Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 2851
Dirmstein (Landkreis Bad Dürkheim)
Das ehemalige Bischöfliche Schloß in Dirmstein
Das ehemalige Bischöfliche Schloß in Dirmstein liegt im Südosten des Ortes am Übergang der Hauptstraße in die Gerolsheimer Straße am Ende einer nach Süden führenden Sackgasse. Der Ausdruck "Schloß" weckt Erwartungen, die die gegenwärtige Anlage nicht mehr erfüllt. Es ist heute ein privat bewohntes landwirtschaftliches Hofgut. Nur wenige originale Bauteile des einstigen mittelalterlichen Wasserschlosses sind noch vorhanden, und das Wenige ist in sehr unterschiedlichem Erhaltungszustand, von "irgendwann einmal renoviert und aktuell bewohnt" bis "sehr vernachlässigt". Im nördlichen Vorfeld ist ein Bau mit löchrigem Dach ein Bild des Verfalls und stellt den Tiefpunkt der Variationsbreite dar. Anhand der vorhandenen Reste kann man aber nachvollziehen, wie das ab 1414 als solches bezeugte Schloß einmal ausgesehen haben muß: Die rechteckig ummauerte Anlage war von einem Wassergraben im Rechteck umgeben, der vom südlich verlaufenden Eckbach gespeist wurde. Eine Brücke führte von Norden her auf die Schloßinsel. Heute gibt es weder Brücke noch Graben, und auch der südlich früher bestehende Schloßweiher ist verfüllt und einer Brachfläche gewichen. Nur die äußere Bruchsteinmauer im Norden ist teilweise erhalten.
Vier Ecktürme sicherten die Anlage, der Stumbe Turm, der Pulverturm, der Blaue Hut und der Diebsturm im Südosten, nur letzterer ist erhalten, weil er in späteren Zeiten als Gefängnis genutzt wurde. Der noch existierende Turm ist im unteren Teil spätmittelalterlich mit typischen Schießscharten, der obere Teil ist auf das Ende des 16. Jh. datiert, das Dach ist neuzeitlich. Die drei anderen Türme wurden wegen Baufälligkeit zwischen 1732 und 1743 abgetragen. Vom Turm im Südwesten blieb zunächst noch ein Stumpf, der aber 1885 nach einem Brand der Wirtschaftsgebäude ganz abgerissen wurde. Die Bebauung war innerhalb des Mauergevierts randständig. Früher standen zwei Schloßflügel im Norden neben dem Zugang und im Osten und bildeten einen rechten Winkel. An der Südseite und der Westseite standen jeweils Wirtschaftsgebäude, wovon es nur noch ein über die ganze Breite reichendes im Süden gibt, das aber aus dem 19. Jh. stammt. Der Nordflügel ist eine Ruine; nach dem Anfang des 19. Jh. erfolgten Abbruch der oberen Geschosse bestehen hier nur noch Kellergewölbe und der Stumpf eines spätgotischen sechseckigen Treppenturmes mit hübscher Spitzbogenpforte mit sich überkreuzendem Stabwerk an der Südostseite. Seine schönen Sandsteinquader sind teilweise mit Putz überzogen und oben mit offen liegendem modernen Mauerwerk unvorteilhaft übermauert. Die Spindel hinter dem Portal ist noch teilweise erhalten, aber in schlechtem Zustand. Ein an diesem Treppenturm befindlicher Wappenstein von Heinrich von der Pfalz wurde verkauft und befindet sich heute im Schloßmuseum Berchtesgaden. In den westlichen Teil der Ruine wurde in den 1920er Jahren ein neues Wohnhaus gesetzt.
