Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2094
Diez (Rhein-Lahn-Kreis)

Der Friso-Brunnen vor dem Grafenschloß in Diez

Auf dem Vorplatz zum Diezer Grafenschloß, das zwar sehr malerisch, aber entgegen den Erwartungen frei von bauplastischen Wappendarstellungen auf seinen Außenmauern ist, steht der sog. Friso-Brunnen, früher über eine Druckleitung gespeist von einer Quelle auf dem Bergrücken gegenüber dem Grafenschloß, heute von einer Zisterne. Das Wasser fließt aus dem Maul einer vergoldeten Schlange. Der Brunnen ist benannt nach Johann Wilhelm Friso Fürst von Nassau-Oranien (4.8.1687-14.7.1711), und er wurde im Jahr 1715 von dessen Mutter Henriette Amalia Prinzessin von Anhalt-Dessau (16.8.1666-18.4.1726) zu seinem Angedenken gestiftet. Friso, der Hoffnungsträger der Familie, nachdem sein älterer Bruder im Alter von 11 Monaten gestorben war, starb dennoch jung mit 23 Jahren, seit anderthalb Jahren verheiratet, und er starb sozusagen durch eigene Risikofehleinschätzung: Im Rahmen eines Feldzuges mußte er bei Mordyck über die Maas (Hollands Diep) übersetzen, das Wetter war regnerisch und stürmisch, so daß der Herr sich in seine trockene Kutsche zurückzog, eine böse Falle, denn der Sturm warf die Fähre um, und der Held von Malplaquet ersoff kläglich. Erst acht Tage später fand ein Fischer seine Leiche.

Johann Wilhelm Friso war 1696-1708 Fürst von Nassau-Dietz. 1702 erbte er Oranien. Er wurde Erbstatthalter von Friesland, Marquis von Vere und Vlissingen, Graf von Büren und Leerdam, Baron von Breda, außerdem 1704 Herr von Ameland. Johann Wilhelm Friso war jedoch de facto nach der französischen Annexion nur noch Titularfürst von Orange. Militärisch wurde er 1704 General der Infanterie (offizielle Ausübung erst mit Volljährigkeit), Statthalter von Drenthe, 1707 Generalkapitän von Friesland und 1708 Statthalter von Groningen. 1711 erbte er auch ein Drittel von Hadamar. Er war zwar eine Schlüsselfigur beim Übergang von Nassau-Dietz zu Nassau-Oranien, bei der Vereinigung Nassauischer Territorien durch Erbschaft, als er im Alter von 15 Jahren Universalerbe der niederländischen Provinzen und Prinz von Oranien wurde, doch er lebte nicht lange genug, um wirklich etwas davon zu haben. Zudem wurde das Testament des Erblassers, seines Patenonkels, nicht anerkannt, und der Oranische Erbfolgestreit zog sich bis 1732 hin. Der preußische König Friedrich I. einerseits und Fürst Wilhelm Hyacinth von Nassau-Siegen andererseits waren der Meinung, daß Oranien ihnen gehören sollte, und erst der Frieden von Utrecht 1713 brachte eine Interimsentspannung: Johann Wilhelm Frisos Sohn bekam den Titel eines Fürsten von Oranien, doch das Fürstentum selbst fiel an Frankreich und Preußen: Frankreich bekam das Fürstentum Orange, das damit nicht mehr Reichsterritorium war und aus dem HRR ausschied, und Preußen bekam die Grafschaft Moers, das Fürstentum Neuenburg, die Grafschaft Lingen und Obergeldern.

Zurück zu dem, an den dieser Brunnen erinnert: Johann Wilhelm Friso hatte die Regierungsgeschäfte in den Niederlanden von seiner Mutter übernommen, aber jene behielt sich die Verwaltung des Fürstentums Diez vor, das sie als Witwensitz bekommen hatte. Trotz des frühen Todes wurde er zum Stammvater der niederländischen Könige: Am 26.4.1709 heiratete er in Kassel, zwei Monate später stand er schon wieder im Felde. Am 2.10.1710 wurde in Löwen/Leeuwarden seine Tochter Anna Charlotte Amalia Louise Prinzessin von Nassau-Oranien-Dietz geboren, die am 3.7.1727 in Löwen Friedrich Erbprinz v. Baden-Durlach (1703-26.3.1732) heiratete, am 1.9.1711 erblickte der ersehnte Stammhalter das Licht der Welt, Wilhelm IV. Carl Heinrich Friso Fürst v. Nassau-Oranien, der aber seinen Vater schon nicht mehr kennenlernen konnte. Wilhelm IV. wurde nach der zweiten Statthalterlosen Zeit mit der orangistischen Restauration 1747 Statthalter aller Provinzen, und seitdem wurde das Statthalteramt auch offiziell erblich.

