Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 143
Aschaffenburg (Regierungsbezirk Unterfranken)

Der Schönborner Hof

Der frühbarocke Schönbornsche Hof (Wermbachstr. 15) wurde 1676-1681 als Stadtpalais von Melchior Freiherr von Schönborn erbaut, der eine repräsentativere Residenz wünschte und dafür mehrere Grundstücke aufgekauft hatte, deren alter Baubestand dem Neubau weichen mußte. Melchior Freiherr von Schönborn war Mainzer Obersthofmarschall und seit 1672 Vicedomus (erzbischöflicher Stellvertreter), der dem Kurstaat auch als Gesandter diente und den Fürstbischof bei etlichen diplomatischen Anlässen vertrat. Dazu befand sich seine Familie im politischen und gesellschaftlichen Aufwind, und die neue Residenz mußte sowohl dem neuen Status der Familie als auch dem Status des Amtes entsprechend repräsentativ sein.

Die Pläne stammen von dem Kapuzinerpater Matthias von Saarburg aus Mainz, der auch an der dortigen Residenz arbeitete. Es ist eine repräsentative, zweistöckige Mehrflügelanlage um einen unregelmäßig viereckigen Ehrenhof mit einem diesen nach vorne abschließenden Tor, flankiert von zwei dreistöckigen Türmen, die innen seitlich an die beiden Seitenflügel angesetzt sind. Zwischen den beiden Türmen liegt eine eingeschossige Galerie, deren einschwingende Außenkontur beiderseits konkav eingezogen ist und die oben mit einer steinernen Balustrade abgeschlossen wird. Das rustizierte Mauerwerk besitzt nur auf den flachen Seitenabschnitten jeweils ein quadratisches Fenster. In der Mitte der Galerie befindet sich das große, repräsentative Rustikaportal zwischen freistehenden Säulen, durch einen großen, kugelgeschmückten Segmentbogengiebel akzentuiert. Die beiden Seitenflügel sind nach hinten jeweils etwas über den Querflügel hinaus verlängert. An der Nordecke befindet sich ein dritter Turm. Alle drei Türme tragen eine welsche Haube mit Laterne. An den Querflügel ist rückwärtig noch ein weiterer Trakt angesetzt, der parallel zum südöstlichen Seitenflügel steht. Während also die hinteren Teile der Anlage deutlich vom unregelmäßigen Zuschnitt des Baugrundstücks geprägt sind, gibt sich die Vorderfront alle Mühe, ein repräsentatives Entrée zu schaffen, das mit seiner turmflankierten Galerie ein ungewöhnliches Baukonzept für frühbarocke Palastarchitektur in Deutschland darstellt, dessen Vorbilder vielmehr in der Architektur und Konzeption zeitgleicher französischer Hôtels particuliers zu suchen sind. Durch dieses ungewöhnliche Konzept wird der Schönborner Hof als eine der frühesten deutschen Verarbeitungen französischer Repräsentationsarchitektur selbst architekturgeschichtlich bedeutsam und wegweisend.

Die neuere Geschichte des Hauses ist sehr wechselhaft: 1832 kaufte die Stadt Aschaffenburg den Schönborner Hof, er wurde Sitz des Appellationsgerichtes für den Untermainkreis, danach 1875-1906 königlich Weibliche Bildungsanstalt mit Lehrerinnen-Seminar. 1913-1926 hatte hier die Städtische Sparkasse ihren Sitz. Im 1. Weltkrieg diente das einstige Adelspalais als Lazarett und Milchküche, 1929-1951 als Postamt sowie Volksschule. Wie so viele andere Bauwerke in Aschaffenburg wurde auch der Schönborner Hof 1944/45 in großen Teilen zerstört.

Nach dem Krieg erfolgte der Wiederaufbau, wobei der besonders ge- und betroffene Nordwestflügel abgetragen und völlig neu aufgemauert wurde. Der Mittelflügel erwies sich wenig später als baufällig und mußte 1957/58 abgebrochen und völlig neu aufgemauert werden. Der Hof wurde Behördensitz, 1958-1968 Oberrealschule, 1968-1980 Brentanoschule. Eine weitere Sanierung erfolgte 1976-1981. Bei der letzten Generalüberholung stellte sich heraus, daß auch der Südostflügel baufällig war, und auch dieser wurde rückgebaut und neu aufgeführt, so daß das Aussehen zwar dem frühbarocken Konzept entspricht (bis auf eine Veränderung der ursprünglichen Fenstergliederung), fast die gesamte Bausubstanz jedoch aus der 2. Hälfte des 20. Jh. stammt. Eigentlich sind nur die beiden Türme und die dazwischen liegende Hofgalerie noch alt. Original ist ferner die Kapelle im Erdgeschoß des Südturms; dort hat sich sogar originaler Deckenstuck aus der Barockzeit erhalten. Heute sind hier das Naturwissenschaftliche Museum (seit 1970) und das Stadtarchiv untergebracht.

Abb.: Portal im Innenhof mit dem Allianzwappen des Bauherrenehepaares, unter einer siebzehnperligen Krone zusammengestellt. Angemessen wären neun Perlen; hier hat man die verdeckte "Rückseite" dazugenommen. Da die Fassaden der Seitentrakte und des Mitteltraktes schlicht gehalten sind, setzen die Portale am Mittelflügel mit ihren Segmentbogengiebeln und den ionischen Viertelsäulen deutliche bauliche Akzente.

Abb.: Allianzwappen des Bauherrenehepaares an der rechten (südlichen) Gebäudeecke der Dreiflügelanlage, unter einer neunperligen Krone vereint. Dieses Typus Eckwappen gibt es dreimal, an der Nord-, West- und Südecke.

