Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 2948
Segnitz
(Landkreis Kitzingen, Unterfranken)
Das Segnitzer Rathaus
Das 1588 erbaute Segnitzer Rathaus steht in der Ortsmitte an der Kreuzung von Hans-Kesenbrod-Straße und Rathausstraße. Hier vor dem Rathaus ist der Ortsmittelpunkt, hier schneiden sich die beiden wichtigsten Straßen. Früher ging die Rathausstraße durch und verband das Maintor im Süden (mit Anbindung an die Mainfähre) mit dem Oberen Tor im Norden. Heute ist der nördliche Abschnitt der Rathausstraße eine Sackgasse. Die Hans-Kesenbrod-Straße ist die Haupt-West-Ost-Verbindung, sie endet aber an beiden Seiten stumpf und nicht an Toren. Neben den beiden genannten Toren gab es im Nordwesten noch ein drittes Tor zum Ort, das Kufentor am Ende der heutigen Krönleinstraße. Im Osten stand die Kirchenburg. Alle wichtigen Repräsentationsbauten des Ortes stehen hier am Kreuzungspunkt der wichtigsten Straßen, außerdem stand hier noch einer der wenigen öffentlichen Brunnen.
Das Rathaus ist ein zweistöckiger Satteldachbau im Stil der Renaissance mit massivem Erdgeschoß und einem vorkragenden Obergeschoß aus Fachwerk; das Rundbogenportal auf der Südseite ist leicht erhöht und wird über eine Freitreppe erreicht. Die westliche Giebelwand ist als Brandschutzmauer etwas höher als die Dachkante gezogen und oben mit einem Halbkreis, an beiden Seiten mit je zwei S-förmigen Schwüngen und je drei kolbenartigen Aufsätzen auf den drei Stufenabsätzen dekorativ gestaltet. Die nicht in den baulichen Kontext eingebaute östliche Giebelwand hingegen ist bis auf das Erdgeschoß ganz in Fachwerk ausgeführt. Mehrere vermauerte Bögen zeugen von späteren Umbauten und Umnutzungen; früher befanden sich im Erdgeschoß die Gemeindewaage und mehrere Verkaufsstände. Die südöstliche Gebäudeecke ist abgefast. Innen ist der getäfelte Ratssaal, der früher auch für das Abhalten der Gerichtstage Verwendung fand, sehenswert. Unten befindet sich ein Gewölbekeller, der sogenannte Gotteshauskeller, in dem die Weinernte der Martinskirche gelagert wurde. Der Bogen auf der Südseite rechts war der Kellerabgang. Auch heute noch wird das Gebäude als Amtssitz des Bürgermeisters und der Gemeinderäte verwendet.
Rechts oberhalb des Eingangs befindet sich ein auf das Jahr 1588 datierter Wappenstein, der die komplizierten Verhältnisse in Segnitz illustriert: Die Dorfherrschaft über Segnitz war geteilt. Ursprünglich war der Ort komplett würzburgisch. Dann kam im 13. Jh. ein Teil an das Kloster Auhausen an der Wörnitz. Das Kloster Auhausen bekam vom Würzburger Bischof Otto von Lobdeburg am 8.12.1208 den freien Genuß der Güter in Segnitz und Frickenhausen bestätigt. Den ersten Weinberg legte das Kloster 1194 an, die Vogtei über die Güter in Segnitz wurde 1226 erworben, zahlreiche weitere Weinberge kamen in der Folgezeit hinzu. Das Kloster hatte z. B. im Jahre 1548 in Segnitz 23 besteuerbare Untertanen.
