Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3074
Bad Waldsee (Landkreis Ravensburg)

Die Pfarrkirche St. Peter in Bad Waldsee (ehem. Stiftskirche)

In der fürstlich-waldburgischen Gruftkapelle, die sich am Ostende des linken Seitenschiffs der ehemaligen Augustinerchorherrenstiftskirche und heutigen Pfarrkirche St. Peter befindet, haben sich drei spätgotische Grabdenkmäler erhalten, teilweise von herausragender künstlerischer Qualität. Diese Kapelle wird auch als Beichtkapelle bezeichnet. Sandsteinplatten im Boden in der Kapellenmitte markieren den alten Gruftzugang.

Epitaph für Katharina von Cilli
Von diesem aus einem Kirchen-Vorgängerbau übernommenen Grabdenkmal sind noch die bronzenen Beschläge der Steinplatte erhalten und an der Wand montiert. Das ist einerseits der umlaufende Schriftfries mit vier Medaillons mit den Evangelisten-Symbolen in den Ecken, der Adler für Johannes optisch links oben, der Löwe für Markus rechts unten, der Stier für Lukas links unten und der Engel für Matthäus rechts oben. Die Inschrift selbst besteht aus gotischen Minuskeln und lautet: "An(n)o d(omi)ni (m) ccclxxx / viiii die sabati ante festvm Mari(a)e magdalen(a)e / obyt katherina co(m)iti/ssa de zili vxor d(omi)ni Johan(n)is dapife(r)i de waltpurg militis" - Im Jahre des Herrn 1389 am Samstag vor dem Fest von Maria Magdalena starb Katharina Gräfin von Cilli, die Ehefrau des Ritters Johann Truchseß von Waldburg. Zur Datierung: Maria Magdalena wird am 22.7. begangen. Im Jahr 1389 war das ein Donnerstag. Rechnen wir auf den Samstag davor zurück, erhalten wir als genaues Todesdatum den 17.7.1389. Aufgrund der nachfolgenden baulichen Veränderung der Kirche ist diesem Kunstwerk kein definiertes Grab mehr zuzuordnen, es ist daher quasi ein Kenotaph. Zugleich sind diese Bronzebeschläge das älteste Kunstwerk in der ehemaligen Stiftskirche St. Peter, die erst ab dem Jahr 1479 errichtet wurde.

 




Katharina von Cilli (-17.7.1389) war die Tochter von Friedrich I. Graf von Cilli (-1359) und Diemut von Walsee. Dieser Friedrich war ein geborener Freier von Sanneck, nämlich der Sohn von Ulrich von Sanneck und Gräfin Katharina von Heunburg. Die Grafen von Heunburg erloschen 1322, und dadurch erbte Friedrich deren riesige Besitzungen, Burgen und Herrschaften, u. a. die Hälfte von Cilli. Da seine Onkel väterlicherseits ohne Erben blieben, erbte er auch den Besitz der von Sanneck, außerdem erwarb er selber weiteren Besitz hinzu. Aufgrund seines Ansehens und seiner riesigen Ländereien wurde er am 16.4.1341 in München zum ersten Grafen von Cilli erhoben. 1332-1350 war er Landeshauptmann von Krain und auf der Windischen Mark und 1337-1352 war er Vogt von Stift Oberburg. Dessen Tochter war diese Katharina hier, doch Johann Truchseß von Waldburg (-1424) war erst ihre zweite Wahl, nachdem sie zuvor in erster Ehe Albert IV. (III) Graf von Görz (-1374) geheiratet hatte.

Aber auch für Johann Truchseß von Waldburg war es die zweite Ehe, denn er hatte in erster Ehe Elisabeth von Habsburg-Laufenburg geheiratet, dann diese Katharina von Cilli in zweiter Ehe, nach ihrem hier belegten Ableben in dritter Ehe Elisabeth von Montfort und schließlich in vierter Ehe Ursula Freiin von Abensberg (-30.1.1422), und seine letzte Frau überlebte er noch um zwei Jahre. Johann Truchseß von Waldburg war der Vater der drei Brüder, die unter sich die Güter aufteilten und die Linie Waldburg-Sonnenberg, die Jakobische und die Georgische Linie bildeten: Hier war alles noch in einer Hand, hier sind wir an der Wurzel aller Linien des Hauses Waldburg: Er erbte von seinem Vater die Schlösser Waldburg, Wolfegg, Zeil und die Stadt Wurzach. In der Truchsessen-Chronik wird er abgebildet, mit seinem Wappen, umgeben von den vier Schilden seiner vier Ehefrauen (im Uhrzeigersinn: 1.) in Gold ein roter Löwe, 2.) schwarz-silbern schräggeteilt, 3.) in Silber eine rote, dreilätzige Kirchenfahne, 4.) wie hier, aber gewendet und mit mehr Teilungen). Der Vorteil von vier Ehen war, daß er jedesmal die Mitgift einstreichen konnte, was ihn in die Lage versetzte, von Österreich Herrschaften als Pfand zu erwerben (darunter auch die Stadt und Grafschaft Waldsee), wodurch er die Basis für den umfangreichen Besitz und Wohlstand des Hauses Waldburg schuf. Insbesondere diese Frau, Katharina, war eine der vermögendsten Frauen der damaligen Zeit und brachte ihrem Mann sehr viel Geld ein.

