Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 3125
Hagnau am Bodensee (Bodenseekreis)
Die Hofmeisterei in Hagnau (Im Hof 5)
Das am Nordufer des Bodensees gelegene Dorf ist traditionell von Fischerei und Weinanbau geprägt. Erst in neuerer Zeit entstanden große Neubaugebiete. Das auch heute noch von etlichen alten Fachwerkhäusern dominierte Dorf hat sich auf drei Ebenen entwickelt, mit einem Unterdorf am Seeufer, einem höher gelegenen Mitteldorf um die Kirche herum und einem Oberdorf nördlich und südlich der Fernstraße, der heutigen Bundesstraße 31. Das Besondere an der Ortsgeschichte ist, daß sie fast ausschließlich durch geistliche Herren bestimmt wurde, und zwar von mehreren. Die Hofmeisterei (Im Hof 5) ist einer von mehreren im Ort befindlichen Klosterhöfen, zu finden im östlichen Bereich des Unterdorfes in Seenähe, 130 m südlich der Kirche St. Johann Baptist. In Hagnau gibt es neben diesem Klosterhof, einem einstigen Besitz der bei Ravensburg gelegenen Reichsabtei Weingarten noch fünf weitere Gebäude ehemaliger geistlicher Dorfherren, das Gasthaus zum Löwen (siehe eigenes Kapitel), das Zehnthaus des Hochstifts Konstanz im westlichen Unterdorf direkt am Seeufer (Seestraße 25), der Irseer Hof im westlichen Unterdorf (Seestraße 34, Einmündung Bitzenweg in die Seestraße) als Hof des Benediktinerstifts Irsee, der Schussenrieder Hof (siehe eigenes Kapitel) und der Salmansweiler Hof direkt nördlich der Kirche, welcher einst dem Kloster Salem gehörte.
Es handelt sich bei der 1700-1714 erbauten Hofmeisterei um einen markanten Satteldachbau von 50 m Gesamtlänge, der mit seiner langen Fassade das seeseitige Panorama des Unterdorfes dominiert. Die Straße Im Hof führt unten durch einen gewölbten Durchgang durch das Gebäude hindurch und stellt eine Verbindung zwischen Strandbadstraße und Seestraße her. Von der Südseite des Gebäudes sind es nur 60 m bis zu einem kleinen Hafen. Heute wird das sehr stattliche Gebäude als Rathaus genutzt, zumindest im Obergeschoß. Im Erdgeschoß befindet sich das Hagnauer Museum mit Ausstellungen zur Ortsgeschichte und über diverse Maler (Stefan Lochner, Reinhard Sebastian mit Söhnen und Enkel, Julius Bissier). Weitere Räume dienen als Vereinsheim für örtlich ansässige Vereine, z. B. für den Musikverein. Im Inneren gibt es unten zwei lange gewölbte Keller, oben zwei Säle mit prachtvollen Rokokostuckdecken. In den Jahren 2008-2010 wurden die Räume restauriert. Der genannte Durchgang befindet sich in der Mitte einer doppelläufigen Freitreppe, die zum genau darüber liegenden Eingang zum ersten wohnlichen Geschoß führt.
Der Wappenstein des Klosters Weingarten ist an der Nordseite zu finden, über dem Rathauseingang. Die prachtvolle Barockkartusche verweist auf den Weingartener Abt Sebastian Hyller. Es ist das gleiche Wappen, das wir auch an der Kirchenfassade in Weingarten sehen (vgl. entsprechendes Kapitel in der Sammlung), nur hier ist es Farbe gefaßt. Ein weiteres Mal ist das Wappen im Fresko des Langhauses der Klosterkirche zu sehen, und dessen Farben werden hier als maßgeblich herangezogen; Abweichungen hier am Gebäude werden genannt. Und ein weiteres Wappen dieses Abtes aus weißem Stuck befindet sich in der Schloßkirche Friedrichshafen, welche nichts anderes ist als die ehemalige Klosterkirche Hofen, welche zu Weingarten gehörte.
Das Kloster Weingarten bekam einen Teil des Dorfs von den Welfen selbst als Zuwendung, und schon 1270 hatte Weingarten eine eigene Güterverwaltung in Hagnau. Die Vogtei gab das Kloster im 13. Jh. als Lehen an die von Schmalegg zu Ittendorf, 1371 kam sie an die Erben, die von Hohenfels. Burkhard von Ellerbach verkaufte 1432 die Vogtei und die Herrschaft Ittendorf zurück an das Kloster Weingarten, und das wiederum gab sie im Jahre 1434 an die Stadt Überlingen. Weingarten übte im Bezirk des Klosterhofs die niedere Gerichtsbarkeit aus, im restlichen Gebiet wurde sie durch die Stadt Überlingen ausgeübt. Das Kloster Einsiedeln kaufte 1656 die Vogtei, und 1693 brachte Weingarten die Orts- und Grundherrschaft und auch die landeshoheitlichen Rechte endgültig an sich. Das wurde wenig später mit der Fertigstellung der Statthalterei im Jahre 1714 gefeiert. Mit der Auflösung der geistlichen Herrschaften kam Hagnau 1803 an Nassau-Dillenburg bzw. Nassau-Oranien, dann 1806 an Baden.
