Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2742
Scheer (Landkreis Sigmaringen)

Schloß Scheer

Schloß Scheer (Schloßsteige 16) bildet in ortsbeherrschender Lage zusammen mit der Nikolauskirche die Bekrönung eines schmalen Weißjura-Bergspornes im Tal der Donau, die den Bergsporn in einer langgestreckten Schleife umströmt. Der alte Ort liegt im Osten des Schlosses zwischen Berghang und Donau. Die Lage ist strategisch günstig, die einzige nicht durch den Fluß geschützte Seite wurde durch einen 25 m tiefen Graben gesichert. Die verschachtelte Schloßanlage bildet ein malerisches Konglomerat aus drei mehrgeschossigen Gebäuden mit Staffelgiebeln. Ein niedrigerer Verbindungsbau (Kavaliersbau) verbindet diese drei Einzelgebäude. Im Kavaliersbau liegt die am 8.10.1505 durch den Konstanzer Bischof Hugo von Hohenlandenberg geweihte Schloßkapelle. Der Rittersaal liegt im Nordbau, dem größten der drei Hauptbaukörper. Der Hauptzugang liegt im Norden; der Zugang führt durch den Torbau bzw. Kanzleibau aus dem 16./17. Jh., der vermutlich 1786 aufgestockt, erweitert und mit einem Mansarddach versehen wurde. Das Schloß wird somit von den hintereinander gestaffelten und gegeneinander versetzten, drei- bis vierstöckigen Baukörpern geprägt. Eine Schloßmauer führt um den gesamten Schloßbereich. Es gibt nur einen abgesetzten Rundturm mit Zeltdach im Süden am Mühlberg, der den dortigen Zwinger schützte. Er stammt aus der Zeit um 1730. Hier überquert eine Brücke den Graben zum Schloßpark auf dem Karlsberg, der im 18. Jh. als englischer Garten angelegt wurde. Auch im Norden gab es einst einen Graben zwischen Schloß und Vorhof, doch der ist zugeschüttet.

Der markante Hügelrücken mit den zur Donau abfallenden natürlichen Felshängen im Westen und im Osten trug vermutlich bereits im Mittelalter eine Befestigung entlang der alten Donaustraße Basel-Ulm auf der markanten Erhebung, bevor hier ein Schloß erbaut wurde. In der Mitte des 13. Jh. lag die Ortsherrschaft bei den Pfalzgrafen von Tübingen. Vor 1267 ging die Herrschaft an Graf Hugo von Montfort. Dieser verkaufte ca. 1289 Burg und Stadt Scheer an König Rudolf von Habsburg, der auf der Burg einen Vogt einsetzte. Von Habsburg kam Scheer 1314 durch Verpfändung wieder an die Grafen von Montfort. Diese legten 1369 Scheer mit der Grafschaft Friedberg zur Grafschaft Friedberg-Scheer zusammen. Von diesen kam sie 1452 an die Truchsessen von Waldburg. Der Begründer der Linie der Truchsessen von Waldburg-Scheer war Eberhard I. Truchseß von Waldburg (1424-22.9.1479). Er hatte Kunigunde Gräfin von Montfort-Tettnang geheiratet, die Tochter von Wilhelm IV. Graf von Montfort-Tettnang (zu Tettnang, Argen, Wasserburg, Friedberg und Scheer, 1412 zu Schellenberg, 1437 im Prättigau und Davos) und Gräfin Kunigunde von Werdenberg-Heiligenberg-Bludenz. Als eine Art Mitgift durfte Eberhard die Grafschaft Friedberg-Scheer ablösen, die sein Schwiegervater als Pfandschaft von Habsburg besaß. Durch diesen Kauf wechselte die zuvor mehrfach verpfändete Grafschaft dauerhaft den Besitzer. Ab 1460 erhob die Grafschaft Sigmaringen Ansprüche, aber umsonst - letztliches Urteil des Reichskammergerichts zugunsten der Truchseß Waldburg erging 1601. Schloß Scheer war 1452-1785 waldburgischer Herrschaftssitz der reichsunmittelbaren Grafschaft Friedberg-Scheer, in der die Hoch- und Blutgerichtsbarkeit von den Truchsessen Waldburg ausgeübt wurde. 