In der Mitte sind die zwei Schilde des Ehewappens einander zugeneigt. Das Stammwappen der Truchsesse von Waldburg heraldisch rechts zeigt in Gold drei einwärtsgewendete, schwarze, schreitende Löwen übereinander, hier allesamt hersehend. Das Motiv leitet sich vermutlich davon ab, daß die Familie früher zu den Ministerialen der Staufer gehörte und das Wappen ihrer Dienstherren annahm, das der schwäbischen Herrscher, wie in so vielen anderen Fällen. Die nicht dargestellte Helmzier wäre zu schwarz-goldenen Decken auf einem roten, golden bequasteten Kissen ein grüner (naturfarbener) Pfauenfederbusch. Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: FstM Seite: 66-67 Tafel: 143-146, Band: Pr Seite: 31 Tafel: 35, Band: Bad Seite: 2 Tafel: 3. Das Wappen für die Ehefrau heraldisch links ist geviert (Grafschaft Cilli), Feld 1 und 4: in Blau drei (2:1) goldene sechsstrahlige Sterne (Grafen von Heunburg), Feld 2 und 3: in Silber zwei rote Balken, hier auf drei Teilungen reduziert (Stammwappen Sanneck, Žovnek). Das Wappen fand nach dem Aussterben der Grafen von Cilli als Feld Eingang in die Habsburger-Wappen, und es wird heute noch so von der gleichnamigen Stadt geführt.

Epitaph für Georg (Jörg) II. Truchseß von Waldburg
Ganz analog ist eine in den Boden eingelassene Grabplatte konzipiert: Auch hier sind die bronzenen Beschläge auf eine Steinplatte montiert. Genauso wie bei der anderen Platte besitzt der umlaufende Schriftfries vier Medaillons mit den Evangelisten-Symbolen in den Ecken. Die gleichen Symbole wie oben beschrieben lassen sich an den gleichen Positionen wiederfinden; der einzige Unterschied ist, daß hier die jeweiligen Schriftbänder lesbar mit Namen versehen sind. Die Inschrift selbst besteht aus gotischen Minuskeln und lautet: "Anno d(omi)ni m cccc lxxxiiii starb / Die wo(h)lgepor(e)n(e) fraw anna grefin zu Kirch perg s(e)in gemachel am x tag des merczen / Anno d(omi)ni m cccc lxxxii starb der / Edel her(r) iörg truchsäss zu waltpurg r(i)t(ter) Am x tag des merczen dene(n) gott gn(a)edig s(e)y" - im Jahre des Herrn 1484 starb die wohlgeborene Frau Anna Gräfin zu Kirchberg, seine Gemahlin, am 10. Tag des März, im Jahre des Herrn 1482 starb der Edelherr Georg (Jörg) Truchseß von Waldburg, Ritter, am 10. Tag des März, denen Gott gnädig sei. Eigentlich müßte man bei der Lesung mit dem Ehemann beginnen, weil der zuerst verstorben ist und weil sich in der optisch linken oberen Ecke typischerweise der Inschriftsbeginn befindet, andererseits ist es unlogisch, wenn der aus Platzgründen dort positionierte Segenswunsch für beide noch vor der Ehefrau gelesen wird, denn dort wird Plural "dene(n)" verwendet, und solche Wünsche stehen typischerweise immer ganz am Ende. Da die Platte für beide Ehepartner gemeinsam angefertigt wurde, war hier wohl der Platzbedarf für die Reihenfolge der Nennung ausschlaggebend. Aufgrund der ungünstigen, hinter einer Absperrung liegenden Position der Platte wird die Inschrift in Stücken wiedergegeben:

