Bernhard
Peter
Dicke
Lippe - aber nicht so!
Über Lippenbläschen und Herpes
(Bitte besprechen Sie
im Zweifelsfall alle Beschwerden und Maßnahmen mit einem Arzt
Ihres Vertrauens!)
Wer
ist der Erreger von Lippenbläschen?
Lippenherpes, Fieberbläschen,
Herpes labialis ist die häufigste Erkrankung, die durch einen
Vertreter der Herpesviren verursacht wird. Der Erreger, der
Herpes simplex-Virus ist weltweit verbreitet. Es gibt eine ganze
Reihe von Herpesviren, die dem Menschen gefährlich werden
können. Sie sind sehr ähnlich hinsichtlich Aufbau, Vermehrung
und Verhalten im menschlichen Organismus. Wir haben deshalb eine
grundlegende Beschreibung von Herpesviren hier für Sie zusammengestellt. Ein Typ dieser
Herpesviren ist der Erreger von Lippenherpes. Einen ersten
Eindruck von ihm gewinnen Sie, wenn Sie den Mauszeiger anschauen.
Den Herpes simplex-Virus gibt es in zwei Unterarten, HSV1 und
HSV2. Die genetische Verwandtschaft der beiden ist groß. Daher
sind die von ihnen hervorgerufenen typischen Krankheitsbilder
(Lippenherpes bei HSV1 und Genitalherpes bei HSV2) klinisch kaum
zu unterscheiden.
Wie
wird der Herpes simplex Virus, Typ 1, übertragen?
Durch direkten Kontakt von
Mensch zu Mensch als Tröpfcheninfektion oder Schmierinfektion
auf verletzte Haut oder Schleimhäute. Während ein Mensch z. B.
eine Erstinfektion durchläuft, ist der Speichel selbst bei
beschwerdefreiem Verlauf bis zu 3 Wochen lang ansteckend. Und das
Sekret der schmerzhaften Lippenbläschen bei einem manifesten
Lippenherpes ist hoch infektiös für seronegative Mitmenschen.
Durch mittelbaren Kontakt über Gegenstände (Eß- und Trinkgeschirr, Kleidung, Handtücher) ist die Gefahr eher gering, weil die Herpesviren eine intakte Hülle brauchen, um in die Wirtszellen eindringen zu können. Außerhalb des Menschen trocknen die Viren schnell aus und sind damit nicht mehr ansteckend.
Die Durchseuchung der Bevölkerung beginnt schon im Kindesalter. Eintrittspforte ist meistens die Mundschleimhaut. Mehr als 85% der Weltbevölkerung sind seropositiv, haben also schon mal mit dem Virus zu tun gehabt. Schon bei 12Jährigen sind es ca. 40%.
Lippenherpes
Kußverbot?
Richtig ist, daß der Inhalt
der Lippenbläschen hochansteckend ist.
Falsch ist, daß der Partner davon ebenfalls nach ein paar Tagen
einen Lippenherpes bekommt. Denn Lippenbläschen ist ein Rezidiv,
nicht die Erstinfektion. Der Partner würde also eine
Erstinfektion bekommen, vielleicht davon gar nichts bemerken und
vielleicht Jahre später (vielleicht auch nie) einen Lippenherpes
bekommen, gespeist aus bis dato verborgenen, latenten Viren.
Richtig ist, daß jemand, der schon seropositiv ist, in der Regel
nicht zum zweiten Mal infiziert wird, und bei 85% Durchseuchung
im Kußalter ist die Mehrzahl der Menschen damit
sicher vor einer Übertragung.
Fazit: Küssen mit Lippenherpes nur bei Personen, die schon eine
Erstinfektion hinter sich hatten und schon Virusträger sind, auf
keinen Fall bei kleinen Kindern.
Wie
verläuft eine Erst-Infektion mit Herpes simplex Typ 1?
Am Anfang steht eine
erstmalige Infektion mit Herpesviren. Meist findet sie schon im
Kindesalter statt, denn die Herpesviren sind so allgegenwärtig,
daß schon frühzeitig ein Kontakt erfolgt. Die Inkubationszeit
beträgt 2-12 Tage. Diese erste Infektion hat nichts mit den
typischen Lippenherpesbläschen gemeinsam. Häufig wird sie gar
nicht bemerkt, weil sie ohne Beschwerden verläuft. Vielfach ist
es auch eine einfache Mundschleimhautentzündung (Gingivitis)
oder Rachenentzündung (Pharyngitis), die man gar nicht bewußt
mit Herpes in Zusammenhang bringt. Die Lippen sind bei einer
Erstinfektion nicht betroffen. Die eingedrungenen Viren lösen
die Bildung gegen sie gerichteter Antikörper aus. Auch bei
beschwerdefreiem Verlauf sind daher ab da Antikörper im Blut
nachzuweisen, der Patient ist seropositiv.