Eberhard I. Truchseß von Waldburg (1424-22.9.1479) kaufte am 19.7.1455 von den Brüdern Wilhelm II. und Georg II. Grafen von Werdenberg-Sargans für 15000 fl. die Burg und die Herrschaft Sonnenberg, die von Feldkirch bis zum Arlberg reichte und die namengebende Burg in Nüziders hatte. Georg wurde übrigens Eberhards Schwiegersohn. Eberhard besaß die angrenzende Herrschaft Bludenz bereits als Pfand, wozu auch das Montafoner Tal gehörte. Am 11.8.1463 wurde die Herrschaft Sonnenberg von Kaiser Friedrich III. zur Grafschaft Sonnenberg erhoben, dadurch wurde Eberhard zum Reichsgrafen. Es war ein kurzes Zwischenspiel, denn Herzog Siegmund von Österreich, Statthalter zu Innsbruck, besetzte 1474 die Grafschaft Sonnenberg und kaufte sie am 31.8.1474 Graf Eberhard ab, für 34000 fl. Die Herrschaft gehörte ab jetzt zum habsburgischen Vorderösterreich, später zu Vorarlberg als Teil Tirols. Nach dem Erlöschen der Linie der letzten Grafen Waldburg-Sonnenberg ging der Titel Graf von Sonnenberg an das Haus Habsburg über.

Zurück zu Scheer: In den Jahren 1485-1496 wurde Schloß Scheer von Meister Lienhart aus Mengen für Eberhards Sohn, Graf Andreas Truchseß von Waldburg Graf von Sonnenberg (1472-10.5.1511) anstelle einer älteren Burg errichtet. Andreas hatte schon 1475 die Grafschaft Friedberg-Scheer erhalten, und 1483 erbte er von seinem älteren Bruder die Herrschaft Bussen. Schloß Scheer wählte er als Herrschaftssitz. Graf Andreas wurde 1511 im Auftrag von Felix Graf von Werdenberg ermordet; der Grund waren Grenzstreitigkeiten, die sich zu einer ausgewachsenen Feindschaft entwickelt hatten. Es gibt hier eine Querverbindung zum Schloß Sigmaringen, denn in dessen Tor befindet sich eine sekundär dort eingelassene Relieftafel aus dem Jahr 1526, die als Sühne-Epitaph des Felix von Werdenberg bezeichnet wird. Graf Andreas besitzt in der Pfarrkirche St. Nikolaus in Scheer ein Epitaph im Chor.

 

Aus der Zeit des Andreas Graf von Waldburg-Sonnenberg stammt das kleine Wappen am Fuße des polygonalen Erkers an dem nordöstlichen Eck des nach Osten vorspringenden, mittleren Treppengiebelbaus. Sein Wappen ist geviert, Feld 1 und 4: Grafschaft Sonnenberg, in Blau über einem goldenen oder natürlichen Dreiberg eine goldene, gesichtete Strahlensonne, Feld 2 und 3: Truchseß von Waldburg, in Gold drei schwarze, rotgezungte, schreitende und hersehende Löwen übereinander. Der Wappenschild wird von einem Löwen gehalten. Dieses Wappen ist auch an seinem Epitaph in der Kirche angebracht, zweimal sogar, einmal auf dem Schild und einmal um 90 Grad gedreht auf dem Banner, außerdem taucht es gemalt im Deckenschmuck der Kirche auf.

 

Mit dem Tod von Andreas erlosch diese Linie, die sogenannte Eberhardische Linie. Er hatte aus der Ehe mit Margaretha von Starhemberg eine Erbtochter, Sibylla von Waldburg-Sonnenberg (1493-1536), die Wilhelm von Waldburg-Trauchburg d. Ä. (1470-17.3.1557) heiratete, wodurch diese Linie (ältere Jakobische Linie) den Besitz in Scheer erhielt. Das war derjenige, der Gesandter des Schwäbischen Bundes und 1509 dessen oberster Feldhauptmann wurde, der Hofmeister König Ferdinands und Rat Kaiser Karls V. war, und derjenige, der 1521-1525 nach der Vertreibung Herzog Ulrichs von Württemberg vom Kaiser als Statthalter von Württemberg eingesetzt wurde. 1525 legte er die Statthalterschaft nieder, sie ging an seinen Vetter Georg. Beide, Wilhelm und Georg, wurden am 27.7.1526 zum Reichserbtruchsessen ernannt. Das war erst einmal eine Anwartschaft, denn das  Reichserbtruchsessenamt wurde auf dem Reichstag zu Regensburg 1594 zum ersten Mal von einem Waldburg wahrgenommen. Um 1550 zog sich Wilhelm d. Ä. zurück und übertrug seinem Sohn Wilhelm d. J. bereits zu Lebzeiten die Regierung.

