Bernhard
Peter
Grippe-Schutzimpfung:
Was
ist
das für ein Impfstoff?
Die in
Deutschland verwendeten
Grippe-Impfstoffe sind trivalente Impfstoffe. Das heißt, sie
enthalten die wichtigsten derzeit zirkulierenden Varianten. Die
Impfstoffe sind Spalt-Impfstoffe (Subunit-Vakzine), das
heißt,
sie enthalten nur Oberflächenbestandteile, keine RNA. Es
handelt
sich nur um Bruchstücke, nicht um vermehrungsfähige
Viren. Der
Hauptbestandteil eines Impfstoffes sind mindestens 15 µg
Hämagglutinin von jedem der drei Impfstämme.
Wie
wird
der Impfstoff hergestellt?
Man beimpft
ein bebrütetes
Hühnerei gleichzeitig mit einem harmlosen Virus-Stamm
(speziell
attenuierter Stamm namens PR8 (H1N1 A/PR/8/34) für Impfzwecke)
und einem saisonalen Ziel-Stamm, dessen Eigenschaften man
ebenfalls haben möchte. In Zellen des Hühnereies, die
mit
beiden Stämmen infiziert werden, kommt es zur Reassortierung
des
Genoms. Jeder Stamm bringt 8 RNA-Fragmente mit, dadurch entstehen
sehr viele Kombinationen, wovon die richtige Reassortante
herausgesucht wird, nämlich die mit 6 PR8-Segmenten, dem
richtigen Neuraminidase- und dem gewünschten
Hämagglutinin-Gen
vom saisonalen Ziel-Stamm. Diese eine Variante wird vermehrt und
nach Inaktivierung für die Gewinnung von
Oberflächenantigenen
benutzt, welche anschließend zum Impfstoff hochgereinigt
werden.
Alle drei Impfstämme werden separat bearbeitet, und erst zum
Schluß werden die Bruchstücke kombiniert. So wird
ein
Höchstmaß an Sicherheit gewährleistet.
Wie
effektiv ist die Impfung?
Die
Immunität ist
typenspezifisch. Belastbarer Schutz hält nur für eine
Saison.
Die Effektivität der Grippeschutzimpfung beträgt
70-90%
bezüglich der Verhinderung einer Erkrankung an Virusgrippe.
Bei
der Risikogruppe der Senioren verhindert die Impfung in 56% eine
Influenza-bedingte Lungenentzündung und 68% der
Influenza-assoziierten Todesfälle.
Eine neuartige Impfung:
Immunisieren mit
Virosomen
Seit kurzem gibt es eine neue Art der Grippeschutzimpfung auch in
Deutschland: Die Impfung mit Virosomen. Das sind kugelförmige
Partikel von ca. 150 nm Durchmesser (Grippeviren: 80-120 nm),
bestehend aus einer Phospholipid-Doppelmembran, in die von beiden
Seiten Hämagglutinin und Neuraminidase, beides
Eiweiße von der
Virusoberfläche, eingebaut sind. Es sind praktisch
Virushüllen-Imitate. Virosomen nutzen die viralen
Eiweiße in
ihrer Membran, um genauso wie ein echter Virus in eine Zelle
einzudringen. Sie ahmen den natürlichen Weg des Erregers nach.
Daraus resultiert eine breite Immunantwort. Allerdings enthalten
sie – im Gegensatz zum echten Virus – kein Erbgut,
also
keine schädliche Information. Virosomen sind bei
älteren
Menschen besonders geeignet.
Warum
muß
jedes Jahr neu gegen Grippe geimpft werden?
Die durch
Influenza-Viren
erzeugte Immunität beruht fast ausschließlich auf
der Bildung
Hämagglutinin-spezifischer Antikörper. Eine
T-Zell-spezifische
Immunantwort spielt bei Influenza nur eine untergeordnete Rolle.
Deshalb entsteht nach einer Infektion (Erkrankung) kein wirklich
effektiver Langzeitschutz, vor allem kein stamm-übergreifender
Schutz! Es gibt kein immunologisches Gedächtnis, das
spezifisch
gegen unveränderliche Komponenten der Influenzaviren gerichtet
ist!
Dabei wird jedes Jahr eine spezielle abgeänderte Zusammensetzung des Impfstoffes ausgearbeitet: Die antigenen Eigenschaften der Hämagglutinin-Moleküle ändern sich durch Mutation rasch, durch die Antigen-Drift kommt es zu einer permanenten Modifikation der Erreger. Deshalb muß der Impfstoff immer die aktuell zirkulierenden Mutanten erfassen und in seiner Schutzwirkung abdecken. Die Impfung vom Vorjahr schützt vielleicht noch ein bißchen gegen immer noch im Umlauf befindliche Varianten vom Vorjahr, aber nicht gegen die neuen Mutanten.