 

Das auf der Brunnensäule von einem Löwen gehaltene Wappen für Johann Wilhelm Friso Fürst von Nassau-Dietz, Prinz von Oranien (4.8.1687-14.7.1711) ist wie folgt aufgebaut:

Hierzu ein kurzer Rückblick auf die Entwicklung: Nassau-Dietz hatte bis 1636 einen gevierten Schild wie folgt geführt:

Im Jahre 1636 kamen zwei neue Felder hinzu. Die Reichsgrafschaft Spiegelberg hatte man bereits 1631 geerbt. Der letzte Spiegelberger Graf war Philipp von Spiegelberg (28.3.1530-10.8.1557), der vor seinem 27. Lebensjahr unvermählt und kinderlos während der Schlacht bei Saint-Quentin verstarb. Philipps Schwester Ursula von Spiegelberg (lebte noch bis zum 6.3.1583, und mit ihr erlosch die Familie insgesamt. Sie war vermählt mit Hermann Simon Graf von Sternberg (-13.6.1576), einem Nebensproß der Grafen zur Lippe, ein Sohn von Simon V. Graf zur Lippe (1471-17.9.1536) und Magdalena von Mansfeld (-23.1.1540). Das Paar hatte zwei Söhne, den als Kleinkind verstorbenen Simon von Spiegelberg und Pyrmont (12.4.1559-1559) und Philipp Graf von Spiegelberg und Pyrmont (5.10.1560-11.2.1583). Mit diesem war man wieder in einer Sackgasse ohne Nachkommen. Also wurde die Grafschaft Spiegelberg an einen Cousin verliehen, an den Grafen Georg von Gleichen-Tonna, der ein Sohn von Georg II. Graf von Gleichen-Tonna (1509-24.9.1570) und Walburg Gräfin von Pyrmont und Spiegelberg (-22.7.1599) war. Als die Grafen von Gleichen mit Johann Ludwig Graf von Gleichen-Tonna 1631 erloschen, kam die Grafschaft Spiegelberg als heimgefallenes Lehen unter braunschweigische Landeshoheit. Die Grafschaft wurde nun an Nassau-Dietz vergeben, genauer an Ernst Casimir Graf von Nassau-Dietz (22.12.1573-4.6.1632), und blieb beim Haus Nassau bis 1819. 1631-1664 war Wilhelm Friedrich Fürst v. Nassau-Dietz (7.8.1613-1664) Besitzer der Grafschaft, dann folgte sein Sohn Heinrich Casimir II. Fürst von Nassau-Dietz (1657-1696) und dann sein Enkel Johann Wilhelm Friso Fürst von Nassau-Oranien (4.8.1687-14.7.1711), dann sein Urenkel Wilhelm IV. Carl Heinrich Friso Fürst von Nassau-Oranien (1.9.1711-22.10.1751), und schließlich der Ururenkel Wilhelm V. Batavus Erbstatthalter von Nassau-Oranien (8.3.1748-9.4.1806). Dieser war zugleich der letzte Besitzer der Grafschaft Spiegelberg aus dem jüngeren Haus Nassau-Oranien, denn danach kam die Grafschaft an das Haus Hannover.

Das andere Feld, das neu hinzukam, war das der in der Grafschaft Holland gelegenen Herrschaft Liesveld, in Silber ein schwarzer Balken, oben zwei grüne Grasbüschel. Diese Herrschaft, die 1564 durch Verkauf an Herzog Erich II von Braunschweig-Calenberg kam, ging im 1572 wieder durch Kriegswirren verloren. Wilhelm Friedrich Fürst von Nassau-Dietz (7.8.1613-1664) kaufte die Herrschaft 1636 an. Dabei spielte auch eine Rolle, daß er mütterlicherseits gewisse Erbrechte darauf hatte, denn er war der Sohn von Sophie Hedwig von Braunschweig-Wolfenbüttel (20.2.1592-23.1.1632). Die Herrschaft blieb im Hause Nassau-Dietz bzw. Nassau-Oranien bis 1795. Das Schloß wurde zwar 1740 abgebrochen, aber der niederländische König trägt noch den Titel eines Barons von Liesveld. Wilhelm Friedrich von Nassau-Dietz nahm 1636 die beiden neuen Felder wie folgt in sein Wappen auf:

