Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2
Boppard, Karmeliterkirche unserer lieben Frau
Grabplatte des Wilhelm von Schwalbach (gest. 1483) und seiner Frau Anna von Leyen (gest. 1483)

Dieses Doppelgrabmal von 2,50 m Höhe und 1,40 m Breite aus weißlich-gelbem Sandstein befindet sich an der Südwand des zweiten westlichen Hauptschiff-Pfeilers. Auf allen vier abgeschrägten Außenkanten läuft eine lateinische Inschrift um. Sie hat ihre Unterlinie außen und ist von außen entgegen dem Uhrzeigersinn zu lesen, deutet also darauf hin, daß die später hier aufgestellte Platte einst liegend eine Tumba (Hochgrab) als Deckplatte abdeckte, so daß die Inschrift beim Umschreiten gut lesbar war. Die Inschrift in gotischen Minuskeln beginnt in der Mitte der oberen Leiste und lautet: "Anno d(omi)ni M cccc lxxxiii in die visitacio(n)is marie obyt wylhelmus s(ch)walbach armig(er) cui(us) a(n)i(m)a requiescat i(n) pace - Anno d(omi)ni M cccc lxxxiii in die conversionis pauli obiit do(m)icella anna de leyhen r(e)q(ui)escat i(n) pace" - übersetzt: Im Jahre des Herrn 1483 starb am Tag der Heimsuchung Mariens der Bewaffnete Wilhelm (von) Schwalbach, seine Seele ruhe in Frieden - im Jahre des Herrn 1484 am Tag der Bekehrung von Paulus starb die Edelfrau Anna von Leyen, sie ruhe in Frieden. Das erste Datum (Heimsuchung Mariens) ist der 2.7., das zweite Datum (Bekehrung von Paulus) der 25.1. Beidesmal wird die Jahreszahl 1483 angegeben, doch weil wir davon ausgehen müssen, daß hier die Zeitrechnung nach Trierer Methode erfolgt mit Jahreswechsel am 25.3., ist der 25.1.1483 nach unserer Zählweise bereits der 25.1.1484, weil wir den Jahreswechsel in Bezug auf trierer Zeitrechnung vorgezogen haben.

Der Aufbau folgt dem typischen Schema eines spätgotischen Doppelgrabmals, beide Figuren stehen überlebensgroß unter einer Maßwerk-Blendarchitektur mit zwei Kielbögen, die oben mit je einer Kreuzblume und an den Rändern mit Krabben verziert sind, dazwischen eine Fiale. Ungewöhnlich ist nur, daß der Ehemann in Harnisch und Schaller seinen Kopf im Dreiviertelprofil seiner Frau zuwendet. Die Darstellung der Ehefrau folgt dem klassischen Typus und ist künstlerisch sicher und ausgewogen. Die Figur des Ehemannes wirkt durch die unübliche und sicherlich neue Perspektive etwas unsicher und steif. Aber der besondere, modisch neue Typ der Schaller kommt so besonders gut zur Geltung. Die frontal dargestellte Ehefrau ist in Kleid und Mantel gekleidet und hat ihre Hände vor der Brust gefaltet. Das markanteste Kleidungsstück ist die runde Haube. Zu ihren Füßen ist ein Hündchen dargestellt. Auf der Platte verteilt kriechen zwei Kröten, zwei Eidechsen und eine verknäulte Schlange. Das Denkmal ist bis auf die abgearbeitete Schamkapsel des Ritters gut erhalten.

Gesamtansicht der Platte

Schwalbach-Airsburg (Arnsburg), geviert aus Schwalbach (1 und 4, Felder gewendet) und Airsburg (Arnsburg, Felder 2 und 3). Von Schwalbach zu Boppard, von Schwalbach zu Niederhofheim (bei Höchst) - die Herren von Schwalbach aus dem gleichnamigen Ort im Taunus kommen seit etwa 1275 vor und starben 1539 aus. Sie hatten im Spätmittelalter und in der frühe Neuzeit verschiedene Stellen als Amtmänner inne für die Landgrafen von Hessen, für die Reichsstadt Frankfurt und für das Mainzer Erzstift. In Boppard bewohnte die Familie das sog. Ritter-Schwalbach-Haus, das von dem hier besprochenen Ehepaar grundlegend umgebaut wurde. Ihr Wappen: In Rot ein silberner Schrägrechtsbalken, belegt mit drei auffliegenden schwarzen Schwalben. Helmzier wäre ein roter hoher Hut mit silbernem Stulp und einer hahnenfederbesteckten goldenen Kugel an der Spitze (im Siebmacher als "Granatapfel" bezeichnet. Später ein wie das Stammwappen tingierter offener Adlerflug. Helmdecken wären rot-silbern. Seit ca. 1500 AD wurde das Stammwappen geviert mit Airsburg (Stirsburg lt. Siebmacher), in Silber drei schwarze Balken (gemäß Lit., hier jedoch siebenmal geteilt). Im 16. Jh. besteht das Kleinod aus einem "Granatapfel" zwischen zwei mit einer Binde umwickelten Büffelhörnern, alternativ eine silberne Kugel mit schwarzen Hahnenfedern zwischen zwei in den Farben von Airsburg tingierten Hörnern. Der Hintergrund für die Wappenvermehrung könnte in der Ehe Wilhelms mit Anna von Leyen zu suchen sein: Es war ihre zweite Ehe, denn in erster Ehe hatte sie Johann von Airsburg geheiratet, dieser war kurz nach 1466 kinderlos verstorben. Seine Witwe hatte dadurch neben dem Burghaus den Bopparder Ruderzoll geerbt, in dessen Nutznießung ihr zweiter Mann kam.

