Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 2697
Rödental (Landkreis Coburg, Oberfranken)
St. Johannis-Kirche Oeslau
Die evangelische Pfarrkirche St. Johannis in Rödental-Oeslau liegt ca. 100 m südlich der Bahnstrecke Coburg-Neustadt und des Bahnhofs Rödental an der Kronacher Straße im Nordwesten der Domäne Rödental. Die Kirche stammt im Kern aus dem 16. Jh. und ersetzte damals einen älteren Vorläufer. Sie erfüllte die Funktion einer Kapelle des einstigen Wasserschlosses Oeslau. Die Jahreszahl 1517 belegt die Entstehung dieser zweiten Kirche, von der noch der Chor mit seinem seltenen Zellennetzgewölbe stammt. Herzog Johann Casimir von Sachsen-Coburg erwarb im Jahre 1600 das Wasserschloß, das zuvor den Herren von Rosenau gehört hatte, samt Kirche, die er 1603-1604 umbauen ließ. Er bestimmte Johannes den Täufer als Kirchenpatron, inspiriert von seinem eigenen Namen. Den Kirchenraum ließ er mit einer neuen Decke und einer gewinkelten Empore auf zwei Seiten und in zwei Ebenen versehen, er baute ferner eine Herrschaftsloge und eine Sakristei mit Treppenhaus an. Die umgebaute Kirche konnte am 16.3.31604 eingeweiht werden. Erst 1610 wurde der Kirchturm im Westen angesetzt.
Nach dem Tod des Bauherrn versank die Kirche in einen Dornröschenschlaf, was für die stilreine Erhaltung der Ausstattung ein großer Vorteil war, denn hier wurde 230 Jahre lang gar nichts verändert, so daß die Kirche auch der Barockisierung entging. Das Domänengut mit Kirche kam später an den Freistaat Bayern, und Oeslau, das erst seit 1951 eine eigenständige Kirchengemeinde bildet, kaufte die Kirche 1953. Ein Umbau erfolgte bis 1954. Dabei wurde der alte Kirchturm im Westen abgerissen, um einem das Schiff verlängernden Anbau Platz zu machen; ein neuer achteckiger Kirchturm mit welscher Haube, ganz ähnlich dem alten, wurde an der nördlichen Längsseite mittig errichtet. Das Langhaus wurde dabei von 8 m Länge auf 17,2 m Länge ausgedehnt.
Über dem Chorbogen befindet sich ein Ehewappen von Johann Casimir Herzog von Sachsen-Coburg (12.6.1564-16.7.1633) und seiner Frau, Margareta von Braunschweig-Lüneburg (6.4.1573-7.8.1643). Beide Wappen sind als Vollwappen aufrecht nebeneinander gestellt, aufgrund der Komplexität des Aufbaus beider Einzelwappen wurde auf jegliches Neigen oder Wenden verzichtet. Der Ehemann war der Sohn von Johann Friedrich II. Herzog von Sachsen-Coburg-Eisenach (8.1.1529-19.5.1595) und Elisabeth Pfalzgräfin bei Rhein (30.6.1540-8.2.1594); die Ehefrau war die Tochter von Wilhelm V. Herzog von Braunschweig-Lüneburg-Celle (4.7.1535-20.8.1592) und Dorothea Prinzessin von Dänemark (29.6.1546-6.1.1617).
Und damit sind wir bereits mittendrin in hochkomplizierten Verhältnissen und einem spannenden historischen Hintergrund: Margareta war die zweite Ehefrau des Herzogs; er hatte in erster Ehe am 16.1.1586 in Dresden Anna von Sachsen (16.11.1567-27.1.1613) aus der albertinischen Kurlinie geheiratet, eine weitläufige Verwandte, denn sie beide hatten Friedrich II. von Sachsen zum Vorfahren, für Johann Casimir war er der Urururgroßvater, für Anna war er der Ururgroßvater, eine Generation weniger. Anna war wegen einer körperlichen Verwachsung keine Traumfrau, aber der eigentliche Grund für diese Heirat war ihr Vater, der Einfluß beim Kaiser nehmen sollte, denn der Vater des Bräutigams befand sich damals in kaiserlicher Haft. Doch der Schwiegervater starb kurz darauf, die Hoffnung auf Befreiung des Vaters starb mit. Dann heiratete Johann Casimir in zweiter Ehe am 16.9.1599 in Coburg Margareta von Braunschweig-Lüneburg aus der Linie zu Celle. Kurioserweise war auch die erste Schwiegermutter eine dänische Prinzessin, Anna von Dänemark, ebenfalls eine Tochter von König Christian III. und damit eine Schwester der zweiten Schwiegermutter. Um die Verbindungen noch komplexer zu machen, noch ein Wort zu Anna von Sachsen: Sie feierte mit ihrer Schwester Dorothea am 5. und 6. Mai 1584 Doppelverlobung, Anna mit Johann Casimir, und Dorothea mit Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel (1564-1613), aus einer anderen Linie der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg als derjenigen, aus der die zweite Frau von Johann Casimir stammte.
