Bernhard
Peter
Galerie:
Photos schöner alter Wappen Nr. 2582
Bayreuth (Oberfranken)
Liebhardt-Palais, Steingraeber-Haus, Friedrichstraße 2
Dieses ehemalige Adels-Palais liegt auf der westlichen Seite der barocken Prachtstraße, der Friedrichstraße. Die Straßenfront ist symmetrisch aufgebaut: Ein zweistöckiges Haupthaus mit Mittelrisalit und Zwerchgiebel ist beiderseits durch einstöckige Zwischenstücke mit seitlichen Bauten verbunden. Der rechte (nördliche) Seitenbau bildet einen L-förmigen Winkel, der das Haupthaus auch rückseitig in gleichem Abstand umschließt; der linke (südliche) Seitenbau ist kurz und nur ein Eckpavillon, dahinter liegt ein Garten, der bis zum Meysenbug-Haus reicht.
Die beiden Zwischenstücke bzw. Torflügel haben die Form eines Portikus mit einem von Säulen flankierten Tordurchgang und mit zwei Seitenteilen. Darüber erhebt sich eine ebenso dreiteilige Attika-Brüstung, die seitlich zwei Vasen und über den Säulen Allegorien trägt. Dargestellt sind die vier Kardinaltugenden, von links nach rechts die Mäßigkeit (Temperantia), die Gerechtigkeit (Iustitia), die Klugheit (Prudentia) und die Tapferkeit (Fortitudo). Sie sind leicht als solche zu erkennen, da sie einerseits alle von einem Kind begleitet sind und andererseits nur wenige Allegorien eindeutige Attribute haben: Die Klugheit hat Spiegel und Schlange, die Tapferkeit eine Säule zur Demonstration von Stärke, das ist nachvollziehbar, aber die Gerechtigkeit hat einen Hund und die Mäßigkeit eine Art Schnuller, das ist keine alltägliche Darstellung. Das Figurenprogramm der Kardinaltugenden war zur Bauzeit en vogue, denn es taucht auch bei den Attika-Figuren an der Spitalkirche und am Ellrodtschen Gartenportikus auf.
Das Hauptgebäude wurde 1753-1754 von den beiden markgräflichen Hofarchitekten Joseph Saint-Pierre (ca. 1709-21.7.1754) und Carl Philipp Gontard (13.1.1731-23.9.1791) im Auftrag von Johann Sebastian Liebhardt (1708-1777) errichtet. Dieser war Geheimer Kammerdiener und Geheimkämmerer von Markgraf Friedrich. Das Geld zum Bau dieses prachtvollen Anwesens bezog er nicht aus seinem Gehalt bei Hofe, sondern hauptsächlich aus der vom Vater geerbten Pulvermühle in Kulmbach, der Gewinnung von Salpeter und der Herstellung von Schießpulver, das an das markgräfliche Militär verkauft wurde. Johann Sebastian Liebhardt stand selbst in Militärdiensten, um das Geschäft überzeugend zu betreiben, und wurde General. Der Bauplatz ergab sich dadurch, daß man unter Markgraf Friedrich (1735-1763) 1752 das erst 1730 erbaute Neue Tor ans Ende der Friedrichstraße versetzte, um so eine Stadterweiterung zu ermöglichen. Wo das Palais errichtet wurde, war früher die Stadt mit Mauer und Tor zu Ende, und nun bildete der Adelssitz den architektonisch fulminanten Auftakt zu einer barocken Prachtstraße. Der Markgraf stellte ihm den Bauplatz zur Verfügung, weil er bei Liebhardt Schulden hatte. Das Baumaterial der abgebrochenen Stadtmauer bekam er gleich geschenkt, so daß er es für sein Palais an Ort und Stelle weiterverarbeiten lassen konnte. Der Bauherr tritt selbst nur mit einer Monogramm-Kartusche "JSL" im Dreiecksgiebel am Zwerchhaus über dem Hauptportal in Erscheinung, nicht mit einem Wappen. Dort oben ist auch das Jahr der Fertigstellung des Haupthauses zu lesen:1754. Nach dem Haupthaus folgte zunächst der rechte Torflügel mit Eckbau, zwei Jahre später die linke Entsprechung.