Hagen zur Motten, von Hagen genannt zur Motten: In Gold ein roter Balken, begleitet von oben 9 (5:4) und unten 5 (3:2) (lt. Gruber 6 (3:2:1), nach Siebmacher 15 (5:4:3:2:1))aufrechten roten Schindeln, Helmzier wäre ein goldener offener Flug, belegt mit einem roten Balken, begleitet von den gleichen Schindeln wie im Schild. Helmdecken wären rot-golden. Dies ist ein ursprünglich dynastisches, später ritterliches uradeliges Geschlecht. Für die Herkunft gibt uns Siebmachers Wappenwerk alternativ das Dorf Haag bei Hunolstein im Kreis Bernkastel oder Hahn oder Hagen bei Lebach. Den Beinamen hat die Familie von ihrem Sitz Motten im Kreis Saarlouis. Darin steckt die uralte Bezeichnung "Motte" für eine frühe Form der Turmburg. Von den von Hagen stammen auch die Vögte von Hunoldstein und die Herren von Schwarzenberg ab. Eine erste Erwähnung des Geschlechtes finden wir 1157 mit "Theodoricus de Hagene liber". 1359 erscheint zuerst Johann von Hagen als "Herr zur Motten". Später spaltete sich die Familie in drei Linien, aus gehend von Philipp (lothringische Linie, de la Haye), Johann und Hans Heinrich (erloschen 1590), drei Brüdern. Hier sei angemerkt, daß das Wappen der von Hagen zur Motten 1792 widerrechtlich von einer Familie Hagen in Brandenburg anläßlich ihrer Erhebung in den Grafenstand aufgenommen wurde. Die beiden Familien sind keine Abstammungsgemeinschaft.

von Ingelheim: In Schwarz ein rot-golden geschachtes Kreuz. Die Helmzier wäre ein wie der Schild bezeichneter offener Flug. Die Helmdecke wäre rot-golden. Die von Ingelheim sind ein uraltes Adelsgeschlecht aus der Rheinpfalz. Sie waren Erbkämmerer von Nassau. Die erste Erwähnung ist 1140, aber die eigentliche Stammreihe kann ab 1192 (Johann von Ingelheim) nachvollzogen werden. Es gab zwei Linien, die eine, die Beusser von Ingelheim, starb 1580 aus. Die andere Linie wurde bedeutsam für Franken. Erst nach der Reformation kam die Familie nach Franken, faßte durch die Heirat mit der Erbtochter der von Echter zu Mespelbrunn Fuß im Maingebiet, stellte dann aber zwischen 1623 und 1784 neun Domherren am St. Kilians-Dom zu Würzburg und einen Fürstbischof. Mit kaiserlicher Erlaubnis durften die von Ingelheim sich ab 1698 namentlich und wappenmäßig mit den Echter von Mespelbrunn vereinen. Der zukünftige Name der Familie lautete "Grafen von Ingelheim genannt Echter von und zu Mespelbrunn". Unter diesem Namen besteht die Familie noch heute. 1703 erfolgte die Erhebung in den Freiherrenstand, 1737 die in den Reichsgrafenstand (mit Franz Adolf Dietrich von Ingelheim).