Für die Saison
2001/02 wurden
beispielsweise folgende Stämme empfohlen:
ein A/New Caledonia/20/99 (H1N1) -ähnlicher Stamm
ein A/Moskau/10/99 (H3N2) - ähnlicher Stamm
ein B/Sezchuan/379/99 - ähnlicher Stamm
Für die Saison
2005/06 wurden
beispielsweise folgende Stämme empfohlen:
ein A/New Caledonia/20/99(H1N1)-ähnlicher Stamm
ein A/Fujian/411/2002(H3N2)-ähnlicher Stamm
ein B/Shanghai/361/2002-ähnlicher Stamm
Für die Saison
2005/06 wurden
beispielsweise folgende Stämme empfohlen:
ein A/New Caledonia/20/99 (H1N1) - ähnlicher Stamm
ein A/California/07/04 (H3N2) - ähnlicher Stamm
ein B/Shanghai/361/02 - ähnlicher Stamm
WHO-Impfstoffempfehlung
für die Saison
2006/2007 (im Februar 2006 veröffentlicht)
ein A/New Caledonia/20/99 (H1N1) - ähnlicher Stamm
(unverändert)
ein A/Wisconsin/67/05 (H3N2) – ähnlicher Stamm
(ersetzt die
alte H3-N2-Komponente)
ein B/Malaysia/2505/04 – ähnlicher Stamm (ersetzt
die alte
B-Komponente)
Die genannten Daten gelten für die Nordhalbkugel; in der südlichen Hemisphäre kann es zu Abweichungen der Empfehlungen kommen.
Impfstoffe:
Jedes Jahr aufs Neue der Wettlauf mit der Zeit
Februar:
Die WHO entscheidet
über die Zusammensetzung des Impfstoffes
März-Juli: Test, welches die richtigen Varianten für
die
Herstellung des Impfstoffes sind, Produktion, Studien zur
Verträglichkeit des Impfstoffes und zur Wirksamkeit
Juli/August: Zulassung durch das Paul-Ehrlich-Institut
August/September: Auslieferung der Impfstoffe an die Apotheken
Oktober/November: Impfsaison
Dezember/Januar: Höhepunkt der Grippe-Saison
Wann
soll
geimpft werden?
Der
optimale Zeitpunkt für
die Grippeschutzimpfung ist nach erstmaligem Auftreten der neuen
Erreger und vor Beginn der Epidemie in Europa (Dezember-März),
also meist September/Oktober/November. Eine einmalige Injektion
genügt. Der Schutz beginnt ca. 10-14 Tage nach der Impfung.
Grippe-Impfung:
Wer soll geimpft werden?
Empfehlungen
der Ständigen
Impfkommission am RKI
Wie ist der aktuelle Durchimpfungsgrad der Bevölkerung?
Das ist zu wenig!
Schützt
eine normale Grippe-Impfung vor der Vogelgrippe oder einem neuen
Pandemie-Virus?
Nein! Die
ganz normale
Grippeschutzimpfung schützt nicht vor der Vogelgrippe oder
einem
neuen Supervirus, nur gegen die derzeit in der Menschheit in
Umlauf befindlichen Viren des H1N1- und H3N2-Typs. Aber: Wer
gegen die „normalen“ Grippe-Varianten geimpft ist,
kann
wenigstens nicht gleichzeitig mit einem „normalen“
und
einem Vogel-Grippe-Virus infiziert werden und als
„Gefäß“ zur Fusion eines
„normalen“ mit
einem Vogel-Grippe-Virus dienen, aus der dann ein neuer,
potentiell gefährlicher Virus werden könnte.
Weiterhin ist bei
Reisen in Risikogebiete eine Grippeimpfung anzuraten – nicht
als Schutz, sondern als Hilfe bei der Diagnosestellung, um eine
Verwechslung der Erkrankung auszuschließen.
Gibt
es
eine Impfung gegen einen zukünftigen Pandemie-Virus?
Nein! Die
bisherigen
Impfstoffe gegen Influenza sind als Pandemie-Impfstoffe
ungeeignet, da keine Grundimmunität gegen den Erreger erzeugt
wird (s. o.). Wenn ein Pandemie-Virus entsteht, hat es vermutlich
H5 als Antigen, und die Impfstoffe sind gegen H1 und H3
gerichtet. Einen Impfstoff gegen ein mögliches neues
Pandemie-Virus kann es frühestens 6 Wochen nach der
Identifizierung eines neuen Erregers geben. Natürlich stehen
die
großen Impfstoff-Hersteller in den Startlöchern
– aber ehe
der neue Feind sein Gesicht nicht zeigt, kann man nicht mit der
Produktion eines Impfstoffes beginnen. Für die schnelle
Gewinnung einer ausreichenden Menge an Impfstoff sind zudem
andere Verfahren zur Herstellung im Gespräch, insbesondere die
Produktion über „reverse Genetik“, dabei
werden alle
acht Gene eines Influenza-Virus in je ein Plasmid kloniert.
Dadurch kann man wie in einem Baukastensystem die gewünschten
Segmente zu „Produktionsviren“ kombinieren und an
den
tatsächlich auftretenden Pandemievirus anpassen.
Influenza, Grippe, grippaler Infekt, Parainfluenza - Die Vielfalt der Grippe-Viren - Launenhafte Viren: Antigen-Drift und Antigen-Shift - Literatur, Quellen und Links
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