Der andere Teil ging als würzburgisches Lehen erst an die Herren von Ehenheim (Ehnheim), dann 1416 größtenteils an die Zobel von Giebelstadt: Engelhardt Grummet von Ehenheim verkaufte in jenem Jahr seinen eigenen Anteil am Dorf Segnitz und den Anteil seines Vaters an die Brüder Dietz und Friedemann Zobel von Giebelstadt. Die Herren von Ehenheim behielten lediglich ein Achtel am halben Dorf. Hans Zobel bekam 1422 einen Teil des Zehntes von Segnitz. Auf den 15.7.1425 datiert eine Lehensurkunde, in welcher der Würzburger Bischof Johann von Brunn Wilhelm Zobel von Giebelstadt unter anderem seinen Teil an dem Dorf Segnitz zu Lehen gibt. Über ein Jahrhundert mußte also Segnitz seine Abgaben anteilig an das Kloster Auhausen und an die Zobel entrichten. Georg Truchseß von Wetzhausen, der damalige Abt von Kloster Auhausen, ließ um 1500 einen ersten Rathausbau errichten, den der hier gezeigte Bau später ersetzte. Der Abt hatte das Grundstück nicht dem Ort oder gar einem der Herrschaftsinhaber geschenkt, sondern der Kirche. Deshalb konnte diese ihre Weinernte in den Rathauskellern lagern.
Im Jahre 1525 griffen die Markgrafen im Zuge des Bauernkrieges erfolgreich nach den Auhausener Gütern in Segnitz. Die Gelegenheit war günstig, weil das Kloster selbst Opfer marodierender Bauern geworden war. Markgraf Casimir von Brandenburg stellte seinem Teil von Segnitz am 9.6.1525 einen entsprechenden Schutzbrief aus, der die Übernahme des Besitzes kennzeichnet. Auch Auhausen selbst konnten sich die Markgrafen sichern, nachdem der letzte Abt, eben jener Georg Truchseß von Wetzhausen, 1530 nach Eichstätt geflohen war und die letzten geduldeten Mönche noch bis zur neuen Klosterordnung 1537 befristet bleiben konnten. Der reformatorisch gesonnene Markgraf löste das Kloster ganz auf und verleibte sich den Besitz ein.
Als dieses Rathaus in Segnitz gebaut wurde, gehörte demnach eine Hälfte zu 7/8 den Zobel von Giebelstadt und zu 1/8 den von Ehenheim, die andere Hälfte den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach. 1645 gab es eine unauffällige Änderung: Die zeitweise bis in 19 Linien aufgesplitterten und als Würzburger und Ansbacher Dienstmannen weit in Franken ausgebreiteten Herren von Ehenheim erloschen, und das betreffende 1/8 der Zobel-Hälfte fiel an das Hochstift Würzburg zurück, ein heimgefallenes Lehen. Bis 1791 bestand diese gemeinsame Dorfherrschaft (Kondominat). Die dem Hochstift Würzburg nahestehenden Zobel waren katholisch, die Markgrafen evangelisch, somit ergab sich auch eine konfessionell unterschiedliche Ausrichtung beider Dorfherrschaftsinhaber. Sowohl die Markgrafen als auch die Zobel von Giebelstadt setzten je einen Schultheißen ein, dazu gab es ein paritätisch besetztes Gericht aus 10 Räten. Es gab zwei Bürgermeister, einer wurde von der Gemeinde gestellt, einer vom Gericht. Beide Dorfherren teilten sich die erhobenen Steuern.
Es gab noch ein paar Minderanteilseigner, denn das Kloster Birkenfeld (zu Neustadt an der Aisch) hatte zeitweise ebenfalls Güter in Segnitz. Auch die Herren von Seckendorff hatten Besitzungen in Segnitz. Diese wenig umfangreichen Güter wurden im 17. Jh. an die Herren von Schwarzenberg verkauft, die Marktbreit als würzburgisches Lehen besaßen. Sie spielten aber keine Rolle beim Kondominat und der unter den beiden größten Anteilseignern geteilten Dorfherrschaft, sie hatten keinen eigenen Schultheißen, sie erhoben keine Steuern etc. Wohl aber spielten diese kleinen Anteile eine Rolle bei der niederen Gerichtsbarkeit. Ende des 18. Jh. stellte sich die Lage folgendermaßen dar: Die Freiherren von Zobel und das ansbachische Gericht Creglingen teilten sich die hohe Gerichtsbarkeit. Die niedere Gerichtsbarkeit lag jedoch untertanengenau bei allen Anteilseignern: Das ansbachische Schultheißenamt Segnitz hatte 24 Untertanen (Haushalte), die Freiherren von Zobel zu Messelhausen-Darstadt hatten 36, die Schwarzenberger hatten 1 und das Kloster Birkenfeld hatte 3 Untertanen.
