Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 2186
Rietberg (Kreis Gütersloh, Reg.-Bez. Detmold)
Das Rietberger Progymnasium
Bei dem historischen Progymnasium handelt es sich um einen einstöckigen, in Fachwerk ausgeführten Dreiflügelbau mit Mansarddach, der 1750 fertiggestellt wurde. Der vom Landesherrn gewählte Bauplatz war etwas ungünstig, weil hier die Gräfte der ehemaligen Burginsel für Überschwemmungen sorgte. Die westlich der Klosterkirche verlaufende Gräfte wurde zugeschüttet, und etliche Wagenladungen Aufschüttungsmaterial mußten den Baugrund für das Progymnasium herstellen. Es war ein unnötig großer Aufwand, aber der Stifter wollte die Schule unbedingt neben dem Kloster bauen. Mehrere Entwürfe für das Gebäude stammten von Forstmeister Brummel und Lieutenant Johann Gottfried Carlé, Kommandant der Rietberger Schloßgarnison, der zugleich Ingenieur war. Organisiert wurde der Bau von dem Rietberger "Gevollmächtigten" Johann von Binder, Edler zu Kriegelstein, ehemaliger kaiserlicher Reichshofrat aus Wien, der für den abwesenden Grafen Maximilian Ulrich Graf von Kaunitz-Rietberg die Dinge vor Ort regelte. Er konnte sich jedoch gegenüber dem Landesherrn nicht mit dem Vorschlag eines alternativen Bauplatzes auf dem "Trachterschen Platz" an der heutigen Rathausstraße durchsetzen, mit einem zweiten Vorschlag genausowenig. Grundsteinlegung war am 4.10.1746, in Klosternähe, auf dem aufgeschütteten Sumpf, mit erheblich höheren Kosten. Das neue Schulhaus wurde direkt gegenüber dem Franziskanerkloster errichtet, weil von Anfang an geplant war, daß die Mönche als "Magistri" die Lehraufgaben in der Lateinschule wahrnehmen. Dafür wurden sie bezahlt, von den insgesamt aus der gräflichen Rentkasse gezahlten 672 Reichstalern und 12 Groschen jährlicher Zuwendungen entfielen 90 Reichstaler auf die zu haltenden Unterrichtsstunden.
Das spätklassizistische Portal mit dem filigran gestalteten Oberlicht wurde später anläßlich einer Erneuerung angefertigt. Das Fachwerk war einst komplett verputzt, erst 1859 wurden die Balken wieder freigelegt, und als das Gebäude 1985-87 erneut restauriert wurde, hat man auf diesen Zustand Bezug genommen. Das aus dem Franziskanergymnasium entstandene "Gymnasium Nepomucenum Rietberg", das am Anfang des 19. Jh. zu einem altsprachlichen Progymnasium mit fünf Klassen wurde, ist längst ausgezogen und befindet sich auf der anderen Seite der Ems in modernen Gebäuden aus den Jahren 1962/63, und auch das schulische Angebot umfaßt längst einen neusprachlichen Zweig. Den Namen erhielt die Schule nach dem Patron der Rietberger Grafschaft, dem seit dem 18. Jh. verehrten Johannes Nepomuk, dem auch die Barockkapelle an der Delbrücker Straße geweiht ist. Im alten Progymnasium sind heute die Stadtbibliothek, der Ratssaal, das Standesamt und das Stadtarchiv untergebracht. Das landesherrliche Wappen befindet sich im Dreiecksgiebel über der 1862 in einer Nische angebrachten Figur des hl. Aloysius.
Das auf 1748 datierte Wappen gehört zu Fortunatus Joseph Maximilian Ulrich Graf von Kaunitz-Rietberg (2.3.1679-10.9.1746). Er gründete das Gymnasium Nepomucenum bereits im Jahr 1743; die Stiftungsurkunde ist auf den 1.3. des Jahres datiert und in Brünn ausgestellt worden, und zusammen mit dem Progymnasium wurde noch eine Pfarrkirche in "Neukaunitz" gestiftet. Doch zur Zeit des Einbaus dieses geschnitzten Wappens war bereits der Sohn, Wenzel Anton Joseph Maria Blasius Dominik Graf von Kaunitz-Rietberg (2.2.1711-27.6.1794), an der Regierung. Das Wappen ist dennoch von ihm als Hommage an seinen Vater gedacht, denn um das Wappen ist die Kette des Ordens vom Goldenen Vlies gelegt. Aus den in Rietberg herrschenden Familien waren mehrere Mitglieder des Ordens, jeweils mit dem Jahr der Aufnahme:
Beide, Vater und Sohn, waren also Ritter des Ordens. Aufgrund der Datierung der Wappenschnitzerei auf 1748 kann jedoch nur der Vater gemeint sein, weil der Sohn erst im Folgejahr, 1749, in den Orden aufgenommen wurde. Außerdem war 1748 noch seine Mutter, Maria Ernestine Franziska Gräfin von Ostfriesland und Rietberg (4.8.1687-1.1.1758), am Leben, deshalb ist das Wappen der Eltern-Generation hier angemessen, nicht zuletzt als Hommage an den eigentlichen Stifter. Der Sohn war zwar seit 1746 Graf von Rietberg, regierte aber bis 1758 zusammen mit seiner Mutter und ließ auch zusammen mit ihr die Johanneskapelle erbauen.
