Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 2762
Zwiefaltendorf (zu Riedlingen, Landkreis Biberach)
Pfarrkirche St. Michael in Zwiefaltendorf: Grabdenkmäler, Teil (1)
Die Kirche in Zwiefaltendorf ist, auch wenn man das dem Bau nicht ansieht, eine der ältesten Pfarrkirchen der Region: Graf Agylolf zu Marchtal schenkte im Jahre 776 dem Kloster St. Gallen Güter und Rechte in Zwiefaltendorf. Damit ist Zwiefaltendorf fast 200 Jahre älter als das sechs Kilometer aufwärts der Aach gelegene Kloster Zwiefalten. Die Kirche ist auch heute noch von einer Mauer mit Friedhof umgeben; die erhaltenen Strukturen deuten auf eine frühere Wehrkirche hin. Die Kirche in ihrer heutigen Gestalt geht zurück auf eine gotische Kirche aus dem 15. Jh., von der noch der sterngewölbte Chor mit seinen Maßwerkfenstern und das Wandtabernakel stammen, die aber hinsichtlich des Schiffs 1746 und 1765 größtenteils erneuert wurde. Dabei erhielt das Langhaus ein barockes Stichkappengewölbe. Neben dem rein gotischen Chor stammt nur der 31 m hohe Kirchturm mit Satteldach und einem durch Lisenen gegliederten Giebel noch vom Vorgängerbau. Eine Restaurierung erfolgte 1879-1883. In den Jahren 1994-1993 erfolgte die Restaurierung der Raumschale und des historischen Orgelprospektes.
Das Kirchenpatronat lag zuerst als Lehen der Herzöge von Teck bei den Herren von Emerkingen, dann ab 1288 beim Kloster Zwiefalten. In der Folgezeit wurde die Pfarrei 1358 nach Zwiefalten inkorporiert. 1698 wurde sie dem Bischof abgetreten. Die Kirche besitzt eine große Sammlung von insgesamt 16 Grabdenkmälern aus dem 15., 16., 17. und 19. Jh., alle zur adeligen Ortsherrschaft durch die Speth gehörig, die lange Zeit württembergische Haushofmeister waren und hier ihre Familiengrablege hatten. Zehn davon sind allein im engen, fünfseitig geschlossenen Chor untergebracht und stehen dort dicht an dicht. Sie sind alle aus Stein gefertigt, wobei der meist verwendete rötliche Sandstein der älteren Platten vermutlich im 19. Jh. mit grauer Steinfarbe überstrichen wurde. Bei den Epitaphien der Renaissance ist hingegen manchmal das verwendete Steinmaterial unverfälscht sichtbar. Bei der Beschreibung der zwölf hier ausgewählten Grabdenkmäler, die schönsten und besterhaltenen der ganzen Gruppe, soll chronologisch vorgegangen werden, erst die Platten der Spätgotik, dann die der Renaissance, dann die des 19. Jahrhunderts.
1.)
Anonymes Epitaph
Beginnen wir mit einem
speziellen Epitaph aus dem 15. Jh., das mehr Fragen aufwirft als
es beantwortet, das aber dennoch von einer unglaublichen
Schönheit und guten Erhaltung ist. Dieses 2,05 m hohe Epitaph
trägt zwar keinerlei heraldischen Schmuck, und auch sonst ist es
mangels jeglicher Inschrift ein Kunstwerk, das uns keine einzige
Antwort auf die Identität der Dargestellten gibt, es soll aber
dennoch nicht in dieser Zusammenstellung fehlen, weil es
künstlerisch eines der besten, wenn nicht gar das beste dieser
Serie ist. Sockel und Aufsatz, die über die Identität
vielleicht hätten Aufschluß geben können, fehlen. Die vertikal
zweigeteilte Platte trägt heraldisch rechts einen Ritter in
voller Rüstung und mit hochgeschobenem Visier, den Betrachter
gerade anschauend, das lange Schwert vor sich auf den Boden
stützend, die rechte Hand auf dem Knauf, die linke die
Parierstange ergreifend. Teile der Rüstung und Bewaffnung sind
vergoldet. Gegenüber wird seine Frau dargestellt, mit vor der
Brust in Gebetstellung zusammengelegten Handflächen, ebenfalls
den Betrachter frontal anschauend. Der Kopf mit den sanften
Gesichtszügen wird von einer trapezförmig gefalteten Haube
umhüllt. Die Einfachheit des Gewandes läßt den künstlerischen
Faltenwurf seine Wirkung ungestört entfalten. Der Ritter hat zu
seinen Füßen einen Löwen, seine Frau eine Konsole und darunter
ein Hündchen.