Entsprechend dieser Herrschaftsverhältnisse sehen wir rechts des schildhaltenden Engels mit seinen weit ausgebreiteten Armen das Wappen der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach. Hier ist die Farbfassung völlig verblichen, in korrekter Farbgebung ist es geviert mit Herzschild, Feld 1: Herzogtum Pommern, in Silber ein roter, golden bewehrter Greif, hier einwärts gewendet, Feld 2: Schlesien, gemeint ist hier das Herzogtum Jägerndorf, in Gold ein schwarzer Adler, golden bewehrt, belegt mit einer silbernen Mondsichel, deren konkave Seite mit einem silbernen Tatzenkreuzchen besteckt ist, Feld 3: Burggrafentum Nürnberg, innerhalb eines rot-silbern gestückten Bordes in Gold ein schwarzer doppelschwänziger Löwe, rot gekrönt, gezungt und bewehrt, hier einwärts gewendet, Feld 4: Stammwappen Hohenzollern, silbern-schwarz geviert, Herzschild: Markgrafschaft Brandenburg, in Silber ein roter Adler, golden bewehrt, auf den Saxen bisweilen belegt mit sog. Kleestengeln (Kleeblattsichel).
Interessant ist die Auswahl der Motive: Im Baujahr des Rathauses war der regierende Markgraf Georg Friedrich I. (5.4.1539-1603), das war derjenige, der zeitweise ab 1577 die Vormundschaft für den preußischen Herzog innehatte, der nicht nur in Ansbach, sondern 1557 auch in Kulmbach als Markgraf nachfolgte und mit dem die ältere Linie der fränkischen Hohenzollern erlosch. Er ist in Heilsbronn mit einer aufwendig verzierten und wappengeschmückten Tumba begraben. Dieser Markgraf besaß seit 1556 die schlesischen Besitzungen Jägerndorf, Beuthen und Oderberg und als Herzog von Jägerndorf führte er das Feld 2. In komplexer aufgebauten Wappen wurde für Jägerndorf ein eigenes Feld mit dem Hifthorn auf dem Adler anstelle der Mondsichel verwendet. Dieser Markgraf verwendete in anderen Wappen noch weitere Felder für Stettin, Kaschuben, Wenden, Rügen, Preußen und eben dieses Jägerndorf, die hier nicht zur Anwendung kommen. Genau dieses Jägerndorf bot reichlich Konfliktstoff mit den Habsburgern, und daran entzündete sich der Erste Schlesische Krieg.
Zurück an den Main: Die Konstellation wie beschrieben blieb bis 1791 fast unverändert bestehen. Erst als die Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach und damit auch der markgräfliche Anteil von Segnitz in jenem Jahr an Preußen fielen, wurden Reformen eingeführt, die zur Auflösung des Kondominats mit den Freiherren von Zobel im Jahr 1797 führten. Die Gerichtsbarkeit wechselte an das königlich-preußische Justizamt Mainbernheim mit Sitz in Marktsteft. 1803 kam Segnitz an das Kurfürstentum Bayern. 1805 kam es als Folge des Friedens von Preßburg an das Großherzogtum Toskana. Mit dem Zusammenbruch der französischen Herrschaft wurde Würzburg 1813 von Bayern erobert. König Max I. Joseph von Bayern ergriff formell am 19.6.1814 Besitz von Würzburg, und damit auch von Segnitz, und das war dann endgültig. Bis zum 30.12.1852 blieben die Freiherren von Zobel bayerische Lehensträger.
Das zweite Wappen heraldisch links, also auf dem nachgeordneten Platz, ist dasjenige der Zobel von Giebelstadt, in Silber ein roter Pferdekopf mit schwarzem Zaumzeug und Zügeln. Auch hier sind die Farben völlig verblaßt. Diese Geschichte spiegelt sich auch im seit 1962 geführten Gemeindewappen wider, denn Segnitz kombiniert beide Elemente zu: Unter einem silbern-schwarz gevierten Schildhaupt in Silber ein roter Pferdekopf mit schwarzer Mähne und schwarzem Zaum.