Auf der Ostseite steht ein repräsentatives zweistöckiges Gebäude mit Walmdach, das aber auch nicht mehr die ursprüngliche Bebauung darstellt. Die Eckquaderung und die barocken Fensterlaibungen schmücken das Gebäude, das sich von der Vernachlässigung reihum etwas abhebt. Es handelt sich um ein Bauwerk aus der ersten Hälfte des 18. Jh., das als Amtshaus der Kellerei diente. Einige ältere Steine wurden zweitverwendet, so wurde an der Ostseite im Obergeschoß zwischen dem zweiten und dritten Fenster von links gezählt ein vom Vorgängerbau stammender Wappenstein eingebaut, ein vom Zahn der Zeit stark mitgenommenes Sandsteinrelief, das aus einer rechteckigen Wappentafel und einer querovalen Inschriftentafel darüber besteht. Vogelscheiße überzieht das wertvolle Relief. Oben ist zu lesen: "PHILIPPV DEI / GRATIA ELECTVS ET / CONFIRMATVS EPISCOPVS / WORMATIENSIS".
Diese Formulierung ist interessant, weil der Wormser Fürstbischof Philipp von Rodenstein (1564-21.3.1604, amtierte 1595-1604) als erwählter und bestätigter Bischof von Worms bezeichnet wird. Philipp von Rodenstein wuchs als Halbwaise unter der Vormundschaft seines Onkels auf, das war Andreas von Oberstein, Domdekan in Speyer. Er wurde 1574 Domizellar in Worms und begann damit seine geistliche Karriere. Er studierte 1582-1584 an der Universität Ingolstadt, 1584-1586 an der Universität Bourges, 1586-1587 im belgischen Leuven, anschließend 1587-1589 in italienischen Bologna, 1589 in Siena und 1590-1591 wieder in Bologna. Zurück in Worms, wurde er 1593 zum Kantor und 1595 zum Kustos am Wormser Dom gemacht. Auch am Domstift von Speyer war er Domkapitular. Er wurde am 16.9.1595 zum Wormser Bischof gewählt und am 15.7.1596 im Amt bestätigt. Deshalb ist dieser Stein auf den Zeitraum 1596-1604 zu datieren.
Der Schildinhalt ist trotz der Randbeschädigungen noch gut zu erkennen, er ist geviert, Feld 1 und 4: in Schwarz ein schräg aufwärts gerichteter silberner Schlüssel, begleitet von eigentlich 4:4, hier nur 4:3 goldenen Schindeln, Hochstift Worms, Feld 2 und 3: golden-rot gespalten und zweimal geteilt, Familienwappen der Reichsritter von Rodenstein. Dazu werden drei Helme geführt, Helm 1 (Mitte): auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken eine Inful, Helm 2 (rechts): auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken auf einem roten Kissen ein sechseckiges schwarzes Schirmbrett, darauf ein schräg aufwärts gerichteter silberner Schlüssel, begleitet von 4:4 oder wie hier 4:3 goldenen Schindeln, das Schirmbrett an den freien Ecken mit Pfauenfedern besteckt, Hochstift Worms, Helm 3 (links): auf dem Helm mit rot-goldenen Decken auf einem roten, golden bequasteten Kissen ein sechszackiger silberner Stern, an den fünf freien Spitzen jeweils mit schwarzen Hahnenfedern besteckt, Stammkleinod von Rodenstein.
Für die Familie von Rodenstein gibt es in der Literatur mehrere unterschiedliche Tingierungsvarianten. Die Farben Rot und Gold werden im Scheiblerschen Wappenbuch wiedergegeben, in der oben angegebenen Form, also golden-rot einmal gespalten und zweimal geteilt, ebenso im Aschaffenburger Wappenbuch. In Ladenburg sehen wir einen umgekehrten Anstrich. Der alte Siebmacher von 1612 bringt die Tingierungsvariante silbern-rot ins Spiel, dito im Gatz für den späteren Fürstbischof Georg Anton von Rodenstein, und im neuen Siebmacher finden sich beide Farb-Varianten, so werden im Siebmacher Hessen die drei Varianten rot-golden, golden-rot und silbern-rot genannt.