2.)
Albrecht Speth von Ehestetten und Clara von Ehestetten
Die älteste datierte
Grabplatte befindet sich links des inschriften- und wappenlosen
Doppelepitaphs. Den größten Teil des Zentralfeldes nimmt das
linksgewendete Wappen der Speth von Zwiefalten
ein, in Rot schräg übereinandergelegt drei silberne
altertümliche Schlüssel mit gezähntem Bart, auf dem Helm mit
rot-silbernen Decken ein wachsender Mannesrumpf, dessen rotes
Gewand mit silbernem Kragen mit drei schräg
übereinandergelegten silbernen Schlüsseln mit gezähntem Bart
belegt ist, auf dem Kopf eine rote, silbern aufgeschlagene
Mütze, deren Schaft ebenfalls mit den Schlüsseln belegt ist.
Die Bügel des Helmes sind durch Vergoldung hervorgehoben. Die
auf dem Rand umlaufende Inschrift lautet: "anno d(omi)ni m
cccc lx iiii (= 1464) starb cl/ara spatin gebor(e)n(e) von
e(he)stetten an dem uffa(h)rtag (Auffahr-Tag = Christi
Himnmelfahrt) / anno d(omi)ni m cccc lx v (= 1465) starb /
albrecht spat von e(he)stetten an san(k)t gerdrutten (=
Gertruden) anbett (= Anbetung, Tag der Verehrung der hl.
Gertrud)". In den genannten Jahren sind die Tage des
Kirchenkalenders als der 10.5.1464 und der 17.3.1465
identifizierbar. Hier ist eine Abweichung zum vielfach
fehlerhaften Speth-Stammbaum von 1903, wo der 24.11. angegeben
wird, was aber der Tag der hl. Flora wäre.
Bei den genannten Personen handelt es sich um Albrecht Speth von Ehestetten und Steingebronn (1385-17.3.1465) und Clara von Ehestetten (-10.5.1464). Er hatte eine herausgehobene Stellung am württembergischen Hof in Urach und war Landhofmeister unter Graf Eberhard im Bart. Weiterhin war er 1423 Vormund der württembergischen Grafen Ludwig IV. und Ulrich V. Albrecht Speth baute die Stellung seiner Familie aus, indem er sich zusätzliche Herrschaftsrechte auf der mittleren Schwäbischen Alb verschaffte. Er kaufte 1436 Hoheneck und erwarb am 3.6.1441 Zwiefalten. Ein weiterer Zuerwerb war Granheim. Nachdem er mit 4000 fl. württembergische Schulden beim Grafen von Kirchberg abgelöst hatte, bekam er zum Dank 1452 die Schülzburg mit Zubehör, nämlich den Weiler Anhausen und die Höfe Altmannshausen und zwei Güter zu Mehrstetten. Albrecht Speth wurde zum Stammvater der Linie der Speth von Schülzburg. Albrecht und Clara hatten sechs Kinder, Wolf, Caspar, Dorothea, Anna, Elisabeth und Ludwig. Caspar war eigentlich als der Wunschnachfolger seines Vaters vorgesehen, doch er fiel im Krieg des Grafen Ulrich des Vielgeliebten von Württemberg gegen die Pfalz am 30.4.1460, in der Schlacht von Wüstenhausen. Seine Nachkommen bildeten die Nebenlinie der Speth zu Hoheneck und Höpfigheim. Der andere Sohn, Wolf, gründete die Linie der Speth von Schülzburg. Und der dritte Sohn, Ludwig, übernahm Zwiefalten, verkaufte aber 1487 an eine andere Linie.
Unter dem großen Vollwappen mit geneigtem Schild ist ein kleinerer, aufrechter Beischild für die Ehefrau zu sehen: Das Wappen der von Ehestetten zeigt hier in Rot einen silbernen Balken, aus dem oben zwei Lilien wachsen, eine dritte Lilie wächst aus dem Fuß. Die hier nicht dargestellte Helmzier wäre zu rot-silbernen Decken eine silberne Lilie. Von dem Schildbild sind mehrere Varianten und Entwicklungsstufen bekannt. Im Berliner Wappenbuch werden in Rot drei (2:1) silberne Lilien geführt. Ähnlich sind die Darstellungen im St. Gallener Wappenbuch und im Wernigeroder Wappenbuch. Auf Siegeln des 14. Jh. wird ein Balken verwendet, aus dem zwei Lilien wachsen, ohne die Lilie im Fuß. Eine Zwischenform ist die hiesige mit dem Balken, aus dem die Lilien hervorwachsen, und der dritten Lilie unten. So wird es auch im Codex Bassenheim dargestellt. Eine andere Form trennt die nun völlig freistehenden Lilien durch einen silbernen Balken, z. B. im Stadionschen Wappenbuch. Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: WüA Seite: 86 Tafel: 50. Der Ort Ehestetten greift das Wappen auf und führt heute in Rot einen silbernen Balken, belegt mit drei roten Kugeln und begleitet von drei (2:1) silbernen Lilien.