In seltenen schweren Fällen kommt es zu Erosionen in der
Mundschleimhaut (Mundfäule) über 2-3 Wochen und Fieber. Es
kommt zu einem typischen Ausschlag, der ohne Narbenbildung
abheilt.
Über die sensorischen Nervenbahnen wandern die Viren in das zentrale Nervensystem, dort verbergen sie sich und bleiben latent. Dieser Typ Herpes-Viren sucht sich das sog. Ganglion trigeminale als Versteck. Ab der ersten Woche werden die Viren in der Schleimhaut durch das Immunsystem vernichtet. In Form seiner puren Erbinformation kann der Virus jedoch für das Immunsystem unerkennbar und daher unangreifbar in den Nervenzellen überdauern. Diese virentragenden Zellen dienen als lebenslanges Erregerreservoir. Dort bleiben sie, bis sie reaktiviert werden. Sobald das Immunsystem des Infizierten geschwächt ist oder andere innere oder äußere Faktoren dies provozieren, kommt es zu einer erneuten "Reinfektion", den so genannten endogenen Rezidiven.
Wie
ist das mit der Immunität bei Lippenherpes?
Der Erstkontakt bringt
natürlich das Immunsystem dazu, sich gegen den Eindringling zu
wappnen. Eine nochmalige Neuinfektion ist daher ganz selten. Die
Viren aus der ersten Infektion sind aber immer im Körper
vorhanden, lebenslang, und kommen bei günstigen Umständen
wieder hervor ein erneuter Ausbruch ist also nie eine
Neuinfektion, sondern eine Reaktivierung gehabter
Viren, die sich solange versteckt gehalten haben. Die Ärzte
nennen das ein endogenes Rezidiv.
Was
passiert bei einer Reaktivierung der Lippenherpesviren?
Wenn es den Viren günstig
erscheint, wieder zum Vorschein zu kommen, gehen sie den
umgekehrten Weg, vom Nervenknoten in die Schleimhaut zurück,
wieder entlang der Nervenbahnen. Dort am Zielort, auf der
Schleimhaut des Mundes bzw. der Lippen, verursachen die Viren die
bläschenförmige Entzündung, den bekannten Lippenherpes:
Prodromal-Phase: An Anfang stehen Schmerzen, Kribbeln, Brennen oder Jucken der betreffenden Stelle, Spannungsgefühl. Die Haut rötet sich in Folge und wölbt sich zu Papeln.
Bläschenphase: Die Papeln werden zu flüssigkeitsgefüllten Bläschen von 2-5 mm Durchmesser.
Ulcerationsphase: Die Bläschen brechen auf, entlassen hochinfektiöses Sekret und verschmelzen zu geschwürartigen, schmerzhaften und nässenden Wunden
Verkrustungsphase: Danach bilden sich gelbliche, feste Krusten, Schorf überzieht die Fläche. Starker Juckreiz.
Abheilungsphase: Nach Abfall des Schorfes normalisiert sich die Haut wieder, Rötung und Schwellung gehen zurück.
Es müssen nicht immer die Lippen sein, es gibt neben dem Herpes labialis (Lippen) auch Herpes facialis (Gesicht), Herpes nasalis (Nase), Herpes buccalis (Backe) und eine herpesbedingte Keratoconjunctivistis (Augenentzündung).
Wie
lange dauert ein Lippenherpes?
Vom ersten Auftreten von
Beschwerden bis zum Abfallen der Krusten vergehen 9-14 Tage.
Wie
verläuft ein Herpes mit Augenbeteiligung?
Eine gefürchtete Variante des
Herpes simplex ist die Beteiligung des Auges, insbesondere der
Hornhaut, weil Hornhautnarben und Hornhauttrübung die Folge sein
können und zu Sehstörungen bis hin zu Erblindung führen
können.
Was
ist die Mundfäule?
Mundfäule, wissenschaftlich
Gingivostomatitis herpetica oder Stomatitis aphtosa genannt, ist
gekennzeichnet durch gruppierte, schmerzhafte Bläschen und
flache Erosionen der Mundschleimhaut mit entzündlichem Randwall.
Strenger Mundgeruch begleitet die Entzündung. Essen tun weh. Die
Erosionen heilen ohne Behandlung innerhalb von 2-3 Wochen von
selbst ab. Bei Kleinkindern kann die Mundfäule mit schwerem
Krankheitsgefühl, akutem Fieber und Schwellung der betreffenden
Lymphknoten einhergehen.
