Bernhard
Peter, Gernot Ramsauer und Alex Hoffmann
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 1409
Nürnberg (Mittelfranken)
St. Martha in Nürnberg,
Glasfenster (7)
Schürstab-Fenster
Im Hauptraum der Stiftskirche St. Martha befinden sich zwei Fenster mit historischer Glassubstanz, links vom Chor das Schürstabfenster, auch Blaues Fenster genannt, rechts vom Chor das Martha-Fenster. Beide setzen die herrlichen Glasmalereien des Chores fort, beide sind jedoch ca. zwei Jahrzehnte später als die Chorverglasungen entstanden, also ca. 1410. Hier interessiert vor allem das Schürstabfenster, denn im Marthafenster sind keine heraldischen Darstellungen. Der Glaskünstler ist namentlich bekannt, es war Paulus von Heidelberg. Nur eine Scheibe ist später eingesetzt worden, sie ist auf 1578 datiert und stilistisch ganz verschieden.
Thematisch ist das Schürstab-Fenster Pfingsten, dem Martyrium der Hl. Ursula und verschiedenen Szenen aus den Heiligenlegenden (Hl. Veronika, Hl. Paulus) gewidmet. Die oben abgebildeten drei Scheiben bilden die zweitunterste Reihe, links und rechts sind Bug und Heck eines Schiffes zu sehen, in dem von zwei Kriegsknechten die Jungfrauen der Ursula-Überlieferung mit dem Schwert getötet werden. Engel tragen die entfleuchten Seelen am oberen Bildrand davon.
Die unterste Reihe ist ganz den Stiftern gewidmet. Alle drei Scheiben werden von Darstellungen des Vollwappens der Schürstab eingenommen, jeweils mit unterschiedlichen Beischilden für die jeweilige(n) Ehefrau(en). Das Schürstab-Wappen zeigt in Silber zwei schräggekreuzte, schwarze, gestümmelte, am oberen Ende rot lodernde Äste (Brände, Schürstäbe, redendes Wappen). Auf dem Helm mit silbern-roten Decken ein wachsender silbern gekleideter Mohrenrumpf, auf dem Kopf eine rote, silbern verbrämte Inful mit nach hinten abfliegenden silbernen Vittae. Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: BayA3 Seite: 75 Tafel: 47, Band: BayA1 Seite: 92 Tafel: 89. In der Literatur wird die Inful auch als silbern und goldverbrämt beschrieben. Die Schürstab (Schürstab von Oberndorf) sind ein altes ratsfähiges Nürnberger Geschlecht, welches 1349 erstmalig mit Leopold Schürstab im Rat vertreten war. Johann Georg Schürstab wurde mit seinen Nachkommen von Kaiser Leopold I. am 19.12.1698 in den Adelsstand erhoben. Sie starben 1743 mit Georg Wolfgang Schürstab aus, er war Pfleger des Stadtalmosens.
Zurück zu den drei Stiftern des wegen seines tiefblauen Rankenhintergrundes so genannten "Blauen Fensters": Ganz links sehen wir die Beiwappen der Koler (Koler von Neunhof), in Rot ein silberner Ring, und der Ebner (Ebner von Eschenbach), von Blau und Gold im Spitzenschnitt gespalten. Diese Konstellation paßt zu Leupold V. Schürstab, gestorben 1406, dessen beide Ehefrauen den gleichen Vornamen hatten, denn seine erste Ehe war die mit Kunigunde Koler, seine zweite Ehe die mit Kunigunde Ebner. Leupold V. Schürstab starb 1406 mit zwei Söhnen an der Pest und das Fenster stammt wohl von seiner Witwe.
In der Mitte weist der Beischild der Ehefrau auf die Familie Pfinzing, golden-schwarz geteilt, was eigentlich das ab ca. 1330 übernommene Wappen der eingeheirateten Geuschmid ist. Erhard I. Schürstab, jüngster Bruder des oben erwähnten Leupold V., gest. 1439, hatte 1392 Klara Pfinzing geheiratet, die Schwester von Sebald I. Pfinzing. Besagter Erhard I. Schürstab war ein sehr erfolgreicher Unternehmer und erzielte mit seinem Fernhandelsunternehmen mit Rauchwaren (unverarbeitete Pelze), Leinen, Zinn und Kupfer große Gewinne, sodaß er zu den zehn vermögensten Bürgern gerechnet wurde. Erhard hatte bei Behringersdorf, einem Dorf an der Pegnitz auf dem Weg nach Lauf, einige Höfe geerbt. Ihm gelang es, den Besitz so zu erweitern, dass er über hundert wehrfähige Lehensnehmer ins Feld hätte führen können. Im Rat war Erhard Schürstab gemeinsam mit seinem Schwager Sebald I. Pfinzing die führende Persönlichkeit. Häufig waren die beiden Ratsherren in diplomatischer Mission unterwegs und gewannen erheblichen Einfluß am kaiserlichen Hof. Dank ihrer Nähe zu Kaiser Sigismund konnte sich die Stadt Nürnberg in dieser Zeit wichtige Privilegien sichern. Im Jahr 1422 gewährte der Kaiser das Münzrecht für Gold- und Silbermünzen, im Jahr darauf erhielt die Stadt die Reichskleinodien "zur ewigen Verwahrung" und 1427 konnte sie die Burggrafenburg mit allen Rechten erwerben. Im Rat stand Erhard Schürstab ab 1425 als Zweiter Losunger nominell hinter dem greisen Ulrich Grundherr an zweiter Stelle, hatte aber die wichtigsten Fäden der Stadtregierung in seiner Hand. Ab 1434 war er als Vorderster Losunger auch offiziell das Stadtoberhaupt. Angesichts der Bedrohung durch die Hussitenkriege während seiner Regierungszeit setzte er die Verordnung durch, dass jeder Bürger Nürnbergs ab dem zwölften Lebensjahr mehrere Tage im Jahr zu Schanzarbeiten im Graben verpflichtet war. Das Ergebnis jahrzehntelanger Spatenarbeit lässt sich auch heute noch an vielen Stellen bewundern: Ein durchschnittlich 12 Meter tiefer, bis zu 20 Metern breiter Graben vor den ohnehin beeindruckenden Mauern machte die Befestigung der Reichstadt für alle potentiellen Feinde unüberwindlich. Im Jahr 1439 starb Erhard Schürstab und wurde in der Spitalkirche St. Martha begraben.
