Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 3179
Simmern (Rhein-Hunsrück-Kreis)
Epitaphien in der Stephanskirche: Alberta von der Pfalz zu Simmern
Dieses Epitaph aus Tuffstein mit eingesetzter Schiefertafel, angebracht an der Wand neben der Bogenöffnung der Grabkapelle, ist für Alberta Pfalzgräfin bei Rhein (4.4.1538-19.3.1553), die jung und unvermählt starb, geboren und gestorben zu Simmern. Insgesamt sind am Epitaph zwei Inschriften zu lesen. Die kürzere ist kreisförmig ganz oben um das Medaillon mit einer Christusbüste im Aufsatz herum angeordnet, beginnt und endet oben in der Mitte und lautet "CHRISTVS IESVS REX REGVM ET DOMINVS DOMINANTIVM" in Kapitalis - Jesus Christus, König der Könige, Herr der Herrscher. Das Christusmedaillon wurde bei der Restaurierung 1897 durch Carl Wüst erneuert. Auf den gebogenen Seiten laufen Drachen herab.
Das vermutlich von Johann von Trarbach geschaffene Epitaph in Form einer Aedikula ist gegliedert in ein von zwei kannelierten, im unteren Teil skulptierten Halbsäulen flankiertes Hauptfeld mit leicht vertieftem Zentralfeld, nach oben schließend eine Frieszone, dann eine Gebälkzone und dann ein Aufsatz mit einem abschließenden Dreiecksgiebel, darin ein geflügelter Engelskopf auf einem Wolkenband. Nach unten schließen eine Sockelzone und ein Unterhang an. Das Medaillon in der Frieszone zeigt die vollplastische Büste eins Mädchens, frontal herausschauend, vermutlich ein Portrait der Verstorbenen. Beiderseits des Medaillons ist außen auf dem Fries über den Säulen die Datierung des Kunstwerks angebracht, "ANNO" und "1553", verteilt auf zwei schräggestellte Täfelchen.
Das Hauptfeld des Epitaphs enthält die Inschrift mit den biographischen Angaben, zunächst ein lateinischer Teil in Kapitalis "DEO OPT:(IMO) MAX:(IMO) S.(ACRVM) / ERGO SIC VIDEAM LABI PER VISCERA MORTEM / NEC MIHI QVOD DEDERIT CLAROS FORTVNA PARENTES / REGIBVS AEDITA QVOD ATAVIS PALATINAQVE DICOR / NON PROFVIT MISERAE MAGNVM BAIOARIA NOMEN: / AST QVIA CRVDELEM CHRISTVS PER TARTARA MORTEM / FREGIT, ET OBTVLERAT SVA REGNA PETENTIBVS VLTRO / NON QVEROR IN TENEBRIS LVCEM MOX IPSA VISVRA / VIXI ANNOS XIIII MENSES XI DIES XV" - "geweiht dem besten und größten Gott / also sehe ich durch meine Eingeweide den Tod schlüpfen / auch ich, der mir das Schicksal illustre Eltern gegeben hat / der ich von Königen abstamme und Pfalzgräfin genannt werde / auch der große Name der Bayern nützt mir Elenden nichts / aber wie Christus den grausamen Tod durch das Leiden überwunden hat / und sein Königreich den Flehenden jenseits geöffnet hat / so jammere ich nicht in der Finsternis, weil ich ja bald selbst das Licht sehen werde / ich habe 14 Jahre, 11 Monate und 15 Tage gelebt", dann in gemischter lateinisch-deutscher Schreibweise und in Frakturbuchstaben "Anno Domini M D Liii Den xix / Martii Ist In Gott Verscheiden die hoch/gebor(e)ne Furstin Freülein Alberta / Pfalzgrefin bey Rheyn Vnnd / Hertzogin In Bayrn Der / se(e)len der Alm(a)echtig(e) ewig / got(t) gn(a)edig s(e)y Amen". So werden hier auf der zentralen schwarzen Schiefertafel ein siebenzeiliges Grabgedicht und eine ebenfalls siebenzeilige Grabinschrift kombiniert, für ein Kind, das nicht einmal 15 Jahre vollenden konnte.
Insgesamt gibt es am Epitaph 10 Wappen, zwei Vollwappen und acht Wappenschilde, erstere für die Eltern und letztere als Ahnenprobe, erstere auf dem Unterhang und letztere in zwei Viergruppen in der Sockelzone und in der Gebälkzone. Beginnen wir mit den Wappen ihrer Eltern: Alberta Pfalzgräfin bei Rhein war die älteste Tochter von (1) Friedrich II. von Pfalz-Simmern (14.2.1515-26.10.1576), der ab 1559 als Friedrich III. Kurfürst von der Pfalz war, und seiner ersten Frau, (2) Markgräfin Maria von Brandenburg-Kulmbach (1519-31.10.1567). Die Beiden hatten 1537 in Crailsheim geheiratet.