Was
ist ein sog. Ekzema herpeticatum?
Bei stark vorgeschädigter
Haut, wie es bei einem Ekzem der Fall ist, treten eine Vielzahl
zusammenfließender Herpesbläschen auf, deren Inhalt eintrübt
und sich zur ausgedehnten Erosion umwandelt. Ohne Behandlung kann
es bei dieser Komplikation zu einer Ausbreitung der Bläschen auf
den ganzen Körper kommen, begleitet von hohem Fieber.
Wie
ist ein Rezidiv möglich, obwohl man doch immun sein sollte?
Es ist richtig, daß das
Immunsystem Antikörper bereithält, z. B. für den Fall, daß
sich Herpesviren im Blut blicken lassen. Die Viren tun dies
geschickterweise jedoch nicht, sie benutzen nicht den
verminten Weg über das Blut o. ä., sondern sie
bewegen sich entlang der Nervenbahnen. Sie gelangen nicht in den
sog. interzellularen Raum, wo sie dem Zugriff des Immunsystems
ausgesetzt wären. So gelingt es den Herpesviren, einen Rückfall
zu verursachen.
Wie
häufig bekommt man einen Lippenherpes?
Es gibt keine zahlenmäßige
Begrenzung für die Rezidive. Ein Ausbruch kann immer und immer
wieder passieren, den die latenten Viren sind nicht zu erreichen.
Die meisten Patienten erleiden in ihrem Leben 2-3 Rezidive.
Manche Betroffenen bekommen sogar 2-3x im Jahr Ärger mit
Lippenbläschen, Extremfälle mit einem Rezidiv pro Monat sind
ebenfalls beschrieben worden. Wiederum andere trage den Virus in
sich und haben nie Ärger mit ihm.
Was
kann die Reaktivierung der Lippenherpes-Viren auslösen?
Als Auslösefaktor können
viele Faktoren dafür verantwortlich sein, daß Herpesviren
wieder aus ihrer Latenz erwachen. Dabei gilt eine
Inkubationszeit von 2-7 Tagen, individuell verschieden.
Mögliche Auslöser:
Ab
welchem Alter kann es erstmalig zu einem Rezidiv kommen?
Auch wenn die Durchseuchung
schon im frühen Kindesalter beginnt, beginnen die Ausbrüche von
Lippenherpes als Rezidiv im Mittel erst mit 17 Jahren. In
Einzelfällen ist natürlich auch von früheren Ausbrüchen
berichtet worden.
Wie
behandelt man eine Erkrankung an Lippenherpes?
Das wichtigste Standbein der
Behandlung sind Medikamente, die die Vermehrung der Viren
verhindern, wie z. B. solche mit den Wirkstoffen Aciclovir (5x
täglich auftragen) oder Penciclovir (6x täglich auftragen). Man
gibt den Viren Bausteine, die zwar eingebaut werden, aber nicht
funktionieren. So kann man deren Vermehrung verhindern.
Wenn eine Behandlung mit Anti-Virus-Medikamenten durchgeführt
wird, ist ein früher Behandlungsbeginn wichtig. Denn nur durch
möglichst frühe Behandlung kann man die Virenvermehrung wirksam
unterdrücken. Das ist insbesondere bei dem Wirkstoff Aciclovir
wichtig, bei schon vorhandenen Effloreszenzen auf der Lippe
greift Penciclovir als Wirkstoff besser als Aciclovir. Eine
komplette Viruselimination ist jedoch nicht möglich. Fragen Sie
Ihren Arzt, welches das für Sie geeignete Arzneimittel ist!
Alternativ kann man eine Creme mit Wirkstoffen aus der Melisse verwenden. Wäßrige Auszüge der Melisse behindern das Anheften der Herpesviren an die Oberfläche der Wirtszellen.
Dir dritte Möglichkeit ist 1%iges Zinksulfatgel. Dabei verringert das Zink die Infektiosität freier Herpesviren, indem es die Virusadsorption an die Wirtszelle hemmt und das Eindringen des Virus in die Zelle unterbindet. Wichtig ist auch hier ein möglichst frühzeitiger Behandlungsbeginn, möglichst innerhalb der ersten 12 Stunden nach Auftreten der ersten Beschwerden. Weiterhin fördert Zink die Abheilung der Bläschen.
Auf die Häufigkeit von Rezidiven haben diese Medikamente aber keinen Einfluß. Eine vollständige Eliminierung aus dem Körper ist ebenfalls nicht möglich. Das Versteck ist so tief in den Nervenknoten drin, daß man da einfach nicht heran kommt.
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