Georg (Jörg) II. Truchseß von Waldburg zu Wolfegg und Zeil (-10.3.1482), genannt der Lange, war der Sohn von Georg I. von Waldburg (-10.3.1467), dem Begründer der Georgischen Linie, und Eva von Bickenbach. Sein Großvater war der zuvor beim ersten Epitaph vorgestellte Johann II. Truchseß von Waldburg (-1424), allerdings entstammt diese Linie aus dessen Ehe mit Ursula Freiin von Abensberg (-30.1.1422). Die Linie wurde fortgesetzt von Georgs Sohn, Johann III. Truchseß von Waldburg zu Wolfegg und Zeil (-19.10.1511). Die Ehefrau Anna von Kirchberg (-10.3.1484) war die Tochter von Konrad VII. Graf von Kirchberg (-5.6.1470) aus der Linie zu Wullenstetten und Anna Gräfin von Fürstenberg.

In der Mitte sind die zwei Schilde beider Ehepartner zusammengestellt. Das Stammwappen der Truchsesse von Waldburg heraldisch rechts zeigt in Gold drei aus Courtoisie einwärtsgewendete, schwarze, schreitende Löwen übereinander, hier allesamt hersehend. Das heraldisch linke Wappen ist das der Grafen von Kirchberg, in Silber eine schwarze, golden gekrönte Mohrin, in der Rechten eine silberne, golden gesäumte Inful (Bischofsmütze, Mitra) emporhaltend. Die hier nicht verwendete Helmzier wäre zu schwarz-silbernen Decken eine wachsende Mohrin mit Bischofsmütze.

Epitaph für Georg I. Truchseß von Waldburg
Das dritte, künstlerisch beste und heraldisch wie familiengeschichtlich bedeutendste Epitaph ist dasjenige für Georg I. Truchseß von Waldburg (-10.3.1467), den Begründer der Georgischen Linie. Das Epitaph ist über dem zuvor beschriebenen an der Südwand der Gruftkapelle befestigt. Vermutlich handelt es sich dabei um die Deckplatte eines Hochgrabes, der einst im Chor aufgestellt war und im Zuge der Barockisierung hierhin transferiert wurde. Die bronzenen Beschläge, die von großer künstlerischer Meisterschaft sind und zu den bedeutendsten spätmittelalterlichen Metallplastiken gehören, sind auf eine hölzerne Untergrundplatte montiert. Das Kunstwerk steht bedingt zwischen den beiden zuvor vorgestellten Epitaphien, denn Georg I. ist einerseits der Sohn von Johann II. Truchseß von Waldburg (-1424), aber nicht aus dessen Ehe mit Katharina von Cilli (-17.7.1389) vom ersten vorgestellten Grabdenkmal, sondern aus seiner vierter Ehe mit Ursula Freiin von Abensberg (-30.1.1422). Und Georg I. ist anderseits der Vater von Georg (Jörg) II. Truchseß von Waldburg zu Wolfegg und Zeil (-10.3.1482) von dem zweiten vorgestellten Grabdenkmal. Und dieser Georg I. ist der Urgroßvater des berühmten Georg III. Erbtruchseß von Waldburg zu Wolfegg und Zeil (25.1.1488-29.5.1531), genannt Bauernjörg.

