Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1347
St. Goar (Mittelrheintal, Rhein-Hunsrück-Kreis)

Evangelische Stiftskirche St. Goar:
Katzenelnbogen-Wappen im Gewölbe an Schluß- und Konsolsteinen

Die Schlußsteine des Gewölbes erzählen Geschichte aus der Zeit vor der landgräflich-hessischen Herrschaft über St. Goar. Erst waren die Grafen von Arnstein als Vögte der Prümer Äbte in St. Goar eingesetzt, und nach deren Aussterben rückten die bisherigen Untervögte um 1190 nach, der Beginn der Herrschaft der Katzenelnbogener in St. Goar. Sie übernahmen erst die alte Burg der Arnsteiner, zogen aber bald auf den Berg über St. Goar und erbauten Burg Rheinfels, die zu einer der größten und mächtigsten Festungen im Mittelrheintal wurde. Mit dem Erstarken der Grafen von Katzenelnbogen und weiterem Zuwachs an Territorien und Macht verlor die Abtei Prüm immer mehr ihren Einfluß, bis die Grafen 1449 das Stift käuflich erwarben und den herrlichen Neubau der Stiftskirche begannen, die zu einem Meisterwerk linksrheinischer Spätgotik wurde. Die reichsunmittelbare Grafschaft Katzenelnbogen bestand bis 1479, dann wurde es landgräfliches Gebiet. Die Bauzeit des Langhauses fällt also in einen Zeitraum maximaler Macht der Katzenelnbogener, und die Schlußsteine illustrieren das.

Dieser plastisch gearbeitete und stark konkav gekrümmte Schild mit dem Wappen der Grafen von Katzenelnbogen befindet sich an einem Rippenansatz im südlichen Seitenschiff. Das Wappen zeigt in Gold einen roten, hersehenden Löwen, typischerweise blau bewehrt und blau gezungt, in anderen Darstellungen auch blau gekrönt. Die hier nicht dargestellte Helmzier wäre ein schwarzer Flug, beiderseits belegt mit einer wie der Schild tingierten Scheibe. Die Helmdecken wären rot-golden.

 

Auf den anderen Gewölbeschlußsteine der beiden Seitenschiffe finden wir reichlich Löwenwappen. Der einzelne Löwe ist das oben schon beschriebene Wappen der Grafen von Katzenelnbogen. Daneben ziert das Wappen der Grafen von Dietz die Schlußsteine, in Rot zwei goldene blau bewehrte, schreitende, hersehende Löwen (Leoparden) übereinander. Die hier nicht dargestellte Helmzier wäre ein offener schwarzer Flug, beiderseits mit dem Schild belegt. Die Helmdecken wären ebenfalls rot-gold.

 

Und ein Schlußstein im südlichen Seitenschiff zeigt schließlich die Kombination beider Komponenten in geviertem Schild: Feld 1 und 4 Grafen von Katzenelnbogen, Feld 2 und 3 Grafen von Dietz.

Die Dynastie der Grafen von Diez ist bereits 1386 erloschen, der Titel ging z. T. an die Grafen von Katzenelnbogen. Im Detail war das freilich etwas komplizierter: Agnes v. Diez (vor 1367 - 18.11.1399) war die Tochter von Gerhard IV. (VI) Graf v. Dietz (vor 1324 - 17.10.1343) und Jutta v. Nassau-Hadamar (- 1370), und sie stellte durch ihre Ehe mit Eberhard V. Graf v. Katzenelnbogen (1322 - 9.12.1402) die Verbindung beider Häuser her. Aber es gab noch andere, vorrangig bediente Erben: Agnes' Bruder Gerhard V. (VII) Graf v. Diez (vor 1348-1386) hatte zwei Kinder, Jutta v. Diez (- 14.8.1397) und Anna v. Dietz. Erstere war mit Adolf Graf v. Nassau-Dillenburg (1362 - 12.6.1420) verheiratet, letztere mit Johann v. Wildenberg (- 1418), aber im Gegensatz zu ersterer kinderlos. Agnes' Bruder Gottfried v. Dietz war Deutschordensritter. Und ihr dritter Bruder Johann Graf v. Diez wurde erstochen von Friedrich Frey v. Dern. Damit waren die Erben Nassau-Dillenburg und Eppstein (weil Jutta von Nassau-Dillenburg, Tochter von Jutta von Dietz, Gottfried Graf v. Eppstein-Münzenberg geheiratet hatte), ferner das Hochstift Trier wegen Pfandschaften und heimgefallener Lehen. Nassau konnte seinen Anteil durch geschicktes Verhandeln mit Trier noch vergrößern, später desgleichen mit Hessen. Zurück zu Agnes und ihren Nachkommen: 1453 kaufte ihr Enkel Philipp 1/4 von Dietz von Gottfried v. Eppstein. Für uns wichtig: Der kombinierte Schlußstein kann also nur in der Zeit 1453-1479 entstanden sein, und es war auch genau jener letzte Graf von Katzenelnbogen, Philipp, der das Langhaus der Stiftskirche errichten ließ.

1479 kamen die beiden heraldischen Elemente nach dem Aussterben der Grafen von Katzenelnbogen an die Landgrafen von Hessen, und unter dem jüngeren Sohn von Landgraf Ludwig I, Heinrich III, wurden Katzenelnbogen und Dietz ins landgräfliche Wappen aufgenommen.

