Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 2338
Gießen (Landkreis Gießen, Regierungsbezirk Gießen)
Das Neue Schloß von Gießen
Eines der ganz, ganz wenigen Gebäude, welche die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges und insbesondere die Bombennacht vom 6.12.1944 dank mutiger Brandwachen im Dach überlebt haben, ist das Neue Schloß in Gießen (Senckenbergstraße 1). Das unweit zu findende Alte Schloß (landgräfliche Burg) ist bis auf den originalen, mit einer welschen Haube versehenen Turm und das Tor eine enttäuschende Fiktion des Jahres 1903 im Stil der Neorenaissance, zudem 1944 komplett ausgebrannt und wiederaufgebaut - um so begeisterter ist man, am Neuen Schloß originale Bausubstanz des 16. Jh. anzutreffen. Restaurierungen fanden jeweils 1899, 1907 und 1945 statt. Es handelt sich um einen stattlichen, längsrechteckigen Bau mit einem seitlich mittig angesetzten, polygonalen Treppenturm zum Schloßhof hin, mit einem Mittelerker auf der gegenüberliegenden Seite und mit vier Eckerkern, alle mit welschen Hauben. Mit seinen Dimensionen von 34,5 m Länge, 12 m Breite und 19,5 m Höhe ist das Neue Schloß einer der bedeutendsten Fachwerkbauten Hessens.
Das Neue Schloß, das Landgraf Philipp der Großmütige, einer der bedeutendsten Landesfürsten im Zeitalter von Reformation und Renaissance und Gründer der Marburger Universität, Mitbegründer des Schmalkaldischen Bundes und Gründer der Liga protestantischer Fürsten, als landgräfliche Residenz 1533-1539 im Anschluß an die Vollendung der zweiten Stadtbefestigung erbauen ließ (wodurch das Schloß selbst keine weiteren Verteidigungsbauten benötigte), bildet architektonisch ein Zwischenglied, ein Übergangsmodell zwischen gotischem Palas als Saalbau einerseits und Renaissanceschloß andererseits. Das Erdgeschoß mit dem großen Säulensaal ist aus Bruchstein mit Eckquaderung gemauert, das Obergeschoß mit den ehemaligen Wohnräumen hingegen in Fachwerk aufgeführt. Das Treppenturmportal ist noch der spätgotischen Formensprache verhaftet. Treppenturm und Eckerker haben jeweils zwei Fachwerkgeschosse und überragen damit die Traufe um je ein Geschoß. Nur einer der vier Erker umfaßt nur das obere Geschoß. Das hohe und steile Krüppelwalmdach mit drei Kehlbalkenlagen enthält insgesamt drei weitere Geschosse.
Heute gehört das Gebäude zur Universität. Bereits schon 1609-1611 wurde der Saal des Erdgeschosses als Auditorium der Universität genutzt, und seit 1650 wurde das Gebäude von der Justus-Liebig-Universität belegt. Die Räumlichkeiten wurden als Hörsaal (Erdgeschoß), Universitätskanzlei, Universitätsgericht und Professorenwohnung (Obergeschoß) verwendet. Nach 1910 war in dem Gebäude auf Initiative des Mäzens Wilhelm Gail kurzzeitig das Museum für Völkerkunde untergebracht, danach folgten Nutzungen als Museum und als Kunstgalerie des Oberhessischen Kunstvereins. Seit 1965 hat hier das Institut für Geographie seinen Sitz. Im Erdgeschoß wird der Saal als größter Seminarraum des Instituts und auch als Saal für Konferenzen, Empfänge und Feierlichkeiten genutzt; das Obergeschoß enthält die Büros von drei Professoren und ihren Mitarbeitern (Anthropogeographie, Wirtschaftsgeographie und Klimatologie, Klimadynamik und Klimawandel).
Das Wappen an der Schmalseite ist wesentlich jünger als der Bau selbst, denn es wurde erst 1904 im Stile der Renaissance nachgemacht und angebracht, wie die Inschrift besagt: "Zum Gedächtnis Landgraf Philipps des Großmütigen, der im Jahr 1533 diesen Bau errichtet hat, den 13. November 1904". Das Wappen entspricht inhaltlich historisch korrekt dem von dem Erbauer tatsächlich geführten Wappen.
Der Schild enthält eine Kombination, die 1479-1642/1659 geführt wurde, und ist geviert mit Herzschild: Feld 1: in Gold ein roter Löwe, blau bewehrt und blau gekrönt, Grafschaft Katzenelnbogen, Feld 2: schwarz-golden geteilt, oben ein silberner sechsstrahliger Stern, Grafschaft Ziegenhain, Feld 3: schwarz-golden geteilt, oben zwei achtstrahlige silberne Sterne, Grafschaft Nidda, Feld 4: in Rot zwei goldene, blau bewehrte, schreitende, hersehende Löwen, Grafschaft Diez, Herzschild: in Blau ein silbern-rot mehrfach geteilter Löwe, golden gekrönt und golden bewehrt, Landgrafschaft Hessen (Stammwappen).
Dazu werden drei Helme geführt: Helm 1 (Mitte): auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken zwei Büffelhörner, außen besteckt mit je 7 Lindenzweigen (auch als Kleestengel bezeichnet, fehlen hier), Landgrafschaft Hessen, Helm 2 (rechts): auf dem gekrönten Helm mit rot-goldenen Decken ein schwarzer Flug, beiderseits belegt mit einer wie der Schild tingierten Scheibe, Grafschaft Katzenelnbogen, Helm 3 (links): auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken ein wachsender, schwarz-golden geteilter Ziegenbock mit zwei schwarz-golden geteilten und oben mit je einem silbernen sechsstrahligen Stern belegten Flügeln, Grafschaft Ziegenhain.
Literatur,
Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher,
insbesondere die Bände Grafen und Hoher Adel (Fürsten)
Neues Schloß: https://de.wikipedia.org/wiki/Neues_Schloss_(Gießen)
Philipp der Großmütige: https://de.wikipedia.org/wiki/Philipp_I._(Hessen)
Neues Schloß: http://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/60512/
Universität: https://www.uni-giessen.de/fbz/fb07/fachgebiete/geographie/institut/gebaeude/neues-schloss
Neues Schloß: http://giessen-entdecken.de/locations/neues-schloss-und-zeughaus/
Neues Schloß: http://www.giessener-land.de/index.php?section=home.php&hk=2&sk=7&at=48&rt=1
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