Die nicht konkludenten Heirats- und Lebensdaten beider Ehefrauen verraten ein großes Unglück: Anna von Sachsen, die erste Frau, war es leid, daß ihr Gemahl ständig mit irgendwelchen Jagdgesellschaften unterwegs war, oft wochenlang. Im Grunde war die Ehe eine politische, eine durchschnittliche und lieblose Partnerschaft. Es kam wie so oft: Sie vertrieb sich ihre Einsamkeit mit Ulrich von Lichtenstein, der zu ihrem Liebhaber wurde. Der Ehebruch flog 1593 auf; Johann Casimir reichte sofort die Scheidung ein und ließ die Liebenden inhaftieren. Beide wurden erst zum Tode verurteilt, dann wandelte der Herzog das Urteil per Gnadenakt in lebenslange Haft um. 20 Jahre, fast die Hälfte ihres kurzen Lebens verbrachte Anna von Sachsen in Haft. 1593-1596 war sie in Eisenach inhaftiert, dann im aufgehobenen Kloster Sonnefeld und schließlich auf der Veste Coburg, wo sie 1613 starb. Und ihr geschiedener Ehemann heiratete derweil ihre Cousine. Der Liebhaber starb im sog. Totengräberturm, einem Coburger Stadtturm am Salvatorfriedhof. Dieses Ende der ersten Ehe erklärt auch, warum die erste Ehefrau heraldisch totgeschwiegen wird und nur die zweite Ehefrau mit ihrem Wappen auftaucht, obwohl die erste noch lebte.
Bei diesen beiden Protagonisten gibt es etliche Querverbindungen zu anderen Wappenfunden: 1.) Die Wappen der beiden Ehepartner sind in ganz ähnlicher Form in Coburg am Gymnasium Casimirianum (Gymnasiumsstraße 2) zu finden, und noch einmal am herzoglichen Prunkwagen in den Ausstellungsräumen auf der Veste Coburg. 2.) Das Wappen des Ehemannes alleine ist am Stadthaus angebracht. 3.) Das Wappen des Großvaters von Herzog Johann Casimir ist zweimal am Schloß in Gotha als Spolie eingemauert. 4.) Die Wappen der Eltern der Ehefrau sind beide am alten Rathaus in Celle zu finden. 5.) Von Herzog Johann Casimir selbst gab es später wesentlich aufwendigere Wappen mit noch mehr Feldern und drei Helmen mehr, was durch den Anfall der Ansprüche auf Cleve-Jülich-Berg-Moers-Mark-Ravensberg begründet war; ein solches noch komplexeres Wappen ist auf seiner bronzenen Grabplatte in St. Moriz zu Coburg an der Nordwand des Chores zu sehen, wo auch die Bronzeplatten für seine Eltern angebracht sind. Hier sind wir zeitlich früher, vor 1609 und dem Entstehen des Cleve-Jülichschen Erbfolgestreites, in dessen Folge sowohl Pfalz-Neuburg, als auch Sachsen und Brandenburg Ansprüche anmeldeten und durch Aufnahme der entsprechenden Felder in ihre Wappen untermauerten. Das ist hier noch Zukunftsmusik, denn diese Wappen stellen den zwischen 1599 und 1609 gültigen Zustand dar, wodurch das Zeitfenster für die Anbringung auf dieses Jahrzehnt eingegrenzt werden kann, was absolut mit der eingangs angegebenen Umbauzeit von 1603-1604 konform geht. Die späteren Ansprüche auf Cleve, Jülich, Berg, Moers, Marck und Ravensberg sind eine Folge der Heirat zwischen Johann Casimirs Großvater, Johann Friedrich Kurfürst von Sachsen, mit Sibylle von Jülich-Cleve-Berg.