Der Hauptschild ist geviert, Feld 1: geteilt, oben in blauem, mit roten Herzen bestreuten Feld einwärts ein goldener Löwe (nach Spahr das Wappen der äbtlichen Kanzlei des Reichsstifts Weingarten. Dieses Wappenelement findet übrigens später nach der Säkularisation Eingang in das fürstliche Wappen Nassau-Oranien-Fulda 1802/1803-1806, als Weingarten an das Haus Nassau-Oranien kam), unten gespalten, rechts in Gold ein roter Löwe, gewendet (weist nach Spahr auf die Stiftung durch die Welfen hin), links in Gold ein schwarzer Löwe, Feld 2: in Gold auf einem grünen Dreiberg ein natürlicher Weinstock mit grünen Blättern und blauen Weintrauben (redendes Wappen von Weingarten), Feld 3: in Blau auf einem Berg stehend ein Mann, der seine von einem Nagel durchbohrten Hände über den Kopf hält (St. Pantaleon, der Patron des Priorats Hofen. Im Siebmacher Band Klöster ist hingegen abweichend von einer über dem Kopf gehaltenen Monstranz die Rede), im Hintergrund ein Gewässer mit einem Segelboot, rechts auf einem Hügel eine befestigte Stadt, Feld 4: geteilt, oben in blauem, mit roten Herzen bestreuten Feld ein goldener Löwe (wie in Feld 1), unten hier schwarz-golden fünfmal abwechselnd mit Wolken und gerade geteilt (in anderen Darstellungen drei oben zu Kleeblattspitzen ausgezogene Balken, manchmal auch einfach als gezinnte Balken beschrieben, so auch in einem Langhausfresko, wird von Spahr der Herrschaft Blumenegg zugeordnet, die aber Balken von Wolkenfeh in anderen Tinkturen hatte, vermutlich ein Motivwandel, hier wenigstens noch das Wolkenfeh erkennbar), Herzschild: Familienwappen des Abtes Sebastian Hyller, wobei sich die Farben aus einer Darstellung in einem Fresko von Cosmas Damian Asam im 2. Langhausjoch zum Thema "Apotheose der Heilig-Blut-Reliquie" ergeben, geteilt, oben in Silber ein goldener hier sechsstrahliger Stern, unten in Blau ein goldenes Posthorn. Das eigentliche Wappen des Stiftes Weingarten, in blau zwei gekreuzte Hacken, daneben die Inschrift "St. W.", ist in keinem einzigen Abtswappen vertreten, so auch hier nicht.
Auf dem oberen Rand der ovalen Kartusche ruht die Mitra des Abtes, bei der ein Detail bemerkenswert ist: Sie ist belegt mit einem flachen goldenen Reliquiar mit kaiserkronenförmiger Mitte, aus dem oben Christus am Kreuze hervorwächst. Das ist die Heilig-Blut-Reliquie des Klosters Weingarten, mehr zu ihr im Kapitel zum Gasthaus Zum Löwen. Es war dieser Abt Sebastian Hyller, der die Reliquie im Jahre 1726, also mehrere Jahre nach diesem Bau, neu in Gold und mit Edelsteinbesatz fassen ließ. Hinter der Mitra ragt schrägrechts der Krummstab des Abtes hervor. Hier fehlt noch das Schwert, das wir ein paar Jahre später an der Kirchenfassade sehen, wobei das Schwert bereits kurz nach der Anbringung zu Diskussionen um seine Berechtigung und die Reichsfreiheit der Abtei führte. Das Wappen im Fresko des Langhauses der Klosterkirche ist ohne dieses Schwert gemalt worden, dasjenige in Friedrichshafen ist mit Schwert ausgeführt.
Der bürgerliche Abt Sebastian Hyller (lebte 5.2.1667-10.5.1730, amtierte 1697-1730) stammte ursprünglich aus Pfullendorf (Geburtshaus in der Hauptstraße 21) und war der Sohn eines Bäckers. Sein Taufname war Josef Hyller. Nach seinem Klostereintritt bei den Weingartener Benediktinern studierte er an der Benediktineruniversität Salzburg. Er legte am 1.4.1685 die Profeß ab. Nach dem Studium der Theologie feierte er am 14.10.1691 seine Primiz. In Salzburg wurde er anschließend Professor der Philosophie. Das Kapitel wählte ihn am 20.6.1697 zum 36. Abt der Reichsabtei, damals war er erst 30 Jahre alt. Er erlangte großes Ansehen bei den Benediktinern und wurde Präses der schwäbischen Benediktinerkongregation, Präses des schwäbischen Reichsprälatenkollegiums und der Universität Salzburg.
