Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 3156
Bad Sobernheim (Landkreis Bad Kreuznach)
Die Sobernheimer Johanniter- bzw. Malteser-Kapelle
Die Johanniter- bzw. Malteserkapelle entstand in drei Ausbauphasen. In Sobernheim wird bereits 1382 eine Kapelle des Johanniterordens genannt. Von dieser sind jedoch nur noch Reste im unteren Bereich der Langhausmauern erhalten. Dann kam es in der ersten Hälfte des 15. Jh. zu einem Neubau des Langhauses. Eine dritte Ausbauphase in der zweiten Hälfte des 15. Jh. wurde durch großzügige Spenden einheimischer Rittergeschlechter ermöglicht. In dieser Phase sollte eigentlich die komplette Kapelle erneuert werden, doch es reichte nur für den viel höheren Chor im spätgotischen Stil mit gestuften Strebepfeilern und Fenstern mit Fischblasenmaßwerk und die östlichen Langhauswände, errichtet unter dem damaligen Komtur Johann Stude, der selbst in der Kapelle begraben wurde (seine Grabplatte befindet sich heute in der Turmhalle der kath. Pfarrkirche). Zur vollständigen Erneuerung des älteren Langhauses kam man aber nicht mehr. Der Chor wurde 1456 errichtet; die Arbeiten am Langhaus waren 1465 beendet. An der westlichen Stirnseite des Langhauses sind über der Tür am Fenstersturz des dortigen Doppelfensters drei Wappen angebracht.
In der Mitte sehen wir das linksgewendete Wappen der Boos von Waldeck, in Rot drei schrägbalkenweise aneinandergestellte, rautenförmige, silberne Schnallen (Rincke), auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein schwarzer Flug, beiderseits belegt mit einer Scheibe mit den drei Gürtelschnallen (Nachweise: Wolfert Tafel 85 Seite 158, Gruber, Zobel Tafel 41, Siebmacher Band: Bö Seite: 107 Tafel: 58). Es steht für den Stifter, Johann Boos von Waldeck, welcher 1427 zusammen mit seiner Frau der Sobernheimer Kommende eine bedeutende Schenkung zukommen ließ, durch die der Bau eines Ordenshauses und einer Kapelle ermöglicht wurde, was zur dritten Ausbauphase führte. Johann Boos von Waldeck war der Sohn von Diether Boos von Waldeck gen. Templer und Hilgard Mühl von der Neuerburg. Nachkommen von Johann sind keine bekannt; die Familie führte sein Bruder Paulus Boos von Waldeck fort, Herr zu Linster, vermählt mit Demuth von Eltz.
Heraldisch links ist das Stammwappen der Herren von Frankenstein zu sehen, in Gold ein schräggestelltes rotes Axteisen (Beileisen) mit quergestellter rechteckiger Stielöffnung, aber ohne Stiel, auf dem Helm mit rot-goldenen Decken ein Flug, beiderseits mit dem Schildbild belegt, die Axteisen schräggestellt und mit den Klingen einander zugeneigt (Nachweise: Wolfert Tafel 79 Seite 206, Siebmacher Band: OÖ Seite: 48 Tafel: 22, Band: Bad Seite: 7 Tafel: 6, Band: Erg Seite: 13 Tafel: 5, Band: Na Seite: 6 Tafel: 6, Band: PrGfN Seite: 7 Tafel: 4, Band: Bay Seite: 34 Tafel: 31, Band: He Seite: 9 Tafel: 8). Hier steht das Wappen für Ida von Frankenstein (gestorben um 1440), Ehefrau von Johann Boos von Waldeck. Die im Rheinland zum Uradel gehörende Familie ist eines der ältesteingesessenen Rittergeschlechter, deren Mitglieder zahlreich in den rheinischen Stiften Mainz, Worms und Speyer als Domherren vertreten sind und viele Vertreter im Johanniterorden und im Deutschen Orden hatten. Ida von Frankenstein-Starkenburg war die Tochter von Conrad III. von Frankenstein und Ida von Bickenbach.
Das dritte Wappen heraldisch rechts ist dasjenige der Lander von Sponheim, in Gold ein rot-silbern geschachter Schrägbalken (Schrägrechtsbalken), oben von einem schwarzen Adler begleitet, auf dem Helm mit rot-goldenen Decken ein oben mit grünen Pfauenspiegeln bestecktes goldenes Schirmbrett (Nachweis: Gruber), hier eher ein oben mit Hahnenfedern besteckter Gupf. Dieses äußerst selten zu findende Wappen zeigt durch die Verwendung des Schachs eine thematische Verwandtschaft mit den Sponheimern, sie waren eine Burgmannenfamilie im Dienste der Sponheimer Grafen, nicht aber standen sie in einem verwandtschaftlichen Verhältnis mit den Grafen von Sponheim. Vielmehr versahen sie ihren eigenen Namen mit dem Zusatz "von Sponheim" und lehnten sich unter gleichzeitiger Differenzierung mit ihrem Wappen an dasjenige ihres Dienstherrn an, kein Einzelfall. Die Lander von Sponheim hatten ihren Sitz auf der heute abgegangenen Burg Nohfels auf der anderen Naheseite, ein Lehen vom Mainzer Domstift bzw. von der Herrschaft Falkenstein-Oberstein, und waren in Sobernheim mit der herrschaftlichen Bannmühle belehnt.