3.) Ludwig
Speth von Zwiefalten und Veronica von Bubenhofen
Fast identisch, nur
spiegelbildlich ist die nächste Steintafel für Ludwig
Speth von Zwiefalten (-1507). Sie mißt 2,05 m in der
Höhe und 1,05 m in der Breite. Das Speth-Wappen ist ganz
ähnlich gestaltet, mit den gleichen vergoldeten Helmbügeln, mit
dem gleichen Grundkonzept aus großem Vollwappen für den Ehemann
und kleinem Beischild für die Ehefrau, mit der gleichen
gestalterischen Überzeichnung des langen Bartes und Haupthaares
im Kleinod, mit dem gleichen schwungvollen Stulp des Hutes, nur
alles diesmal rechtsgewendet. Die Schlüssel sind hier im
Oberwappen ausschließlich auf dem Stulp des Kleinods angebracht;
auf dem Gewand fehlen sie. Diese beiden Platten bilden ein Paar
und sind gestalterisch so richtungsweisend, daß man für das
allerletzte und jüngste Epitaph im 19. Jh. für Rudolf Dietrich
Heinrich Freiherr von Speth zu Zwiefalten und Ehestetten genau
diese hier zum Gestaltungsvorbild genommen hatte. Offensichtlich
stammen beide Platten, die vorher gezeigte und diese hier, vom
gleichen Künstler, und sie waren aufeinander bezogen in
symmetrischer Anordnung, was die familiäre Nähe der Personen
illustriert, denn hier handelt es sich um den Sohn der
vorgenannten Eltern, Albrecht Speth von Ehestetten und
Steingebronn (1385-17.3.1465) und Clara von Ehestetten
(-10.5.1464).
Ludwig Speth von Zwiefalten (-1507) war mit Veronica von Bubenhofen (-1475) verheiratet. Die von Bubenhofen führen einen fünfmal rot-silbern im Spitzenschnitt (mit Zickzackteilungen) geteilten Schild. Das hier nicht dargestellte Oberwappen wäre zu rot-silbernen Decken ein wachsender Mann in silbern-rot gespaltenem Gewand, in den Händen zwei Blashörner (Hifthörner ohne Band) haltend, das rechte rot, das linke silbern, das Mundstück vor der Brust, die Mündung nach außen gestellt. Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: Band: WüA Seite: 10 Tafel: 2, Band: WüA Seite: 124 Tafel: 67. Weiterhin ist es im Münchener Kalender 1934 abgebildet. Bei den historischen Wappenbüchern finden wir es im Berliner Wappenbuch und im Scheiblerschen Wappenbuch Folio 66. Die Anzahl der Teilungslinien variiert. Die Stammburg Bubenhofen, die zwischen Rosenfeld und Binsdorf lag, ist verschwunden. Das Geschlecht kam hier seit dem Anfang des 13. Jh. vor. 1722 wurde es in den Freiherrenstand erhoben. 1814 starb es im Mannesstamm aus.
Auch die Anordnung der Inschriften entspricht derjenigen der vorherigen Platte: obere Schmalseite und rechte Längsseite für die Ehefrau, untere Schmalseite und linke Längsseite für den Ehemann, im Wortlaut hier: "anno d(omi)ni m cccc lxxii (= 1472) starb / frow veronica von bubenhofen an di(e)nstag vor sebasti/ani / ... / Ludwig spatt im ... ia(h)r i(h)r e(h)elich(er) huswirt (= Hauswirt)." Das Todesdatum ist freigelassen worden zum späteren Nachtragen, als diese Platte aus Anlaß des Todes der Ehefrau angefertigt worden ist, aber wie so oft unterblieb dann diese Ergänzung.
