Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 670
Liebliches Mittelrheintal: Wappen in Brohl

Brohl am Rhein: Das Grabmal der Burggräfin Johanetta von Rheineck

An der neugotischen Pfarrkirche zu Brohl ist eine Grabplatte des frühen 16. Jh. aufgestellt, die nach ihrer Auffindung 1951 hier an der Außenwand der ansonsten heraldisch eher uninteressanten Kirche aufgestellt wurde. Die Auffindung dieser historisch wie künstlerisch interessanten Platte war eher zufällig, bis dato diente sie umgedreht als Deckplatte eines Kellereingangs. Die Darstellung der Verstorbenen mit zum Gebet gefalteten Händen und Rosenkranz zwischen den Fingern und treuem Hündchen zu ihren Füßen ist von vier ausgearbeiteten Wappenschilden der Ahnenprobe umgeben, dazu weiter innen vier weitere, kleinere Schilde, die nicht bearbeitet sind.

Das Grabdenkmal ist das von Burggräfin Johanetta von Rheineck, geborene Rhein- und Wildgräfin ("JOHANET WILT UND REINGRFIN ALHIE"). Sie heiratete zum ersten Mal mit ca. 20 Jahren, war 1485-1500 die Ehefrau erst von Burggraf Jakob I von Rheineck, dann nach dessen Tod im Jahr 1500 in zweiter Ehe 1501-1516 von Graf Philipp Beyssel von Gymnich. Burggräfin Johanetta starb als Witwe ("IST GESTORFFE DE WOLEDEL WITT") am Valentinstag (14. Februar, "UF VELTISDAG..."), das genaue Todesjahr ist nicht zu entziffern, liegt aber nach dem Tode ihres zweiten Mannes, denn hier ist keinerlei Allianzwappen abgebildet, sondern nur die 4er-Ahnenprobe der Burggräfin Johanetta. Ca. 1540 kann als Todesjahr angenommen werden, was auch stilistisch passen würde.

Abb. links: Wappen der Rhein- und Wildgrafen mit Sprung. Abb. rechts: Wappen der Grafen von Salm.

Das Stammwappen der Rhein- und Wildgrafen
Johanetta Burggräfin von Rheineck war eine geborene Rhein- und Wildgräfin. Sie gehörte zu der Familie der Rhein- und Wildgrafen aus dem Nahetal. Eigentlich müssen wir drei Familien unterscheiden, deren Titel später auf einer Familie zusammenfielen: Die Wildgrafen (comes silvestris, also eigentlich "Waldgrafen") einerseits und die alten und neueren Rheingrafen andererseits.

Die alten Rheingrafen sind die Erbauer der Burg Rheinberg im Wispertal (bei Lorch im Rheingau). Sie standen in einem Mainzer Lehensverhältnis und starben bereits Ende des 12. Jh. aus. Sie wurden beerbt von den Herren von Stein bei Münster (auch "zum Stein"), welche die Burg Rheingrafenstein bei Kreuznach als Stammburg besaßen und sich nun Rheingrafen zum Stein nannten. Schlüsselheirat war die Ehe zwischen Sigfrit vom Stein mit Rheingräfin Luccard, der Erbtochter, um 1160. Als Stammvater des Geschlechtes gilt deren Sohn Wolfram Comes Rheni (1196-1220 bezeugt), der in dieser Familie erstmals ab 1196 den Namen "Rheingraf" trägt. Bereits im Hochmittelalter besaß die Familie die Grafschaft im Rheingau. Später gingen die Güter im Rheingau verloren, um so mehr festigten sie ihre Herrschaften im Nahetal.

Das Stammwappen der Herren zum Stein bei Münster, den späteren Rheingrafen, sieht wie folgt aus: In Schwarz ein silberner Löwe, rot bewehrt, hersehend (leopardiert). Es ist belegt durch ein Siegel des Rheingrafen Werner aus dem Jahre 1262, dort ist der Löwe aber gekrönt. Die Helmzier der Rheingrafen zum Stein ist ein mit zwei silbernen Federstößen besteckter, breitrandiger (später Turnier-) Hut in Schwarz mit rotem Krempenrand (später rotem Stulp) zu schwarz-silbernen Decken (Stammkleinod der Rheingrafen). Das ist nicht die ursprüngliche Helmzier, denn auf ganz alten Siegeln (1262 Wernerus Comes Rheni) handelt es sich um ein federbestecktes Schirmbrett.

Die Herren vom Stein bei Münster sind übrigens stammesverwandt mit den Herren von Lewenstein. Sie dürfen nicht verwechselt werden mit den Herren von Oberstein, welche in Silber einen roten Löwen führen und nicht nachweislich verwandt sind.