Die Lander von Sponheim benutzten die Kapelle als Grablege. Zwei der historischen Grabplatten der Familie sind erhalten, die eine ist für Gerhard Lander von Sponheim (-1433, ohne Wappen, umlaufende Inschrift: "(anno domi)ni m / cccc xxx iii .... die octobris obiit domi/cellus Gerhardus / landere de spanheym requie(sc)at i(n) p(ace)"), wurde erst 1999 aus Anlaß der Restaurierung der Kapelle wiederentdeckt und liegt heute im Chorscheitel unter dem neuen Holzboden. Die zweite, ebenfalls ehemals in dieser Kapelle befindliche Platte ist für die Eheleute Gerhard II. Lander von Sponheim und Katharina Mohr von Nieder-Flörsheim und befindet sich seit 1903 in der Turmhalle der katholischen Pfarrkirche St. Matthäus (1481, Wappen: Johanniter-Orden, Lander von Sponheim, Winter von Alzey, Mohr von Nieder-Flörsheim, Altorf gen. Krobsberg; teilerhaltene bzw. nur teilausgeführte Inschrift: "M cccc lxxxi iar im / xxix dag des meis starb die vest iv(n)gfrav katareina vo(n) nidar flerßheim d(er) g(ott) g(nad) / ... / nach chr(istv)s gebvvt M cccc ... / dem got(t) genad ame(n)"). Die Familie brachte übrigens mit Siegfried Lander von Sponheim im 15. Jh. einen Landmeister des Deutschen Ordens in Livland hervor.
Weitere Wappen sind im Inneren der Kapelle an den Schlußsteinen des spätgotischen Netzgewölbes im Chor angebracht. Im einzelnen sind das zwei Malteserkreuze und das Wappen des Rorich von Merxheim, eines weiteren Stifters, welcher dem Orden das Baugelände für die Kapelle gestiftet hatte (ohne Abb.).
Der Orden blühte in Sobernheim bis zur Einführung der Reformation durch Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz (14.2.1515-26.10.1576, regierte 1559-1576, gen. der Fromme) aus der Simmerner Linie. Die Geistlichen des Johanniterordens verließen Sobernheim. Der Besitz blieb dem Orden erhalten, aber die nach der 1559 erfolgten Profanierung funktionslos gewordene Kapelle wurde als Wirtschaftsgebäude (vulgo: Scheune) genutzt. Entsprechender Verfall der Bausubstanz setzte ein. 1663 schlossen Friedrichs Ururenkel Pfalzgraf Ludwig Heinrich Moritz aus der Linie Pfalz-Simmern (11.10.1640-3.1.1674, regierte 1655-1674) und Johann Philipp von Schönborn, Kurfürst von Mainz, einen Vertrag, der die Ausübung des katholischen Glaubens im Amt Böckelheim wieder zuließ. Die ehemalige Malteserkapelle wurde nun ab 1664 zur katholischen Pfarrkirche umgebaut und mit einer barocken Ausstattung versehen. So kommt es, daß das flachgedeckte einschiffige Langhaus zum Teil spätgotische Maßwerkfenster und daneben auch Fenster von 1671 besitzt. 1688 wurde die alte Matthiaskirche zur Simultankirche, was die Kapelle überflüssig machte. Dennoch wurde sie von der katholischen Kirchengemeinde weiterhin genutzt. Im Jahre 1794 wurde die Kommende durch die französische, revolutionär gesonnene Verwaltung endgültig aufgehoben. Im 19. Jh. wurde die Kapelle renoviert, weil man nach der Einrichtung eines Progymnasiums eine Schulkapelle brauchte. Nach dem Neubau der Matthiaskirche und dem Ausschlachten der zum zweiten Mal profanierten Kapelle nutzte man letztere als Vereinsheim. Diese Umbauten wurden bei einer erneuten Restaurierung durch die katholische Pfarrgemeinde 1999-2005 wieder rückgängig gemacht. Der Putz und aufgefundene Wandmalereien wurden 2002 mit Hilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz konserviert. Heute dient die Johanniterkapelle als Haus der Begegnung der Seelsorgeeinheit Bad Sobernheim-Meisenheim.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
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Deutsche Inschriften 34, Bad Kreuznach, Nr. 115 (Eberhard
J. Nikitsch), in: www.inschriften.net,
urn:nbn:de:0238-di034mz03k0011503 - https://www.inschriften.net/landkreis-bad-kreuznach/inschrift/nr/di034-0115.html - https://www.regionalgeschichte.net/naheland/bad-sobernheim/kulturdenkmaeler/johanniter-bzw-malteserkapelle/feeds/fotostrecke/tt_content_116934/0.html
Deutsche Inschriften 34, Bad Kreuznach, Nr. 131 (Eberhard J.
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Genealogische Tafeln von Humbracht
Gottfried Kneib: Die Johanniter-Kapelle in Sobernheim in
"Regionalgeschichte": https://www.regionalgeschichte.net/naheland/bad-sobernheim/kulturdenkmaeler/johanniter-bzw-malteserkapelle.html
Gottfried Kneib: Die Johanniterkommende in Sobernheim, in:
Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 34 (2008)
Gottfried Kneib, Britta Hedtke: Sobernheim, St. Johannes der
Täufer - Johanniterhaus, später Johanniterkommende; in:
Pfälzisches Klosterlexikon - Handbuch der pfälzischen Klöster,
Stifte und Kommenden, Bd. 4: S-Speyer, zugleich Beiträge zur
pfälzischen Geschichte und Volkskunde, Bd. 26.4, Kaiserslautern
2017
Deutsche Stiftung Denkmalschutz: https://www.denkmalschutz.de/denkmal/malteserkapelle.html
Johanniter- bzw. Malteser-Kapelle - Johanniter- bzw. Malteser-Komturei
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