Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 582
Burg Vischering (Lüdinghausen, Westfalen)

Burg Vischering - Teil (1)

Romantik wie im Bilderbuch
Burg Vischering im Münsterland ist eine der romantischsten und urtümlichsten Anlagen im Münsterland. Die unregelmäßig ovale Kernburg und die trapezförmige Vorburg liegen wie Inseln mitten in einem See, mit einem hölzernen Brückensteg von 18 m Länge verbunden, das Ganze wird von einem Wall und einem zweiten Wassergraben (Außengräfte) umgeben. Heute idyllisch, fast klischeehaft, war die Lage im See und die schmale Landzunge als einziger Verbindung zur Außenwelt in einer damals als baumlos anzunehmenden Umgebung bittere militärische Notwendigkeit, nichts war damals mit idyllischer Waldromantik, in der sich das alte Gemäuer heute präsentiert.

Bischöfliche Landesburg gegen die Herren von Lüdinghausen
Die Wurzeln der Burg Vischering liegen im Jahr 1271: Am 26. Juli diesen Jahren schließt der Bischof von Münster, Gerhard von der Mark, mit dem Drosten Albert einen Burglehensvertrag. Zu dem Zeitpunkt hatte dieser zwar ein Burglehen in Dülmen, aber der Bischof brauchte ihn zur Durchsetzung seiner Interessen gegen die Herren von Lüdinghausen. Bischöfe, die Burgen bauen lassen? Dieses Privileg war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht so alt: Erst 1220 hatte Kaiser Friedrich II den geistlichen Landesherren das Regal des Burgenbaus als Privileg überlassen. Dieses Regal mußte z. T. auch innerhalb des eigenen Landes durchgesetzt werden, gegen den Adel im eigenen Territorium. Und um die Position des Bischofs gegen die Herren von Lüdinghausen und deren Burg zu stärken, wurde die Landesburg Vischering erbaut.

Burg Vischering war Landesburg, also ein Lehen des Landesherren, das immer im Kriegsfall für ihn offengehalten werden mußte und von einem Beamten gegen jedermann, der nicht der Landesherr war, verteidigt wurde. Weitere Landesburgen im Bistum Münster waren z. B. Stromberg (deren Wappen später auch im Wappen der Bischöfe von Münster zu finden ist), Sassenberg, Dülmen, Wolbeck, Telgte, Botzlar, Rechede, Landegge und Horstmar. Das Lehen war erblich, also hatte die Familie die Burg bis zur Auflösung des Fürstbistums Münster in ihrem Besitz. Später wurde der Burglehensvertrag noch um weitere Verträge ergänzt (Offenhausverträge 1324, 1364, 1385).

Eine Wohnburg des 16./17. Jh.
Von dieser ersten Burg des Mittelalters ist nur wenig vorhanden, auch wenn die Fundamente z. T. in diese Zeit zurückreichen. 1519 erweiterten Johann Droste zu Vischerung und seine Frau Elisabeth von Münster das Torhaus der Kernburg, das ist der älteste heute noch erhaltene Teil. 1521 zerstörte ein verheerender Brand die Burg, und ein Neubau wurde nötig. Was wir heute sehen, stammt im Wesentlichen aus dem 16. und 17. Jh., nicht aus dem Mittelalter. Damit repräsentieren die heutigen Bauten den gewandelten Charakter: Aus einer Wehrburg war eine Wohnburg geworden. Entsprechend der Sinnlosigkeit geschlossener Außenmauern angesichts der Entwicklung der Artillerietechnik wurden nun auch die Außenseiten repräsentativer und vor allem wohnlicher gestaltet und angemessen durchfenstert.

Die Droste von Vischering - vom Ministerialen zum Grafen
Die von Droste-Vischering gehören zum Westfälischen Uradel. Sie sind in der Osnabrücker Ritterschaft zu finden und waren auch im Raum Hannover begütert. Im Fürstentum Münster hatten sie das Erbtruchsessenamt inne. Daher kommt auch der Name - Droste bedeutet Inhaber des Drostenamtes, auch Truchseß, Seneschall oder Dapifer genannt. Der erste Amtsinhaber ist der 1170 erstmals urkundlich erwähnte Droste Albert. Vischering dagegen ist der Name eines alten Besitzes der Familie, deren eigentlicher Stammname aber Wulfheim sein soll, nach einem bei Lembeck gelegenen Besitz. 1309 wurde der Name "Droste" Bestandteil des Familiennamens. Es gibt zwei Linien der Familie, die ältere ist Droste-Vischering, die jüngere spaltete sich unter dem Beinamen von Nesselrode-Reichenstein ab (Wappen s. u.). Von 1670 datiert das Reichsfreiherrendiplom. 1826 wurden sie von König Friedrich Wilhelm III in den preußischen Grafenstand erhoben.