Johann Casimir Herzog von Sachsen-Coburg (12.6.1564-16.7.1633) führt ein typisch ernestinisches Wappen, wie es nach dem Verlust der Kurwürde aufgebaut war. Ja, der schmerzliche Verlust der Kurwürde für die ernestinische Linie der Wettiner ist hier ganz nah, denn Johann Casimir war der Enkel von Johann Friedrich I. Kurfürst von Sachsen (30.6.1503-3.3.1554), den Verlierer der Schlacht bei Mühlberg. Über Herzog Johann Friedrich I. war bereits am 19.7.1546 von Kaiser Karl V. die Reichsacht verhängt worden, das lag an seinen Übergriffen gegen das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel und der Gefangennahme von Herzog Heinrich, den Schwiegervater der oben erwähnten Dorothea von Sachsen. Nun wurde er am 24.4.1547 gefangengenommen und drei Wochen später zum Tode verurteilt, was später in lebenslange Gefangenschaft umgewandelt wurde, die letztendlich aber nur 5 Jahre dauerte. Und die Kurwürde wurde an die albertinische Linie übertragen. Herzog Johann Casimir war aber auch der Sohn von Johann Friedrich II. Herzog von Sachsen-Coburg-Eisenach (8.1.1529-19.5.1595), der sich mit dem Verlust der Kurwürde nicht abfinden wollte und sich in die verhängnisvollen Grumbachschen Händel hineinziehen ließ: Der notorische Gewalttäter, Intrigant und Unruhestifter Wilhelm von Grumbach brachte den Ruin für den Herzog. Johann Casimirs Vater wurde 1566 geächtet, 1567 gefangen genommen und starb in Gefangenschaft in Steyr. In 29 langen Jahren Festungshaft in Österreich wird er sich wohl oft gewünscht haben, Wilhelm von Grumbach nie kennengelernt zu haben. Johann Casimir hat es gelernt, den Verlust der Kurwürde durch seinen Großvater zu akzeptieren, und er suchte die Nähe zur Kurlinie durch seine erste Heirat.
Formulieren wir es überspitzt: Dafür, daß sein Vater, sein Großvater und seine erste Ehefrau und deren Schwester im Gefängnis landeten und drei davon auch in Gefangenschaft starben, und dafür, daß der letzte Teil seiner Regierungszeit vom Dreißigjährigen Krieg geprägt war, hat Herzog Johann Casimir ein erstaunlich freies Leben geführt. Dennoch gab es auch für ihn ein paar Schicksalsschläge: 1632 wurde Coburg von kaiserlichen und bayerischen Truppen unter Wallenstein besetzt, nachdem er dem schwedischen Bündnis beigetreten war. Der Herzog hatte sich aber rechtzeitig nach Thüringen absetzen können. Als er im Folgejahr kinderlos starb, fiel sein Herzogtum an seinen Bruder, Johann Ernst Herzog von Sachsen-Coburg-Eisenach (9.7.1566-23.10.1638), der 1572 aus dem väterlichen Erbe ein neu geschaffenes Herzogtum zu Eisenach bekommen hatte.