Die links, oben und rechts an drei Seiten umlaufende Inschrift in gotischen Minuskeln lautet: "Nach C(h)risti unnsers lieben herren gepurt tause(n)t vi(e)rhundert unnd in d(e)m Si(e)ben und / sechczigisten ia(h)re am zinstag nach mittervasten starb der edel gestreng herr Joerg Tru/chses(s) Ritter zu Wal(t)purg der (a)eltter(e) dem got(t) gn(a)edig sey amen". Der von zwei ornamentalen Bordüren eingefaßte Randstreifen zieht sich auch an den verbleibenden Seiten der Komposition entlang, ist aber dort ohne inschriftliche Inhalte. Innerhalb dieses Rahmens ist die Ritterfigur aufgebahrt. Georg ist vollständig in eine feinste Plattenrüstung Mailänder Machart gekleidet. Die Rüstung ist unglaublich detailreich und wirklichkeitsnah gearbeitet. Jeder einzelne Lederriemen ist mit Schnallen und Nieten einzeln und technisch plausibel nachvollziehbar. Die Achselhöhlen verdecken runde, außen gedornte Schulterkacheln mit zahlreichen gebogenen Radialgraten. Nur den mit seitlichem Löwenschmuck versehenen Helm hat Georg abgelegt; er wird rechts neben seinem Kopf separat dargestellt. Georg liegt barhäuptig mit schulterlanger Lockenpracht auf zwei aufeinander gestapelten und gegeneinander um 45° verdrehten Kissen. Diese blonde Lockenpracht, die ihm den Spitznamen "Georg mit dem schönen Haar" eingebracht hat, ist auch auf seiner Abbildung in der Truchsessenchronik zu sehen. Die Hände hält er vor der Brust mit gespreizten Fingern; vermutlich hielt die Figur früher einmal etwas in ihren Händen, etwas Kleines und doch gleichmäßig Fülliges, und vor allem etwas Bedeutsames, dazu später. Um die Hüfte hängt ein Lederriemen, an dem an der linken Seite das Schwert befestigt ist. Die vorne spitz zulaufenden, sich an der damaligen Schnabelschuhmode orientierenden Plattenschuhe sind nach unten gezogen und ragen über den Plattenrand hinaus; auch das spricht für eine einstig liegende Anbringung des Kunstwerks. Auch die Schuhe sind wie die restliche Rüstung sehr detailverliebt gearbeitet, mit ihren neun verschiedenen Lamellen, mit dem fixierenden Schnallenriemen am Knöchel etc. Beide Füße ruhen auf kleinen, schräg nach außen gewendeten und den Betrachten anschauenden Löwen.

Interessant ist die Datumsangabe "am zinstag nach mittervasten" - Mitfasten ist die Mitte der 40 Tage währenden Fastenzeit. Im Jahre 1467 fiel der Ostersonntag auf den 29.3. Entsprechend war der Aschermittwoch der 18.2.1467. Die Mitte der Fastenzeit ist rechnerisch nach 20 Tagen, also am 9.3.1467. Die Bezeichnung "Zinstag" deutet hier nicht auf den Tag, an dem Zinsen fällig sind, sondern ist eine alternative Bezeichnung für den Dienstag, die sich von dem Himmels- und Kriegsgott Tyr, hd. Ziu (Tiu) ableitet, der dem griechischen Zeus und dem römischen Jupiter entspricht. Aus dem ahd. "ziostac" und dem mhd. "zistac" entwickelte sich der schwäbisch-alemannische "Ziestag", "Zistig" oder auch "Tistag", was im 14. Jh. zu "Zinstag" verballhornt wurde. Aus dem analogen angelsächsischen "Tiv" entwickelte sich der "tivesdag", aus dem schließlich das englische "tuesday" wurde. Und der Dienstag nach Mittfasten ist dann in unserem Falle der 10.3.1467.

 

Blickt man auf die beiden Wappen rechts und links der Ritterfigur, wird es spannend: Der ursprüngliche Name des Geschlechts der Truchsessen von Waldburg war "von Tanne". Es gab nämlich ein älteres Haus Waldburg, das 1210 im Mannesstamm erloschen ist. Zu diesem gehört Kuno (Cuno, Cono) von Waldburg, Abt des Klosters Weingarten und Verfasser des Augustinuskommentars. Die letzten männlichen Mitglieder der Familie waren Heinrich von Waldburg (-1210), seit 1183 Truchseß und seit 1198 Reichstruchseß, und Friedrich von Waldburg (-1198), seit 1192 Truchseß und ebenfalls seit 1198 Reichstruchseß, wobei letzterer bei einem Aufstand in Viterbo erschlagen wurde. Dann trat eine zweite Familie auf den Plan, die von Tanne, vermutlich mit dem älteren Haus Waldburg verwandt und ein Ministerialengeschlecht der Welfen und später der Staufer. Die von Tanne übernahmen Besitz und Ämter und nahmen den Namen Waldburg an. Die von Eberhard von Tanne-Waldburg (-1234) abstammende Familie bildet das jüngere Haus Waldburg, aus dem sich das derzeitige Haus Waldburg entwickelte.

Auch wenn man mit dem vom Stauferwappen abgeleiteten Löwenwappen anfing, hielten dennoch bald auch redende Elemente für "von Tanne" Einzug in das Wappen. Ein Schlüssel ist hierbei genau dieses bronzene Epitaph für Georg I. von Waldburg (-10.3.1467), und exakt das macht es heraldisch so bedeutend. Zu beiden Seiten ist ein Vollwappen mit gleichem Schildinhalt, aber unterschiedlichen Kleinoden zu sehen. Das Wappen heraldisch links zeigt die drei Waldburger Löwen im Schild und als Helmzier den Pfauenfederstoß auf einem Kissen, so wie oben beschrieben.