Ludwig Speth von Zwiefalten (-4.11.1507) verkaufte 1487 die Herrschaft Zwiefalten an Hans Speth von Neidlingen, womit sich die Schülzburger Linie vom Besitz Zwiefalten endgültig verabschiedete. Ludwig und Veronica hatten nach dem Speth-Stammbaum von 1903 drei Kinder: Hans (-1499) wurde nach Rhodos verbannt. Über Barbara wissen wir nichts Näheres. Und Ursula (-3.3.1490) heiratet 1484 Otto von Gemmingen zu Tiefenbronn. Ludwigs Bruder Wolf wurde zum Stammvater der Linie zu Schülzburg, und von seinem anderen Bruder Caspar stammt die Seitenlinie zu Hoheneck und Höpfigheim ab.
4.) Hans
Speth von Ehestetten zu Neidlingen und Zwiefalten
Vom gleichen Typ, aber von
geringerer künstlerischer Qualität und schlechterer Erhaltung
ist die Steintafel für Hans Speth (-1509). Er
wird 1444 als Landhofmeister genannt. Er kaufte 1469 Neidenau und
1487 Zwiefalten von dem vorgenannten Ludwig Speth von Zwiefalten
(-4.11.1507). 1488 erwarb er Bennigheim. Hans war der Sohn von
Dietrich I. Speth von Ehestetten zu Neidlingen (-26.4.1446),
württembergischer Haushofmeister, und dessen Frau, Agnes von
Berg. Hans heiratete Margaretha von Neipperg,
die Tochter von Eberhard von Neipperg und dessen Ehefrau Dorothea
von Sickingen, und begründete zusammen mit seinem Bruder
Dietrich Speth von Ehestetten (-1492) die Linie der Speth
von Zwiefalten. Das zentrale Speth-Wappen ist
linksgewendet. Im Vergleich zu den anderen Epitaphien dieses Typs
fällt auf, daß der untere Schild nicht gerade ausgerichtet ist,
sondern leicht schief, daß der Haar- und Barttracht der Helmzier
die überzeichnende Extravaganz fehlt, daß die Proportionen des
Kopfes unglücklich wirken und daß die Helmdecken unausgewogen
sind. Deshalb ist das bei aller Ähnlichkeit weniger
künstlerisch überzeugend als die beiden zuvor vorgestellten
Kunstwerke. Beim zentralen Speth-Wappen sind die Schlüssel hier
auf dem Gewand und auf dem Hut, aber nicht auf dem Stulp, sondern
auf dem Schaft des Hutes angebracht. Die umlaufende Inschrift
lautet: "An(n)o domini m ccccc viiii (= 1509) / .. ia(h)r
uff san(k)t marg(a)rethen thag starb der / edel und streng her(r)
/ hans spet vo(n) e(he)stett(en) rit(t)er landhofmaist(er) dem
got(t) g(nade)". Das genaue Datum ist zu hinterfragen, denn
der Margarethentag ist der 20.7., früher auch der 13.7. Es war
früher traditionell der Tag, an dem die Bauern mit der Ernte
begannen. Als Sterbedatum findet sich jedoch der 15.7.1509 bei
der chronologischen Tafel Grotefends.
Das Beiwappen ist dasjenige der Herren von Neipperg, in Rot drei (2:1) silberne Ringe. Die hier nicht dargestellte Helmzier wäre zu rot-silbernen Decken ein roter Flug, beiderseits mit drei (2:1) silbernen Ringen belegt. Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: Bad Seite: 2 Tafel: 2-3, NÖ1 Seite: 312 Tafel: 165, Erg Seite: 38, Gf Seite: 25 Tafel: 54, Wü Seite: 3 Tafel: 3, weiterhin im Alberti S. 542-543, im Aschaffenburger Wappenbuch Tafel 27 Seite 51, 76 und im Kindler OB 3 (195). Das Wappen wird regelmäßig in historischen Wappenbüchern gelistet, so z. B. im Berliner Wappenbuch, im Scheiblerschen Wappenbuch Folio 310, Grünenberg (1416), Wappenbuch St. Gallen, Wernigeroder Wappenbuch, Ingeram Kodex (1020), Donaueschinger Wappenbuch (480), Miltenberger Wappenbuch (406), Stuttgarter Wappenbuch (240) etc.
5.) Agatha
von Neipperg, Ehefrau von Dietrich III. Speth
Mit diesem Grabdenkmal
beginnen wir die Serie der Renaissance-Kunstwerke. Es ist
außerhalb des Chores im Langhaus aufgestellt. In flachem Relief
ist eine Bogennische gehauen, in der eine Frau mit gefältelter
Halskrause und Haube in zeittypischer Tracht steht, Körper
frontal, Schultern und Kopf nach links gedreht. Die Hände sind
vor dem Nabel übereinander gelegt und halten einen Rosenkranz.