Das Wappen hat einen zweimal gespaltenen und dreimal geteilten Hauptschild und einen Herzschild anstelle des Feldes Nr. 5. Im einzelnen tragen die Felder folgende Inhalte: Feld 1: Landgrafschaft Thüringen, in Blau einwärts ein golden gekrönter und bewehrter Löwe, von Silber und Rot achtmal geteilt, Feld 2: Pfalzgrafschaft Thüringen, in Schwarz ein goldener Adler, Feld 3: Markgrafschaft Meißen, in Gold ein schwarzer Löwe, rot bewehrt, Feld 4: Grafschaft Orlamünde, in einem mit roten Herzen bestreuten goldenen Feld einwärts ein rot gekrönter und bewehrter schwarzer Löwe, Feld 6: Fehler: hier in Silber ein roter Löwe, das wäre bereits das Herzogtum Berg vorweggenommen, ein Anachronismus, dafür fehlt hier im Gegensatz zu anderen ernestinischen Wappen die Herrschaft Pleißen, in Blau ein von Gold und Silber geteilter Löwe, und genau so müßte dieses Feld korrekterweise angestrichen sein, Feld 7: Grafschaft Brehna, in Silber 3 (2:1) im Dreipaß ausgeschlagene rote Seeblätter, Feld 8: Markgrafschaft (Herrschaft) Landsberg, eigentlich in Gold zwei blaue Pfähle (hier fälschlicherweise umgekehrt, in Blau zwei goldene Pfähle), Feld 9: Pfalzgrafschaft Sachsen, in Blau ein golden gekrönter goldener Adler, Feld 10: Fehler: hier fünfmal rot-silbern gesparrt, gemeint ist in Silber drei rote Sparren, das wäre aber eine Vorwegnahme einer späteren Zutat, der Grafschaft Ravensberg, was aber ein Anachronismus ist, dafür fehlt hier im Gegensatz zu anderen ernestinischen Wappen das Regalienfeld, ledig und rot, und genau so müßte dieses Feld korrekterweise angestrichen sein, Feld 11: geteilt und halbgespalten, oben Burggrafschaft Altenburg, in Silber eine fünfblättrige rote Rose, golden bebutzt, eigentlich noch mit grünen Kelchblättern, unten rechts gefürstete Grafschaft Henneberg, in Gold auf grünem Dreiberg einwärts eine schwarze Henne, meist noch mit rotem Kamm und ebensolchem Kehllappen dargestellt, unten links Colonna bzw. Römhild, in Rot eine silberne, golden gekrönte Säule, Feld 12: Herrschaft Eisenberg (Isenberg), in Silber drei blaue Balken (hier fehlt ganz oben eine silberne Zone), Herzschild: Herzogtum Sachsen, von Schwarz und Gold neunmal geteilt, darüber ein grüner schrägrechter Rautenkranz.
Zu den beiden fehlerhaften Feldern: Es fällt auf, daß hier mit dem roten Löwen in silbernem Feld und den roten Sparren in silbernem Feld bereits scheinbar Elemente auftauchen, die erst 1610 zusammen mit Kleve, Jülich und Moers offiziell Eingang in das offizielle Wappen fanden, und daß die Symbole für die Herrschaft Pleißen und das Regalienfeld fehlen. Diese Felder sind aber lt. Siebmacher z. B. im Wappen für Herzog Friedrich-Wilhelm von Sachsen-Altenburg 1586 durchaus enthalten, wo erstmalig das Wappen der 1583 angefallenen gefürsteten Grafschaft Henneberg auftritt. In der Tat gibt es keine Begründung für a) die so frühe Aufnahme und b) nur eines Teiles der Ansprüche, nur Berg und Ravensberg, nicht aber Cleve, Jülich, Moers und Mark. Es ist also nicht nur zeitlich falsch, diese Felder bereits 1603-1604 zu zeigen, sondern auch unlogisch von der begrenzten Auswahl; und 1603-1604 existierende berechtigte Inhalte fallen dafür unter den Tisch, was unsinnig ist, wenn sie 1610 wieder aufgenommen werden. Es ist folglich ein Mißgriff in der Farbgebung. Was ist hier passiert? Man hat sich beim Anmalen des Wappens anläßlich einer späteren Restaurierung an die vielen farbigen Vorbilder aus der Zeit nach 1610 gehalten, und da war der rote Löwe eben da oben an dieser Position - also wurde er auch hier rot gemalt, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, daß es den damals noch nicht gab, dafür einen anderen, berechtigten Löwen. Die Versuchung zur Verwechslung ist groß, zumal ein schwarzer Löwe in goldenem Feld sowohl die Markgrafschaft Meißen als auch das Herzogtum Jülich darstellen kann - deshalb taucht das Feld vor 1609 auch nur einmal, ab 1610 aber zweimal auf. Aber man kann die Inhalte von ab 1610 nicht auf die Zeit vor dem Erbanspruch projizieren. Das wurde leider auch andernorts gemacht, am Stadthaus z. B., und an Schloß Ehrenburg wurde das Regalienfeld zu Cleve geändert, aber die ganz falsche Position verrät dort den Mißgriff, denn Cleve hätte ganz oben sein müssen, nicht unten im Eck. Genauso handelt es sich hier um eine nachträgliche fehlerhafte Umdeutung der Felder, weil man sich einfach nicht vergegenwärtigte, daß es auch eine Zeit vor 1610 gab, wo es weder Berg noch Ravensberg im Wappen geben konnte, und daß der Segen der sechs neuen Inhalte erst danach über das Wappen hereinbrach. Einzig korrekt angestrichen ist das Wappen dieser Zusammensetzung am Gymnasium Casimirianum, dort kann man korrekt die Herrschaft Pleißen und das Regalienfeld sehen. Dagegen sind die Abweichungen in den Feldern 8 und 12 Kleinigkeiten.
