Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3157
Bad Sobernheim (Landkreis Bad Kreuznach)

Die ehem. Johanniter- bzw. Malteser-Komturei Sobernheim

Das Gelände der ehemaligen Johanniter- bzw. Malteser-Kommende reichte früher von der Gymnasialstraße bis zur Mittelgasse. Im Südosten befand sich die Kapelle, in der Mitte das Wohnhaus des Komturs (Komturei), und am westlichen Rand lag eine Scheune; weitere Wirtschaftsbauten und Stallungen schlossen die Lücken der umfangreichen Anlage. Nur das zweistöckige Wohngebäude des Komturs hat sich erhalten. Dieses Gebäude, einst Sitz des Malteser-Komturs Jakob Duding (Jacques Duding), wurde nach Auflösung der Komturei 1821-1960 als höhere Schule genutzt. Heute nutzt das im 1912 erbauten, neobarocken, im Nordosten angrenzenden Gebäude untergebrachte Amtsgericht das barocke Gebäude der Komturei mit.

Zu den Begrifflichkeiten: Von der Ordensgründung bis 1309 ist allein die Bezeichnung Johanniter oder Hospitaliter korrekt, denn der kurz nach der Eroberung Jerusalems 1099 gegründete Orden benannte sich nach dem Hospital des Heiligen Johannes zu Jerusalem. Zu Beginn des 14. Jh. siedelte der Orden auf die Insel Rhodos um, nachdem erst Jerusalem und dann der nächste Ordenssitz Akkon 1291 für die Kreuzfahrer verloren gegangen war und man zunächst den Ordenssitz nach Zypern verlegt hatte. Von 1309 bis 1530 können wir den Orden also Johanniter, Hospitaliter oder Rhodesier nennen. 1522 wurde Rhodos von den Osmanen unter Suleiman dem Prächtigen erobert, und danach war der Orden erst einmal heimatlos. Mal lag die zentrale Verwaltung in Candia, dann in Messina, dann Viterbo und schließlich in Nizza. Eine zweite Umsiedlung des Ordens fand im Jahre 1530 statt, diesmal nach Malta, welches ihm zusammen mit Gozo und Tripolis von Kaiser Karl V. als Lehen gegeben worden war, sodaß nach diesem Jahr zusätzlich die Bezeichnung als Malteser üblich wurde, die nun neben der Bezeichnung Johanniter oder der lateinischen Form Ordo Hospitalis sancti Johannis Ierosolimitani in den Vordergrund trat. In der Reformation spaltete sich der Orden in einen katholischen Orden, der als Malteserorden oder besser Souveräner Malteserorden oder noch präziser Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom Heiligen Johannes zu Jerusalem, genannt von Rhodos, genannt von Malta bezeichnet wurde, und einen aus der Ballei Brandenburg hervorgegangenen protestantischen Johanniterorden. Der katholische Zweig der Malteser blieb bis 1798 in Malta, dann wurde er von Napoléon vertrieben, und nach einer orientierungslosen Zeit, in der Besitzungen und Ansprüche der Malteser zum Spielball zwischen den Großmächten wurden, ging er mit seinem Hauptsitz 1826 nach Ferrara und 1834 nach Rom. Zur Verwirrung wird der katholische Orden alternativ als Souveräner Johanniterorden bezeichnet. Er ist staatsrechtlich souverän, aber ohne ein Territorium, auf dem er Souverän wäre. Der evangelische Zweig der Johanniter wurde als Ritterorden 1811 aufgelöst und zu einem preußischen Verdienstorden gemacht, aber 1852 als evangelischer Ritterorden wiederbelebt.