An den Zwischenbauten sehen wir insgesamt drei Wappen, die aber alle nichts mehr mit Liebhardt zu tun haben und nach 1871 angebracht wurden. Denn Eduard Steingraeber, der Begründer einer Klavierbauer-Dynastie, kaufte in diesem Jahr das Palais als Firmensitz und baute hier seine 1852 in Bayreuth gegründete Manufaktur auf.
In der Mitte befindet sich auf der Brüstung über dem Tor das Hoflieferantenwappen für das Königreich Bayern, wie es 1835-1919 verwendet wurde (Abb. unten). Die Firma Steingraeber & Söhne war zur Königlich-Bayerischen Hof-Pianoforte-Flügelfabrik geworden, und dies brachte man durch prominente Anbringung des Wappens zum Ausdruck. In dieser Form ist es eine Schöpfung von König Ludwig I. mit Verordnung vom 18.10.1835. Es ist geviert mit Herzschild, Feld 1: in Schwarz ein goldener, rot gekrönter Löwe (Pfalz am Rhein), Feld 2: von Rot und Silber mit drei aufsteigenden Spitzen geteilt, Franken, sog. Fränkischer Rechen, Feld 3: Von Silber und Rot fünfmal schräglinks geteilt (hier 6x) und mit einem goldenen Pfahl belegt, ehemalige Grafschaft Burgau, steht für die Gebiete in Schwaben, Feld 4: in Silber ein blauer Löwe, golden bewehrt und golden bekrönt, Grafschaft Veldenz, Herzschild: Von Silber und Blau schräg geweckt (Bayern, Haus Wittelsbach).
An der linken Brüstung (ohne Abb.) befindet sich das Hoflieferantenwappen für Sachsen, schwarz und Gold neunmal geteilt, darüber ein grüner schrägrechter Rautenkranz. An der rechten Brüstung ist das Hoflieferantenwappen für das Herzogtum Anhalt angebracht (Abb. unten). Es hat die Form, wie sie 1863-1918 üblich war, und besitzt einen gespaltenen Herzschild und einen zweimal gespaltenen und dreimal geteilten Hauptschild. Im einzelnen sind das die Felder:
Dazu werden hier sieben Helme geführt, die aber in der Auswahl und Reihenfolge nicht zu dem 1863-1918 üblichen Oberwappen der Hauptlinie passen, sondern zu der an Feldern wesentlich reicheren Form, die von den Herzögen von Anhalt-Zerbst geführt wurde. Denn hier taucht beispielsweise die Helmzier von Jever auf, zu der aber kein Feld vorhanden ist:
Prunkstücke: Schildhalter: Zwei widersehende, rotgezungte, golden gekrönte und golden behalsbandete schwarze Bären, ein Postament und eine Ordenskette.
Die Firma Steingraeber & Söhne hatte berühmte Kunden: Bereits vor dem Kauf des Liebhardt-Palais betreute Eduard Steingraeber in Wien die Konzertflügel von Franz Liszt. Der Kontakt blieb auch nach 1871 bestehen, und der Künstler war hier gern gesehener Gast und Kunde. Seit 1872 war die Firma in Kontakt mit Richard Wagner, seit 1876 war Steingraeber Festspiel-Lieferant. Das Traditionsunternehmen wird heute von Udo Schmidt-Steingraeber, seiner Frau Delia Schmidt-Steingraeber und seinen Kindern Alban und Fanny Steingraeber geführt. Im Steingraeber-Haus finden zahlreiche musikalische Veranstaltungen und Konzerte statt; ein besonderer Höhepunkt sind Kammerkonzerte im Rokokosaal mit einem 1873 hergestellten Liszt-Flügel. Auch das Bayreuther Klavierfestival findet hier statt.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@49.9423905,11.5739891,18.75z - https://www.google.de/maps/@49.9423467,11.5738405,99m/data=!3m1!1e3
Karla Fohrbeck: Markgräfliche Prachtbauten: https://www.markgrafenkultur.de/portfolio-items/bayreuth-friedrichstrasse-nr-2/
Firma Steingraeber: https://www.steingraeber.de/ - Rundgang: https://www.steingraeber.de/ueber-uns/virtueller-rundgang/ - Firmengeschichte: https://www.steingraeber.de/ueber-uns/geschichte/
Friedrichstraße Bayreuth: https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrichstraße_(Bayreuth)
Steingraeber & Söhne: https://de.wikipedia.org/wiki/Steingraeber_&_Söhne
Steingraeber-Haus: https://de.wikipedia.org/wiki/Steingraeber-Haus
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