Der Wappenstein trägt aber noch ein drittes Wappen, unten zu Füßen des schildhaltenden Engels und beseitet von zwei Blütenornamenten. Wir sehen aus einem Dreiberg wachsend einen geflügelten Löwen mit einem blanken Schwert in den Vorderpranken, eine Pranke am Griff und eine an der Klinge. Der Baumeister des Rathauses war Hans Keesebrod (Kesenbrod, 1536-1616), ein damals für die Region prägender Architekt, Steinmetz und Renaissance-Baumeister. Es handelt sich um sein Wappen, wobei die Initialen im Schild "HK" für seinen Namen stehen, das "BM" auf der Einfassung für "Baumeister" oder "Bürgermeister". Die Tinkturen sind nicht bekannt. Der am Bau beteiligte Zimmermann war übrigens Lorenz Ebel. Hans Keesebrod stammte aus Unterschwaningen bei Gunzenhausen. Seit 1574 wohnte er in Segnitz, und seitdem prägte er mit seinen Bauten die Ortschaften Segnitz, Marktbreit und Obernbreit sowie auch Ochsenfurt, Marktsteft und Sulzfeld. Auch für sich selbst baute er in Segnitz ein Haus mit geschweiftem Giebel und kleinem Erker. Keesebrod stand auf der markgräflichen Seite der geteilten Dorfherrschaft, wurde 1577 Bürgermeister und 1594 ansbachischer Schultheiß. 1601 setzte sich Keesebrod für die Einführung der Reformation in Segnitz ein.
1890 wurden die Dachgauben des Rathauses entfernt, erst 1997 wurden sie wieder restauriert. Das Fachwerk war zeitweise unter Verputz verborgen und wurde erst 1924 wieder freigelegt. Weitere Renovierungen erfolgten 1962/1963 und 1991/1992, und 2004 wurde noch einmal die historische Kanzlei im Innern erneuert.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@49.6711563,10.1428251,20z - https://www.google.de/maps/@49.6711563,10.1428251,84m/data=!3m1!1e3
Hans Keesebrod in Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Keesebrod
vorbildliche Informationstafeln im Ort
Geschichte von Segnitz: https://www.segnitz-main.de/geschichte
Haus der Bayerischen Geschichte: https://www.hdbg.eu/gemeinden/index.php/detail/photos?rschl=9675166&id=40
- https://www.hdbg.eu/gemeinden/index.php/detail?rschl=9675166
Segnitz im Würzburg-Wiki: https://wuerzburgwiki.de/wiki/Segnitz
Historisches Unterfranken: https://www.historisches-unterfranken.uni-wuerzburg.de/db/wappen/wappen/index.php?kreis=kt&gemeinde=Segnitz
Zobel von Giebelstadt: https://de.wikipedia.org/wiki/Zobel_(Adelsgeschlecht)
Markgrafen von Brandenburg: https://de.wikipedia.org/wiki/Fürstentum_Ansbach
von Ehenheim: https://de.wikipedia.org/wiki/Ehenheim_(Adelsgeschlecht)
Rathaus Segnitz in Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Rathaus_(Segnitz)
Markgraf Georg Friedrich I. : https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Friedrich_I._(Brandenburg-Ansbach-Kulmbach)
Denkmalpflegerischer Erhebungsbogen
Segnitz, Ortsbegehungen im Oktober 2010 und Februar 2011,
Erstellung in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesamt für
Denkmalpflege durch Christiane Reichert, Büro für Kunst-und
Denkmalpflege, Bamberg, 2011 - https://www.segnitz-main.de/fileadmin/segnitz-main.de/images/Dorferneuerung/DEB_Segnitz_Teil_1_Text.pdf S. 8-14, 35-38
das markgräfliche Amtshaus - der neue Gottesacker vor den Toren - das Keerls- oder Köllnersche Haus
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