Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 3068
Unteressendorf (Gemeinde Hochdorf (Riß), Landkreis Biberach)

Die katholische Pfarrkirche St. Martin in Unteressendorf

Unteressendorf ist ein Ortsteil der Gemeinde Hochdorf (Riß) im Landkreis Biberach. Am nördlichen Ortsrand gab es beim Weiler Scharben früher eine Burg, die aber spurlos verschwunden ist. Sie wurde von den niederadeligen Herren von Essendorf erbaut. Nach diesen kam die Burg Unteressendorf 1381 an die Herren von Grüningen-Landau (nach denen wurde sie als "Schloß Landau" bezeichnet) und danach 1444 an die Truchsesse von Waldburg. Über dieses "Schloß Landau" korrespondierte 1636 Wilhelm Heinrich Truchseß von Waldburg mit der Reichsstadt Ulm wegen des von truchsessischer Seite im Archiv der Stadt Ulm vermuteten Kaufbriefes, den die Stadt aber nicht finden konnte. Das Dorf war Bestandteil der Herrschaft Waldsee und kam 1331 an Österreich und schon 1386 an die Truchsesse von Waldburg, die es als Mannserbe von 1454 bis zur Mediatisierung 1806 besaßen.

Eine Pfarrei Essendorf gibt es nachweislich seit mindestens 1275, ein Pfarrer und Dekan wird schon 1182 genannt. Die Anfänge der Pfarrkirche liegen vermutlich wesentlich früher. Zunächst hatten die Herren von Essendorf das Kirchenpatronat, seit 1131 Österreich, seit 1456 bis 1875 die Universität Freiburg.  Die alte Pfarrkirche St. Nikolaus, eine dreischiffige Basilika im romanischen Stil aus dem 12. Jh., wurde während des Dreißigjährigen Krieges 1632 von schwedischen Truppen zusammen mit dem ganzen Dorf zerstört. 1650 begann man mit dem Wiederaufbau, erneut in der dreischiffigen Form. Am 20.6.1671 wurde der neue Hochaltar geweiht. Aus dem Jahr 1695 stammt die Oratoriumsöffnung über dem Sakristeieingang mit dem barocken schmiedeeisernen Gitter darin.

 

Im Barock wurde die Kirche 1733-1734 komplett von Grund auf neu gebaut, wobei nur an der Westfassade unten altes Mauerwerk übernommen wurde, wo noch ein romanischer Fries auf der Wand zu sehen ist. Auch der untere Teil des Turms und die unteren seitlichen Mauerteile sind noch alt. Dem neuen Geschmack entsprechend war der Wiederaufbau eine einschiffige Saalkirche. Der leicht eingezogene Chor wurde verlängert und mit rechteckigem Abschluß mit geschweiftem Giebel versehen, und eine Sakristei wurde angebaut, im nordöstlichen Winkel zwischen Chor und Querschiff. Auch das Querschiff ist mit einem abschließenden Volutengiebel mit Figurennische darin und einem kleinen Dreiecksgiebel als Abschluß versehen. Ortsbildprägend ist der ca. 52 m hohe, im südöstlichen Winkel seitlich angesetzte Kirchturm mit Zwiebelhaube. Die barocke Kirche ist seit dem Wiederaufbau dem hl. Martin gewidmet. 1763 wurde der Hochaltar noch einmal erneuert, wobei man allerdings das Altargemälde vom alten Altar übernahm. 1832 gab es noch eine Veränderung, als man die Turmkuppel nicht mehr mit Schindeln, sondern mit Kupfer eindeckte. Heute gehört die Pfarrei zur Seelsorgeeinheit "Heimat Bischof Sproll", zusammen mit St. Johannes Ev. Ummendorf, St. Odilia Fischbach, St. Martinus Hochdorf und Mariä Himmelfahrt Schweinhausen.

An der südlichen Längsseite ist ein kleiner Eingangs-Vorbau mit Figurennische im geschweiften Giebel angefügt, und über diesem ist an der Langhauswand ein Wappen angebracht, das von der baulichen Erneuerung 1734 zeugt. Die Inschrift lautet: "SVB AVSPICIO REGIMINE ILLVST(RI) D(OMINI) D(OMINI) / MAXIMIL(IANI) MARIAE S(ACRI) R(OMANI) I(MPERII) DAPI(FERI) E(T) COMITIS / DE WOLFFEGG WALDSEE ECCLE/SIA HAEC FVIT RENOVATA 1734" - unter der Verantwortung und der Regierung des vornehmen Herrn, des Herrn Maximilian Maria, des Heiligen Römischen Reiches Truchseß und Graf von Wolfegg-Waldsee, wurde diese Kirche 1734 erneuert.