Sein größtes Vermächtnis hinterließ er aber durch seine Bautätigkeit. Gleich nach seinem Amtsantritt ließ er 1697-1701 den bereits von seinem Amtsvorgänger Willibald Kobolt angefangenen Neubau des Priorats Hofen bei Buchhorn vollenden, das ist das heutige Schloß Friedrichshafen. Der Neubau war am 29.11.1702 bezugsfertig. Dann kamen mehrere Kirchen an die Reihe, 1709 die Pfarrkirche von Krumbach, 1712-1714 die Pfarrkirche von Thüringen in der Herrschaft Blumenegg, beides Patronatskirchen, und 1715-1724 die neue Stiftskirche von Weingarten nach Plänen des Baumeisters Donato Giuseppe Frisoni aus Laino am Comersee. 1700-1714 ließ er die hiesige Hofmeisterei erbauen. Die Klosterschule ließ er erweitern und um weitere Lehrinhalte ergänzen. Und sein letztes großes, aber nicht fertiggestelltes Bauprojekt war der Neubau der Weingartener Klosterkonventsgebäude, 1727 begonnen, aber bis zu seinem Tod nicht über den Rohbau des Ostflügels hinausgekommen. Das größte Problem in seiner Amtszeit war der schwelende Dauerkonflikt mit dem Nachbarn Österreich, und dieser Konflikt verzögerte die Fertigstellung seiner Bauprojekte. Lobend muß hervorgehoben werden, daß er die Finanzen der Abtei soweit in Griff hatte, daß er all seine Bauprojekte aus den laufenden Einnahmen gegenfinanzieren konnte, was sowohl für den Reichtum der Abtei als auch für sein wirtschaftliches Talent spricht. Maßgeblich war sein Mitbruder Andreas Schreck (1659-1730), ein Laienbruder, an den Bauprojekten beteiligt, auch als Planer und Palier. Ausführende Baumeister waren Franz Beer II und Christian Thumb. Abt Sebastian Hyller starb im Alter von 63 Jahren, nachdem er knapp 33 Jahre der Reichsabtei vorgestanden hatte. Für ihn gibt es in der Weingartener Klosterkirche ein Epitaph an einem Pfeiler in der Nähe des Sebastianaltars.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@47.6738096,9.3192859,20z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@47.6738096,9.3192859,87m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Museum Hagnau: https://www.hagnauer-museum.de/
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere Band Klöster
Hugo Schnell, Kurt Gramer: Weingarten, Verlag Schnell und
Steiner, München, 7. Auflage 1985, ISBN 3-7954-0505 X, Große
Kunstführer Band 5
Gebhard Spahr: Die Basilika Weingarten: ein Barockjuwel in
Oberschwaben, Thorbecke Verlag, Sigmaringen 1974, ISBN:
3-7995-4007-5
Langhausfresko in Weingarten: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Weingarten_Langhausfresko_Joch2_02.jpg und http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Weingarten_Langhausfresko_Joch2_03.jpg
Abt Sebastian Hyller in Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Sebastian_Hyller
Pius Bieri: Abt Sebastian Hyller, im Projekt "Süddeutscher
Barock": https://www.sueddeutscher-barock.ch/In-Bauherr/s-z/Weingarten_Hyller.html - https://www.sueddeutscher-barock.ch/PDF_Bio_BH/Weingarten_HyllerSebastian.pdf
Abt Sebastian Hyller in der Biographia Benedictina: http://www.benediktinerlexikon.de/wiki/Hyller,_Sebastian
Abt Sebastian Hyller im Salzburg-Wiki: https://www.sn.at/wiki/Sebastian_Hyller
Friedrich Wilhelm Bautz: Sebastian Hyller, in:
Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Nordhausen 2008
Hagnau auf Leo-BW: https://www.leo-bw.de/detail-gis/-/Detail/details/ORT/labw_ortslexikon/17922/Hagnau+am+Bodensee - https://www.leo-bw.de/web/guest/detail-gis/-/Detail/details/ORT/labw_ortslexikon/17923/Hagnau+am+Bodensee+FN
Webseite von Hagnau zu historischen Gebäuden: https://www.gemeinde-hagnau.de/de/Entdecken/Historische-Gebaeude-Denkmaeler
Webseite von Hagnau zu den Klosterhöfen: https://www.gemeinde-hagnau.de/de/Entdecken/Historische-Gebaeude-Denkmaeler/Klosterhoefe
Gasthaus Zum Löwen (Hansjakobstraße 2) - Schussenrieder Hof (Hauptstraße 24)
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