Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 3123
Rauschenberg (Landkreis Marburg-Biedenkopf)
Evangelische Stadtkirche Rauschenberg
Die evangelische Stadtkirche Rauschenberg befindet sich im Südwesten der Stadt in unmittelbarer Nähe zum letzten verbliebenen Stadttor und am Aufgang zur Schloßruine (im Dreißigjährigen Krieg gesprengt). Die gotische Stadtkirche entstand im wesentlichen 1266, nachdem ein Brand die Vorgängerkirche und den größten Teil der Ortschaft vernichtet hatte. Zur Förderung des Wiederaufbaus wurden dem Ort am 25.5.1266 die Stadtrechte verliehen. Die ältesten Teile der Kirche sind das nördliche Seitenschiff und die Westwand des Hauptschiffs zum Turm. Das Hauptschiff stammt im wesentlichen aus dem 14. Jh. Im Jahre 1453 wurde die Kirche erweitert; aus dieser Zeit stammen der Chor und die Strebepfeiler. Der Turm ist noch später errichtet worden, nämlich 1517-1518; der bisherige Turm war 1517 einem erneuten Stadtbrand zum Opfer gefallen. Die Haube des Turmes gehört stilistisch bereits der Renaissance an.
An der Südseite der Kirche befinden sich am Pfeiler rechts des Eingangs mehrere Wappen nebst Bauinschrift. Heraldisch rechts sehen wir das Wappen der Grafschaft Ziegenhain (schwarz-golden geteilt, oben ein silberner sechsstrahliger Stern, nach mehreren verschiedenen Varianten heute als Stadtwappen von der Stadt Rauschenberg genau so geführt), gegenüber das Wappen der Grafschaft Waldeck (in Gold ein schwarzer, achtstrahliger Stern). Diese Wappenkombination gehört zu Elisabeth von Waldeck (-23.4.1462), die 1453 den Chor im spätgotischen Stil erneuern und auch sonstige Renovierungsarbeiten an der Kirche vornehmen ließ. Sie war die Tochter von Graf Heinrich VII. von Waldeck zu Waldeck (1370-) und Margarethe von Nassau-Wiesbaden-Idstein. Am 5.1.1417 hatte Elisabeth Johann II. Graf v. Ziegenhain (-14.2.1450), gen. der Starke, geheiratet, den Sohn von Gottfried VIII. Graf von Ziegenhain (-1394) und Agnes von Braunschweig-Göttingen. Johann, seit 1402 Graf, hatte zunächst eine kirchliche Laufbahn eingeschlagen, war 1393-1406 Domherr in Trier, 1403 Domherr zu Mainz, doch dann resignierte er von seinen geistlichen Stellungen aufgrund des drohenden Aussterbens der Familie und heiratete. Doch auch diese Ehe blieb kinderlos, sodaß das Erlöschen der Familie nicht aufzuhalten war.
Er traf als letzter Graf von Ziegenhain und Nidda zu Lebzeiten Vereinbarungen, was mit seinen beiden Grafschaften, Ziegenhain und Nidda, geschehen sollte: Der Übergang der Grafschaft Ziegenhain-Nidda vollzog sich juristisch in mehreren Stufen: Eigentlich war es ein Lehen von Fulda, doch Johann II. Graf v. Ziegenhain (-14.2.1450) ließ sich 1420 von Kaiser Sigismund direkt mit der Grafschaft Nidda, Burg und Stadt, der Grafschaft Ziegenhain, dazu mit den Zöllen zu Treysa und Gemünden belehnen, ein geschickter politischer Schachzug, der Fulda ausbootete. Die Grafschaft war damit neben Hessen und dem Erzbistum Mainz ein territoriales Schwergewicht, das jetzt politisch auf gleicher Ebene verhandeln konnte, denn es war neben den Genannten die drittgrößte Macht im betreffenden Großraum. Obwohl die beiden letztgenannten auf die Grafschaft "geierten", als das Aussterben der Familie abzusehen war, gab Graf Johann den Landgrafen den Vorzug und schloß am 29.6.1428 einen Schutzvertrag mit den Landgrafen von Hessen ab, auch vor dem Hintergrund des militärischen Sieges von Landgraf Ludwig dem Friedfertigen bei Fritzlar und Fulda 1427, gefolgt von der Auftragung der Grafschaft zu Lehen am 2.2.1437 für den Todesfall. Die Abteien Fulda und Hersfeld, deren Äbte nominell Lehnsherren über das Gebiet waren, wurden durch eine finanzielle