Dazu werden drei Helme geführt, Helm 1 (Mitte), gekrönt, ein gekrönter Spitzhut, von Schwarz und Gold neunmal geteilt, darüber ein grüner schrägrechter Rautenkranz, in der Hutkrone ein natürlicher Pfauenstoß (Herzogtum Sachsen), Helmdecken eigentlich schwarz-golden, Helm 2 (her. rechts), gekrönt: Landgrafschaft Thüringen, zwei silberne Büffelhörner, die hier mit je vier eigentlich goldenen (hier rot-grünen) Lindenzweigen besteckt sind, der jeweils vierte in der Hornmündung, Helmdecken eigentlich rot-silbern, Helm 3 (her. links): Markgrafschaft Meißen, ein rot-silbern gestreifter Mannesrumpf mit bärtigem Haupte und mit rot-silbern gestreifter Mütze (Heidenmütze), an der eine natürliche Pfauenquaste hängt, Helmdecken hier rot-silbern.
Beide Wappen haben übrigens eine weitläufige Verbindung zum englischen Königshaus. Die hier repräsentierte Margareta von Braunschweig-Lüneburg war die Schwester von Georg Herzog von Braunschweig-Calenberg (17.2.1582-11.4.1641), dessen Enkel als Georg I. den englischen Thron bestieg und dessen Linie bis zu Queen Victoria regierte. Und diese Queen Victoria heiratete Albert Franz August Karl Emanuel Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha (26.8.1819-14.12.1861), der in direkter Linie von Johann Friedrich Kurfürst von Sachsen (30.6.1503-3.3.1554) abstammt, welcher auch der Großvater von dem hier relevanten Herzog Johann Casimir war. Queen Victoria und ihr Mann weilten oft im nahen Schloß Rosenau und besuchten auch Gottesdienste in St. Johannis, was einen persönlichen Bezug zu diesen durch ihre Wappen repräsentierten weitläufigen Verwandten herstellt.
Die aufgrund des 230jährigen Nichtstuns etwas heruntergekommene Kirche wurde 1863 renoviert. Das Schloß Rosenau in der Nähe gilt als Queen Victorias Lieblingsschloß und war der Geburtsort ihres Prinzgemahls. Die Renovierung wird der Königin zugeschrieben, im Andenken an ihren zwei Jahre zuvor verstorbenen Gemahl Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha und an glückliche gemeinsame Zeiten in Rosenau. Wahrscheinlich spielte auch eine Rolle, daß ihre Mutter ebenfalls eine geborene Prinzessin von Sachsen-Coburg-Saalfeld war, diese konnte aber nichts mehr zur Renovierung beitragen, weil sie ebenfalls schon 1861 gestorben ist. Bei dieser Renovierung wurde der Innenraum farblich neu gestaltet und erhielt die gegenwärtige weiß-goldene Fassung. Queen Victorias zweitgeborener Sohn, Herzog Alfred von Sachsen-Coburg und Gotha (6.8.1844-30.7.1900), Duke of Edinburgh, ließ die Kirche ein weiteres Mal 1889 renovieren.