Der untere Teil des Gewandes wird verdeckt von den beiden hier
nebeneinandergestellten Vollwappen, rechts das gewendete der Speth
wie beschrieben, gegenüber das der von Neipperg,
in Rot drei (2:1) silberne Ringe, auf dem gekrönten Helm mit
rot-silbernen Decken ein roter Flug, beiderseits mit den drei
(2:1) silbernen Ringen belegt. Die beiden oberen Zwickel zwischen
Bogen und Rand sind mit geflügelten Engelsköpfen gefüllt.
Die umlaufende Inschrift ist im unteren Bereich beschädigt, zudem durch die Kirchenbank verdeckt und lautet, soweit lesbar: "Anno Domini M D XXXIII (= 1533) auff Thom(a)e Mart(y)/ris den XXVIII tag Decembris Starb Die Edel unnd Tugentreich fraw Agat(h)a Spetin / ... / ... allen ander welten (?) ein frewliche aufferstehung genediglich verleihen wöl(l)e Amen". Hier ist das Datum doppelt angegeben, einmal als Datum und einmal als Thomas-Tag, nicht des Apostels Thomas, dessen traditionell am 21.12. gedacht wurde, ehe sein Gedenktag 1970 auf den 3.7. verlegt wurde, sondern der von Thomas Beckett, Erzbischof von Canterbury (Thomae Martyris et Archiepiscopi Cantuariensis), wobei dessen Gedenktag eigentlich der 29.12. ist, einen Tag später als angegeben.
Hier handelt es sich um Agatha von Neipperg (-28.12.1533), Tochter von Eberhard von Neipperg (-1506) und Agathe von Massenbach (-1504). Sie war die Ehefrau des kaiserlichen Rates Dietrich Speth (-1.12.1536), einst enger Vertrauter des Herzogs Ulrich von Württemberg, dann sein größter Feind, als er dessen Frau Sabina von Bayern bei ihrer Flucht aus Württemberg unterstützte, was 1517 zur Zerstörung seiner Burg und 1534 zum Verlust der Besitzungen führte.
6.) Ursula
Speth von Zwiefalten
Das zeitlich nächste Epitaph
befindet sich wiederum im Chor; es ist recht klein.
Beherrschendes Gestaltungselement ist ein kleeblattendiges Kreuz
im oberen Teil des Zentralfeldes, das von insgesamt sechs
Wappenschilden umgeben ist, wobei diese jeweils durch ein
Schriftband namentlich identifiziert werden. Die hochrechteckige
Platte besitzt einen inneren Rand mit der Inschrift und einen
zusätzlichen äußeren Schmuckrand. Die Inschrift lautet:
"Anno Domini M D LXXIIII (= 1574) den V. / tag September
Starb die Edel und Tugentreich(e) Junckfraw Ursula Spetin welcher
Got(t) / am Jüngsten tag... / ein(e) frewliche aufferstehung
...ung Ewiger frewden verleyhen wol(l)e Ame(n)". Im
Speth-Stammbaum von 1903 wird mit diesem Todesdatum eine Helena
geführt, zusätzlich zu einer jung verstorbenen Ursula ohne
Lebensdaten; wahrscheinlich entstanden durch falsche Lesung aus
einer Person zwei Personen, eine richtige Ursula Speth
von Zwiefalten ohne Datum und eine falsche Helena mit
dem richtigen Datum der Ursula. Die Lesung der Inschrift als
"Helena" ist beim Zustand der Inschrift verzeihlich,
aber bei näherem Hinsehen unzutreffend. Im unteren Teil des
Zentralfeldes steht folgende Inschrift, die deutlich macht, daß
es sich hier um ein Grabmonument für ein jung verstorbenes Kind
handelt: "Wer glaub liebe und Hoffnung hat / Als ein
kindlein ins reich Gott(e)s gaht / Den kindlein ist der him(m)el
b(e)schert, / Als uns der her(r) Christus selbst le(h)rt / Der
tod die Jugent bald auffrompt (= aufräumt?) / Beke(h)rt Euch,
Ehe das alter kom(m)pt, / Zu Euerem end das(s) wir zugleich / Bey
Christo sein im himmelreich / Welcher hat rew (= reumütig)
beklagt sein(e) sünd(en) / Der ist ein ausserw(a)e(h)ltes
Kind."