Abfindung dazu bewogen, am 2.2.1437 den Kontrakt zu befürworten und den Weg für den Übergang der Grafschaften an den Landgrafen zu ebnen. Johann II. trug also seine Grafschaften dem Landgrafen zu Lehen auf und erhielt sie als Erbmannlehen zurück, mit Zustimmung seiner Frau, was Elisabeth von Waldeck 1443 noch einmal bekundete. Am 10.5.1450 beurkundete sie noch einmal die Verschreibung an die Landgrafen. Der Übergang dieser territorialen "Sahneschnitte" an die Landgrafen blieb nicht unangefochten, die Grafen von Hohenlohe machten Ansprüche geltend - und nahmen auch die entsprechenden Elemente in ihr Wappen auf - vergeblich, denn 1495 wurde der 45 Jahre dauernde "hessisch-hohenlohische Erbstreit" endgültig zugunsten der Landgrafen entschieden, wobei immerhin noch die Landgrafen von Hessen den Hohenloher Grafen das Niddaer Ziegenhainer Land für 9000 Gulden abgekauft hatten, um Rechtsfrieden zu haben. So kamen die Grafschaften aufgrund der Verträge nach seinem und seiner Witwe Ableben in landgräflich-hessischen Besitz.
Im Jahre 1453, als die Kirche spätgotisch umgebaut wurde, war also bereits der Todesfall eingetreten; Johann II. wurde in Haina beigesetzt, wo sich sein Grabstein in der Klosterkirche befindet (4 Wappen: Ziegenhain gespalten mit Nidda, Braunschweig, Falkenstein-Münzenberg, Hessen). Elisabeth von Waldeck hatte als Wittum Burg und Stadt Ziegenhain, Burg und Stadt Rauschenberg, Schwarzenborn, die Landsburg sowie Burg und Stadt Neukirchen erhalten, was sie am 10.5.1450 gegenüber dem Landgrafen bekundete. Sie verwaltete ihren Besitz, zu dem auch Burg und Stadt Rauschenberg gehörten, so, daß alle ihre Güter nach ihrem eigenen Tod unverpfändet an den Landgrafen zurückfallen sollen. Elisabeth von Waldeck lebte auf Burg Rauschenberg; ihr Wittum stand solange de facto unter ihrer eigenen Verwaltungs- und Gerichtshoheit. Erst nach ihrem Tod kam der ihr als Wittum verbliebene Rest der Grafschaft Ziegenhain endgültig an die Landgrafen von Hessen.
Unter diesem Wappenstein befindet sich eine eingeritzte Sonnenuhr mit einem zweiten Wappen, in der vorliegenden Farbfassung der Ritzzeichnung schwarz-silbern schräggeteilt mit einem dreimal nach der Figur silbern-schwarz geteilten Schrägbalken, auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken ein Paar wie der Schild bezeichneter Büffelhörner, das Wappen der von Weitershausen der Rauschenberger Linie. Das gleiche Wappen taucht am Treppenturm des Rathauses auf. Im Siebmacher ist es in einer anderen Form für die Hauptlinie verzeichnet, von Schwarz und Silber fünfmal bzw. mehrmals schräggeteilt (Siebmacher Band: He Seite: 30 Tafel: 34 und Band: PrE Seite: 213 Tafel: 185), also mit gleichen Abständen, ebenso im Rietstap. Die Hintergründe werden beim Rathaus erläutert.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@50.8828817,8.9125276,21z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@50.8828817,8.9125276,40m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Elisabeth von Waldeck auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_von_Waldeck_(Ziegenhain)
Johann II. von Ziegenhain in Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_II._(Ziegenhain)
Erläuterungstafel an der Kirche
Stadtkirche Rauschenberg: https://de.wikipedia.org/wiki/Evangelische_Stadtkirche_Rauschenberg
Familie von Weitershausen: https://de.wikipedia.org/wiki/Weitershausen_(Adelsgeschlecht)
Ein herzliches Dankeschön an Frau Eva-Maria Klingelhöfer und an
Herrn Helmut Klingelhöfer, beide aus Rauschenberg, für die
Identifizierung des Wappens Weitershausen und den Hinweis auf die
spannende Geschichte hinter diesem Wappen
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