Im Jahre 1640 kam noch ein weiteres Feld hinzu: Dem Wappen wie beschrieben wurde ein silberner Herzschild mit einem durchgehenden schwarzen Kreuz aufgelegt, dem Symbol des Deutschen Ordens. Wilhelm Friedrich Fürst v. Nassau-Dietz (7.8.1613-1664), 1632 zu Diez, 1640 Statthalter von Friesland, 1648 General der Artillerie der Generalstaaten, 1650 Statthalter von Groningen, war nämlich nach dem Tod seines Bruders auch Kommandeur des Deutschen Ordens. Sein älterer Bruder Heinrich Casimir wurde am 3.8.1619 Koadjutor und am 3.4.1620 Landkomtur der Deutschordensballei Utrecht. Da er noch ein Kind war, leitete erst einmal Papa die Geschäfte bis zu seiner Volljährigkeit. Doch danach blieben ihm nur noch 10 Jahre zu leben, und sein Nachfolger wurde sein jüngerer Bruder, der wie zuvor schon sein Bruder das Deutschordenssymbol als Herzschild in das Wappen aufnahm. Ein solches Wappen ist in der Stiftskirche Diez zu sehen in Form eines Glasfensters, ist aber hier am Friso-Brunnen nicht vorhanden.

1702 kam eine nächste Veränderung: Aus Nassau-Dietz wird durch Erbschaft das königliche Haus Oranien, und dem Wappen von Nassau-Dietz wird der typische Mittel- und Herzschild der Oranier (Abb. oben) aufgelegt, und es entstand die Form, wie sie auch hier am Friso-Brunnen zu sehen ist.

Von den drei kleinen zusätzlichen Schildchen, die von Nassau-Oranien geführt wurden, wurde hier einerseits der für die Markgrafschaft Veere-Vlissingen stehende schwarze Brustschild mit silbernem Balken übernommen. Veere, das alte Kampvere, liegt in der niederländischen Provinz Seeland und war einst ein wichtiger und wohlhabender Stapelplatz für schottische Wolle. Vlissingen liegt ebenfalls auf Walcheren an der Westerschelde in Seeland.

Andererseits wurde einst auch ein Nabelschild für die Grafschaft Buren/Büren (Provinz Geldern) geführt, in Rot ein silberner Wechselzinnenbalken. Dieser Nabelschild war früher am Diezer Friso-Wappen vorhanden, aber der Originallöwe wurde in den 1960er Jahren stark beschädigt, so daß ein neuer dafür auf den Brunnen gesetzt wurde, und dabei ist das Wappenschildchen für Büren verloren gegangen. Der Originallöwe befindet sich im Magazin, und dort ist deutlich der Nabelschild zu sehen.

In dieser Form wurde das Wappen nur von 1702 an nur für sehr kurze Zeit benutzt. Anstelle des Brustschildes Veere-Vlissingen wird dieses Wappen bei Bultsma auch alternativ mit einem Brustschild Moers und einem Nabelschild Buren abgebildet, eine ebenfalls mögliche Variante. Unter Wilhelm IV. wurde das Wappen vereinfacht: Spiegelberg, Liesveld und die kleinen Zusatzschildchen wurden aus dem Wappen entfernt, und Wilhelm V. führte das Wappen ebenso. Damit wird dieses Wappen für Johann Wilhelm Friso zu einem hochinteressanten, nur für wenige Jahre in Gebrauch befindlichen Übergangswappen zwischen Nassau-Dietz und Nassau-Oranien.

Genealogie von Nassau-Oranien unter Hervorhebung des Wappenträgers:

Literatur, Links und Quellen:
Stadtrundgang in Diez: http://urlaub-in-diez.de/wp-content/uploads/2012/11/kleiner-Stadtrundgang.pdf - http://urlaub-in-diez.de/diez-kleiner-stadtrundgang
Hinweistafeln am Objekt
Michael Losse, die Lahn: Burgen und Schlösser, Michael Imhof Verlag GmbH, Petersberg, 2007, ISBN 978-3-86568-070-9, S. 83-86
Geschichte des Nassauischen Wappens, von Hermann Adrian Guenther von Goeckingk http://books.google.de/books?id=cIVDAAAAYAAJ (nur mit US-Adresse)
Piet Bultsma, Nassauer Wappengeschichte: http://www.wapenschilder.nl/, unter "boek" -> http://www.wapenschilder.nl/goudenleeuw/default.html
Nassauer Wappengeschichte:
http://nl.wikipedia.org/wiki/Wapen_van_Nassau 
Spiegelberg:
http://de.wikipedia.org/wiki/Grafen_von_Spiegelberg - http://nl.wikipedia.org/wiki/Rijksgraafschap_Spiegelberg
Liesveld:
http://nl.wikipedia.org/wiki/Baronie_van_Liesveld
http://nl.wikipedia.org/wiki/Johan_Willem_Friso_van_Nassau-Dietz - http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Wilhelm_Friso_(Nassau-Dietz)
http://nl.wikipedia.org/wiki/Willem_Frederik_van_Nassau-Dietz - http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Friedrich_(Nassau-Dietz)
ein herzliches Dankeschön an Herrn Arno Baumann aus Diez für wertvolle Hinweise

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