Bernhard Peter
Die Vogelgrippe bei Vögeln

Humanpathogene und vogelpathogene Viren, Grundlagen der Spezifität
Influenza-A-Viren sind normalerweise spezifisch und erkennen ihre Wirtszellen über endständige Neuraminsäure-Reste an den Zuckerstrukturen der Glykocalyx. Je nach Organismus, je nachdem ob Huhn oder Mensch, sind hier N-Acetyl- oder N-Glykolyl-Neuraminsäuren zu finden, die von verschiedenen Hämagglutininen spezifisch erkannt werden. Die Erkennung erfolgt über die Struktur der Zuckerketten, über bestimmte Verknüpfungen der Zucker untereinander, die bei den unterschiedlichen Organismen leicht voneinander abweicht. So kommt es, daß bestimmte Influenza-Viren den Menschen infizieren und andere Vögel. Einige wenige Mutationen im Hämagglutinin können die Spezifität verändern.

Wer paßt zu welchen Antigenen?
Je nach Spezies sind bestimmte Subtypen besonders gut adaptiert. Beim Mensch kommen hauptsächlich die Antigene H1, H2 sowie H3 und N1 sowie N2 vor. Die häufigsten Kombinationen sind zur Zeit H1N1 und H3N2. Die anderen N-Antigene kommen hauptsächlich bei Vögeln vor – bei Vögeln wurden bisher alle Subtypen von H und N gefunden. Vogeltypisch und häufig sind insbesondere die Antigene H5 und H7, z. B. als H7N1, H7N3, H7N7, H5N1 und H5N2. Beim Schwein wurden bisher hauptsächlich die Antigene H1, H3 sowie N1 und N2 gefunden.

Vogelgrippe
Vogelgrippe oder Aviäre Influenza (AI) ist primär eine tierepidemische Erkrankung. Diese speziellen Influenza A-Viren verursachen vor allem bei Hühnern und Truthähnen eine Krankheit, die früher als „Hühnerpest“ oder „Geflügelpest“ bezeichnet wurde. Die Geflügelpest ist seit 1878 (Perroncito, Italien, „Lombardische Krankheit“) bekannt. Aber erst 1955 wurden Influenza A-Viren als Erreger damit in Verbindung gebracht. Heute ist der Ausdruck „Vogelgrippe“ gebräuchlicher. Mit dem Ausdruck „Vogelgrippe“ wird sekundär auch eine menschliche Erkrankung bezeichnet, die durch Vogel-Influenza-Viren verursacht wird.

LPAIV – normal bei wilden Wasservögeln
Im Normalfall sind diese Viren nur schwach pathogen und persistieren im Intestinaltrakt von Vögeln der Gattungen Anseriformes (Enten und Gänse) und Charadriiformes (Möwen and Küstenvögel), ohne daß die Vögel Krankheitssymptome zeigen. Die Übertragung erfolgt fäkal-oral, meist über das Wasser. Beide haben sich in einer Art gegenseitiger Toleranz, einer evolutionären Stase aufeinander eingestellt. Die Viren vermehren sich kräftig – aber es kommt zu keiner Beeinträchtigung der Wasservögel. Die Viren sind also völlig normaler Bestandteil dieser Vögel und stören auch nicht weiter. Sie werden als LPAIV bezeichnet – low pathogenic avian influenza virus.

LPAIV bei domestiziertem Geflügel
Aber auch diese Viren unterliegen dem Gesetz der Mutation, und wenn diese in Wasservögeln natürlich vorkommenden Viren so mutieren, daß sie auf empfindlichere Vögel wie Hühner, Truthähne, Wachteln, Perlhühner oder auch Fasane übertragen werden, werden normalerweise nur milde Symptome beobachtet. Zerzauste Federn, weniger Legeleistung, geringere Gewichtszunahme – das ist alles. Die Möglichkeit, daß sich domestizierte Vögel an Wildvögeln infizieren, ist bei draußen lebenden Tieren am größten, insbesondere, wenn Futterplätze und Teiche mit Wildvögeln geteilt werden. Die Übertragung erfolgt durch direkten Kontakt, Kontakt mit Exkrementen oder abiotischen Vektoren. Nach einer Phase der Adaptation an den neuen Wirt kommt die Virusproduktion in häuslichem Geflügel dann in Schwung, so daß eine horizontale Übertragung innerhalb des Bestandes möglich wird.