Entsprechend sehen wir heraldisch rechts das vollständig gewendete pfalzgräfliche Wappen, geviert, Feld 1 und 4: Pfalz, in Schwarz ein goldener, rot bewehrter und ebenso gekrönter Löwe, Feld 2 und 3: Wittelsbach-Bayern, silbern-blau schräggerautet, auf dem gekrönten Helm mit schwarz-roten Decken zwischen einem blau-silbern schräggerauteten Paar Büffelhörnern ein goldener, gekrönter und rot bewehrter Pfälzer Löwe, und heraldisch links das markgräflich-brandenburgische Wappen, geviert, Feld 1: Markgrafschaft Brandenburg, in Silber ein roter, golden bewehrter Adler, Feld 2: Burggrafschaft Nürnberg, innerhalb eines silbern-rot gestückten Bordes in Gold ein schwarzer Löwe, Feld 3: Grafschaft Hohenzollern, silbern-schwarz geviert, Feld 4: Herzogtum Pommern, in Silber ein roter, golden bewehrter Greif, auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen oder schwarz-silbernen Decken ein schwarzer, mit goldenen Kleestengeln belegter und mit gestürzten silbernen oder goldenen Lindenblättchen bestreuter Flug. Die Wappen werden beiderseits von je einem bekleideten Eroten und unten von einem hockenden Satyr oder Faun begleitet.
Die Großeltern waren väterlicherseits (1) Johann II. Pfalzgraf bei Rhein zu Simmern Herzog von Bayern (21.3.1492-18.5.1557) und (3) Beatrix von Baden (22.1.1492-4.4.1535) sowie mütterlicherseits (2) Kasimir Markgraf von Brandenburg-Ansbach (27.9.1481-21.9.1527), welcher erst eine geistliche Karriere machte, 1491-1507 Domherr zu Würzburg, 1494-1500 Domherr zu Augsburg, 1495-1507 Domherr zu Köln, 1496-1509 Domherr zu Bamberg und 1497-1507 Domherr zu Mainz war, dann resignierte und 1515 Markgraf in Kulmbach, 1521 zu Bayreuth und 1523 in Jägerndorf wurde, schließlich aber an der Ruhr in Budapest starb und am 15.11.1527 in Heilsbronn begraben wurde, und seine Frau, (4) Susanne von Bayern (2.4.1502-1543).
Weil die Ahnenprobe dieses Epitaphs insgesamt 8 Wappenschilde trägt, müssen wir bei der Betrachtung noch eine Generation zurückgehen bis zu de Urgroßeltern, das waren väterlicherseits (1) Johann I. Pfalzgraf bei Rhein zu Simmern Herzog von Bayern (15.5.1459-27.1.1509) und (5) Johanna Gräfin von Nassau-Saarbrücken (14.4.1464-7.5.1521) sowie (3) Christoph I. Markgraf von Baden (1453-19.4.1527) und (7) Ottilie von Katzenelnbogen (-15.8.1517). Mütterlicherseits waren die Urgroßeltern (2) Friedrich I. Markgraf von Brandenburg-Ansbach (8.5.1460-4.4.1536) und (6) Zofia von Polen (6.5.1464-5.10.1512) sowie (4) Albrecht IV. Herzog von Bayern (15.12.1447-1508) und (8) Kunigunde von Österreich (16.3.1465-6.8.1520).
In der Anordnung wird anders als erwartet sortiert. Man könnte meinen, oben die Reihenfolge (3) - (1) - (2) - (4) und unten entweder (5) - (7) - (8) - (6) oder (7) - (5) - (6) - (8) zu erwarten, findet aber tatsächlich die Anordnung (5) - (1) - (3) - (7) oben und (6) - (2) - (4) - (8) unten. Es findet also eine Auftrennung in die väterliche Urgroßelterngruppe oben im Gebälkbereich und die mütterliche Urgroßelterngruppe unten im Sockelbereich statt, und innerhalb jeder Gruppe wird logisch von innen nach außen und von heraldisch rechts nach links entwickelt. Daß die Eltern im Unterhang nebeneinander stehen, mag genügen; in der Ahnenprobe stehen sie mit großem Abstand übereinander. Die Ahnenprobe hat quasi einen übergreifenden mittleren Block mit den Wappen, die bis zur Großelternebene hinzugekommen sind, und einen äußeren Block, bestehend aus den beiden äußeren Spalten, mit den Wappen, die erst in der Urgroßelternebene hinzukommen.
