Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2461
Groß-Umstadt (Landkreis Darmstadt-Dieburg)

Rodensteiner Schloß

Das Rodensteiner Schloß ist einer der sieben ehemaligen Adelssitze der Stadt und geht auf einen mittelalterlichen Lehnshof zurück, der 1409 vom Pfalzgrafen Ruprecht III. (5.5.1352-18.5.1410) für Sibolt Schelm von Bergen lehensfrei gestellt wurde. Die Familie der Schelme von Bergen begründete mit Hermann Schelm von Bergen und seiner Frau Benigna von Heusenstamm einen Zweig in Umstadt und auf der Burg Otzberg und stellte seit dem 13. Jh. Amtmänner und Vögte für die Pfalzgrafen. Die Familie ist in der Pfarrkirche der Stadt mit mehreren Epitaphien eindrucksvoll vertreten. Im Jahre 1454 wurde für die Brüder Hans und Eberhart Schelm von Bergen der Hof in einen vorderen und einen hinteren Teil aufgeteilt. Der Lehnshof wurde 1465 unter Karl Schelm von Bergen (1443-16.2.1489, Sohn des vorerwähnten Hans) erweitert; dabei wurde der heute noch existierende sechseckige Treppenturm mit steinerner Spindel rückwärtig an das Schloß angebaut.

Von den Schelmen von Bergen ging der Hof 1540 durch Heirat an Otto von Boineburg, der das Gebäude fast völlig erneuerte. Otto von Boineburg gehörte 1547 zu den Befehlshabern in Rüsselsheim während der Belagerung der Festung im Schmalkaldischen Krieg. Danach ging das Anwesen 1585 an die Familie der von Rodenstein, die dem Schloß seinen Namen gab. Erbtochter Anna von Boineburg, Tochter von Otto von Boineburg, hatte Georg bzw. Jörg III. von Rodenstein geheiratet, den Sohn von Hans von Rodenstein und Anna Bayer von Boppard. Anna und Georg hatten u. a. als Sohn Georg Balthasar von Rodenstein, der Domherr in Trier, Worms und Würzburg war. Der Hof wurde weiter ausgebaut. Die Familie erlosch 1671.

Heute ist nur noch ein Bruchteil des ehemaligen Baubestandes vorhanden, der einst bis zur nördlich verlaufenden Stadtmauer reichte. Auf dem Gelände des 1840 abgerissenen "kleinen Rodensteiner Hof" rechts um die Ecke waren zeitweise eine Brauerei, eine lutherische Schule und Wohnungen untergebracht. Im Rodensteiner Schloß selbst wohnten Pfarrer, Lehrer und der städtische Amtsdiener, außerdem war dort die Katholische Kollektur untergebracht. Am Eck zwischen Rodensteiner Schloß und Kleinem Rodensteiner Hof standen früher die Rodensteiner Bürgerhäuser, die 1598 errichtet und 1980 abgerissen wurden. Im Gegensatz zum freiadeligen Haupthaus waren diese Häuser steuerpflichtig, obwohl sie auch den Herren von Rodenstein gehörten. In den Neubau am Eck wurden noch brauchbare Stilelemente wie ein wunderbar verzierter Renaissance-Torbogen und eine barocke Tür aus dem Jahr 1790 als Spolien integriert. Heute wird das gesamte Anwesen von der Stadt, die seit 1909 Besitzer des Anwesens ist, als Seniorenwohnanlage und Begegnungsstätte betrieben. Dafür wurde das Dach des Rodensteiner Schlosses verändert, um mehr Platz für zusätzliche Räume zu bekommen.

Das zweistöckige Rodensteiner Schloß, das ehemalige Haupthaus aus der Zeit um 1540-1550, ist unten in verputztem Sandstein-Mauerwerk und oben in Fachwerk ausgeführt. Letzte Veränderungen erfuhr die Fassade im Jahr 1789. Ein kleiner Aborterker ist an der westlichen Giebelwand angebracht. Am Haus ist rechts neben der ehemaligen, flachbogig geschlossenen Haupteinfahrt mit rundbogig abgeschlossener Fußgängerpforte links daneben eine auf das Jahr 1540 datierte Wappentafel aus rotem Sandstein angebracht. Sie zeigt innerhalb einer ädikulaförmigen Architekturumrahmung mit Segmentbogengiebel in Form eines Ehewappens die einander zugewandten Vollwappen der Herren von Boineburg heraldisch rechts (schwarz-silbern geviert, auf dem gekrönten Helm mit schwarz-silbernen Decken ein schwarz-silbern übereck geteiltes Paar Büffelhörner, Münchener Kalender 1931, Aschaffenburger Wappenbuch, Tafel 20 Seite 114, 102, Zobel Tafel 45) und der Schelme von Bergen (in Silber zwei nach innen gekrümmte rote Bogenpfähle, auf dem Helm mit rot-silbernen Decken wachsend Kopf und Hals eines Drachens, auf dem Rücken kammartig besteckt mit vier silbernen Kugeln, die ihrerseits meistens noch mit schwarzen Federn besetzt sind, Aschaffenburger Wappenbuch, Tafel 10 Seite 138, Zobel Tafel 26, Alter Siebmacher) heraldisch links.

