Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2337
Tiefenbach (zu Braunfels, Lahn-Dill-Kreis)

Die ev. Pfarrkirche von Tiefenbach

Tiefenbach, heute ein in einem Seitentälchen der Lahn gelegener Ortsteil von Braunfels, besitzt im östlichen Ortsbereich eine historische Pfarrkirche (Mittelstraße 33), die im Türsturz auf das Jahr 1714 datiert ist. Wie der mit Schießscharten versehene, um 1300 errichtete Kirchturm und gotische Stilelemente zeigen, handelt es sich im Kern um eine mittelalterliche Wehrkirche vom Typ der Chorturmkirche, die man dadurch erhielt, daß um 1450 an den älteren Wehrturm ein Kirchenschiff angebaut wurde. Die Westhalle wurde 1550 angebaut, und 1713-1714 wurde das Langhaus baulich originell erweitert, sodaß ein T-förmiger Grundriß entstand (Winkelhakenkirche) und sich der Charakter in den einer evangelischen Predigtkirche wandelte. Bis 1716 wurde die Innenausstattung mit Bibelsprüchen und Ranken auf den Brüstungsfeldern der Empore und mit stilisierten Ranken- und Blumenmotiven um die Fenster erneuert. 1980 erfolgte eine Innenrenovierung, wobei Teile der alten Ausmalung freigelegt wurden. Der Ort ist seit 1245/46 Besitz der Grafen von Solms; nachdem Volpert von Gemünden seine Güter an Graf Heinrich I. von Solms verkauft hatte. Tiefenbach wurde in den 1550er Jahren evangelisch-lutherisch und unter Graf Konrad von Solms 1582 evangelisch-reformiert. 1718 wurde Tiefenbach für nur drei Jahre eine eigenständige Pfarrei.

 

Bei der Erweiterung erhielt das alte Kirchenschiff ein neues Portal. Der Türsturz weist folgende, farblich schlecht nachgezogene Inschrift auf: "Als diesse Kirche wurd(e) De Novo Repariert Hat Herr Graff Wilhelm Moritz dam(a)ls lo(e)bl(ich) Regi(e)rt. Die weilen ist Bekan(n)t das(s) Er gantz voller gnad(e). In dem Er Solche auch daran Erw(i)esen hat, So hat man das Dahier In diesen Stein gegraben Damit die posten (= Nachwelt) mo(r)gen Nachricht davon hat. ANNO 1714".

Über der Tür befindet sich das unter einer gemeinsamen Rangkrone zusammengestellte Allianzwappen von Wilhelm Moritz Graf von Solms-Braunfels (4.4.1651-9.2.1724) und seiner Frau Magdalena Sophia Landgräfin von Hessen-Homburg (24.4.1660-22.3.1720) in Form zweier einander zugeneigter Ovalschilde. Ein inhaltsgleiches Wappen für dieses Ehepaar befindet sich übrigens an Schloß Hungen, allerdings mit zwei kleinen Fehlern in der Komposition.

Die Initialen auf der optisch linken Seite lauten W M G Z S B G H - Wilhelm Moritz Graf zu Solms, Braunfels, Greifenstein und Hungen. Wilhelm Moritz Graf von Solms-Braunfels (4.4.1651-9.2.1724), Sohn von Wilhelm II. Graf von Solms-Braunfels-Greifenstein (9.8.1609-19.7.1676) und Johannette Sibylla zu Solms-Hohensolms (15.1.1623-7.8.1651), wurde zu Greifenstein geboren. Er saß zunächst zu Greifenstein und Wölfersheim, die er beide 1676 von seinem Vater erbte. 1678 bekam er nach dem Tod von Moritz von Solms-Hungen (1622-1678) Hungen zur Hälfte. Im Jahr 1684 erbte er von seiner Tante Anna Maria von Kriechingen (7.4.1614-7.11.1676), Ehefrau von Ludwig von Solms-Greifenstein (7.4.1614-7.11.1676), deren Anteil an der Grafschaft Kriechingen. 1693 erbte er nach dem Tod seines Verwandten Heinrich Trajektinus von Solms-Braunfels Braunfels (11.1.1638-1693), wo er auch verstarb, dazu die andere Hälfte von Hungen und Gambach. Dieser kinderlose Heinrich Trajektinus, Sohn von Johann Albrecht II. Graf von Solms-Braunfels (2.6.1599-23.9.1648), war Garde-Kommandeur und niederländischer General der Infanterie, und mit ihm erlosch die bernhardsche Linie in Braunfels. Schließlich bekam Wilhelm Moritz nach langem juristischen Tauziehen endlich 1699 Tecklenburg (Graf Philipp zu Solms-Braunfels hatte diese Grafschaft im Jahre 1554 durch Heirat mit der Erbtochter des letzten Grafen von Tecklenburg bekommen; aber erst nach langwierigem Prozeß und komplizierten Verwicklungen kam das Haus Solms tatsächlich an seinen Besitz), welches er aber bereits 1706 an Preußen veräußerte. Wilhelm Moritz Graf von Solms-Braunfels schlug nach seiner Ausbildung in Marburg eine militärische Laufbahn ein. In hessischen Diensten kämpfte er als Kommandeur einer Infanterie-Kompanie während des Holländischen Krieges in der Schlacht bei Sinsheim und bei der Belagerung von Philippsburg. Er wurde 1707 preußischer Geheimrat und Ritter des Schwarzen Adlerordens, womit sein Einsatz für den Verkauf von Tecklenburg gegen die Interessen seiner Verwandten honoriert wurde.