Wappen der Droste von Vischering am Erker der Auslucht

Das Drosten-Amt (oder Truchsessenamt) war eines der traditionellen vier Hofämter: Kämmerer, Truchseß, Mundschenk sowie Marschall. Der Truchseß, Seneschall oder Droste hatte die allgemeine Hofverwaltung inne, hatte die Aufsicht über die Dienerschaft und war für die Versorgung des Hofes mit Lebensmitteln zuständig. Ferner verwaltete er die Hausgüter. Bis zum Ende des 12. Jh. war das Truchsessenamt erblich geworden. Erstmalig taucht der Begriff "Erbdroste" 1555 auf.

Die Droste gehörten zu den Ministerialen von Münster. Was ist ein Ministerialengeschlecht? Ministerialen sind eigentlich Beamte, die im Dienste eines Hofes stehen. Den Begriff gibt es schon im Karolingerreich. In der Frühzeit waren Ministerialen Unfreie, sie waren die oberste Schicht der unfreien Dienstmannen. Sie konnten Vasallen werden. Ihre Herkunft ist unterschiedlich - adelig, bürgerlich, bäuerlich. Ein Ministeriale schwor seinem Herrn den Treueid, ein Vasall dagegen den Lehnseid - soweit zur Unterscheidung. Ministerialen leisteten Verwaltungsdienste und Kriegsdienste, insbesondere Burgdienst - als Burgmannen waren sie wichtige Helfer beim Aufbau einer Territorialherrschaft. Bis zum Ende des 12. Jh. gab es eine Kluft zwischen Freien und Ministerialen, eine Art Standesschranke, unabhängig davon, daß auch Freie in den Ministerialenstand eintraten. Danach wurde die Grenze unschärfer, was vor allem in einer Änderung des Dienstrechtes lag: Die alten Dienstverhältnisse wandelten sich in Lehensverhältnisse, aus Beamten wurden Vasallen. So kam es zu einer standesrechtlichen Angleichung zwischen Freien und Ministerialen. Bei der Familie der Droste von Vischering kann man das gut anhand der Bezeichnungen nachvollziehen: Droste Albert wird 1247 "dominus" genannt, 1260 "milites" - aus dem Beamten war ein Ritter geworden.

Die Entwicklung des Wappens der Droste von Vischering
Das Stammwappen (wie hier in Stein verwirklicht) zeigt einen silbernen Schild mit rotem Bord. Alternativ: In Rot ein silbernes Schildchen - Ansichtssache je nach Größenverhältnissen, die Grenzen sind bei den Darstellungen etwas fließend. Auf dem Helm zwei Büffelhörner, rechts silbern, links rot. Helmdecken rot-silbern. Die Helmzier ist Variationen unterworfen, von 1571 gibt es eine Darstellung mit rot-silbern übereck geteilten Büffelhörnern, von 1600 eine mit zwei roten Büffelhörnern, dazwischen ein silbernes Schildchen.

Nachdem Graf Felix von Droste-Vischering 1824 vom letzten Grafen von Nesselrode-Reichenstein zum Universalerben eingesetzt worden war, nahm er Namen und Wappen des letzteren zu seinem eigenen hinzu an. Das Wappen nahm eine eigenwillige und seltene Form an: Geviert mit zwei Herzschilden übereinander. Der obere Herzschild zeigt in Rot ein silbernes Schildchen (Droste), der unter Herzschild zeigt in Rot einen beiderseits gezinnten silbernen Balken/Gegenzinnenbalken (von Nesselrode). Der Hauptschild zeigt in Feld 1 und 4 in Silber drei schwarze miteinander verbundene Rauten schrägrechts aneinandergereiht (von Reichenstein, ausgestorben) sowie in Feld 2 und 3 in Gold drei rote miteinander verbundene Rauten schräglinks aneinandergereiht (von Stein, ausgestorben), so daß sich insgesamt eine Anordnung wie in einem Andreaskreuz ergibt. Dieses späte Droste-Wappen hat 4 Helme: Helm 1: Rumpf einen silbernen Esels mit schwarzen Ohren, am Hals mit den drei Rauten belegt (von Reichenstein), Helm 2: zwei Büffelhörner, rechts silbern, links rot. Helmdecken rot-silbern (Stammhelm Droste), Helm 3: roter Brackenrumpf, am Hals ein silberner Gegenzinnenbalken (von Nesselrode), Helm 4: ein goldener Flug, mit den drei roten Rauten belegt (von Stein).

Wappen der Freiherren von Ketteler am Erker der Auslucht

Die Freiherren von Ketteler und ihr Wappen
Die Freiherren von Ketteler sind westfälischer Uradel und gehören zur Osnabrücker Ritterschaft. Der Stammsitz ist Kesselor im Kreis Bockum, wo sie seit dem 13. Jh. ansässig sind. weitere Besitzungen liegen am Niederrhein. Sie wurden mit Rütger von Ketteler im Jahre 1675 von Kaiser Leopold I in den Reichsfreiherrenstand erhoben. Es gab auch eine in den Grafenstand erhobene Linie, welche aber erloschen ist. Das Wappen zeigt in Silber einen dreieckig aufgezogenen roten Kesselhaken. Auf dem Helm der Kesselhaken wie beschrieben (alternativ der Schild) zwischen zwei natürlichen (alternativ silbern-rot gespaltenen) Fasanenfedern. Helmdecken rot-silbern. Manchmal alternativ überall Gold statt Silber.