Die Wappenschilde sind heraldisch rechts von oben nach unten die der Familien Speth von Zwiefalten (in Rot drei silberne altertümliche Schlüssel mit gezähntem Bart übereinander), noch einmal Speth und als drittes der von Neuneck (in Rot ein goldener Balken, oben begleitet von einem silbernen, sechsstrahligen Stern). Auf der anderen Seite folgen von oben nach unten die Wappen der von Uttenheim (in Schwarz ein goldener Schrägrechtsbalken), der von Neuneck (wie zuvor) und der von Bubenhofen (fünfmal rot-silbern im Spitzenschnitt bzw. mit Zickzackteilungen geteilt). Das hier verstorbene Kind hatte als Eltern Wilhelm Dietrich Speth (23.6.1546-2.3.1615, Wappen 1) von und zu Zwiefalten und Susanne von Neuneck (-1603, Wappen 2). Seine vier Großeltern waren Ulrich Speth (-1549, Wappen 1) und Ursula von Uttenheim zu Ramstein (-8.9.1586, Wappen 3) väterlicherseits und Johann Georg (Hans Jörg) von Neuneck (-1576, Wappen 2) zu Glatt und Johanna von Bubenhofen (-1604, Wappen 4) mütterlicherseits. Ein Ehewappen der beiden letztgenannten Personen ist in Glatt am Schlößle (jetzt Pfarrhaus, nicht das Wasserschloß selbst) an der Südseite des Turmes angebracht. Johanna war die Erbtochter, und sie hatte Wilhelm Dietrich Speth 1572 geheiratet. Das Epitaph für Ursulas Vater wird im dritten Teil beschrieben.
Die Doppelung der Wappenschilde Speth und Neuneck verweist zumindest väterlicherseits nicht auf die nächstzurückliegende Generation, denn dann müßte Neipperg dabei sein. Vielmehr muß man diese Ahnenprobe so lesen, daß die mittlere Reihe die elterlichen Wappen und die obere und untere Reihe die vier großelterlichen Wappen darstellen, unüblich zwar, aber nur so ergibt sich ein Sinn, immer Mann optisch links und Frau optisch rechts. Also bezeichnet die mittlere Reihe die Eltern, die obere Reihe die Großeltern väterlicherseits und die untere Reihe die Großeltern mütterlicherseits. Bei einer "normalen" 4er-Ahnenprobe wäre die Reihenfolge 1-2, 3-4 mit 1 = Speth, 2 = Neuneck, 3= Uttenheim und 4 = Bubenhofen. Durch die Hinzunahme der Eltern bekommen wir drei separate Paare mit der Reihenfolge der Wappenschilde 1-3, 1-2 und 2-4.
7.)
Reickardis (Richardis) von Uttenheim, Frau des Hans Eitel Speth
von Sulzburg
Auch diese rechteckige
Grabplatte hat die ursprüngliche Steinoberfläche bewahrt. Wir
sehen die Verstorbene in frontaler Darstellung, den leicht nach
rechts gedrehten Kopf auf ein auf die Spitze gestelltes
viereckiges Kissen mit Quasten an den Enden gebettet. Der weite
Umhang gibt durch den offenen Spalt vorne den Blick frei auf die
vor dem Bauch übereinandergelegten Hände, die ein Buch an den
Körper drücken und einen Rosenkranz halten, der unten mit
Medaillon und Kreuz endet. Darüber sind drei Kettchen zu sehen,
ebenso wie die Buchbeschläge und der Rosenkranz farblich
abgesetzt. Die umlaufende Inschrift lautet: "An(n)o D(omi)ni
1586 (a)uff Don(n)erstag den 8 Maij zwische(n) / 3 und 4
uhren gegen tag verschi(e)d in Gott sseliglich die Edel und
Ehrenreich(e) fraw Reickardi(s) Spet(h)in / (geborene von)
Ottenheim zum Ramenstein / (der Gott) genedig und Barmhertzig
sein und ihr ein(e) fr(öhlic)he gnade(n)reiche aufferstehung
verleihe(n) wölle Ame(n)".