Der Schild für Margareta von Braunschweig-Lüneburg (6.4.1573-7.8.1643) hat sechs Felder und ist gespalten und zweimal geteilt, Feld 1: Fürstentum Braunschweig, in Rot zwei goldene, schreitende, meist hersehende Löwen (Leoparden), Feld 2: Fürstentum Lüneburg, in goldenem, mit roten Herzen bestreutem Feld ein eigentlich noch rotbewehrter und rotgezungter blauer Löwe, Feld 3: Grafschaft Everstein, in Blau ein silberner Löwe, golden gekrönt, eigentlich noch rot bewehrt und rot gezungt, Feld 4: Herrschaft Homburg, innerhalb eines blau-silbern gestückten Bordes in Rot ein goldener Löwe, Feld 5: Grafschaft Hoya, in Gold zwei aufgerichtete und nach außen gewendete schwarze Bärentatzen eigentlich noch mit roter Bewehrung, Feld 6: Grafschaft Bruchhausen, geviert, Feld a und d: Alt-Bruchhausen, achtfach silbern-blau geständert, Feld b und c: Neu-Bruchhausen, dreimal rot-silbern geteilt.
Margareta von Braunschweig-Lüneburg führt im Oberwappen drei Helme, was dem Erwerb der nicht ganz unbedeutenden Grafschaft Hoya Rechnung trägt: Helm 1 (Mitte): Fürstentum Braunschweig-Lüneburg, auf dem gekrönten Helm mit eigentlich rot-goldenen Decken eine rote oder später silberne, hier golden angestrichene Säule, oben mit einem aus einer goldenen Krone hervorkommenden naturfarbenen Pfauenfederbusch besteckt, welcher mit einem eigentlich goldenen sechsstrahligen Stern belegt ist, vor der Säule ein laufendes silbernes Pferd, das Ganze zwischen zwei mit den Schneiden nach innen gerichteten silbernen Sicheln, die am Rücken jeweils mit sechs naturfarbenen (grünen) Pfauenspiegeln besteckt sind, Helm 2 (rechts): Grafschaft Hoya, auf dem gekrönten Helm mit schwarz-goldenen Decken zwei aufgerichtete schwarze Bärentatzen mit roter Bewehrung, Helm 3 (links): Kombination Grafschaft Alt- und Neu-Bruchhausen: auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken zwei hier rot-silbern (auch als Variante silbern-blau etc. möglich) übereck geteilte Büffelhörner, zwischen die mehrere (hier acht) rot-silbern geteilte Fähnchen gesteckt sind.
Die beiden herausragend schönen Wappen und ihre Einbettung in die historischen Hintergründe sind der Hauptgrund dieser Darstellung. Wenn wir aber bereits in der Kirche sind, sollen auch die wunderschönen Arbeiten an Decke und Empore gezeigt werden, denn diese Stuckreliefs aus der späten Renaissance stellen eine absolute Besonderheit dar, die trotz Umbau bestens und vollständig erhalten ist und das Herz jedes Kunstinteressierten höher schlagen läßt.
An der nördlichen Langhauswand und an der westlichen Wand wurde beim Umbau Anfang des 17. Jh. eine Empore eingebaut, deren Brüstungen ein besonderes Kleinod manieristischer Dekoration sind; das Material ist bunt bemalter Stuck auf hölzernem Träger. Diese Empore war damals noch zweigeschossig. Auch die Empore war vom Umbau 1953 betroffen, seitdem ist sie nur noch eingeschossig, dafür ist mehr lichte Höhe vorhanden. Dabei wurden die Reliefs der Brüstungsfelder entsprechend neu sinnvoll zusammengestellt, daß es wieder paßt; übriggebliebene Felder befinden sich unter der Westempore, die heute als Orgelempore dient. Die heutige Farbfassung wurde anläßlich einer Renovierung 1974-1975 aufgetragen. Eine weitere Renovierung fand 1999 statt.
Die einzelnen Brüstungsfelder zeigen Szenen aus dem Neuen Testament von der Verkündigung bis zur Auferstehung in insgesamt 18 plastischen Bildern. Thematisch wird diese Bildreihe durch die beiden Decken-Medaillons fortgesetzt (s. u.). Sehenswert sind auch die reichverzierten Konsolen zwischen den einzelnen Szenen mit Prophetenfiguren und Aposteln, mit Frauenköpfen, Narrenköpfen und Löwenmasken, eine überbordende Fülle an Eindrücken. Der Brüstungssockel ist rings um zentrale Engelsköpfe mit Imitationen von Edelsteinen und Rosetten besetzt.