Das 1. vermehrte Wappen
Wie kommt es nun zu diesem Doppeltitel "Wild- und Rheingraf"? Im Jahre 1310 ehelichte Johann I (gest. 1333) Rheingraf zum Stein die Erbtochter Hedwig Wildgräfin von Dhaun, einem uralten Grafengeschlecht im Nahegebiet (lateinisch: comites silvestres, also eigentlich: Waldgrafen), die aus einer Spaltung der Nahegaugrafen im frühen 12. Jh. entstanden sind. 1258 kam es zu einer Spaltung der Wildgrafen in die Linien Dhaun und Kyrburg. Aber nun zurück zu Johann I und Hedwig: Deren gemeinsamer Sohn, Johann II Rheingraf zum Stein, erbte 1350 AD jetzt die Wildgrafschaft D(h)aun (Daun oder Dhaun - keine Verwechslung mit dem anderen Daun in der Eifel! Dessen Grafen führten in Gold ein rotes Schräggitter). Er starb 1383 und hinterließ seinem Sohn beide Grafschaften. Dieser Sohn war Johann III Rheingraf zum Stein, Wildgraf zu D(h)aun, und er benutzte als erstes diesen Doppeltitel. Seitdem sind beide Herrschaften vereinigt und werden in einem gevierten Schild geführt.

Das Wappen der Rheingrafen zum Stein, Wildgrafen zu D(h)aun, ab jetzt genannt Wild- und Rheingrafen, ist wie folgt aufgebaut:

Die Helmzier wäre ein mit zwei silbernen Federstößen besteckter, Turnierhut in Schwarz mit rotem Stulp zu schwarz-silbernen Decken (variiertes Stammkleinod der Rheingrafen).

Das spätere, 2. vermehrte Wappen
Das war aber noch nicht alles, die Entwicklung des Wappens geht weiter: Johann III Rheingraf zum Stein, Wildgraf zu D(h)aun, heiratete 1406 die Erb-Wildgräfin Adelheid von Kyrburg (Kirn an der Nahe), wodurch auch diese Grafschaft an die Familie fällt, als diese 1409 im Mannesstamme aussterben. Es sei daran erinnert, daß zudem die Wildgrafen zu D(h)aun und die zu Kyrburg die gleichen Wurzeln haben und sich erst 1258 getrennt hatten.

Heraldisch drückt sich das in einer Hinzufügung eines Herzschildes aus:

Das ist genau der Zustand, wie wir ihn hier auf der Grabplatte in Brohl sehen, wobei die unzutreffende Farbigkeit aus späterer Zeit stammt.

Dazu könnten folgende zwei Helme geführt worden sein:

Das 3. vermehrte Wappen
Und 1475 schließlich bekam Wild- und Rheingraf Johann V, Herr von Stein-Bockenheim, die halbe Grafschaft Salm in den Vogesen. Johann V., geb. 17.11.1436, gest. 1495, hatte am 14.11.1459 Johanna (Johanetta) Gräfin von Salm geheiratet, gest. 1496, Erbin der halben Grafschaft Ober-Salm, Erbin von Mörchingen, Püttlingen und weiteren Gebieten. Sie war die Erbtochter des Grafen Simon III. (nicht II.!) von Salm (1431-1475). Die Wild- und Rheingrafen nennen sich nun nach dem Tod des Grafen Simon III. 1475 Grafen von Salm, Wildgrafen zu D(h)aun und Kyrburg, Rheingrafen zum Stein. Dabei erbten die Wild- und Rheingrafen den Teil Ober-Salm, während das Haus Nieder-Salm 1416 von den Herren von Reifferscheidt beerbt wurde (Salm-Reifferscheidt, seit 1790 und 1804 fürstlich).

Und das ist genau die Schlüsselstelle, wo dieses Grabdenkmal hineinpaßt: Burggräfin Johanetta wurde auf der Burg Rheingrafenstein ca. 1465 geboren, als Tochter des Rhein- und Wildgrafen Johann V mit dem Barte und Johanna (Johanetta) von Salm. Hier sind die beiden Wappen ihrer Eltern noch getrennt, werden aber bald in der Familie der Rhein- und Wildgrafen heraldisch vereinigt.

1499 heiratete Johann VI Johanna Erbgräfin von Saarwerden, die ihm die Herrschaft Vinstingen einbrachte.

Heraldisch drückt sich das in einer weiteren Aufteilung des Herzschildes aus:

Dazu werden drei Helme geführt (Wild- und Rheingraf zu Dhaun und Grumbach, Siegel vom Ende des 17. Jh.):

Alternativ (Siegel eines Wild- und Rheingrafen Otto): Position der Helme 2 und 3 vertauscht, die Bracke ähnelt eher einem wachsenden Bärenrumpf. Und die Farben des Hutes sind die des Stammkleinodes, schwarzer Hut mit rotem Stulp.