Entstehung von HPAIV
Doch die Gesetze der Mutation können auch immer mal wieder dazu führen, daß diese Viren sich ihrem neuen Wirt nach der Übertragung auf diesen anpassen, sich weiterentwickeln, und dann entstehen HPAIV – highly pathogenic avian influenza viruses. Diese HPAIV sind für plötzlich auftretende schwere Krankheitsbilder bei Vögeln verantwortlich, die innerhalb kurzer Zeit zum Verenden aller betroffenen Tiere führt. Es ist durchaus möglich, daß innerhalb von 48 Stunden 100% der Tiere sterben. Interessanterweise passiert das nicht bei den Wildvögeln und natürlichen Wirten, sondern erst nach Übertragung auf Geflügel, das in Massen gehalten wird. Man könnte auch hier so weit gehen zu sagen, daß diese gefährlichen HPAIV erst durch das menschliche Eingreifen in das natürliche Gleichgewicht entstehen können. Berühmt-berüchtigte Kombinationen bei Vögeln sind bestimmte H7N1 und H5N1, die schon beide für eine Vogelgrippe-Epidemie verantwortlich waren. Solche HPAIV können ohne Vorhersage de novo in Geflügel entstehen, das mit LPAIV der Typen H5 und/oder H7 infiziert ist. Die ständig mögliche Einspeisung von Viren wie H5, H7 oder H9 aus einem symptomlosen Reservoir ist die Voraussetzung für einen bedrohlichen Entwicklungsprozeß mit ungewissem Ausgang.

In aller Munde: H5N1
Vor 10 Jahren noch galt HPAI als seltene Krankheit, die eher wegen des wirtschaftlichen Schadens, den sie in Geflügelbetrieben verursachen konnte, gefürchtet war. Von den 50er Jahren bis 1997 gab es weltweit insgesamt nur 24 gesicherte primäre Ausbrüche. 1997 wurde erstmals in Hongkong die Kombination H5N1 bekannt, die ins Rampenlicht rückte, weil sie nicht auf Vögel beschränkt blieb, sondern in seltenen Fällen auch Säuger wie Schweine, Katzen und Menschen befallen konnte. Damals starben 6 Menschen (von 18 Infizierten). Das Neue an der Vogelgrippe ist seitdem die stets latent vorhandene Bedrohung für Säugetiere. Seit knapp 10 Jahren ist dieses Virus jetzt bekannt, und seitdem hat die Virulenz für Säugetiere zugenommen und das Wirtsspektrum wurde größer. Damit geht zur Zeit das größte Risiko, in Zukunft an der Entstehung eines neuen Pandemie-Virus beteiligt zu sein, von H5N1 aus. Warum die Sorge vor H5N1 groß ist, zeigen folgende Belege:

Wie sind die Infektionswege bei Vogelgrippe?
Die Übertragung von Vogelgrippe erfolgt durch direkten Kontakt, Kontakt mit Exkrementen (fäkal-oral), verschmutzten Federn oder abiotischen Vektoren (verunreinigtes Wasser, Käfige). Ein aerogener Übertragungsweg ist ebenfalls nicht auszuschließen.

Damit es soweit kommen konnte, daß sich der Mensch an H5N1 anstecken konnte, war eine ganze Reihe von Schritten nötig:

Influenza, Grippe, grippaler Infekt, Parainfluenza - Die Vielfalt der Grippe-Viren - Vogelgrippe bei Mensch und Säugetieren - Grippe-Pandemien - eine stete Gefahr? - Die Grippeschutz-Impfung - Literatur, Quellen und Links

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