Nordempore, erstes und zweites Feld von rechts: links Auferstehung, rechts Verklärung auf dem Berg Tabor
Nordempore, sechstes und siebtes Feld von rechts: links Fußwaschung Jesu, rechts Jesu im Garten Gethsemane
Westempore, drittes Feld von links: Anbetung durch die drei Könige
Westempore, zweites Feld von links: Geburt Christi mit Anbetung durch Engel und Hirten
Westempore, Feld ganz links: Verkündigung der Geburt Christi an Maria
Nordempore, fünftes Feld von links: Einzug Jesu in Jerusalem
Nordempore, achtes Feld von rechts: Abendmahl
Nordempore, siebtes Feld von rechts: Fußwaschung Jesu
Westempore, viertes Feld von links kurz vor dem Abknicken der Empore: Hochzeit zu Kana
Beim Umbau in den Jahren 1603-1604 wurde das spätgotische Gewölbe im Langhaus durch eine Flachdecke im Stil des Manierismus ersetzt. Die Decke ist mit bunt angemalten Stuckreliefs verziert. Sie wird durch einen Längsbalken geteilt und enthält zwei große längsovale Medaillons mit Darstellungen der Himmelfahrt Christi einerseits und des Jüngsten Gerichts andererseits, die das christologische Programm der Empore logisch fortsetzen.
Weiterhin gibt es acht kleinere Medaillons in zwei Querreihen, jedes mit einem Engel, darunter auch die vier Erzengel. An dem westlichen Abschlußbalken der Decke endete früher der alte Kirchenraum vor der Erweiterung.
Medaillon mit dem Jüngsten Gericht, links komplett, rechts Christus auf dem Regenbogen.
Medaillon mit dem Jüngsten Gericht, links Engel mit Busine (Naturtrompete), rechts die Qualen in der Hölle.
Literatur,
Links und Quellen:
Position in Google
Maps: https://www.google.de/maps/@50.2874416,11.0306037,17.75z - https://www.google.de/maps/@50.2876086,11.0306223,57m/data=!3m1!1e3
St. Johannis auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/St._Johannis_(Oeslau)
Webseite von St. Johannis: https://www.stjohannis-roedental.de/ - Geschichte der Kirche: https://www.stjohannis-roedental.de/index.php/unsere-kirche-st-johannis-geschichte - Rundgang: https://www.stjohannis-roedental.de/unsere-kirche-st-johannis-geschichte/sehenswertes
Kirchengemeinde Rödental: https://www.e-kirche.de/web/roedental-st.johannis
Johann Casimir von Sachsen-Coburg: https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Casimir_(Sachsen-Coburg)
Johann Casimir von Sachsen-Coburg: https://www.casimirianum.de/joomla/index.php/de/11-profil/28-namensgeber
Johann Casimir von Sachsen-Coburg: Gerhard Heyl, Johann Casimir,
in: Neue Deutsche Biographie 10 (1974), S. 531 - https://www.deutsche-biographie.de/sfz37586.html
Johann Casimir von Sachsen-Coburg, in Allgemeine Deutsche
Biographie, Band 14, 1881, S. 369-372 https://de.wikisource.org/wiki/ADB:Johann_Casimir_(Herzog_von_Sachsen-Coburg) - https://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00008372/images/index.html?seite=371
Anna von Sachsen: https://de.wikipedia.org/wiki/Anna_von_Sachsen_(1567%E2%80%931613)
Anna von Sachsen: https://saebi.isgv.de/biografie/Anna%20von%20Sachsen%20(1567-1613)
Margareta von Braunschweig-Lüneburg: https://de.wikipedia.org/wiki/Margarethe_von_Braunschweig-Lüneburg
Johann Friedrich II. von Sachsen: https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Friedrich_II._(Sachsen)
Veröffentlichung der Innenaufnahmen aus der Kirche mit
freundlicher Erlaubnis von Herrn Pfarrer Jörg Mahler vom
7.9.2020, wofür ihm an dieser Stelle herzlich gedankt sei
Wappen, Linien
und Territorien der Welfen (1): Wappen-Komponenten und ihre
Geschichte
Wappen, Linien und Territorien der
Welfen (2): Entwicklung der herzoglichen Wappen
Sächsische Wappen (1), Ernestinische
Linie - Sächsische Wappen (2), Albertinische Linie
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