Es gibt im unteren Bereich der Platte zwei Hauptwappen, das Vollwappen der Speth ("SPET") wie beschrieben und das Vollwappen der von Uttenheim ("OTTENHAIM"), in Schwarz ein goldener Schrägbalken, auf dem Helm (fakultativ mit schwarz-goldenen Decken) das Haupt eines wilden Mannes oder Riesen mit langen, wallenden Haaren, die hier aber komplett die Helmdecken ersetzen. In den beiden oberen Ecken des Zentralfeldes sind zwei adjuvante Schilde angebracht, die zwar oben auf der Platte angebracht sind, aber durch die Reduzierung auf nur den Schild anzeigen, daß sie den beiden unteren Vollwappen nachgeordnet sind. Heraldisch rechts oben sehen wir das Wappenbild der von Schienen ("SCHEINEN"), in Blau über einem silbernen Sechsberg ein sechsstrahliger, goldener Stern. Das hier nicht verwendete Kleinod wäre nach dem Berliner Wappenbuch zu blau-silbernen Decken ein blauer, silbern gestulpter Turnierhut, oben besteckt mit einem sechsstrahligen, goldenen Stern mit Hahnenfederbüschen an den drei oberen Spitzen. Die Familienmitglieder waren Reichenauer Ministerialen, dann Reichsritter; die Familie ist 1638 im Mannesstamm erloschen. Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: WüA Seite: 231 Tafel: 129. Weitere historische Abbildungen sind zu finden im Scheiblerschen Wappenbuch Folio 103, im Wappenbuch St. Gallen (1521), im Donaueschinger Wappenbuch (837) und im Wappenbuch des Gallus Öhem (232). Gegenüber sehen wir den Schild der elsässischen Zorn von Bulach ("BVOLACH"), rot-golden geteilt, oben ein silberner achtstrahliger Stern. Da diese Familie für ihre überaus große Zahl von Kleinoden je nach Linie bekannt ist, kann hier keine Festlegung erfolgen, welche in diesem Fall zutreffend wäre. Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: Bad Seite: 84 Tafel: 50 und im Band: Els Seite: 24 Tafel: 28-30, wobei im Siebmacher Band Elsaß insgesamt 30 verschiedene Kleinode aufgelistet werden, was wirklich rekordverdächtig ist.
Mit diesem Grabdenkmal kommt eine ganz andere Linie der Speth ins Spiel, nämlich die Speth von Sulzburg. Hans Eitel Speth von Sulzburg, der im Schmalkaldischen Krieg mitgefochten hat, war der Sohn vermutlich von Gall Speth von Sulzburg und einer Frau von Schienen, abweichend werden im Speth-Stammbaum von 1903 als Eltern Caspar Speth und Agnes von Schienen angegeben, letztere die Tochter des Sixtus von Schienen. Hans Eitel hat in erster Ehe die 1564 verstorbene Eleonore von Hürnheim geheiratet und danach in zweiter Ehe "unsere" Reickardis oder auch Richardis von Uttenheim zu Ramstein. Im Speth-Stammbaum von 1903 wird ihr Todesdatum korrekt, seines als der 31.6.1596 angegeben. Seine zweite Ehefrau war die Tochter eines mir nicht namentlich bekannten Herrn von Uttenheim und einer Frau Zorn von Bulach. Das hier genannte Ramstein ist das Château de Ramstein, eine einsturzgefährdete Ruine einer aus dem 13. Jh. stammenden Burg nordwestlich der Ortschaft Scherwiller im Département Bas-Rhin im Elsaß, in der Nähe der bekannteren Burg Ortenberg. Ursprünglich wurde die Burg von den Herren von Ochsenstein erbaut, kam aber an die Zorn von Bulach und 1422 an die von Uttenheim, ab 1437 als württembergisches Lehen. Für den Ehemann der Richardis gibt es auch ein Epitaph in der Kirche (siehe drittes Kapitel zu dieser Kirche).