Alle Helme sind zerstört, ebenso die Inful in der Mitte, von der man gerade noch ein hochfliegendes Band erahnen kann. Auch drei Federn des Wormser Kleinods sind zerstört, ebenso weite Teile der Helmdecken. Auf den seitlichen Pilastern, die oben mit einem ionischen Kapitell abschließen, sind insgesamt vier Wappen einer Ahnenprobe angebracht, allesamt stark beschädigt: Oben rechts wiederholt sich das Wappen der von Rodenstein, golden-rot gespalten und zweimal geteilt; der Vater war Engelhard II. von Rodenstein (1512-1568), und der Großvater väterlicherseits war Hans von Rodenstein. Oben links ist der Schild der von Oberstein zu sehen, in Silber ein roter, golden gekrönter Löwe; die Mutter des Fürstbischofs war Barbara von Oberstein (-1613), und sein Großvater mütterlicherseits war Johann Seifrid von Oberstein (1490-19.9.1556). Der Schild unten rechts ist gewendet und zeigt das Wappen der Bayer von Boppard, in Silber ein gekrönter schwarzer Löwe; die Großmutter väterlicherseits war Anna Bayer von Boppard. Und schließlich ist links unten der Schild der Wilche von Alzey zu sehen, in Blau ein schrägrechts gelegtes Saiteninstrument (Fiedel), begleitet von goldenen Lilien; die Großmutter mütterlicherseits war Margaretha Wilch von Alzey (1500-2.3.1563). Alle vier Wappen sind auf dem oberen bzw. unteren abschließenden Gesims des Rahmens beschriftet: "RODENSTEIN", "OBERSTEIN", "BAIER V BOPPART" und "WILCHEN V ALTZEY". Für die Eltern des Fürstbischofs gibt es ein mit 2x 4 Wappen geschmücktes Epitaph im Stadtmuseum Worms. Am selben Ort gibt einen Wappengrabstein für seine Schwester, Agnes von Rodenstein (-1617), verheiratete Lerch von Dirmstein, mit einem Ehewappen und den jeweiligen elterlichen Wappen. Für den Fürstbischof selbst gibt es im Wormser Dom ein Epitaph, das aber kein Wappen enthält. Deshalb ist dieser Stein, so beschädigt er auch ist, ein seltenes und wertvolles heraldisches bauplastisches Dokument für diesen Fürstbischof.
Die Anlage wurde mit dem Einmarsch der französischen Revolutionstruppen konfisziert, säkularisiert und an Privatleute verkauft. 1803 kaufte der Dirmsteiner Johann Römer das Anwesen. Es ist auch heute in Privatbesitz und nur von außen zu besichtigen.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@49.5628446,8.2582815,20z - https://www.google.de/maps/@49.5628446,8.2582815,84m/data=!3m1!1e3
Bischöfliches Schloß Dirmstein auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Bischöfliches_Schloss_(Dirmstein)
Philipp von Rodenstein auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Philipp_von_Rodenstein
Familie von Rodenstein: https://de.wikipedia.org/wiki/Rodenstein_(Adelsgeschlecht)
Wilhelm Franck: Urkundliche Geschichte der Herrn von Rodenstein
und ihrer Besitzungen (1293-1671) nebst Bemerkungen über die
rodensteinischen Sagen, in: Archiv für hessische Geschichte und
Alterthumskunde, Bd. 11, Darmstadt 1867, S. 561-645,
insbesondere S. 612-613 - online: https://books.google.de/books?id=uVsAAAAAcAAJ&pg=PA612#v=onepage&q&f=false
Deutsche Inschriften Bd. 29, Worms, 1991, Nr. 607 (Rüdiger
Fuchs), Grabplatte des Wormser Bischofs Philipp von Rodenstein im
Stadtmuseum in Worms - https://www.inschriften.net/worms/inschrift/nr/di029-0607.html
Deutsche Inschriften Bd. 29, Worms, 1991, Nr. 611 (Rüdiger
Fuchs), Epitaph des Bischofs Philipp von Rodenstein im Wormser
Dom - https://www.inschriften.net/worms/inschrift/nr/di029-0611.html
Die Wappen der Fürstbischöfe von Worms - Teil (1) - Teil (2)
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