Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1888
Steinheim (zu Hanau, Main-Kinzig-Kreis)

Steinheim, Stadtpfarrkirche (Gedächtniskirche)

Die ehemalige Stadtpfarrkirche St. Johann Baptist befindet sich im Südwesten der Steinheimer Altstadt, freistehend zwischen Indaginestraße und Wenckstraße mit einem weitläufigen Platz (Kardinal-Volk-Platz) im Westen vor dem markanten Turm mit seinen vier Eckerkern auf der obersten, zinnengesäumten Ebene, der zugleich den ältesten Teil der Kirche darstellt. Daß der Turm zuerst da war und ganz anderen Zwecken diente, bevor er als Kirchturm umgenutzt wurde, nämlich als eine Art innerer Wehrturm, zeigt eine Schlüssellochscharte im seinem unteren Teil. Er wurde um 1320 errichtet. 1449 wurde die Kirche zur Pfarrkirche ausgebaut, und der Chor stammt vom Anfang des 16. Jh. Beim Ausbau zur Pfarrkirche wurde der alte Turm erheblich aufgestockt, und von dieser Ausbauphase, während der auch die gezinnte Plattform oben gestaltet wurde, kündet ein Wappenstein an der Südseite des Turmes direkt unterhalb des Gesimses. Der Turm wurde mit den später errichteten Befestigungen am Obertor (zwischen 1811 und 1819 abgerissen) verbunden und kam so einem dualen Zweck nach.

 

Das Wappen des Mainzer Erzbischofs Dietrich Schenk von Erbach (reg. 1434-1459) ist wie folgt aufgebaut:

Auf ein Oberwappen wird hier verzichtet.

An der Stadtpfarrkirche ist ein interessanter Wappenstein eingelassen. Der Stein ist von querrechteckigem Format mit umlaufender Minuskel-Inschrift ("...Amptma(nn) zu Steinheim u(nd) Anna geborne Brendlin vo(n) Hom(burg)......") und mit zwei aufeinander bezogenen Vollwappen geschmückt, von denen aber keines das der Brendel von Homburg ist. Diese Inschrift ist auch nur rechts, unten und links einzeilig und groß, während auf der oberen Seite eine zur Unleserlichkeit verwitterte zweizeilige Inschrift steht. Es handelt sich um den untersten Teil eines Epitaphs, von dem der größte Teil verloren gegangen ist.

Das optisch linke Wappen ist das der 1611 erloschenen Herren von Mudersbach, von Rot und Silber gezähnt zu acht Plätzen geständert, auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein wachsender Mohrenrumpf in rotem Kleid mit Mitra auf dem Kopf und abfliegenden rot-silbernen Bändern (Gruber, Siebmacher Band: NaA Seite: 45 Tafel: 74, Band: BayA3 Seite: 192 Tafel: 137, Band: BraA Seite: 63 Tafel: 37, Zobel Tafel 235). Bei Wolfert analog, Mitra und Bänder golden. Im Scheiblerschen Wappenbuch abweichend, auf dem Helm mit schwarz-roten Decken ein wachsender, schwarz gekleideter Mohrenrumpf mit silberner Bischofsmütze mit abfliegenden Bändern.

Das optisch rechte Wappen ist das der Familie Riedesel, in Gold ein schwarzer Eselskopf mit einem grünen, dreiblättrigen Riedgras im Maule (alternativ als Distelblätter bezeichnet). Das Oberwappen zeigt zu schwarz-goldenen Decken das Schildbild wachsend (vgl. Siebmacher Band: He Seite: 22 Tafel: 24-25, Band: NaA Seite: 34 Tafel: 56, Band: Sa Seite: 15 Tafel: 14, Band: Erg Seite: 48 Tafel: 29, Band: Pr Seite: 60 Tafel: 77, Schöler S. 87, Tafel 104). Meistens findet man als Helmzier einen offenen schwarzen Flug, beiderseits mit einem goldenen Schildchen mit dem schwarzen Eselskopf belegt. Das trifft auch auf viele Linien zu, aber nicht auf alle. Die beiden erloschenen Linien zu Vers und zu Bellersheim führen z. B. nicht den Flug, sondern den Eselsrumpf. Die erstere Linie hat außerdem noch die Feldfarbe in Silber verändert. Mit dem Eselsrumpf als Helmzier wird das Wappen auch im Wappenbuch des Heiligen Römischen Reiches - BSB Cod. icon. 390 geführt. Bei Wolfert und im Siebmacher sind beide Formen abgebildet; bei Hupp und bei von Spießen findet sich nur die geläufigere Form mit Flug.

Zu diesem Fragment würde folgender Zusammenhang passen: Zu ergänzen wären oben zwei weitere Wappen, heraldisch rechts das der von Bicken und heraldisch links das der Brendel von Homburg. Philipp von Bicken war Steinheimer Amtmann, und er war vermählt mit Anna Brendel von Homburg, die in der Inschrift erwähnt wird. Philipp von Bicken war der Sohn von Philipp von Bicken und Regina von Mudersbach, und Anna Brendel von Homburg war die Tochter von Friedrich Brendel von Homburg und Margaretha Riedesel von Bellersheim. Besagte Anna ist übrigens eine Schwester des Eberhard Brendel von Homburg, der in der Ahnenprobe des Würzburger Domherrn Johann Richard von Franckenstein auftaucht.

