Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 142
Aschaffenburg (Regierungsbezirk Unterfranken)

Schloß Johannisburg in Aschaffenburg (4)

Mainzer Residenz
Schloß Johannisburg in Aschaffenburg ist der sichtbare Beleg für die Geschichte der Stadt unter Mainzer Herrschaft. Das prachtvolle Renaissanceschloß war - neben dem Hauptsitz Mainz natürlich - die Alternativ-Residenz der Mainzer Kurfürsten und Erzbischöfe. Die Verwandtschaft mit dem Mainzer Schloß ist augenfällig, nicht zuletzt hinsichtlich Bauschmuck und Heraldik.

Ein Schloß auf 1001 Rädern
Besonders charakteristisch sind die unzähligen Räder an den Fenstern des Obergeschosses, so daß scherzhaft geäußert wurde, man könne das Schloß darauf wegrollen. Dieser Scherz soll einst sogar das Schloß vor der Zerstörung bewahrt haben. Spektakuläre Großwappen an Giebeln oder über Eingängen fehlen, dafür ist das Mainzer Rad innen wie außen omnipräsent. 1614 wurde das Schloß von Kurfürst Johann Schweikhard von Kronberg bezogen und bis 1626 bewohnt. Bis 1803 war es eine Residenz im Dienste der Mainzer Erzbischöfe und Kurfürsten.

Und bei genauerem Hinsehen fallen weitere heraldische Elemente auf: In der Horizontalen sind über dem Fenster die Eisenhütlein aus dem Kronberger Familienwappen angebracht, und sogar die Helmzier, der Federbusch (nach anderer Interpretation eine Zirbelnuß) wächst aus der Helmkrone, sitzt aber nicht einem Helm, sondern unmittelbar dem das Rad tragenden Mittelstein auf. Somit haben wir alle Elemente des fürstbischöflichen Wappenschildes, nur ohne den heraldiktypischen Rahmen in Schildform, vielmehr in freier Verfügung über die einzelnen Motive als bauplastischen Dekor.

Ein älteres Wappen eines Amtsvorgängers an der Treppenturmuhr
Nicht alles am Aschaffenburger Schloß ist von Johann Schweikhard von Kronberg - aber man sieht es nicht auf den ersten Blick: Der Innenhof besitzt vier achteckige Treppentürme in seinen vier Ecken, jeweils nur ein Stockwerk höher als die angrenzenden Flügel und oben mit einer welschen Haube gedeckt, so daß sie gegenüber den mächtigen Außentürmen insgesamt fast unscheinbar sind. Eigentlich werden dadurch, daß man die vierstöckigen Türme erst bei näherem Hinsehen entdeckt, die wirklichen Dimensionen des Schlosses dem Besucher bewußt! An dem Treppenturm der Nordecke ist am obersten Geschoß eine auf 1591 datierte Turmuhr angebracht. Beiderseits der Jahreszahl sind die Buchstaben HR angebracht. In der Mitte zeigt das durchbrochen gearbeitete Ziffernblatt eine gesichtete Strahlensonne; das hintere Ende der Zeiger ist jeweils als gesichtete Mondsichel geformt, und zwischen den einzelnen Ziffern des äußeren Zahlenkranzes sind Sterne als trennende Elemente angebracht, ebenso im inneren Kreis zwischen den Viertelstunden-Markierungen.

Seit der letzten Renovierung sind zwar die Farben verblichen, doch Reste zeugen neben der äußeren Form vom Vorhandensein eines Amtswappens des Fürstbischofs Wolfgang von Dalberg (regierte 1582-1601) oben in der Mitte der Uhr. Vier Ahnenwappenschilde füllen die Zwickel zwischen dem kreisrunden Ziffernblatt und der quadratischen Rahmung aus. Das Amtswappen ist geviert, Feld 1 und 4: in Rot ein silbernes, sechsspeichiges Rad, Erzstift Mainz, Feld 2 und 3: unter einem mit drei Spitzen abgeteilten goldenen Schildhaupt in Blau 6 (3:2:1) silberne Lilien, Stammwappen der Kämmerer von Worms, genannt von Dalberg. Auf dem Schild befindet sich die Inful und hinter dem Schild sind das gestürzte Schwert für die weltliche und der Krummstab für die geistliche Macht schräggekreuzt.