Das vermehrte Wappen Solms-Braunfels auf der heraldisch rechten Seite hat einen Herzschild auf einem zweimal gespaltenen und zweimal geteilten Hauptschild. Im einzelnen enthält das Wappen folgende Komponenten:

Die Initialen auf der optisch rechten Seite lauten M S G Z H B V G Z S B - Magdalena Sophia Landgräfin zu Hessen-Bingenheim und Gräfin zu Solms-Braunfels. Sie wurde in Bingenheim geboren und war die Tochter von Wilhelm Christoph Landgraf von Hessen-Homburg (13.11.1625-27.8.1681) und Sophie Eleonore Landgräfin von Hessen-Darmstadt (7.1.1634-7.10.1663). Auch väterlicherseits handelt es sich um einen Zweig der Hauptlinie Hessen-Darmstadt, denn ihr Großvater war Friedrich I. Landgraf von Hessen-Homburg (5.3.1585-9.5.1638), Sohn von Georg I. Landgraf von Hessen-Darmstadt (10.9.1547-1596). Das ist wichtig wegen des Auftretens des Feldes für die Grafschaft Isenburg-Büdingen, das in der Hauptlinie Hessen-Darmstadt und in der Linie Hessen-Homburg als dessen Abspaltung erscheint, in der anderen Hauptlinie Hessen-Kassel aber nicht. Es sei aber darauf hingewiesen, daß hier Felder auftreten, die Hessen-Kassel gehörten, aber dennoch zog Hessen-Darmstadt nach und bildete die Territorien als Anspruchswappen ab. Einige goldene Felder sind hier üppig mit einer grünen Ranke damasziert, die etwas zu dominant erscheint angesichts der Tatsache, daß es sich nicht um einen signifikanten Inhalt handelt.

Das Wappen der Linie Hessen-Homburg hat einen Herzschild und einen gespaltenen und zweimal geteilten Hauptschild, wobei Feld 5 geteilt ist:

Die Bezeichnung der Linien ist etwas unübersichtlich: Die Hauptlinie ist Hessen-Darmstadt. Die Abzweigung, der die Ehefrau entstammte, wird als Hessen-Homburg bezeichnet. Tatsächlich bezeichnet sie sich selbst, obwohl sie in der Literatur durchgängig als Landgräfin von Hessen-Homburg bezeichnet wird, als Landgräfin von Hessen-Bingenheim. Das kommt daher, daß ihr Vater Wilhelm Christoph, der zweite Landgraf von Hessen-Homburg, ab 1650 das zum Schloß ausgebaute Bingenheim als Lebensort bevorzugte und sogar 1669 Stadt und Amt Homburg an seinen Bruder Georg Christian verkaufte.

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere die Bände Grafen und Hoher Adel (Fürsten)
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Wilhelm Moritz Graf von Solms-Braunfels:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Moritz_(Solms-Braunfels)
Wilhelm Moritz Graf von Solms-Braunfels: in den Hessischen Biographien
http://www.lagis-hessen.de/pnd/1107810582
Magdalena Sophia Landgräfin von Hessen-Homburg: in den Hessischen Biographien
http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/bio/id/6583
evangelische Kirche:
http://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/44604
Beschreibung des Wappensteines:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tiefenbacher_Kirche_Allianzwappen_Solms_Hessen.JPG
Ort und Kirche:
http://www.braunfels.de/Sites/gensite.asp?SID=cms080920161328344036828&Art=0333
Kirche Tiefenbach:
http://kirchengemeinde-tiefenbach.de/diesdas.html
Kirche Tiefenbach:
http://www.mittelhessen.de/lokales/region-wetzlar_artikel,-Anbau-komplettierte-vor-300-Jahren-Kirche-_arid,371144.html

Die Entwicklung des Hessischen Wappens
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