Der Anspruch der Landgrafen von Hessen auf den Titel der Grafen von Katzenelnbogen resultiert aus der Heirat von Anna von Katzenelnbogen, Erbtochter Philipps des Älteren, mit Heinrich III. Landgraf v. Hessen (15.10.1440 - 13.1.1483) im Jahre 1457. Als ihr Vater Philipp I. Graf v. Katzenelnbogen (1402 - 1479, Sohn von Johann IV. Graf v. Katzenelnbogen und Anna v. Katzenelnbogen) 1479 auf Rheinfels starb, waren die Grafen von Katzenelnbogen im Mannesstamme erloschen, und die Grafschaft Katzenelnbogen kam über den Schwiegersohn zu den Landgrafen von Hessen. Anna war wohl eine der besten Partien der Spätgotik, die Erbschaft eine der reichsten. Katzenelnbogen, 1/4 Dietz, Wiesbaden, Darmstadt, praktisch riesige Gebiete am Rhein und im heutigen Südhessen. Philipp I. Graf v. Katzenelnbogen (1402 - 1479) hatte zwar mit seiner Frau Anna v. Württemberg (1408 - 16.4.1471) drei Kinder, doch der Stammhalter Philipp II. Graf v. Katzenelnbogen starb vorzeitig, desgleichen der zweite Sohn Eberhard, beide ohne Söhne, ersterer hatte eine Tochter, letzterer war Domherr in Köln.

Weiterhin finden sich beide Elemente im vermehrten Wappen der Nassauer. Wie das? Dietz ist klar, das wurde oben erläutert, aber wie kam Katzenelnbogen jetzt in das Nassauer Wappen? Nassau lieferte sich mit den Landgrafen nach 1479 einen langen Streit um Ansprüche und Zugehörigkeiten. Nassau erhielt schließlich den hessischen Anteil an der Grafschaft Dietz, und Katzenelnbogen kam endgültig 1557 an Hessen. Die Linie Nassau-Dillenburg nennt sich ab 1507 auch Nassau-Katzenelnbogen. Am 30.6.1557 wurde ein Vergleich zwischen Nassau und Hessen geschlossen, der die Aufnahme des Katzenelnbogen-Wappens in das nassauische Wappen bestätigt, das verbleibende Viertel der Grafschaft Dietz Nassau zuspricht, die hessische Lehnspflicht beendet und ausgleichende Zahlungen vorsieht. Es ist anzunehmen, daß die Aufnahme des Feldes Katzenelnbogen unter Wilhelm I. Graf v. Nassau-Dillenburg (10.4.1487 - 6.10.1559) erfolgte. Sein Sohn Johann VI. (I) Graf zu Nassau-Katzenelnbogen-Dietz (22.11.1535 - 1606) und dessen Sohn Johann II. (VII) Graf zu Nassau-Siegen (7.6.1561 - 27.9.1623) führten es sicher. Hessen führt also Dietz, ohne es noch zu haben, und Nassau führt Katzenelnbogen, ohne es zu haben. Die Niedergrafschaft Katzenelnbogen kam übrigens viel später 1815 an das Herzogtum Nassau. Soweit zum weiteren Schicksal der Wappenmotive, und warum sie sich sowohl im Wappen der Landgrafen als auch im Wappen der Nassauer wiederfinden.

 

Literatur, Links und Quellen:
Evangelische Kirchengemeinde St. Goar: http://www.ev-kgm-stgoar.de/
Herbert Gräff, Bernhard Jakobs und Wolfgang Krammes (Hg), Die Kirchen im Mittelrheintal - Führer zu den Bauten des UNESCO-Welterbes Mittelrhein - Michael Imhoff-Verlag, 2008 - S. 53-55 - online:
http://www.ev-kgm-stgoar.de/Kirchen/St_Goar/2008-UNESCO/UNESCO-Fuehrer-StG.html
Pfr. Wolfgang Krammes, Hansen-Blatt, Schriftenreihe des "Internationalen Hansenordens e.V. zu St. Goar am Rhein", S. 103 - 109, 63. Jahrgang, Heft Nr. 51 - Juli 1998 - online:
http://www.ev-kgm-stgoar.de/Kirchen/St_Goar/Kra-1998-Hansenblt.html
Susanne Kern, Die Inschriften der Evangelischen Stiftskirche St. Goar, Inschriften Mittelrhein-Hunsrück, Heft 6, hrsg. v. d. Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz, und dem Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V., Mainz 2008
Auf
http://www.inschriften-online.de/nc/broschueren.html das Heft http://www.inschriften-online.de/nc/broschueren.html?download=IMH6-StGoar-EvStiftskirche.pdf&did=6
Veröffentlichung der Innenaufnahmen mit freundlicher Genehmigung von Herrn Pfarrer Wolfgang Krammes vom 5.5.2010, wofür ihm an dieser Stelle ganz herzlich gedankt sei.
Geschichtlicher Überblick:
http://www.inschriften-online.de/einfuehrung/2-kurzer-historischer-ueberblick.html
Territorialgeschichte: Gerhard Köbler: Historisches Lexikon der deutschen Länder - die deutschen Territorien vom Mittelalter bis zur Gegenwart. C. H. Beck Verlag München 7. Auflage 2007, ISBN 978-3-406-54986-1
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Michael Imhof, Stiftskirche St. Goar in St. Goar am Rhein, Michael Imhof Verlag, 2003, ISBN 3-935590-92-X

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