 

Das heraldisch rechte Wappen jedoch zeigt ebenfalls im Schild die drei Waldburger Löwen, aber auf dem gekrönten Helm jedoch eine Tanne mit zahlreichen Tannenzapfen. Es gibt also zweimal das gleiche Schildbild, einmal rechts und einmal links neben dem Ritter, aber jeweils mit unterschiedlicher Helmzier. Die Erinnerung an "Tanne" hält also zunächst über das Kleinod Einzug in die Waldburg-Heraldik. Die Fahne mit den drei Waldburger Löwen steht heraldisch rechts vom Ritter, also auf der Seite mit der Tanne als Kleinod. Das Motiv des Reichsapfels kommt übrigens nicht vor, weder im Schild noch in der Fahne. Eine Theorie von mehreren ist, daß Georg in seinen geöffneten Händen diesen ansonsten auf dem Epitaph fehlenden Reichsapfel hielt - dessen Form würde sogar ideal in den von den Fingern gebildeten Hohlraum passen. Und er würde sozusagen das wichtigste und wertvollste Symbol darstellen, dessen Fehlen sonst nicht plausibel wäre und das hier so seinen ganz besonderen Ehrenplatz erhielte.

 

Im Schild sind auch beim Epitaph für Georg (Jörg) II. Truchseß von Waldburg zu Wolfegg und Zeil (-10.3.1482), vermählt mit Anna von Kirchberg (-10.3.1484), wie oben beim zweiten Epitaph gezeigt, noch keine Symbole für "Tanne" zu finden. Erst später taucht das Tanne-Motiv auch im Schild auf, mit den drei Tannenzapfen als pars pro toto: Eine solche Vermehrung ist auf einem 1568 datierten Stammbuchblatt zu sehen: Ohne Schildhaupt, dafür geviert, Feld 1 und 4: in Blau drei (2:1) aufrechte goldene Tannenzapfen (von Tanne), Feld 2 und 3: in Gold drei schwarze, schreitende Löwen übereinander (von Waldburg). Hier taucht erstmals ein redendes Motiv für den ursprünglichen Familiennamen im Wappen auf. Auf dem gekrönten Helm wird ohne Kissen ein Pfauenschweif geführt; die Helmdecken sind rechts blau-silbern, links schwarz-golden. Auch für Otto von Waldburg Bischof von Augsburg (25.2.1514-2.4.1573) aus der Jakobischen Linie lassen sich Wappen mit den Tannenzapfen nachweisen, ebenso für andere Familienmitglieder. Seit dem späten 17. Jh. ist das Feld Standard in vermehrten Wappen der Familie. Hier in der Stiftskirche von Bad Waldsee sitzen wir sozusagen in der ersten Reihe, als dieses redende Motiv für den ursprünglichen Familiennamen "entdeckt" und angewandt wird.

Detailausschnitt: Kopf von Georg I. Truchseß von Waldburg

Die Proportionen der Ritterfigur sind dem Geschmack der Zeit entsprechend überschlank: Taillenbreite zu Körpergröße haben hier ein Verhältnis von 1:8,7, was für jemanden im Alter von jenseits der 60 Jahre unrealistisch sein dürfte (sein Geburtsjahr ist nicht sicher zu ermitteln, der maximal mögliche Zeitrahmen ist 1399-1427). Selbst für sehr schlanke Menschen sollten wir ein Verhältnis von maximal 1:6 annehmen dürfen. Die Darstellung ist zudem reichlich idealisierend, mit dem glatten, jugendlichen Gesicht, mit der vollen Haarpracht - tatsächlich ist hier ein Mann von ca. 60-65 Jahren verstorben. Doch nicht daran soll erinnert werden, sondern an den Moment, als dieser Ritter am schönsten, am kraftstrotzendsten, am strahlendsten war, in der Blüte seiner besten Jahre.

