Bernhard
Peter
Launenhafte
Viren: Gen-Drift und Gen-Shift
Wann
ist
ein Grippe-Virus erfolgreich?
Die
Voraussetzung für Erfolg
als Virus ist die Virulenz. Ganz wichtig dafür ist eine gute
Adaptation an den Wirt:
Und genau zu dem letzten Punkt haben Influenza-Viren viel zu bieten: Die Crux mit den Influenza-Viren ist ihre Vielfalt und ihr stets neues Gesicht. Zwei Mechanismen sorgen dafür, daß stets neue Viren-Varianten das menschliche Immunsystem herausfordern:
Antigendrift,
Gendrift:
Die
Grundlage dieser
Veränderung ist die Mutation durch Fehler bei der Vermehrung.
Influenza-Viren haben RNA-Genome mit negativ-strängiger
Polarität. Die Erbinformation des Virus wird in der Wirtszelle
durch Polymerasen vervielfältigt. Diese Polymerasen bringt das
Virus mit. Es handelt sich um schlampige Enzyme, die wesentlich
mehr Fehler machen als die vergleichbaren DNA-Polymerasen, die
für die Vermehrung etwa der menschlichen DNA
zuständig sind,
denn letztere haben eine Korrektur- und Reparaturfunktion,
während bei ersteren kein Korrekturlesen stattfindet.
RNA-Polymerasen sind um den Faktor 1000 schlampiger als
DNA-Polymerasen. Bei Influenza-Viren gilt eine Mutationsrate von
= 5 x 10-5
Nukleotid-Änderungen pro
Nukleotid und Replikationszyklus, das entspricht einem Nukleotid
pro Genom pro Replikation, und das ist sehr hoch. Einmal
aufgetretene Fehler können nicht wieder korrigiert werden. Die
Folge der häufigen Punktmutationen ist eine große
natürliche
Variabilität bei der Vermehrung, es wird immer eine gewisse
Bandbreite an Virusvarianten erzeugt, von denen sich durch
stetige und schrittweise Veränderung schließlich die
erfolgreichen Viren insbesondere bei äußerem
Selektionsdruck
durchsetzen. Sie werden unter dem Druck der in der menschlichen
Bevölkerung vorhandenen Immunität selektiert. Dieses
Phänomen
der Antigendrift beim Hämagglutinin ist die molekulare
Erklärung für die jährlich im Winter neu
auftretende
Grippe-Epidemie. Aber auch die Neuraminidase ist von Antigendrift
betroffen, das kann zu Resistenzen gegenüber Arzneistoffen
führen. Antigendrift gibt es bei Influenza A, B und C.
Antigen-Shift,
Genshift:
Das
RNA-Genom ist in insgesamt
8 verschiedene Segmente aufgeteilt, die für insgesamt 10
Proteine kodieren. Alle 8 Segmente werden unabhängig
voneinander
repliziert. Beim Zusammenbau neuer Viren in der Wirtszelle kommt
es nur darauf an, von jeder Sorte ein Exemplar in das neue Virion
einzubauen, bis alle 8 Segmente zusammen ein
funktionstüchtiges
Virion ergeben. Wenn nun die selbe Zelle von zwei verschiedenen
Stämmen infiziert wurde (Koinfektion), kann es zum Tausch
kommen: Denn nach dem Uncoating kann das System nicht mehr
unterscheiden, welches Segment von welchem Virus-Subtyp stammte.
Die Vermehrung erfolgt nicht nach Subtypen getrennt, sondern es
wird eingebaut, was an Segmenten gerade „zur Hand“
ist!
So kommt es zum Austausch ganzer Segmente. Wenn davon jetzt
Segmente betroffen sind, die für die
Oberflächenantigene
Hämagglutinin (Hauptantigen) und Neuraminidase kodieren,
erhalten die Viren neue antigene Oberflächeneigenschaften.
Diese
Neukombination von ganzen Einheiten genetischen Materials nennt
man „Reassortment“. Das Entstehen neuer
„Reassortanten“ oder
„Mosaik-Viren“ nennt man
auch „Antigen-Shift“. Dieses Phänomen ist
einerseits
ganz normal, insbesondere bei Vogel-Influenza-Viren, besonders
bei Enten, bildet andererseits die Grundlage für Pandemien
unter
der Menschheit, wenn sich z. B. ein Vogelvirus und ein
Menschenvirus in einer menschlichen Zelle oder ein Tiervirus und
ein Menschenvirus in einem Schwein treffen. Denn durch den
Antigen-Shift können Eigenschaften ausgetauscht werden, die
für
den Virus günstig – und für den Wirt
entsprechend
ungünstig sind. Insbesondere ermöglicht der
Antigen-Shift das
Überspringen der Spezies-Barriere Tier-Mensch. Antigen-Shift
gibt es nur bei Influenza A, nicht bei B und C.
Dadurch können schlagartig besonders erfolgreiche Virus-Varianten entstehen, der die Immunabwehr nichts Wirksames entgegenzusetzen hat, denn die neuen Viren haben ein dem menschlichen Immunsystem unbekanntes Hämagglutinin, was eine rasche Ausbreitung der Viren in der menschlichen Population bis hin zur Pandemie ermöglicht. Das kann innerhalb eines Wirtes geschehen: So hat die Kombination der Antigene H7 und N1 im Jahr 2003 zur neuen Variante H7N1 und der damit verbundenen Vogelgrippe-Epidemie geführt, und 2006 ist die Kombination der Antigene H5 und N1 zum berühmt-berüchtigten Stamm H5N1 in aller Munde. Das kann aber auch zwischen zwei verschiedenen Varianten geschehen, die ein überlappendes Wirtsspektrum haben. So entstehen neue Varianten, die auch dem Menschen gefährlich werden können (siehe Abb.). Die Reassortierung zu vollkommen neuen Varianten, das schlagartige Auftreten der alten Gefahr in neuem Gewande, ist die eigentliche Gefahr der Influenza und begründet ihren manchmal pandemischen Ausbruch.
Virulenz-Faktoren:
Ein fein abgestimmtes Wechselspiel
Wichtig ist
dabei, daß
Hämagglutinin und Neuraminidase ein sehr fein aufeinander
abgestimmtes Gleichgewicht darstellen. Änderungen durch
Mutation
bei einem Partner haben Auswirkungen auf das Zusammenspiel
zwischen beiden. Die Virulenz von Influenza-Viren hängt von
diesem ausgewogenen Wechselspiel, von der Kompatibilität des
jeweiligen Hämagglutinins mit der jeweiligen Neuraminidase ab.
Erfolgreiche, d. h. besonders virulente Viren sind solche, bei
denen eine Mutation im Hämagglutinin auch von einer passenden
kompensatorischen Mutation in der Neuraminidase begleitet wird.
So kommt es z. B., daß Viren, deren Neuraminidase so mutiert
ist, daß sie resistent gegen Neuraminidase-Hemmstoffe wie
Oseltamivir geworden ist, auf einmal viel weniger virulent sind
als die Ausgangsstämme.
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