Im einzelnen sehen wir in der Ahnenprobe in der Gebälkzone folgende Wappenschilde, von optisch links nach rechts: (5) Grafen von Nassau-Saarbrücken, geviert, Feld 1 und 4: Grafschaft Saarbrücken, in blauem, mit silbernen, fußgespitzten und widergekreuzten Kreuzchen (Steckkreuzchen) bestreutem Feld ein silberner, rot gekrönter Löwe, Feld 2 und 3: Grafschaft Nassau, in blauem und mit goldenen aufrechten Schindeln bestreuten Feld ein goldener Löwe, rot gezungt, rot bewehrt und ebenso gekrönt, (1) Pfalzgrafen bei Rhein zu Simmern, geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: Pfalz, in Schwarz ein goldener, rot bewehrter und ebenso gekrönter Löwe, Feld 2 und 3: Wittelsbach-Bayern, silbern-blau schräggerautet, Herzschild: Grafschaft Sponheim, blau-golden geschacht (in dieser Farbgebung ist das Wappen z. B. im Lehenbuch von Kurfürst Ludwig V. von der Pfalz für Albertas Großvater dargestellt).
Die nächsten beiden Wappenschilde stehen für (3) die Markgrafen von Baden, geviert, Feld 1 und 4: Markgrafschaft Baden, in Gold ein roter Schrägrechtsbalken, Feld 2 und 3: Grafschaft Sponheim, von Rot und Silber geschacht, und (7) die Grafen von Katzenelnbogen, in Gold ein roter, hersehender Löwe, blau bewehrt und eigentlich auch noch blau gekrönt, das fehlt hier.
Im einzelnen sehen wir in der Ahnenprobe in der Sockelzone folgende Wappenschilde, von optisch links nach rechts: (6) Königreich Polen, in Rot ein silberner Adler, hier einwärts gewendet, (2) Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach, geviert, Feld 1: Markgrafschaft Brandenburg, in Silber ein roter, golden bewehrter Adler, Feld 2: Burggrafschaft Nürnberg, innerhalb eines silbern-rot gestückten Bordes in Gold ein schwarzer Löwe, Feld 3: Grafschaft Hohenzollern, silbern-schwarz geviert, Feld 4: Herzogtum Pommern, in Silber ein roter, golden bewehrter Greif.
Die nächsten beiden Wappenschilde stehen für (4) die Herzöge von Bayern, geviert, Feld 1 und 4: Pfalz, in Schwarz ein goldener, rot bewehrter und ebenso gekrönter Löwe, Feld 2 und 3: Wittelsbach-Bayern, silbern-blau schräggerautet, und (8) die Erzherzöge von Österreich, in Rot ein silberner Balken.
Ein Epitaph für Albertas Großeltern väterlicherseits befindet sich in der Grabkapelle der Kirche. Für Albertas jüngere Schwester und ihren Mann gibt es in der Grabkapelle der ehemaligen Stiftskirche von St. Goar ein Kenotaph, denn Anna Elisabeth Pfalzgräfin bei Rhein (1549-20.9.1609) hatte in erster Ehe Philipp II. Landgraf von Hessen-Rheinfels (22.4.1541-1583) geheiratet, doch der Kenotaph ist leer, denn ihr Mann starb vor ihr, und sie heiratete danach 1599 in Braubach Johann August Pfalzgraf bei Rhein zu Lützelstein Herzog von Bayern (26.11.1575-18.9.1611). Albertas jüngerer Brüder war Ludwig VI. Kurfürst von der Pfalz (4.7.1539-22.10.1583), der ab 1576 Kurfürst war.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@49.9849144,7.523126,20z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@49.9849144,7.523126,81m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Gemeindeverbund Simmern: https://www.hunsrueck-evangelisch.de/ - Simmern: https://www.hunsrueck-evangelisch.de/kirchorte/simmern/
Stephanskirche Simmern auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Stephanskirche_(Simmern)
Webseite der Stadt Simmern: https://www.simmern.de/kultur-tourismus/freizeit-und/gaestefuehrungen/auf-entdeckertour-durch-die-stephanskirche-1
Stephanskirche Simmern: https://www.kirchweg-am-simmerbach.de/kirchen-kapellen/evangelische-stephanskirche-simmern-hunsrueck/
Webseite des Hunsrück-Museums zur Stephanskirche: https://www.hunsrueck-museum.de/stadtrundgang-simmern/stephanskirche/
Die Inschriften der evangelischen Stephanskirche in Simmern,
bearbeitet von Susanne Kern, Serie Inschriften
Mittelrhein-Hunsrück 12, hrsg. von der Akademie der
Wissenschaften und der Literatur, Mainz, und dem Institut für
Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e. V., Mainz
2008
Veröffentlichung der Innenaufnahmen aus der Stephanskirche in
Absprache mit Pfarrerin Frau Dr. Christina Risch, ein herzliches
Dankeschön für die wohlwollende Erlaubnis vom 16.7.2025
Deutsche Inschriften Bd. 79, Rhein-Hunsrück-Kreis II, Nr. 81
(Eberhard J. Nikitsch), in: www.inschriften.net,
urn:nbn:de:0238-di079mz12k0008106 - https://www.inschriften.net/rhein-hunsrueck-kreis-ii/inschrift/nr/di079-0081.html
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