Bei dem Genannten handelt es sich um Maximilian Maria Graf von Waldburg zu Wolfegg (28.11.1684-3.4.1748), Erbtruchseß, der in erster Ehe mit Maria Ernestina von Thun vermählt war und in zweiter Ehe mit Maria Eleonora Freiin von Ulm zu Erbach (21.10.1696-16.8.1780). Der Bauherr war der Sohn von Johann Maria Franz Eusebius Erbtruchseß Graf von Waldburg zu Wolfegg (13.10.1661-1724) aus der georgischen Linie Waldburg-Wolfegg, dem Begründer der Linie Waldburg-Wolfegg-Waldsee, und dessen zweiter Frau, Marianna Josepha Gräfin Fugger von Kirchberg und zu Weißenhorn (19.3.1659-12.7.1726). Der Enkel des Bauherrn wurde 1803 in den Fürstenstand erhoben und führte diese Linie als Fürstenhaus Waldburg-Wolfegg-Waldsee weiter, das heute noch blüht.

Das Wappen ist ein typisch gräfliches Waldburg-Wappen vom Aufbau her, geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: in Gold einwärts drei schwarze, rotgezungte, schreitende Löwen übereinander (Stammwappen von Waldburg), Feld 2: in Blau drei (2:1) aufrechte goldene Tannenzapfen (Anspielung auf den früheren Geschlechtsnamen von Tanne), Feld 3: in Blau über einem schwarzen Dreiberg eine goldene, gesichtete Strahlensonne (Grafschaft Sonnenberg), Herzschild: in Rot ein goldener Reichsapfel (Reichserbtruchsessenamt).

Dazu werden vier Helme geführt, die hier aber zeittypisch unterproportionierte Kleinode haben, die mit Ach und Krach in die geringen Freiräume bis zum breiten, mehrfach gebrochenen und in konkave und konvexe Bogensegmente aufgelösten Schmuckrahmen mit Akanthus- und Feston-Verzierungen eingezwängt sind: Helm 1 (innen rechts): auf dem ungekrönten Helm auf einem roten Kissen mit goldenen Quasten ein goldener Reichsapfel (Truchsessenamt), Helm 2 (innen links): auf dem gekrönten Helm eine grüne Tanne (von Tanne), Helm 3 (außen rechts): auf dem ungekrönten Helm auf einem roten Kissen mit goldenen Quasten ein grüner Pfauenfederstoß in mehreren Etagen, dahinter auf der Innenseite schräggestellt ein goldenes Fähnchen mit drei schreitenden, schwarzen Löwen übereinander (Stammkleinod, von Waldburg), wobei das Fähnchen hier bis auf einen Zipfel verdeckt ist, deshalb kann auch nicht beurteilt werden, ob hier ein Schildhaupt mit Reichsapfel wäre oder nicht, Helm 4 (außen links): auf dem gekrönten Helm ein blauer Flug, beiderseits belegt mit einer gesichteten, goldenen Strahlensonne (Grafschaft Sonnenberg). Die Decken werden von der Familie mal alle schwarz-golden (so ein Wappen des gleichen Bauherrn an Schloß Waldsee), mal alle rot-golden oder aber alternativ in den den Feldern entsprechenden Farben geführt, das wäre bei Helm 1 rot-golden, bei Helm 2 blau-golden, bei Helm 3 schwarz-golden und bei Helm 4 blau-golden. Zwei Putten dienen nicht als Schildhalter, sondern als Rahmenhalter, beide vollziehen mit ihren Körpern extreme Drehungen in der Längsachse, besonders der optisch rechte mit einer anatomisch fragwürdigen 150°-Drehung in der Hüfte. Ein weiteres Wappen dieses Bauherrn ist übrigens im Mittelgiebel des von ihm umgebauten Schlosses in Bad Waldsee angebracht.