Im rechten Fensterfeld sehen wir den Beischild einer Ehefrau aus der Familie Mendel, gold-rot-schwarz zweimal schräggeteilt.
Das mittlere Fenster der zweituntersten Reihe stammt aus der Phase der Renovierung im 16. Jh., und diese Scheibe ist auf 1578 datiert. Stilistisch sieht man den Unterschied in der Zeit sofort an der Schildform, der ausgerundete Dreieckschild des frühen 15. Jh. macht einer asymmetrisch abgeeckten, beidseitig eingebuchteten Tartschenform Platz. Auch in der Darstellung der heraldischen Inhalte gibt es Unterschiede zu den älteren Fenstern: Die Brände (Schürstäbe) im Schürstab-Wappenschild brennen hier golden, und die Inful der Helmzier ist silbern mit roten Einfassungen. Ganz deutlich erkennt man hier, daß das Gesicht unter der bischöflichen Kopfbedeckung das eines Mohren sein soll. Der silberne Hintergrund des Schürstab-Schildes ist übrigens mit feinsten Ranken-Damaszierungen versehen. Zwei Beischilde für die Ehefrauen begleiten das Vollwappen seitlich: Der linke Schild ist golden-schwarz geteilt, oben auf einem Ast ein Vogel, der rechte Schild zeigt das Erckel (Erkel)-Wappenbild, in Schwarz über goldenem Dreiberg schräggekreuzt ein schrägrechter silberner Hakenstab (Feuerhaken) und ein schräger, linker silberner Glevenstab (Siebmacher Band: BayA1 Seite: 35 Tafel: 31, Schöler Tafel 142). Die hier nicht dargestellte Erckel-Helmzier wäre ein wie der Schild bez. Flügel, Decken schwarz-silbern.
Literatur,
Links und Quellen:
Veröffentlichung der
Innenaufnahmen aus St. Martha mit freundlicher Erlaubnis vom Presbyterium der ev.-ref. Gemeinde St. Martha
und von Herrn Pfarrer Georg
Rieger vom 9.7.2010, wofür beiden an dieser Stelle ganz herzlich
gedankt sei.
St. Martha, Nürnberg: http://www.stmartha.de
Geschichte von St. Martha: http://www.stmartha.de/11661-0-281-81.html - http://www.stmartha.de/11289-0-281-81.html
Kirche St. Martha: http://www.stmartha.de/11273-283-281-81.html
Epochen der Baukunst: http://baukunst-nuernberg.de/epoche.php?epoche=Gotik&objekt=Marthakirche
Ursula Meyer-Eisfeld: Die Glasmalerei in der St. Martha-Kirche zu
Nürnberg: Ein Führer durch die Inhalte, Edelmann, 2000, ISBN
978-3-87191-291-7.
Siebmachers Wappenbücher,
insbesondere der Band Bayern
Eugen Schöler, Historische Familienwappen in Franken, Verlag
Degener / Bauer Raspe, Neustadt an der Aisch, 3. Aufl. 1999,
Nachdruck 2002, ISBN 3-87947-112-6
Peter Fleischmann, Rat und Patriziat in Nürnberg. Nürnberger
Forschungen, Einzelarbeiten zur Nürnberger Geschichte,
herausgegeben vom Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg.
Bände 31/1, 31/2, 21/3 (Stammbäume) und 31/4. VDS
Verlagsdruckerei Schmidt, Neustadt an der Aisch. ISBN
978-3-87191-333-4.
Barbara Schenck: Die evangelisch-reformierte Gemeinde St. Martha
in Nürnberg, 2000
Nürnberger Patriziat im Historischen Lexikon Bayerns: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_45240
St. Martha: Waldstromer-Fenster - St. Martha: Groß-Fenster - St. Martha: Rieter-Fenster - St. Martha: Stromer-Fenster - St. Martha: Wappen-Medaillons - St. Martha: Ottnandt-Fenster - St. Martha: Schürstab-Fenster - St. Martha: Kirchenpforte
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