Alle abgebildeten Wappen am Gebäude sind gleichen Inhalts, es handelt sich um das Allianzwappen Schönborn/Boineburg. Heraldisch rechts ist jeweils das Wappen des Ehemannes, Melchior Freiherr von Schönborn. Es handelt sich um ein geviertes Wappen, das nicht aus Courtoisie gewendet wurde: Feld 1 und 4: in Rot auf drei silbernen Spitzen ein schreitender goldener Löwe mit blauer Krone, Stammwappen der von Schönborn, Feld 2 und 3: in Rot drei (2:1) silberne Schildchen, reichsständische Herrschaft Reichelsberg. Diese wurde 1671 von den von Schönborn vom Bistum Würzburg erworben. Damit waren Sitz und Stimme im Fränkischen Grafenkollegium verbunden.

Abb.: Prunkportal zum Ehrenhof. Das Wappen wird wiederum von einer siebzehnperligen Krone überhöht (s.o.). Zwei widersehende Löwen, das aus dem Schild entlehnte Wappentier der von Schönborn, dienen als Schildhalter.

Heraldisch links ist jeweils das Wappen seiner Gemahlin Sophia von Boineburg, schwarz-silbern geviert. Die hier nicht dargestellte Helmzier bestünde aus zwei Büffelhörnern in den beiden Farben des Schildes übereck geteilt. Die Helmdecken wären schwarz-silbern. Die Stammburg der von Boineburg ist die Reichsburg Bomeneburg; diese liegt in Hessen im Werratal zwischen Bad Hersfeld und Bad Soden. Viele namensähnliche Geschlechter breiten sich von da aus in ganz Deutschland aus: Bemmelberg, Boemelberg, Boineburg, Boyneburgk etc., eine verwirrende Vielfalt der Linien. So teilten sich die Boyneburgs in verschiedene Stämme, es gab Boineburgs "mit der schwarzen Fahne" und solche "mit der weißen Fahne", jede wiederum mit verschiedenen Ästen.

Detail: Allianzwappen über dem Prunkportal zum Ehrenhof. Alle hier gezeigten Wappensteine sind Kopien des 20. Jh. aus der Zeit des Wiederaufbaus, wie man an den frischen Oberflächen und den makellosen Kanten leicht sehen kann.

Allianzwappen an der linken (westlichen) Gebäudeecke der Dreiflügelanlage.

Die Stammfolge der Grafen von Schönborn - Teil 1: Der Aufstieg
Der Aufstieg der Familie Schönborn ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Einst ein reichsritterschaftliches Geschlecht aus dem Taunus und dem Westerwald, Burgleute und Amtmänner, schafften sie es in bedeutende Regierungspositionen und an die Spitzen bedeutender geistlicher Fürstentümer und prägten ihre Zeit nachhaltig. Man ist direkt geneigt, von einer Schönbornzeit zu sprechen, denn rund ein halbes Jahrhundert prägen die Schönborns die Geschichte des Reiches, der katholischen Kirche und der Kunst maßgeblich.

Die Stammfolge der Grafen von Schönborn - Teil 2: Das Schönborn-Zeitalter
Beginnen wir neu mit dem letzten der obigen Reihe, dem Stammvater der "mega-erfolgreichen" Schönborns. Faszinierend an diesen verwandtschaftlichen Verflechtungen ist nicht nur, daß hier sechs Kirchenfürsten aus der gleichen Familie engstens zusammenkommen, daß zeitweise Reichskanzler und Reichsvizekanzler aus der selben Familie kamen, sondern daß auch vier Brüder Kirchenfürsten wurden und drei deren Schwestern Mütter von drei weiteren Fürstbischöfen (Seinsheim, Ostein, Limburg-Styrum) wurden, abgesehen von weiteren hohen und höchsten Ämtern in der Familie:

Literatur, Quellen und Links:
Siebmachers Wappenbücher
Stephan Mauelshagen, Ordensritter - Landesherr - Kirchenfürst: Damian Hugo von Schönborn, Veröffentlichungen der Historischen Kommission der Stadt Bruchsal, Band 18, Verlag Regionalkultur, 2001, ISBN 3-89735-173-0
Hartmut Platte: Das Haus Schönborn, Grafen, Fürstbischöfe und Mäzene, Börde-Verlag Werl, 2006, Reihe Deutsche Fürstenhäuser Heft 13, ISBN 3-980 9107-3-3
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital,
WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Ausstellungskatalog "Die Grafen von Schönborn. Kirchenfürsten, Sammler, Mäzene", Verlag des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 1989
Das Haus Schönborn:
http://www.schoenborn.de/
Anton P. Rahrbach, Reichsritter in Mainfranken. Zu Wappen und Geschichte fränkischer Adelsfamilien. Bauer & Raspe Verlag - Die Siebmacherschen Wappenbücher, die Familienwappen deutscher Landschaften und Regionen, Band 2, 2003, ISBN 3-87947-113-4
http://www.aschaffenburg.de/wDeutsch/tourismus/schoenborner/schoenborner_01.php
http://www.aschaffenburg.de/wDeutsch/tourismus/museum/museum_03.php
Christian Ottersbach: Frankfurt & Rhein-Main, Burgen und Schlösser in und um Aschaffenburg, Darmstadt, Mainz, Taunus und Wetterau, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2010, ISBN 978-3-86568-452-3, S. 88
Alfred F. Wolfert, Aschaffenburger Wappenbuch, Veröffentlichung des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg e. V., Aschaffenburg 1983, Seite 102

Aschaffenburg: Schloß Johannisburg: Wappenmauer - Schloß: Treppentürme - Schloß: Sockel - Schloß auf 1001 Rädern

Die Entwicklung des Wappens der von Schönborn

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