Der Bauherr, der Malteser-Komtur Jakob oder Jacques IV. Duding (1707-1766), entstammte einer Schweizer Familie. Er gehörte seit 1722 dem Malteserorden an; in Malta diente er als Kaplan. Er war an den verschiedensten Orten als Komtur eingesetzt, in Fribourg (1745-1763), in Sobernheim, in Roth an der Our, in Regensburg (ab 1741) und in Altmühlmünster (ab 1741) sowie in Hangenweissen bei Speyer. Die in Riaz und in Fribourg ansässige Familie brachte innerhalb von nur wenigen Generationen insgesamt sechs Angehörige des Malteserordens hervor. Neben dem hier relevanten 1.) Jakob = Jacques Duding, Bruder von 4.), Cousin von 6.), waren das 2.) Jean IV. Duding (1646-1701), jüngerer Bruder von 3.), Onkel von 6.), 1667 Eintritt in den Malteserorden, 1668 Ordenskaplan, 1670 Konventualpriester, ab 1686 Komtur der Malteserkommende Freiburg (CH), 3.) Jacques Duding (23.8.1643-16.11.1716), älterer Bruder von 2.), Onkel von 6.), ab 1701 Komtur in Freiburg (CH), später Bischof von Lausanne, 4.) Claude-Joseph Duding (1712-1788), Bruder von 1.), trat 1745 in den Orden ein, folgte ihm in Fribourg als Verwalter der Komturei nach, verlegte nach Überschuldung seinen Wohnsitz nach Worms, 5.) Claude-Nicolas Duding (1743-1774) und 6.) Claudius Antonius = Claude-Antoine Duding (1681-1745), Neffe von 2.) und 3.), Cousin von 1.), wobei er ebenfalls erst 1710-1745 Komtur in Fribourg und später auch noch Bischof von Lausanne wurde und in diesem Amt direkt seinem Onkel Jacques Duding nachfolgte, der mit unserem Komtur namensgleich ist. Der ehemalige Sobernheimer Komtur 1.) wurde in Fribourg in der Ordenskirche St. Johann beigesetzt. Die Familie erlosch in männlicher Linie 1824 mit Jean-Baptiste-Publius-Jacques (1744-1824), der 1783 in den Stand der Freiburger Patrizier aufgenommen wurde und Sachverwalter mehrerer Komtureien war.

Die Inschrift auf dem Portalsturz zwischen Tür und Oberlicht lautet: "HAS AEDES SVO AERE EXSTRVI CVRAVIT / R(EVERENDIS)S(IMV)S PERILLVSTRIS ET GENEROSVS BARO A DVDING" - dieses Gebäude ließ der ehrwürdigste, berühmte und großzügige Freiherr von Duding mit seinem eigenen Geld errichten. Gleichzeitig birgt die Inschrift eine Datierung des Bauwerks durch ein Chronogramm: D + V + X + V + I + C + V + V + I + I + L + L + V + I + V + D + V + D + I = 500 + 5 + 10 + 5 +1 + 100 + 5 + 5 + 1 + 1 + 50 + 50 + 5 + 1 + 5 + 500 + 5 + 500 + 1 = 1750. Das "Reverendissimus" mußte abgekürzt werden, weil sonst das Zahlziel um 1512 verfehlt worden wäre. Die originale hölzerne Tür ziert ein großes, erhaben eingeschnitztes Malteserkreuz.

Über der Tür ist das Komturswappen von einem achtspitzigen Malteserkreuz unterlegt. Das Familienwappen der Duding zeigt in Silber drei (2:1) rote, golden bebutzte Rosen mit jeweils einmal zur Schlinge gebogenen grünen Stielen. Diese Farben können anhand einer 1686 gestifteten Wappenscheibe für einen Namensvetter des Komturs, für 3.) Jacques Duding (23.8.1643-16.11.1716), verifiziert werden; eine weitere aus dem Jahr 1710 zeigt dessen Wappen als Bischof von Lausanne mit allen kirchlichen Insignien.

Noch ein Wort zu dem namensgleichen späteren Bischof von Lausanne 3.), der nicht mit unserem Sobernheimer Komtur 1.) verwechselt werden darf: Jener 3.) Jacques Duding (23.8.1643-16.11.1716) wurde in Riaz im Schweizer Kanton Freiburg geboren als Sohn von François Duding und Marie Gobet. Sein Vater war Geschworener des Gerichts von Riaz und Rektor der Heiliggeist-Bruderschaft. Jakob Duding, der Philosophie, Theologie und Kirchenrecht studiert hatte und 1681 Doktor der Theologie wurde, trat bereits 1657 in den Malteserorden ein und wurde 1658 erstmals als Komtur eingesetzt. Er nahm an mehreren militärischen Expeditionen gegen die Türken als Seelsorger teil. Er kümmerte sich um Pestkranke und Galeerensträflinge. Als Komtur wurde er an vielen unterschiedlichen Orten eingesetzt und wechselte häufig von einer Kommende zur anderen. So war er in Aachen, Regensburg, Altmühlmünster und Freiburg (CH) eingesetzt. Zuletzt wohnte er in der Kommende von Fribourg, wo er auch verstarb. Den Höhepunkt seiner Laufbahn erreichte er 1707 mit der Wahl zum Bischof von Lausanne; die Bischofsweihe empfing er am 4.11.1708, und er blieb in diesem Amt bis zu seinem Tod 1716.