Eine zweite Bauphase von Schloß Scheer ist 1561-1565 anzusetzen; den Ausbau veranlaßte Reichserbtruchseß Wilhelm Truchseß von Waldburg der Jüngere (6.3.1518-17.1.1566), der Sohn des oben genannten Feldhauptmanns. Dieser heiratete Johanna von Fürstenberg (12.5.1529-1589). Deren Allianzwappen befindet sich am Schloß, eingerahmt von einer Aedicula auf drei Konsolen, deren Datierung widersprüchlich ist: Die eingeschlagene echte Jahreszahl 1563 im Gebälk ist übermalt mit der Jahreszahl 1786 (s.u.), und im Wappenfeld steht noch die Jahreszahl 1561 zu lesen. Das aus Courtoisie einwärtsgewendete Wappen des Ehemannes zeigt in Gold drei schwarze, rotgezungte, schreitende und hersehende Löwen übereinander, auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken auf einem roten Kissen ein Pfauenstoß (Pfauenfederbusch). Zu den Decken: Im Scheiblerschen Wappenbuch und im Berliner Wappenbuch sind es schwarz-goldene Decken, bei Otto Hupp im Münchener Kalender 1896 rot-silberne Decken. Weitere Nachweise: Siebmacher Band: FstM Seite: 66-67 Tafel: 143-146, Band: Pr Seite: 31 Tafel: 35, Band: Bad Seite: 2 Tafel: 3. Es fällt auf, daß hier das Feld für die Grafschaft Sonnenberg nicht mehr geführt wird, weil ein Linienwechsel stattgefunden hat.

Das Wappen für die Ehefrau Johanna von Fürstenberg, Tochter von Friedrich III. Graf von Fürstenberg (19.6.1496-1559) und Anna von Werdenberg-Heiligenberg (-1554), zeigt im von blauen und silbernen Wolken eingefaßten goldenen Schild einen blau bewehrten roten Adler, auf dem Helm mit rot-goldenen Decken auf einem mit goldenen Quasten verzierten roten Kissen ein silberner Pelzballen. Zwischen den beiden Wappen steht eine Dame, die ein linksabwehendes Banner mit dem Löwenwappen und zwei langen Schwenkeln hält. Die an einigen Stellen schon stark verwaschene und hier sinngemäß ergänzte Inschrift nennt "Wilhelm der Jünger(e) / des Hay(ligen) Rö(mischen) Reychs Erb(tr)/(uch)sas Freiher(r) zu Wal/dpurg Herr zur Schär (= Scheer) / und Tr(a)uchpurg ih(rer) kö(niglichen und) kai(serlichen) / M(ajestät) Rath und C(ämmerer)".

Nach Wilhelm dem Jüngeren folgten als Grafen von Waldburg-Scheer aufeinander Christoph (24.8.1551-1612, reg. 1566-1612, auch mit einer von Fürstenberg verheiratet), Wilhelm Heinrich (26.1.1580-7.5.1652, reg. 1612-1652, Erbauer der Loreto-Kapelle, siehe dortiges Wappen), Christoph Karl (24.8.1613-28.3.1672, reg. 1652-1672), Franz Eusebius Mathias (-1679, reg. 1672-1678) und des Letzteren Neffe, Maximilian Wunibald von Waldburg-Friedberg-Scheer (1647-16.4.1717, reg. 1678-1717). 1717 kam es zu einem Wechsel von der älteren Jakobischen Linie auf die jüngere, es folgten Joseph Wilhelm Eusebius (20.1.1694-19.3.1756, reg. 1717-1756) und Leopold Augustus von Waldburg-Friedberg-Scheer (29.9.1728-1.10.1764, reg. 1756-1764). Unter Josef Wilhelm Eusebius Graf von Waldburg zu Trauchburg (20.1.1694-19.3.1756), der übrigens mit Maria Eleonora Elisabeth auch eine von Fürstenberg geheiratet hatte, aber eine aus der Linie zu Stühlingen, entstand ein Anbau an der Westseite des Nordflügels mit Wachstube und Gefängnis, und in seiner Regierungszeit entstanden auch der südliche Zwingerturm, die Brücke und der Schloßpark. Im 18. Jh. entstand der Remisenbau.

