Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 1622
Hildesheim (Niedersachsen)
Hildesheim, Harlessemhaus
Auf der Südseite des Marktplatzes von Hildesheim (Rathausstraße 20) steht eines der wenigen historischen Steinhäuser, deren Fassade noch aus Originalmaterial besteht. Die Front blieb stehen, die Skulpturen der auf der rechten Seite vorgebauten zweigeschossigen Auslucht von 1591 mit ihren meisterhaften Steinmetzarbeiten wurden ausgebaut und in Sicherheit gebracht, nur die rückwärtigen Teile wurden zerstört und in den Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts wiederaufgebaut. Im Volksmund ist das Gebäude als "Tempelhaus" bekannt, in der fälschlichen Annahme, daß hier früher eine Synagoge war, was aber eine Legende ist. Das sechsgeschossige (drei Geschosse bis zum seitlichen Dachansatz, drei weitere im Giebel) Steinhaus schließt zum Marktplatz hin mit einem gestuften Blendgiebel ab, dessen rechteckiger Abschluß seitlich weit über den Dachansatz hinausragt und beiderseits von einem mit ihm mittels Maßwerk verstrebten Türmchen flankiert wird. Ganz oben ist der horizontale Abschluß mit vier Kreuzblumen besetzt.
Über dem mittig angeordneten gotischen Eingangsportal sind zwei einander zugeneigte Wappenschilde identischen Inhalts (ein roter, aus je sieben (1:2:2:2) aufrechten Steinen (Ziegelsteinen) gemauerter Stufensparren) angebracht, die jeweils durch Initialen personalisiert sind. "R.V.H" steht dabei für Rolef von Harlessem, "E.V.H" steht für Eggert von Harlessem. Mögliche Kandidaten für die Zuordnung wären entweder die Brüder Eggert II. und Rolef III., die das Haus erworben hatten, oder, ebenfalls ein Brüderpaar, Eggert III. und Rolef IV. Eine Entscheidung zwischen beiden scheint nicht möglich, so daß die Wappen eventuell eine Erinnerung an den Erwerb sein können, in jedem Fall aber ein Besitzhinweis sind. Das Haus gelangte Anfang des 16. Jh. in Familienbesitz der von Harlessem und blieb es bis 1805.
Hier sehen wir nur den roten Stufensparren, in späteren Darstellungen jedoch den Stufensparren stets einem schrägrechten schwarzen Balken aufgelegt und entsprechend geneigt. In der Literatur wird das Motiv auch als Stufengiebel oder Staffelgiebel angesprochen. Um jedoch klar zum Ausdruck zu bringen, daß die Fläche unter den Stufen nicht verfüllt ist, erscheint mir der Ausdruck Stufensparren oder Treppensparren eindeutiger. Das zugehörige Kleinod wäre auf dem rot-silbern bewulsteten Helm mit ebensolchen Decken zwei Büffelhörner, von Silber und Rot übereck geteilt. Das Wappen Harlessem wird beschrieben bei Grote und im Siebmacher Band: Ha Seite: 9 Tafel: 9 sowie im Band: PrE Seite: 95 Tafel: 80.
Zeitlich weitaus später sind die vielen kleinen Wappendarstellungen an der Renaissance-Auslucht. Wir finden Wappenabbildungen sowohl an der Schmalseite des Erkers als auch an der dem Marktplatz zugewandten Schauseite. Am Erker finden wir das Allianzwappen Harlessem (in Silber ein schwarzer Schrägbalken, mit einem roten, aus sieben Steinen gebildeten und nach der Figur gelegten Stufensparren belegt, auf dem rot-silbern bewulsteten Helm mit ebensolchen Decken ein Paar Büffelhörner) und Warmbolt (in Rot ein aus zwei schwebenden, miteinander verschränkten, goldenen Sturzsparren gebildeter Buchstabe "W", von einem silbernen Pfeil balkenweise durchsteckt, oben mit einer goldenen Krone besetzt, auf dem gekrönten Helm mit rot-goldenen Decken ein Paar eigentlich rot-golden über Eck geteilter, hier abweichend tingierter Büffelhörner), ohne Abbildung. Die zugehörige Inschrift ordnet die beiden Wappen "Roilef von Harlessem", Sohn des "Eggerdes", das ist Rolef IV. von Harlessem, und seiner Frau "Dorothia Warmbolt" zu.