Die Kombination steht für Otto von Boineburg (-4.3.1553), Sohn von Hermann von Boineburg und Katharina von Schleyern gen. Schlager, hessischer Amtmann in Umstadt (1535, 1539 und 1547 nachweisbar), und seine Frau, Anna Schelm von Bergen (-6.8.1557), Tochter von Balthasar Schelm von Bergen und Margarete von Habern. Der neue Besitzer ließ ab 1540 den Hof weitgehend neu bauen.

Genau die gleiche Wappenkombination ist übrigens auf einem aus rotem Sandstein gehauenen Epitaph in der evangelischen Stadtkirche von Groß-Umstadt für Otto von Boineburg zu sehen, innen an der Nordseite des Turmuntergeschosses. Auf dieser Platte (ohne Abb.) sind neben den beiden Vollwappen wie beschrieben vier weitere Ahnenwappen angebracht, heraldisch rechts für den Ehemann von Boineburg und von Schleyern gen. Schlager, heraldisch links für die Ehefrau Schelm von Bergen und Habern. Die Umschrift in gotischen Minuskeln lautet: "Anno do(mi)ni 155(3) Vf samstag nach reminiscere ist Verschi(e)den der e(del und ern)vest Ott(o) Von baymelberg der se(e)len gott genedig vnd barmhertzig se(in) wol(le)".

Zurück in die Rodensteiner Straße: Dreimal ist an diesem Wappenstein jeweils dasselbe Steinmetzzeichen eingeschlagen, auf dem Gesims, auf dem rechten Rahmenpilaster (Abb. oben Mitte) und auf der linken Bekrönungskugel (Abb. oben links). Ein zweites, anderes Steinmetzzeichen ist auf der rechten Bekrönungskugel eingeschlagen (Abb. oben rechts). Die kaum noch leserliche Inschrift in gotischen Minuskeln lautet: "1540 / otto von boyneburck anna von / boyneburck gebor(e)n(e) schelm vo(n) berge(n)". Die Wörter sind durch Quadrangeln mit paragraphzeichenförmig ausgezogenen Zierstrichen voneinander getrennt.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf google maps: https://www.google.de/maps/@49.8694617,8.9280567,18.5z - https://www.google.de/maps/@49.8692591,8.9279848,76m/data=!3m1!1e3
Hinweistafel der Stadt am Gebäude
Rodensteiner Schloß:
https://de.wikipedia.org/wiki/Rodensteiner_Schloss
Rodensteiner Schloß:
http://www.burgen-und-schloesser.net/hessen/schloss-rodenstein/geschichte.html
Wolfgang Schröck-Schmidt: Umstädter Schlösser und Adelssitze, das Rodensteiner Schloß zu Umstadt, in: 1250 Jahre Groß-Umstadt, 743-1993, hrsg. vom Magistrat der Stadt, Geiger-Verlag, Horb am Neckar, S. 187 ff.
von Boineburg:
https://de.wikipedia.org/wiki/Boyneburg_(Adelsgeschlecht)
von Rodenstein:
https://de.wikipedia.org/wiki/Rodenstein_(Adelsgeschlecht)
Schelme von Bergen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schelme_von_Bergen
Epitaph des Otto von Boineburg: Grabdenkmäler
https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/gdm/id/69
Epitaph des Otto von Boineburg: Deutsche Inschriften 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 193 (Sebastian Scholz), in:
www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0019300 http://www.inschriften.net/stadt-darmstadt-und-landkreise-darmstadt-dieburg-und-gross-gerau/inschrift/nr/di049-0193.html#content
Genealogie: Joh. Octavian Salver, Proben des hohen deutschen Reichs Adels oder Sammlungen alter Denkmäler
http://books.google.de/books?id=ZONWAAAAcAAJ S. 485
Otto Hupp, Münchener Kalender 1931
Alfred F. Wolfert, Aschaffenburger Wappenbuch, Veröffentlichung des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg e. V., Aschaffenburg 1983
Rolf Zobel: Wappen an Mittelrhein und Mosel, Books on Demands GmbH, Norderstedt 2009, ISBN 978-3-8370-5292-3, 527 S.
Deutsche Inschriften 49, Darmstadt, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau, Nr. 170 (Sebastian Scholz), in:
www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di049mz06k0017001

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