Seit 1680 wurde die bisherige Reichsunmittelbarkeit dadurch relativiert, daß Österreich die Grafschaft nur noch als Mannlehen anerkannte. Die letzte Bewohnerin aus der Familie der Truchseß Waldburg war die kinderlose Anna Maria Monika Gräfin von Waldburg (12.6.1730-17.6.1775), Witwe von Leopold August und eine geborene Fugger von Kirchberg und zu Weissenhorn. Sie stiftete 1775 den "Landschaftlichen Hausarmen- und Schulfonds". Ihre Erben verkauften 1785/1786 die Grafschaft Friedberg-Scheer mit dem Schloß und mit den Herrschaften Dürmentingen und Bussen an Karl Anselm Fürst von Thurn und Taxis. Die Belehnung durch das Reich mit der "gefürsteten Grafschaft Friedberg-Scheer" erfolgte 1787. Die Familie Thurn und Taxis hatte für die Grafschaft die unglaubliche Summe von 2100000 fl. bezahlt. Diese Summe stand in keinerlei Relation zu den erzielten bzw. erzielbaren Einnahmen. Diese Summe wurde vielmehr in reichsunmittelbares Territorium wegen genau dieser Eigenschaft investiert. Schloß Scheer hatte als Herrschaftssitz ausgedient und wurde Verwaltungssitz. Anläßlich der Herrschaftsübernahme wurde 1786 ein Wohnhaus mit Mansarddach an der Ummauerung des Schloßhofs bzw. des Kirchbergs erbaut (Schloßsteige 12). Auch der aus dem 16. Jh. stammende Kanzleibau wurde aufgestockt und mit einem Walmdach versehen. 1805/1806 ging die Landesherrschaft an das Königreich Württemberg über. Die Stadt Scheer kam zum Oberamt Saulgau, das 1938 zum Landkreis Saulgau wurde. Mit der Verwaltungsreform 1973 kam Scheer zum Landkreis Sigmaringen. Das Schloß Scheer blieb in Privatbesitz der Fürstenfamilie Thurn und Taxis, die es 1967 an privat veräußerte. Heute befinden sich im renovierungsbedürftigen Anwesen mehrere Wohnungen. Das Schloß kann innen nicht besichtigt werden; der Zugang in den Innenhof und die Außenbesichtigung ist möglich.

Genealogie der Linie Waldburg-Sonnenberg

Ältere Jakobische Linie Waldburg-Trauchburg:

Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@48.0722864,9.293016,17.75z - https://www.google.de/maps/@48.0722923,9.292907,119m/data=!3m1!1e3
Wolfgang Willig, Landadel-Schlösser in Baden-Württemberg, eine kulturhistorische Spurensuche, 1. Auflage 2010, ISBN 978-3-9813887-0-1, S. 445-446
Rundgang in Scheer:
https://www.stadt-scheer.de/de/scheer/rundgang.php
Schloß Scheer auf LEO-BW:
https://www.leo-bw.de/web/guest/detail-gis/-/Detail/details/DOKUMENT/lad_denkmale/1214653/Schloss+Scheer+Schlo%C3%9Fsteige+12+16+Scheer
Stadt Scheer auf LEO-BW:
https://www.leo-bw.de/web/guest/detail-gis/-/Detail/details/ORT/labw_ortslexikon/21335/Scheer und Geschichte der Stadt Scheer: https://www.leo-bw.de/web/guest/detail-gis/-/Detail/details/ORT/labw_ortslexikon/21338/Scheer+-+Altgemeinde~Teilort
Andreas von Sonnenberg:
https://de.wikipedia.org/wiki/Andreas_von_Sonnenberg
Grafschaft Sonnenberg:
https://de.wikipedia.org/wiki/Grafschaft_Sonnenberg
Wilhelm von Waldburg-Trauchburg:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_der_Ältere_von_Waldburg-Trauchburg
Linie Waldburg-Scheer:
https://de.wikipedia.org/wiki/Waldburg-Scheer
Joseph Vochezer: Geschichte des fürstlichen Hauses Waldburg in Schwaben. Band 2. Kösel, Kempten 1900 - 
https://archive.org/details/GeschichteDesFuerstlichenHausesWaldburgInSchwaben2 - https://archive.org/download/GeschichteDesFuerstlichenHausesWaldburgInSchwaben2/Vochezer_Waldburg_2.pdf
Haus Waldburg:
https://de.wikipedia.org/wiki/Haus_Waldburg
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9

Die Wappen der Truchsesse von Waldburg und der gräflichen und fürstlichen Linien

Ortsregister - Namensregister - Regional-Index
Zurück zur Übersicht Heraldik

Home

© Copyright bzw. Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2021
Impressum