Das geschnitzte Wappen ist miserabel ausgeführt und noch schlechter angestrichen, deshalb werden nachfolgend ausschließlich die korrekten Inhalte ohne Diskussion angegeben. Der Hauptschild ist zweimal gespalten, Feld 1: in Rot ein goldener Adler (Grafschaft Rietberg), Feld 2: geviert, Feld a und d: in Gold ein schwarzer, aufspringender Bär mit goldenem Halsband (Herrschaft Esens), Feld b und c: in Blau zwei gekreuzte goldene Peitschen oder Geißeln (Herrschaft Stedesdorf-Wittmund), Feld 3: in Schwarz ein goldener Jungfrauenadler oder Königsadler, begleitet von vier (2:2) goldenen Sternen (Cirksena-Ostfriesland), Herzschild geviert, Feld 1 und 4: in Rot zwei entwurzelte silberne Wasserpflanzen, die Stengel unten schräggekreuzt, am oberen Ende je ein einwärts gebogenes Blatt (Grafen Kaunitz), Feld 2 und 3: in Gold eine goldenbebutzte, blaue Rose (Sesyma-Austi).
Dazu werden sechs gekrönte Helme geführt, Helm 1 (Mitte rechts): auf dem Helm mit blau-goldenen Decken eine golden bebutzte und grün bespitzte blaue Rose (Sesyma-Austi), Helm 2 (Mitte links): auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein geschlossener schwarzer Flug (Grafen Kaunitz), Helm 3 (rechts innen): auf dem Helm mit blau-goldenen Decken ein wachsender, goldener, gekrönter, doppelschwänziger Löwe (zu Sesyma-Austi, Herrschaft Landstein), Helm 4 (links innen): auf dem Helm mit blau-goldenen Decken eine blaue Lilie (Herrschaft Esens) zwischen zwei schräg nach außen gestellten, goldenen Peitschen oder Geißeln (Herrschaft Stedesdorf-Wittmund), Helm 5 (rechts außen): auf dem Helm mit rot-goldenen Decken ein wachsender goldener Adlerrumpf zwischen zwei roten Flügeln (Grafschaft Rietberg), Helm 6 (links außen): auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken eine goldene Lilie vor einem schwarzen Straußenfedernbusch (Cirksena-Ostfriesland). Die Decken werden auch vereinfachend rechts rot-silbern und links blau-golden geführt.
Literatur,
Links und Quellen:
Genealogien:
Prof. Herbert Stoyan,
Adel-digital, WW-Person auf
CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Grafschaft Rietberg: http://de.wikipedia.org/wiki/Grafschaft_Rietberg
Liste der Grafen von Rietberg: http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Grafen_von_Rietberg und dort verlinkte Einzelportraits
Haus Ostfriesland: http://www.kaunitz-rietberg.de/kaunitz/ostfriesland.html und dort verlinkte Einzelportraits
Haus Kaunitz: http://www.kaunitz-rietberg.de/kaunitz/haus_kaunitz.html und dort verlinkte Einzelportraits
Wappen Kaunitz-Rietberg: Max von Spießen (Hrsg.): Wappenbuch
des
Westfälischen Adels, mit Zeichnungen von Professor Ad. M.
Hildebrandt, 1. Band, Görlitz 1901-1903.
Siebmachers Wappenbücher
Manfred Beine, Käthe Herbort: Rietberg - historischer
Stadtrundgang, Westfälische Kunststätten 67, 2.
Auflage,
Münster 2008, hrsg. vom Westfälischen Heimatbund in
Verb. mit
dem LWL-Amt für Denkmalpflege in Westfalen und dem Kulturamt
der
Stadt Rietberg, 86 S.
Maria Ernestine Franziska Gräfin von Ostfriesland und
Rietberg: http://www.kaunitz-rietberg.de/kaunitz/haus_kaunitz/maria_ernestine_francisca.html
ehem. Eintrag über das Rathaus Rietberg auf www.fachwerkhaus.de
Schulgeschichte: http://www.nepomucenum-rietberg.de/schule/daten-und-geschichte/ - http://www.nepomucenum-rietberg.de/nepomucenum-der-name-unserer-schule/
Manfred Beine: "Unten vier Zimmer und oben das Theatrum und
Auditorium" - Entwürfe für ein Gymnasium in Rietberg
von
1746, Westfälische Quellen im Bild 29, online: http://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/txt/normal/txt228.pdf
Gymnasium Nepomucenum http://de.wikipedia.org/wiki/Gymnasium_Nepomucenum_Rietberg
Johannes-Nepomuk-Kapelle - Franziskanerkloster und Klosterkirche - das Rietberger Rathaus - Pfarrkirche St. Johannes Baptist
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