Die Enkel von Johann V teilten die Grafschaften unter sich auf: Philipp (gest. 1521) stiftete die D(h)aunische Hauptlinie der Wild- und Rheingrafen zu Dhaun, Grafen zu Salm. Und Johann VII (gest. 1531) stiftete die Kyrburgische Hauptlinie der Wild- und Rheingrafen zu Kyrburg. Diese Linie starb 1688 im Mannesstamme aus. Die D(h)aunische Hauptlinie wurde 1574 in drei Linien aufgespalten: Alt-Salm'sche Linie, D(h)aun'sche Linie, Linie zum Rheingrafenstein.

Das Wappen der Grafen von Salm
Das Wappen der Mutter von Johanetta ist das der Grafen von Salm (deren Herrschaft im Elsaß/Wasgau lag), optisch oben rechts auf der Spindelseite des Grabdenkmals angebracht. Diese führen in Rot zwei pfahlweise gestellte, gekrümmte, mit dem Rücken einander zugewandte Salme, begleitet von silbernen Kreuzchen (Alt-Salm), hier noch nicht in der später üblichen bewinkelnden Anordnung, insgesamt 7 an der Zahl, in der Mitte drei übereinander, an beiden Seiten je zwei übereinander. Die Helmzier wären auf ungekröntem Helm die Salme aus dem Schild auf einem Turnierhut. Die Helmdecken wären rot-silbern. Das Erbe Salm kam zur Hälfte an die Familie der Rhein- und Wildgrafen, denn Johann V, der Vater unserer Johanetta, hatte 1475 durch die Ehe mit Johanna (Johanetta) von Salm die halbe Grafschaft Salm und weitere Gebiete in Lothringen geerbt.

Abb. links. Wappen der Grafen von Hanau. Abb. rechts: Wappen der Herren von Rotselaer

Das Wappen der Grafen von Hanau
Der Wappenschild zeigt in Gold drei rote Sparren. Helmzier wäre ein auffliegender, silberner Schwan. Decken rot-silbern (Scheiblersches Wappenbuch) oder rot-golden. Das ist das Wappen der Großmutter väterlicherseits - Johann IV (gest. 30.6.1476), war mit Elisabeth Gräfin von Hanau (gest. 20.2.1446) verheiratet.

Das Wappen der Herren von Rotselaer (Rousselaer, Roeselare)
Der Wappenschild zeigt in Silber 3 (2:1) rote Glevenstäbe (Lilienstäbe) dieses flämischen Geschlechtes. Die Farben sind nur teilweise korrekt und neueren Datums. Das ist das Wappen der Großmutter mütterlicherseits - Simon III Graf von Salm, gest. 1475, Vater der Johanna von Salm, war mit Johanna von Rotselaer verheiratet. Das Erbe Rotselaer kam auch dadurch in die Familie der Rhein- und Wildgrafen, denn Johann V, der Vater unserer Johanetta, hatte auf diesem Wege die Herrschaft Rotselaer geerbt.

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher
Brohl:
http://www.kreis.aw-online.de/kvar/VT/hjb1954/hjb1954.30.htm
Leo Strausberg, Das Grabmal der Burggräfin Johanetta von Rheineck in Brohl, Heimatjahrbuch des Kreises Ahrweiler 1954, S. 94
http://de.wikipedia.org/wiki/Konrad_III._von_Dhaun
Wertvolle Hinweise gab Herr Peter Stammnitz, Idar-Oberstein, wofür ihm an dieser Stelle herzlich gedankt sei.
http://www.genealogie-mittelalter.de/luxemburger/salm_grafschaft.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Stammliste_des_Hauses_Salm
Ein herzliches Dankeschön an Herrn Ulrich Kleine-Hering, Alzey, für wertvolle Hinweise.
Europäische Stammtafeln, Stammtafeln zur Geschichte der europäischen Staaten, Bd. III, hrsg. v. Frank Baron Freytag von Loringhoven, Marburg 1956, Tafel 137.
Auskunft von Archivrat Dr. Lars Adler, Darmstadt

Die Entwicklung des Wappens der Rhein- und Wildgrafen

Brohl (Mittelrhein): Burggräfin Johannetta von Rheineck - Burgbrohl (Mittelrhein): Dietrich von Braunsberg - Maria von Braunsberg geb. von Orsbeck - Theodoricus Engelbert von Braunsberg - Anna Elisabeth von Bourscheidt

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