Rings um den Erker zieht sich ein Relief mit insgesamt 16 kleinen Vollwappen, vier auf der linken Schmalseite (beginnend mit den bereits beschriebenen Wappen Harlessem und Warmbolt, dann Hagen (in Silber ein roter Löwe, auf dem rot-silbern bewulsteten Helm mit rot-silbernen Decken ein wachsender roter Löwe zwischen zwei rot-silbern übereck geteilten Büffelhörnern) und Süstermann (in Silber ein roter Schrägbalken, belegt mit zwei goldenen Greifen, auf dem rot-golden bewulsteten Helm mit rot-goldenen Decken zwei rot-golden übereck geteilte Büffelhörner)), acht auf der dem Marktplatz zugewandten Schauseite (die vier optisch linken in der oberen Abb., die vier optisch rechten in der unteren Abb.), und weitere vier auf der rechten Erkerschmalseite (leeren Inhalts). Bei der Identifizierung helfende Inschriften fehlen.
In der obigen Abbildung optisch ganz links zeigt ein Wappen in Silber ein rotes Hakenschrägkreuz, auf dem rot-silbern bewulsteten Helm mit rot-silbernen Decken das rote Hakenschrägkreuz zwischen zwei rot-silbern übereck geteilten Büffelhörnern. Das wird bei Wulf der Einbecker Familie Raven zugeordnet, die aber lt. Siebmacher als Kleinod einen jeweils mit dem Schildbild belegten Flug führen, außerdem steht das Hakenschrägkreuz gerade (Siebmacher Band: Bg4 Seite: 65 Tafel: 74, vgl. auch Deutsche Wappenrolle DWR Band: V Seite: 51 Nummer: 419(63/36) mit einer anderen Helmzier, dem Hakenschrägkreuz zwischen einem Flug). Die folgenden Wappenschilde sind nicht abschließend zugeordnet und werden in der Literatur kontrovers diskutiert (vgl. bei Wulf, bei Schlotter und bei Dege, ergänzende Hinweise willkommen). Diskutiert wird die Zuordnung Sasse (gemäß Anstrich in Gold drei (2:1) natürliche Männerbrustbilder mit roter Gugel, auf dem rot-silbern bewulsteten Helm mit rot-silbernen Decken ein natürlicher Männerkopf in roter Gugel zwischen zwei rot-golden übereck geteilten Büffelhörnern), Winkelmann (in Blau zwei goldenbebutzte und ebenso bespitzte rote Rosen nebeneinander, auf dem blau-golden bewulsteten Helm mit blau-silbernen Decken vermutlich ein Rosenstrauch mit zwei Rosen zu jeder Seite, jetzt aufgrund des komplett blauen Anstrichs schwer zu identifizieren) und Freese (in Silber pfahlweise ein grüner Buchenast mit beiderseits zwei nach außen gekehrten Blättern, auf dem grün-silbern bewulsteten Helm mit grün-silbernen Decken drei grüne Straußenfedern).
Literatur,
Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher
Informationstafel am Gebäude
Wappen rings um den Marktplatz: http://wiki-de.genealogy.net/Wappen_in_Hildesheim_-_der_Marktplatz
Christine Wulf, DI 58 / Nr. 379, Rathausstr. 20 (no. 338),
in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di058g010k0037904, http://www.inschriften.net/hildesheim/inschrift/nr/di058-0379.html
Hans Schlotter, Der Wappenfries am Renaissance-Erker des
Harlessem-Hauses zu Hildesheim, in: Alt-Hildesheim 49 (1978),
S. 8594.
Dr. H. Grote, Geschlechts- und Wappenbuch des Königreichs
Hannover und des Herzogtums Braunschweig.
Hans-Peter Dege, Ein heraldischer Spaziergang durch Hildesheim,
Teil 1: Vom Alten Markt bis zum Marktplatz, Kleeblatt,
Vereinsmitteilungen Nr. 1, 2009, S. 14-23.
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