Bernhard
Peter
Herpesviren
- kompliziertes Versteckspiel
(Bitte besprechen Sie
im Zweifelsfall alle Beschwerden und Maßnahmen mit einem Arzt
Ihres Vertrauens!)
Herpesviren wie sehen die aus?
Ein Herpesvirus besteht aus
ganz wenigen Bauteilen: Ganz innendrin ist genetische
Information. Da steht z. B. drauf, wie man das Virus baut. Diese
Information ist umgeben von einer Verpackung aus Eiweiß in einer
charakteristischen geometrischen Form, einem Ikosaeder, fast wie
ein Fußball, aber nicht einer mit vielen Sechsecken und 6
Fünfecken, sondern ein Ball mit 12 Ecken und 20
Dreiecksflächen und das Ganze steckt noch in einer
Hülle (Envelope) aus einer Lipidmembran wie ein Fußball in
einer Plastiktüte. Also am besten schauen Sie gerade auf die
Form des Cursors so sieht ein Herpesvirus aus, natürlich
viiiiiiel kleiner: Der Ikosaeder ist 1/10000 Millimeter groß,
der gesamte Virus 1/5000 Millimeter. Aber dennoch gehören die
Herpesviren damit zu den größten und komplexesten Viren, andere
Viren sind noch viel kleiner und einfacher gebaut.
Erstinfektion und Rezidiv
Typisch für Herpesviren ist,
daß sie unterschiedliche Krankheitsbilder hervorrufen können.
Eine Erstinfektion, also ein allererster Kontakt des Körpers mit
dem Virus verläuft oft ganz anders als ein Wiederaufflammen der
Viren im Rezidiv. Beispiel: Der gleiche Virus ruft bei einer
Erstinfektion die Windpocken, bei einem Rezidiv aber die Gürtelrose hervor. Oder ein anderer Herpesvirus ruft bei einer
Erstinfektion eine Mundschleimhautentzündung hervor, im Rezidiv
aber Lippenbläschen. Gleicher Erreger verschiedene
Krankheitsbilder.
Herpes-Viren sind neurotrope Viren
Herpes-Viren gehören zu den
sogenannten neurotropen Viren. Sie haben eine hohe Affinität zu
Nervenzellen und Nervenbahnen, bewegen sich an diesen entlang,
verursachen Krankheitssymptome in von den befallenen Nervenbahnen
versorgten Arealen und können als Komplikation schwere Folgen
für das betroffene oder mit diesem in Verbindung stehende
Nervengewebe nach sich ziehen.
Ein kurzer Überblick Was für
Herpesviren gibt es alles?
Es gibt Hunderte von
Herpesviren. Insgesamt können dem Menschen 8 Arten davon
gefährlich werden, deswegen werden sie auch HHV genannt, humanes
Herpes-Virus. Sie sind für ganz verschiedene Primär- und
Sekundärerkrankungen der Haut sowie für schwere
Allgemeinerkrankungen verantwortlich:
Wie vermehrt sich ein Herpes-Virus im
Organismus?
Die Vermehrung der Herpesviren
geschieht in den menschlichen Zellen, sogar im Zellkern. Der
Virus wird durch Membranfusion in die Zelle geschleust und setzt
die Erbinformation frei. Diese Information ist vom gleichen Typ
wie menschliche Erbinformation: Doppelsträngige DNA, wie sie
auch im Zellkern vorkommt. Die in der Zelle ablaufenden Prozesse
können nicht unterscheiden, ob es sich um Befehle von
menschlicher Erbinformation oder um Virusinformation handelt
die Zelle baut, was ihr gesagt wird, egal, von wem. Und
wenn der Befehl lautet Viren bauen und alle anderen
Aufgaben ruhen lassen, so folgen die Prozesse in der Zelle
willig diesem Befehl. Die Zelle baut ihre eigenen Vernichter
selbst zusammen, sie stellt sogar ihre eigenen Membranen durch
Knospung der inneren Kernmembran zur Verfügung, um die
Protein-Ikosaeder mit einer Hülle zu umgeben. Wenn eine
genügend große Anzahl Viren gebaut wurde, setzt die Zelle diese
frei, entweder kontrolliert durch Ausschleusung oder einfach
durch Platzen der Zelle, wobei diese selbst zugrunde geht
(sogenannter lytischer Zyklus). Dieser lytische Vermehrungszyklus
läuft im menschlichen Körper während der ersten Infektion und
später beim Wiederauftreten der Erkrankung ab, in der
Zwischenzeit gar nicht oder auf allerniedrigstem Niveau, je nach
Virustyp.