Bei der Innenausstattung der Kirche ist das Gemälde des Hochaltars hervorhebenswert, das die Himmelfahrt und Krönung Mariens darstellt, eine Arbeit des Rubensschülers Caspar de Crayer. Im unteren Teil ist Martin dargestellt, der Kirchenpatron. Weitere dort zu findende Heilige sind der Apostel Johannes mit Kelch, Margaretha mit Kreuz, Johannes der Täufer und Barbara mit Palme. Im unteren Teil stehen vier weiß angestrichene Holzfiguren weiterer Heiliger, wobei die beiden inneren Franz Xaver und Ignatius, die beiden äußeren Augustinus und Nikolaus darstellen. Seitlich des Hochaltars stehen zeitlich spätere Figuren von Josef und Maria, sie wurden 1828 hinzugefügt. Und oben am Gewölbeansatz sind seitlich des Hochaltares zwei Figuren der Erzengel angebracht, Michael links und Gabriel rechts. Davor steht oberhalb der letzten zwei Stufen zum Chorraum der Kreuzaltar aus dem Jahr 1760 mit der schmerzhaften Muttergottes, eine Arbeit von Bildhauer Johann Georg Reusch aus Waldsee. Nahe dem Turmeingang steht der Nikolausaltar, der aber 1867 seines barocken Aufbaus verlustig ging und auch nicht mehr das ursprüngliche Gemälde hat. Das ist heute über dem Eingang zum Turm angebracht, während der Altar jetzt ein Gemälde mit der Darstellung der letzten Kommunion des Hieronymus trägt, das 1856 erworben wurde. Zwei große Seitenaltäre stehen im Querschiff, links der Josefsaltar, rechts der Marienaltar. Beide sind Arbeiten von Eustachius Gabriel aus Unterschwarzach und entstanden 1767. Der Josefsaltar trägt ein Bild des Josef, wie der Maria das Jesuskind reicht, Joachim und Anna schauen unten zu. Oben ist noch ein Bild mit dem Empfang der Wundmale durch Franz von Assisi zu sehen. Eine Martinsfigur (Kirchenpatron) ist über dem Drehtabernakel aufgestellt. Der Marienaltar hat als Hauptgemälde Maria als Rosenkranzkönigin mit Dominikus und Katharina von Siena, oben zusätzlich ein Bild der Guten Beth von Reute, auch sie empfängt gerade die Wundmale. Hier ist eine Madonna mit Kind über dem Drehtabernakel aufgestellt. Die barocke Kanzel ist linkerhand im Hauptschiff angebracht, sie trägt auf dem Korb ein Relief mit der Predigt von Johannes dem Täufer. Die Deckengemälde, die Szenen aus dem Leben des Kirchenpatrons Martin zeigen, entstanden 1846; der Künstler ist Fidel Schabet aus Wurzach.

Georgische Linie Waldburg-Wolfegg und die Trennung in Waldburg-Wolfegg-Wolfegg und Waldburg-Wolfegg-Waldsee, bis zur Erhebung letzterer in den Fürstenstand:
Die Linie Waldburg-Wolfegg spaltete sich in Wolfegg-Wolfegg und Wolfegg-Waldsee auf. Erstere Linie ist 1798 erloschen, letztere Linie ging 1803 über in das Fürstenhaus Waldburg-Wolfegg-Waldsee, das heute noch blüht. Als Kaiser Franz II. dem Haus am 21.3.1803 die Reichsfürstenwürde in der Primogenitur erteilte, kostete das das Haus Waldburg ca. 90000 fl.

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@48.0071256,9.76901,21z - https://www.google.de/maps/@48.0071256,9.76901,43m/data=!3m1!1e3
Unteressendorf auf LeoBW, Historisches Ortslexikon:
https://www.leo-bw.de/web/guest/detail-gis/-/Detail/details/ORT/labw_ortslexikon/17279/Unteressendorf+-+Altgemeinde~Teilort
Kirche Unteressendorf: https://www.oberschwaben-tipps.de/kirche-unteressendorf-barocke-kirche-oberschwabens/
Alfred Buschle: Zur Geschichte der Pfarrkirche St. Martin in Unteressendorf, in: Heimatkundliche Blätter für den Kreis Biberach, S. 14-17 -
http://www.gfh-biberach.de/Hefte/BC-Heimatkundliche-Blätter-für-den-Kreis-Biberach/J2H1S14.pdf
Heribert Boscher: Kirchenführer St. Martin Unteressendorf, hrsg. vom kath. Pfarramt Sankt Martinus Unteressendorf
https://se-heimat-bischof-sproll.drs.de/fileadmin/user_files/198/Dokumente/Kirchenfuehrer_ANSICHT.pdf 
Katholische Pfarrkirche St. Martin, Unteressendorf, Gemeinde Hochdorf (Riß):
https://se-heimat-bischof-sproll.drs.de/kirchengemeinden/st-martinus-unteressendorf.html
Haus Waldburg auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Haus_Waldburg
Truchsesse von Waldburg auf LeoBW: https://www.leo-bw.de/en/themen/landesgeschichte/reichserbtruchsessen-von-waldburg
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Sigmaringen: https://www.leo-bw.de/en/web/guest/detail/-/Detail/details/DOKUMENT/labw_findmittel_05/labw-6-24258/Korrespondenz+zwischen....+de
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9

Die Wappen der Truchsesse von Waldburg und der gräflichen und fürstlichen Linien

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