 

Detailausschnitte: Waldburger Löwen im Schild und auf der Fahne

Übrigens gibt es noch ein zweites Grabdenkmal für Georg I. Das ist aus Sandstein und steht in der Kapelle Sankt Maria und Georg im Alten Schloß in Bad Wurzach. Große Teile der Inschrift sind verloren gegangen. Auch dort ist der Verstorbene in Rüstung, aber mit abgelegtem Helm dargestellt. Die Hände hat er zum Gebet vor der Brust zusammengelegt. Auf seiner linken Seite ist das Waldburg-Wappen angebracht, mit dem Löwenschild und der Pfauenfeder-Helmzier. Auf der rechten Seite ist der Helm positioniert. In künstlerischer Hinsicht reicht das dortige Epitaph trotz Zugutehaltens des anderen Materials in keiner Weise an das hiesige Meisterwerk heran, und auch die Erhaltung läßt zu wünschen übrig. Das Wurzacher Epitaph ist auch weit entfernt von der hier in Bad Waldsee zu sehenden idealtypischen Verfeinerung der ausgehenden Spätgotik.

Georgische Linie und ihre Trennung in Waldburg-Wolfegg und Waldburg-Zeil:
Alle drei heute noch existierenden Linien leiten sich von der Linie Georgs ab. Georgs Linie spaltete sich zunächst in die beiden Linien Waldburg-Wolfegg und Waldburg-Zeil, die sich dann ihrerseits jeweils noch einmal unterteilten.

Abb.: Waldburg-Wappen im Deckenstuck der Pfarrkirche St. Peter, Malerei aus dem 18. Jh.

 

Abb.: Das Fresko an der Decke ist erneut mit dem Waldburg-Wappen versehen. Das aus der Mitte des 18. Jh. stammende Fresko stellt die Hausheiligen der Familie der Truchsesse von Waldburg dar, darunter Willibald, Wunibald und Walburga, und das bedeutendste geistliche Familienmitglied, Otto von Waldburg, Fürstbischof von Augsburg und Kardinal, Mitgründer der Universität Dillingen und des Collegium Germanicum in Rom. Entsprechend trägt auch der schildhaltende geflügelte Putto Mitra und Krummstab.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@47.9216345,9.7524559,20z - https://www.google.de/maps/@47.9216345,9.7524559,84m/data=!3m1!1e3
Seelsorgeeinheit Bad Waldsee:
https://www.seelsorgeeinheit-badwaldsee.de/
Pfarrkirche St. Peter:
https://www.seelsorgeeinheit-badwaldsee.de/kirchen-kapellen-in-bad-waldsee/geschichte-waldsee
Haus Waldburg auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Haus_Waldburg
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Veröffentlichung der Innenaufnahmen aus der Pfarrkirche St. Peter in Bad Waldsee mit freundlicher Genehmigung von Herrn Pfarrer Stefan Werner vom 16.5.2023, wofür ihm an dieser Stelle herzlich gedankt sei.
Michael Barczyk: Bad Waldsee, Pfarrkirche St. Peter - ehemals Stiftskirche der Augustiner-Chorherren, hrsg. vom kath. Pfarramt St. Peter, PEDA-Kunstführer Nr. 1002/2018, Kunstverlag PEDA, Passau, 2018, ISBN: 978-3-89643-485-2
Truchsesse von Waldburg auf LeoBW:
https://www.leo-bw.de/en/themen/landesgeschichte/reichserbtruchsessen-von-waldburg
Grafen von Cilli: https://de.wikipedia.org/wiki/Grafen_von_Cilli
Friedrich von Cilli:
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_I._(Cilli)
Johann Truchseß von Waldburg:
https://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_II._von_Waldburg
Grafen von Heunburg:
https://de.wikipedia.org/wiki/Grafen_von_Heunburg
Herren von Sanneck:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sanneck
Johann von Waldburg in der Truchsessen-Chronik:
https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Hans_mit_den_vier_Frauen.jpg
Georg Truchseß von Waldburg in der Truchsessenchronik:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Truchsessenchronik_Cod_Don_590_200.jpg
Constantin von Wurzbach: Johann Waldburg, in: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, 52. Theil, Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1885, S. 168
http://www.literature.at/viewer.alo?objid=11711&page=172&scale=3.33&viewmode=fullscreen
Grafen von Kirchberg auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Grafen_von_Kirchberg_(Schwaben)
Epitaph Georgs in Bad Waldsee:
https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/YMTOBLWHV35E3OKKXRWDT32CN7RJSCVG
Truchsessenchronik: Pergamenthandschrift der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, ehemals Fürstl. Bibliothek Donaueschingen, Cod. Don. 590
Kirche auf der Webseite der Stadt:
https://www.bad-waldsee.de/info/pfarrkirche-st-peter/

Die Wappen der Truchsesse von Waldburg und der gräflichen und fürstlichen Linien

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