In dieser nachbearbeiteten Fassung des Photos (Abb. oben) wurden die einst vorhandenen Farben verstärkt. Es ist die Farbfassung, wie sie bei der Restaurierung 1969 gewählt wurde, mit einem Fehler beim zweiten Wappenschild. Denn der zweite Schild gehört korrekterweise zur elsässischen Familie der von Fleckenstein, und nicht zu den Hattstein, Reiffenberg etc. Anstelle der rot-silbernen Schrägstreifung müssen es drei silberne Balken in grünem Feld sein. Dies wurde in der unteren Abbildung korrigiert; es ist zu wünschen, daß das bei der aktuell (2015) anstehenden Generalsanierung richtiggestellt wird. Denn die Eltern von Wolfgang von Dalberg waren Friedrich Kämmerer von Worms gen. von Dalberg (1499/1500-21.2.1574) und Anna von Fleckenstein (-12.12.1564). Die vier Großeltern waren Dieter Kämmerer von Worms gen. von Dalberg (-9.2.1530) und dessen Frau Anna von Helmstatt (-28.8.1528) väterlicherseits sowie Ludwig von Fleckenstein und dessen Frau Ursula von Ingelheim (-1538) mütterlicherseits. Entsprechend müssen wir die vier Ahnenwappen von Dalberg (heraldisch rechts oben, unter einem mit drei Spitzen abgeteilten goldenen Schildhaupt in Blau 6 (3:2:1) silberne Lilien), von Fleckenstein (heraldisch links oben, korrekterweise in Grün drei silberne Balken), von Helmstatt (heraldisch rechts unten, in Silber ein schwarzer Rabe; der grüne Dreiberg ist hier redundant) und von Ingelheim (heraldisch links unten, in Schwarz ein rot-golden in zwei Reihen geschachtes durchgehendes Kreuz, nicht schwebend wie hier) sehen.

Zur Übersicht ein Ausschnitt aus der Liste der Mainzer Erzbischöfe und Kurfürsten:
Berthold von Henneberg (1484-1504)
Jakob von Liebenstein (1504-1508)
Uriel von Gemmingen (1508-1514)
Kardinal Albrecht von Brandenburg (1514-1545)
Sebastian von Heusenstamm (1545-1555)
Daniel Brendel von Homburg (1555-1582)
Wolfgang von Dalberg (1582-1601)
Johann Adam von Bicken (1601-1604)
Johann Schweikhard von Kronberg (1604-1626)
Georg Friedrich von Greiffenclau (1626-1629)
Anselm Casimir Wambolt von Umstadt (1629-1647)
Johann Philipp von Schönborn (1647-1673)
Lothar Friedrich von Metternich-Burscheid (1673-1675)
Damian Hartard von der Leyen (1675-1678)
Karl Heinrich von Metternich-Winneburg (1679-1679)
Anselm Franz von Ingelheim (1679-1695)
Lothar Franz von Schönborn (1695-1729)
Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg (1729-1732)
Philipp Karl von Eltz (1732-1743)
Johann Friedrich Karl von Ostein (1743-1763)
Emmerich Joseph von Breidbach zu Bürresheim (1763-1774)
Friedrich Karl Joseph von Erthal (1774-1802)

Literatur, Links und Quellen
Siebmachers Wappenbücher
Schlösser und Burgen in Unterfranken, von Anton Rahrbach, Jörg Schöffl, Otto Schramm. Hofmann Verlag Nürnberg 2002, ISBN 3-87191-309-X
Christian Ottersbach: Frankfurt & Rhein-Main, Burgen und Schlösser in und um Aschaffenburg, Darmstadt, Mainz, Taunus und Wetterau, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2010, ISBN 978-3-86568-452-3, S. 85-87
Alfred F. Wolfert, Aschaffenburger Wappenbuch, Veröffentlichung des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg e. V., Aschaffenburg 1983, S. 87-90
Johann Schweikhard von Kronberg: http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Schweikhard_von_Kronberg
Johann Schweikhard von Kronberg:
http://www.regionalgeschichte.net/bibliothek/texte/biographien/kronberg-johann-schweikard-von.html
Johann Schweikhard von Kronberg:
http://www.deutsche-biographie.de/sfz37493.html
Dalberg: http://de.wikipedia.org/wiki/Dalberg_(Adelsfamilie)
Leopold von Eltester, Adalbert Horawitz: Johann von Dalberg, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 4, Duncker & Humblot, Leipzig 1876, S. 701-703, online:
https://de.wikisource.org/wiki/ADB:Dalberg,_Johann_von
Ludwig Lenhart: von Dalberg, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 3, Duncker & Humblot, Berlin 1957, ISBN 3-428-00184-2, S. 488, online:
http://www.deutsche-biographie.de/pnd118678639.html - http://daten.digitale-sammlungen.de/0001/bsb00016319/images/index.html?seite=502
W. Möller: Stamm-Tafeln westdeutscher Adels-Geschlechter im Mittelalter, Band I, Degener Verlag, Neustadt Aisch 1922, Tafel 25
W. Möller: Stamm-Tafeln westdeutscher Adels-Geschlechter im Mittelalter, Band II, Degener Verlag, Neustadt Aisch 1933, Tafel 66

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