von Leyen: In Schwarz ein silberner Sparren, begleitet von 3 (2:1), 3 (2:1) und 4 (1:2:1) goldenen Schindeln. Helmzier wäre eine silberne Kugel, besteckt mit einem Hahnenbusch. Helmdecken wären schwarz-silbern. Anna von Leyen war die Tochter von Adam von Leyen (geb. um 1400, gest. um 1464) und Elisabeth von Ingelheim (geb. um 1408, gest. um 1450). Achtung - es gibt im Raum Rhein/Mosel mehrere wappenführende Familien mit Namen "Leyen". Mit der Familie von der Leyen, die zwei Trierer Fürstbischöfe stellte, haben diese hier nichts zu tun. Vielmehr kommt diese Familie von der Burg Leyen bei Bingen an der Nahe, von wo aus sie in manche Beziehung zu Nassau traten. Der Name "Ley" bedeutet einfach Felsen. Das Schildbild der von Leyen ist relativ großen Veränderungen unterworfen, konstant ist nur der Sparren. Emericho führte 1345 im linken Obereck einen Pfeil. Philipp führte 1346 im linken Obereck einen Strahl, Henne 1393 im rechten Obereck. Enolf führte 1393 eine Glevenspitze im rechten Obereck, und Jörge wiederum einen Stern im linken Obereck, alles unterscheidende Zeichen. Ulrich und Philipp schließlich führten das hier beschriebene und abgebildete Wappen und die beschriebene Helmzier. Vier Brüder wurden 1670 in den Freiherrenstand erhoben. Bei der Erhebung in den Freiherrenstand wurde das Wappen vermehrt, dabei wurde das Stammwappen (wie hier beschrieben) zum Herzschild auf einem wie folgt gevierten Hauptschild: Feld 1 und 4: In Gold ein schwarzer Adler, Feld 2 und 3: In Schwarz ein goldener Löwe. 1732 starb die Familie aus.

Portrait-Ausschnitte der Eheleute, eine exquisite Arbeit der Spätgotik. Man achte beispielsweise auf den Rüsthaken zum Einlegen der Lanze am Harnisch, auf den Helm in Form einer Schaller, auf das mächtige Zweihänderschwert und auch auf die dargestellten Tiere, die hier - in mittelalterlicher Denkweise - nicht für Amphibien- und Reptilienbegeisterung, sondern vermutlich für die Verwesung der Leiber stehen:

Wilhelm von Schwalbach (gest. 1483)

Frau Anna von Leyen

Eidechse auf dem Plattenhintergrund

Kröte auf dem Plattenhintergrund

Löwe zu Füßen des Wilhelm von Schwalbach

Anna von Leyen, Kopfstudie mit runder Haube und darunter hervorquellenden Haarflechten.

Wilhelm von Schwalbach ist 1482 als kurtrierischer Amtmann zu Boppard bezeugt. Nach seinem Tod fiel das Amt an seinen Neffen Sifrit. Die Ehe Wilhelms mit Anna von Leyen war kinderlos.

Literatur, Links und Quellen:
Publikation der Photos aus dem Innenraum der Karmeliterkirche mit freundlicher Erlaubnis von Herrn Pfarrer Hermann-Josef Ludwig vom 1.8.2007, wofür ihm an dieser Stelle ganz herzlich gedankt sei.
Otto Gruber: Wappen des mittelrheinisch-moselländischen Adels, Trier 1962-1965, incl. Nachtrag Trier 1967, ebenfalls veröffentlicht in verschiedenen Jahrgängen der "landeskundlichen Vierteljahresblätter".
Siebmachers Wappenbücher
Ein herzliches Dankeschön an Herrn Ernst Schuck aus Bingen für wertvolle Hinweise
Ursula B. Thiel, Figürliche Epitaphien des Adels und der Geistlichkeit - Wege in die frühe Neuzeit. In: Traditionen, Zäsuren, Umbrüche, Beiträge zur 11. Internationalen Fachtagung für Epigraphik 2007 in Greifswald, Hrsg. von Christine Magin, Ulrich Schindel, Christine Wulf, Reichert Verlag Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-89500-597-8
Rolf Zobel: Wappen an Mittelrhein und Mosel, Books on Demands GmbH, Norderstedt 2009, ISBN 978-3-8370-5292-3, 527 S.
Susanne Kern: Die Inschriften der ehemaligen Karmeliterkirche in Boppard, Mainz 2008:
http://www.regionalgeschichte.net/fileadmin/Superportal/Bibliothek/Autoren/Kern/Bopp_Karmeliter_Inhalt_Webversion.pdf
Die deutschen Inschriften:
http://www.inschriften.net/rhein-hunsrueck-kreis/inschrift/nr/di060-0097.html bzw. Eberhard J. Nikitsch, DI 60, Nr. 97, in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di060mz08k0009701.

Karmeliterkirche, Johann von Eltz - Karmeliterkirche, Margarethe von Eltz - Karmeliterkirche, Sifrit von Schwalbach - Karmeliterkirche: Conrad Kolb von Boppard - Karmeliterkirche: Johannes Philipp Anton von Eltz - Karmeliterkirche: landgräflicher Wappenstein

Ortsregister Photos von Wappen - Namensregister - Regional-Index
Zurück zur Übersicht Heraldik

Home

© Copyright Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2006, 2009, 2012
Impressum