Als Bischof von Lausanne führte dieser andere 3.) Jacques Duding übrigens folgendes Wappen: Variante 1: Geviert, Feld 1 und 4: gespalten von Silber und Rot mit zwei bedeckten Kelchen in verwechselten Farben (Bistum Lausanne), Feld 2 und 3: unter einem roten Schildhaupt mit einem durchgehenden silbernen Kreuz (Malteserorden) in Silber drei (2:1) rote, golden bebutzte Rosen an mit grünen, jeweils einmal zur Schlinge gelegten Stielen (Familienwappen Duding). So wird es bei Gatz in einheitlicher Systematik angegeben und abgebildet. Alternativ ist folgende Variante 2 möglich und im Gegensatz zur ersten Variante auch belegt: Unter einem roten Schildhaupt mit einem durchgehenden silbernen Kreuz (Malteserorden) geviert, Feld 1 und 4: gespalten von Silber und Rot mit zwei Deckelkelchen, der rechte golden, der linke silbern (Bistum Lausanne), Feld 2 und 3: in Silber drei (2:1) rote, golden bebutzte Rosen an mit grünen, jeweils einmal zur Schlinge gelegten Stielen (Familienwappen Duding). So stellen es die beiden erhaltenen historischen Wappenglasscheiben dar, und im Zweifelsfall sind originale Quellen immer die überzeugenderen.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@49.7865299,7.6506754,20z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@49.7865299,7.6506754,81m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Gottfried Kneib: Die Johanniter-Kapelle in Sobernheim in "Regionalgeschichte":
https://www.regionalgeschichte.net/naheland/bad-sobernheim/kulturdenkmaeler/johanniter-bzw-malteserkapelle.html
Gottfried Kneib: Die Johanniterkommende in Sobernheim, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 34 (2008)
Gottfried Kneib, Britta Hedtke: Sobernheim, St. Johannes der Täufer - Johanniterhaus, später Johanniterkommende; in: Pfälzisches Klosterlexikon - Handbuch der pfälzischen Klöster, Stifte und Kommenden, Bd. 4: S-Speyer, zugleich Beiträge zur pfälzischen Geschichte und Volkskunde, Bd. 26.4, Kaiserslautern 2017
Komposite Wappenscheibe für 3.) Jaques Duding im Corpus Vitrearum:
https://vitrosearch.ch/de/objects/2568215
Wappenscheibe für 3.) Jaques Duding im Corpus Vitrearum:
https://vitrosearch.ch/de/objects/2565985
3.) Jacques Duding in Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jacques_Duding
3.) Jacques Duding im Historischen Lexikon der Schweiz:
https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/026384/2006-02-14/
Familie Duding im Historischen Lexikon der Schweiz:
https://hls-dhs-dss.ch/articles/021074/2006-02-14/
3.) Jacques Duding in Catholic hierarchy:
https://www.catholic-hierarchy.org/bishop/bdudj.html
Die Wappen der Hochstifte, Bistümer und Diözesanbischöfe im Heiligen Römischen Reich 1648-1803, hrsg. von Erwin Gatz, von Clemens Brodkorb, Reinhard Heydenreuter und Heribert Staufer, Schnell & Steiner Verlag 2007, S. 304
Johanniterorden: http://www.leo-bw.de/web/guest/themen/landesgeschichte/johanniterorden
Johanniterorden:
http://de.wikipedia.org/wiki/Johanniterorden
Malteserorden:
http://de.wikipedia.org/wiki/Malteserorden
Geschichte des Johanniterordens:
http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_des_Johanniterordens
Kommenden: http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_ehemaligen_Johanniterkommenden
Souveräner Malteserorden
http://de.wikipedia.org/wiki/Souver%C3%A4ner_Malteserorden
Geschichte der Johanniter:
http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_des_Johanniterordens#Johanniterorden_in_Deutschland
Ziegler: Die Kommende Freiburg, Vortrag an der Hauptversammlung der Ritterhausgesellschaft Bubikon, 20.6.2015, in: Ritterhaus Bubikon, 79. Jahrheft der Ritterhausgesellschaft Bubikon, S. 4-13
https://www.ritterhaus.ch/wp-content/uploads/2020/11/RHG_Jahrheft_2015.pdf

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