach, geb. 1601, mit dessen Tod 1653 das Geschlecht erlosch. Seine Erbin, Ursula Christine Landschad von Steinach, ehelichte Philipp Ernst von Venningen.

Der traditionelle und in dieser Familie gehäuft auftretende Vorname Bligger (Blicker) ist germanischen Ursprungs. Ger = Speer steckt da drin, und der Name bedeutet soviel wie "Blitzspeer". Auch die Form Bleikhard oder Pleikard geht in die selbe Richtung.

Zwei Heiratsverbindungen der Landschad mit den Herren von Helmstatt sind bekannt:

Aus stilistischen Erwägungen und von der Jahreszahl 1556 her paßt das hier abgebildete Wappen der Renaissance zu dem letztgenannten Ehepaar. Die Datierung ist etwas schwierig zu finden und doch sogar zweimal vorhanden: Auf beiden Seiten befindet sich inmitten der floralen Ornamentik ein kleines schräggestelltes Band mit der Jahreszahl, auf halber Höhe des jeweiligen Pilasters.

Landschad – nichts hat der Name zu tun mit „Schaden anrichten“. Vielmehr nannte sich das Geschlecht seit 1286 nach der Burg Schadeck, früher Schadheck, der vierten und letzten Neckarsteinacher Burgen. Schadheck bedeutet „Schwalbennest“ und bezieht sich auf die Lage der Burg, die wie ein Schwalbennest am Berghang klebt, der hier so steil ist, daß der Erbauer ein künstliches Plateau in den Abhang schlagen mußte, um ausreichend Baugrundfläche zu haben, und daß die mächtige und hohe Schildmauer mit ihren beiden Türmchen praktisch auf einer Höhe mit der gegenüberliegenden Abbruchkante des Felshanges jenseits des Halsgrabens endet. Und im Gegenzug wurde die Hinterburg auch "Alt-Schadeck" genannt.

Ein wichtiges Familienmitglied ist Konrad von Steinach, von 1150 bis 1172 Bischof von Worms, er reiste als Brautwerber für Kaiser Friedrich I. Barbarossa nach Konstantinopel. Nach einem zwischenzeitlichen Tief erholte sich die Familie, kam wieder zu Macht, Geld und Ansehen, erwarb alle vier Burgen zurück. Ihr neu gewonnener Wohlstand drückte sich auch in der Erbauung der spätgotischen Pfarrkirche 1481-1483 aus. Die Landschad von Steinach sind zudem in hohen Ämtern am Hofe der Pfalzgrafen zu finden, z. B. war Landschad Hans Bleickardt I Marschall am Heidelberger Kurfürstenhof.

Bligger von Steinach, der Minnesänger:
In der Manesseschen Liederhandschrift C ist ein Autorenbildnis von Bligger von Steinach, dem Minnesänger. Zwei Minnelieder und ein Spruch von 15 Versen sind von ihm überliefert. Auf der Illustration ist das Harfenwappen des Minnesängers ganz anders abgebildet, als wir es aus späterer Zeit gewohnt sind: In Blau eine goldene Harfe, Helmzier zwei blaue Pfauenhälse mit goldenen Schopffedern und ebensolchem Schnabel - wobei es a) eine frühe Form oder b) eine Ungenauigkeit der Handschrift sein kann, die bei aller Einmaligkeit und Schönheit kein verläßliches heraldisches Dokument darstellt. Die Darstellung in der Liederhandschrift zeigt den Minnesänger beim Diktat. Es handelt sich vermutlich um Bligger II. (1152-1209 bezeugt), der Kaiser Heinrich VI. nahestand. Die Identifizierung ist nicht sicher, weil die Trennung der urkundlichen Bezeugungen „Bligger von Steinach“ 1142 bis 1209 und Zuordnung zu verschiedenen Personen schwerfällt. Als Favorit gilt Bligger II – der Rest ist Spekulation.

Abb.: Hinterburg, Blick auf den Eingang zur Kernburg, links der Neckar. Durch dieses Tor mit Birnstabprofil betreten wir den eigentlichen Kern der Anlage von unregelmäßig fünfeckigem Grundriß, den Bereich, der Bergfried, Brunnen und Palas enthält. Der vollständig ausgemauerte Brunnen von mindestens 23 m Tiefe hat übrigens ein interessantes Detail: In ihm zweigt in 18 m Tiefe ein begehbarer Gang in Richtung Mittelburg ab.

Abb.: Hinterburg, Blick auf den übereck gestellten Bergfried aus Nordosten. Der aus Buckelquadern aufwendig gemauerte Bergfried hat 9 m Seitenlänge und 2.5 m Mauerstärke sowie einen Schrägsockel. Er ist vom Innenhof aus über 25 m hoch; sein rundbogiger Eingang liegt in 12 m Höhe über verzierten Konsolsteinen. Eine angebaute Treppe gibt heute Zugang zu dem Turm, von dem man eine vorzügliche Aussicht über das Neckartal hat. Hinter dem Bergfried der Halsgraben. Unterhalb des Bergfriedes die 1.2-1.8 m dicke Ringmauer, darunter die Mauer des inneren Zwingers (nach der Zerstörung 1344 angelegt). Der äußere Zwinger (nach 1426 errichtet) liegt bereits darunter im Schatten.

Literatur und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher
R. Irschlinger, Neckarsteinach - Aus der Geschichte der vier Burgen, ihrer Bewohner und der Stadt, 1956
Friedrich-Wilhelm Krahe: Burgen des Deutschen Mittelalters, Grundriß-Lexikon, Bechtermünz-Verlag 1996, ISBN 3-86047-219-4
http://www.burgenwelt.de/hinterburg/gelie.htm
F. Langendörfer, Die Landschad von Steinach, Dissertation, Universität Heidelberg 1971
W. Möller, K. Krauß: Neckarsteinach, seine Herren, die Stadt und seine Burgen, Mainz 1928, in: Starkenburg in seiner Vergangenheit Bd. 4
http://www.burgenlexikon.eu/15.html?&cHash=12b4a24fa4&tx_ttnews%5Btt_news%5D=364&tx_ttnews%5BbackPid%5D=74
Ahnentafel der Landschad von Steinach in der ev. Pfarrkirche
http://www.burgenstrasse.de/showpage.php?SiteID=&layout=22&sel=u&sid=52&lang=de
Deutsche Inschriften DI 38, Bergstraße, Nr. 141 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net,
urn:nbn:de:0238-di038mz04k0014103 - http://www.inschriften.net/landkreis-bergstrasse/inschrift/nr/di038-0141.html#content
Deutsche Inschriften DI 38, Bergstraße, Nr. 156 (Sebastian Scholz), in: www.inschriften.net,
urn:nbn:de:0238-di038mz04k0015600 - http://www.inschriften.net/landkreis-bergstrasse/inschrift/nr/di038-0156.html#content

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