Kesselhaken (Kesselrinken, mit Zähnen versehene Haltevorrichtungen für Kessel über Kaminfeuern) werden meist anders dargestellt, parallel zueinander ein fester Teil mit Aufhängung und ein gezähnter beweglicher Teil, an dem sich der Haken befindet. Höhenverstellung findet statt, indem man die am festen Teil befindliche "Schlaufe" in die Zähne einklinkt. Ein Beispiel für ein solches Wappen ist das der Familie von Schleifras. Hier ist eine andere Konstruktion gewählt worden, die nur dann funktioniert, wenn die Aufhängung optisch oben rechts oder beiderseits erfolgt. Durch sukzessives Einschieben der beweglich gelagerten gezähnten Partie in die Schlaufe wird die Konstruktion zunehmend gespreizt und der Kessel höher gehängt. Hier ist quasi Endstellung = oberer Anschlag gewählt worden, um den Schild maximal auszufüllen. Die Wahl dieses Schildbildes für die Freiherren von Ketteler macht das Wappen zu einem redenden.

Die Auslucht
Beide Wappen befinden sich am Erker der Auslucht über der Gräfte. Die Auslucht entstand 1617-1622 im niederländischen Stil. Erbauer ist Heinrich Droste, vollendet wurde der Giebel unter seinem Sohn. Man beachte im Giebel die halbkreisförmigen "Wagenräder". Man beachte bei den Aufnahmen auch den Materialmix aus Haustein, Bruchstein und Ziegel. Die Fenstergewände, Schießscharten und Steinmetzarbeiten (Wappen, Kamine, Dekorationen) sind in Baumberger Sandstein ausgeführt. Dieser ist Prunkbauten vorbehalten - Kirchen, Rathäusern, Palästen, Klöstern, Wasserburgen. Nur wenige Gebäude werden ganz aus diesem edlem Material gefertigt, eines der wenigen Beispiele ist Schloß Havixbeck. Die Regel war eher ein Materialmix aus Werksteinteilen und Ziegeln wie hier.

Ein geheimnisvoller Raum
Der Raum hinter dem repräsentativen Erker - durch seine Holzvertäfelung und seine Südlage einer der angenehmsten der ganzen Burg - hat eine Besonderheit: In dessen Boden befindet sich mittendrin eine runde Falltür, wie im untersten Stockwerk eines mittelalterlichen Bergfriedes. Tief untendrunter ein ringsum gemauerter Raum. Man vermutet natürlich als erstes ein Verlies, darf aber nicht aus den Augen verlieren, daß der Erker ein Werk der Renaissance ist - da behandelte man Gefangene etwas besser als im finsteren Mittelalter. Weiterhin sprechen gegen eine Nutzung als Gefängnis das Seitenfenster zur Gräfte sowie die Treppe im Mauerwerk, die nach oben führt - also ein Angstloch ist das Loch im Boden nicht. Vielmehr: Ein "Schnelltresor": Vergessen wir nicht, daß den Erbauern der Brand von 1521 noch in frischer Erinnerung war. Das hier war zwar ein Raum, der aufgrund seiner Feuchtigkeit nicht zur dauerhaften Lagerung von Archivalien geeignet war, aber im Falle eines Brandes konnte man schnell alles Wertvolle, Unterlagen, Dokumente, Wertsachen durch die Luke hinein in den feuersicheren Keller werfen. Ein zweiter Gedanke der Erbauer mag gewesen sein, daß man im Falle eines Angriffes auch zur Not durch diese unscheinbare Pforte unbemerkt bei Nacht entweichen konnte.

Das Wappen im Giebel der Auslucht
Hoch oben befindet sich am Übergang in das Giebelfeld unter dem obersten Fenster ein weiteres Allianzwappen, datiert auf 1622, dem Jahr der Vollendung der Auslucht. Es ist das Allianzwappen Droste von Vischering / von Raesfeldt.

Die Freiherren von Raesfeldt (optisch rechtes Wappen) sind westfälischer Uradel. Sie sind auch 1841 in Bayern im Freiherrenstand eingetragen worden. Ihr Wappen zeigt in Gold einen blauen Balken. Die Helmzier ist ein wie der Schild bez. Adlerflug. Helmdecken blau-golden.

Literatur, Quellen und Links:
Siebmachers Wappenbücher
Dr. J. Sarrazin, Dr. J. Eichler, Dr. F. Krumme, R. Mackowiak, S. Maetzke, Dr. H. Richtering: Burg Vischering, Wehrburg und Wohnsitz, Beiträge zur Landes- und Volkskunde des Kreises Coesfeld, Band 26, Laumann Verlagsgesellschaft Dülmen 1993, ISBN 3-87466-199-7.

Lüdinghausen: Burg Vischering (1) - Burg Vischering (2)

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