Der Ehemann, Hans Eitel Speth von Sulzburg, bischöflich speyerischer Faut (Vogt) und Oberamtmann zu Lauterburg, stiftete übrigens zu seinem Seelenheil und dem seiner verstorbenen Frau Reickardis, sowie dem seiner Vorfahren und Nachkommen und zur Unterstützung der Armen in Zwiefaltenmarkt und Ehestetten ein Hauptgut von 200 fl., das er seinem Vetter Wilhelm Dietrich Speth von und zu Zwiefalten übergab mit der in der Zinsverschreibung festgelegten Bedingung, jährlich daraus den Zins von 10 fl. an die Armen von Zwiefaltenmarkt und Ehestetten zu verteilen.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@48.2161678,9.5169271,20z - https://www.google.de/maps/@48.2161678,9.5169271,71m/data=!3m1!1e3
Zwiefaltendorf auf Leo-BW: https://www.leo-bw.de/web/guest/detail-gis/-/Detail/details/ORT/labw_ortslexikon/17492/x
Seelsorgeeinheit Riedlingen: https://dekanat-biberach.drs.de/seelsorgeeinheiten/16-riedlingen.html
R. A. R.: Die Grabdenkmäler der Herren von Speth aus drei
Jahrhunderten in der Pfarrkirche zu Zwiefaltendorf, in: Archiv
für christliche Kunst: Organ des Rottenburger
Diözesan-Kunstvereins:
Teil 1 in Jahrgang 1912, Nr. 8, S. 69-12 http://digi.ub.uni-heidelberg.de/cgi-bin/digi-downloadPdf.fcgi?projectname=afck1912&firstpage=78&lastpage=81
Teil 2 in Jahrgang 1912, Nr. 9, S. 81-84 http://digi.ub.uni-heidelberg.de/cgi-bin/digi-downloadPdf.fcgi?projectname=afck1912&firstpage=90&lastpage=93
Teil 3 in Jahrgang 1912, Nr. 10, S. 98-102 http://digi.ub.uni-heidelberg.de/cgi-bin/digi-downloadPdf.fcgi?projectname=afck1912&firstpage=107&lastpage=111
Teil 4 in Jahrgang 1912, Nr. 11, S. 107-109 http://digi.ub.uni-heidelberg.de/cgi-bin/digi-downloadPdf.fcgi?projectname=afck1912&firstpage=116&lastpage=118
Teil 5 in Jahrgang 1912, Nr. 12, S. 115-117 http://digi.ub.uni-heidelberg.de/cgi-bin/digi-downloadPdf.fcgi?projectname=afck1912&firstpage=124&lastpage=126
Teil 6 in Jahrgang 1913, Nr. 1, S. 7-10 http://digi.ub.uni-heidelberg.de/cgi-bin/digi-downloadPdf.fcgi?projectname=afck1913&firstpage=12&lastpage=15
Teil 7 in Jahrgang 1913, Nr. 2, S. 18-21 http://digi.ub.uni-heidelberg.de/cgi-bin/digi-downloadPdf.fcgi?projectname=afck1913&firstpage=25&lastpage=28
Teil 8 in Jahrgang 1913, Nr.3, S. 30-32 http://digi.ub.uni-heidelberg.de/cgi-bin/digi-downloadPdf.fcgi?projectname=afck1913&firstpage=37&lastpage=39
Volker Grub: Reichsritter im Lautertal - die Freiherren Speth von
Schülzburg, ein Streifzug durch die Familiengeschichte, mit
Beiträgen von Manfred Waßner, Verlag Regionalkultur, 2018, 160
S., ISBN-10: 3955050734, ISBN-13: 978-3955050733
Arthur Freiherr von Speth-Schülzburg: Stammbaum der Freiherren
von Speth, 1903 - https://portal.dnb.de/opac.htm?method=simpleSearch&cqlMode=true&query=idn%3D115040096X - https://portal.dnb.de/bookviewer/view/115040096X#page/1/mode/2up - download am besten über http://d-nb.info/115040096X/34. Cave, der Stammbaum enthält etliche Fehler.
Familie von Speth: https://de.wikipedia.org/wiki/Speth_(Adelsgeschlecht)
Stiftung des Hans Eitel Speth: Landesarchiv Baden-Württemberg,
Abt. Staatsarchiv Sigmaringen, Dep. 32 T 1 U 10 - https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/3K76J7TQRT76SGK74SR6COVHTBCLEVWU
über Hans Eitel Speth: Deutsche Inschriften Bd. 20, Die
Inschriften des Großkreises Karlsruhe, Nr. 223 (Anneliese
Seeliger-Zeiss), in: www.inschriften.net,
urn: nbn:de:0238-di020h007k0022306 - http://www.inschriften.net/karlsruhe/inschrift/nr/di020-0223.html#content
Veröffentlichung der
Innenaufnahmen aus der Kirche mit freundlicher Genehmigung von
Herrn Pfarrer Walter Stegmann vom 23.3.2021, wofür ihm an dieser Stelle
herzlich gedankt sei
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Copyright bzw. Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard
Peter 2021
Impressum
Grabdenkmäler in der Pfarrkirche St. Michael in Zwiefaltendorf, Teil (2): Dietrich Speth - Grabdenkmäler in der Pfarrkirche St. Michael in Zwiefaltendorf, Teil (3): Hans Eitel Speth und Wilhelm Dietrich Speth - Grabdenkmäler in der Pfarrkirche St. Michael in Zwiefaltendorf, Teil (4): die neueren Kunstwerke