Ein weiteres, modernes Wappen befindet sich auf einer modernen Gedenkplakette für Hermann Kardinal Volk, Mainzer Bischof in der Zeit vom 3.3./25.3.1962 bis 1982, nach dem zu Ehren auch der Platz vor der Kirche benannt ist. Er ist ein Sohn der Stadt, denn er wurde am 27.12.1903 in Steinheim geboren. Das eingegossene Datum 1973 entspricht nicht nur seinem 70. Lebensjahr, sondern auch seiner Ernennung zum Kardinal am 2.2.1973 durch Papst Paul VI. mit der Titelkirche Santi Fabiano e Venanzio a Villa Fiorelli. Hermann Kardinal Volk verstarb am 1.7.1988 in Mainz, nachdem er zum 27.12.1982 aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten war (zwei vorherige Rücktrittsgesuche 1978 und 1980 waren nicht akzeptiert worden). Hermann Kardinal Volk ist seit dem 5.12.1964 Ehrenbürger von Steinheim. Sein Wappen ist geviert mit Herzschild:

Das Wappen folgt klassischen Aufbauprinzipien, Hauptschild mit Bistums-Elementen, Herzschild mit familiären oder nun persönlichen Elementen. Interessant ist hier das Auftauchen der Symbole für das alte Hochstift Worms, obwohl Volk, entgegen seinen Vorgängern zu Zeiten des Alten Reiches, nicht Bischof von Worms war. Doch das liegt darin begründet, daß das Territorium des Hochstifts Worms 1792 von Revolutionstruppen besetzt wurde und 1803 endgültig aufgelöst wurde, wobei der linksrheinische Diözesananteil dem Bistum Mainz zugeschlagen wurde.

Hinter dem Schild ein kleeblattendiges Prozessionskreuz, über allem ein roter Galero eines Kardinals mit 2x 15 Fiocchi in je fünf Reihen, Devise: DEUS OMNIA IN OMNIBUS (Gott ist Alles in Allem, vgl. Paulus, 1 Korintherbrief 15,28, eigentlich lt. Vulgata "ut sit Deus omnia in omnibus").

Soweit zur Heraldik am Äußeren der Kirche, nun zum Inneren. In den Jahren 1876-1879 erfuhr der Innenraum der Stadtpfarrkirche eine tiefgreifende Umgestaltung durch den Mainzer Dombaumeister Petrus Cuypers. Nur im Chor von 1504-1509 hat sich das spätgotische Netzgewölbe mit Reliefschlußsteinen erhalten (Wappen: Domkapitel Mainz, Erzbischof Berthold von Henneberg, Erzbischof Jakob von Liebenstein, Kurmainz). Im Innern, das mit einem Gitter abgetrennt ist und in der Regel nicht betreten werden kann, befinden sich einige sehenswerte Epitaphien (Frowin von Hutten und dessen Frau Kunigunde, Elisabeth von Wolfskehl, Georg Anselm von Ingelheim, Dieter von Erlenbach und seine Frau Anna). Seit 1950 und der Erbauung der neuen Pfarrkirche ist die alte Kirche die Gedächtniskirche

Literatur, Links und Quellen:
Kulturdenkmäler in Hessen (Landesamt für Denkmalpflege Hessen): http://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/cgi-bin/mapwalk.pl?obj=46696&session=436820&event=Query.Details
Stadtpfarrkirche:
http://de.wikipedia.org/wiki/St._Johann_Baptist_%28Steinheim%29
Wappen von Mudersbach: Scheiblersches Wappenbuch (Bayerische Staatsbibliothek Cod. icon. 312 c), Folio 207
Wappen von Mudersbach: Alfred F. Wolfert, Aschaffenburger Wappenbuch, Veröffentlichung des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg e. V., Aschaffenburg 1983, Tafel 20 Seite 63
Wappen von Mudersbach: Otto Gruber: Wappen des mittelrheinisch-moselländischen Adels, Trier 1962-1965, incl. Nachtrag Trier 1967, ebenfalls veröffentlicht in verschiedenen Jahrgängen der 'landeskundlichen Vierteljahresblätter'
Wappen Riedesel: Alfred F. Wolfert, Aschaffenburger Wappenbuch, Veröffentlichung des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg e. V., Aschaffenburg 1983, Tafel 45 Seite 63, 88
Wappen Riedesel: Otto Hupp, Münchener Kalender 1917
Wappen Riedesel: Max von Spießen (Hrsg.): Wappenbuch des Westfälischen Adels, mit Zeichnungen von Professor Ad. M. Hildebrandt, 1. Band, Görlitz 1901 - 1903.
Siebmachers Wappenbücher wie angegeben
Kardinal Volk:
http://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Volk
Kardinal Volk:
http://www.bistummainz.de/bistum/bistum/kardinal/texte/texte_2003/volk.html
Kardinal Volk:
http://www.regionalgeschichte.net/index.php?id=7974
Führung durch Steinheim:
http://www.hanau.de/tourismus/fuehrung/009171/
Georg Dehio, Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Hessen II, Regierungsbezirk Darmstadt, bearb. von Folkhard Cremer et al., 3. Auflage, München 2008, S. 386 ff.
Geschichte Steinheims:
http://www.peterheckert.org/index.php?option=com_content&view=article&id=128&Itemid=132
Ein herzliches Dankeschön an Herrn Theodor Stolzenberg für wertvolle Hinweise zu dem Fragment des Epitaphs

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