Einmal Herpes immer Ärger mit
Herpes?
Herpes ist eine
allgegenwärtige Plage, denn es besteht ein relativ hoher
Durchseuchungsgrad in der Bevölkerung. Je nach Virus sind bis zu
90% der Bevölkerung Virusträger, auch wenn rein äußerlich gar
keine Beschwerden sichtbar sind. Denn die Herpes-Viren haben die
Fähigkeit, zu persistieren oder latent
zu bleiben. Das heißt, daß der Virus nach abgeschlossener
Erst-Erkrankung nicht etwa eliminiert ist. Sondern der Virus
zieht sich an Stellen im Körper zurück, die für das
Immunsystem äußerst schwer zu erreichen sind, nämlich entlang
der Nervenbahnen bis in die sensorischen Ganglien, die für
Weiterleitung von Empfindungen zuständigen Nervenknoten. Die
Information der Viren über ihre eigene Produktion und Vermehrung
wird im Zellkern der befallenen Zellen versteckt. Je nach
Virustyp sind das unterschiedliche Bereiche. Dort überdauern die
Viren, während die Zellen des Immunsystems im Blut und im
übrigen Gewebe patrouillieren, aber nichts finden. Die
infizierten Nervenzellen tragen auf ihrer Oberfläche auch keine
Antigene, die auf die Anwesenheit der Viren im Innern schließen
lassen würden, so daß die Abfangjäger des Immunsystems davon
getäuscht werden. Die Viren sind also nach einer überstandenen
Erkrankung noch im Körper an unzugänglichen Stellen vorhanden,
können aber normalerweise nicht herauskommen. Dort werden sie
auch nicht von Medikamenten vernichtet. Die Nervenzellen werden
dadurch auch nicht ernsthaft in ihrer Funktion beeinträchtigt.
So kann das Virus lebenslang überdauern. Da es auch nicht weiter
stört, fällt die Anwesenheit auch gar nicht auf. Anders wird
die Situation, wenn das Immunsystem gerade down ist oder
anderweitig beschäftigt ist, so z. B. wenn ein anderer Infekt
den Organismus in Anspruch nimmt, oder wenn bestimmte innere oder
äußere Reize den Viren Anlaß geben. Dann wittern die
Herpesviren in ihrem Versteck eine Möglichkeit, es noch einmal
zu probieren. Im Rezidiv findet wieder massenhafte
Virusproduktion statt. Entlang der Nervenbahnen kommen sie wieder
aus ihrem Versteck, breiten sich in dem von diesen Nervenbahnen
versorgten Hautareal aus und rufen einen erneuten Ausbruch
hervor.
Wie häufig kann es zu einem Rezidiv kommen?
Von der Art des Herpes hängt
ab, wie oft es zu einem Rezidiv kommen kann. Bei Herpes labialis,
dem Lippenherpes, gibt es keine zahlenmäßige Begrenzung für die
Rezidive. Manche Betroffenen bekommen sogar 2-3x im Jahr Ärger
mit Lippenbläschen, in seltenen Fällen noch häufiger. Bei Gürtelrose dagegen kommt es nur einmal zu einem Rezidiv; nur
Immunsupprimierte können 2-3x eine Gürtelrose bekommen.
Was passiert in der Zwischenzeit?
Das ist je nach Virus
unterschiedlich:
Ist Herpes ansteckend?
Herpesviren sind hoch
ansteckend. Voraussetzung ist aber, daß eine ausreichend große
Virenmenge an die Außenwelt gelangt, und das ist nur bei einer
akuten Erkrankung oder im akuten Rezidiv möglich. In der
Zwischenzeit, der Latenzzeit, besteht keine Ansteckungsgefahr.
Wichtig ist aber, daß eine Ansteckung nicht heißt, daß das
selbe Krankheitsbild ein paar Tage später bei der angesteckten
Person auftritt, denn die angesteckte Person erleidet eine
Erstinfektion, die meist ganz anders abläuft als ein Rezidiv bei
der ansteckenden Person. Die angesteckte Person wird aber zum
Virusträger, selbst wenn die Erstinfektion ohne Beschwerden
verläuft und es nie zum Rezidiv bei ihr kommen sollte.
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