Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2396
Schlitz (Vogelsbergkreis)

evangelische Stadtkirche Schlitz, Epitaph für mehrere Kinder

An der linken Chorwand der evangelischen Stadtkirche ist das bronzene Epitaph für insgesamt fünf allzu früh verstorbene Kinder angebracht. Alle Kinder entstammen der Ehe zwischen Johann Christoph Graf von Schlitz gen. von Görtz (6.1.1608-19.12.1663), Sohn von Johann Eustachius Graf von Schlitz gen. von Görtz (1562-15.1.1609) und Anna Maria Klara von Berlepsch (1578-1618), und seiner Ehefrau, Helene Elisabeth von der Malsburg (3.4.1607-8.5.1669), Tochter von Hermann von der Malsburg (10.6.1570-3.12.1636) und Anna von Canstein (1577-30.1.1638). Die fünf früh verstorbenen Kinder sind: Hermann Eustachius von Schlitz gen. von Görtz (5.2.1639-24.10.1640), Georg Mordian von Schlitz gen. von Görtz (20.7.1640-2.8.1640), Philipp Johann von Schlitz gen. von Görtz (23.12.1643-14.4.1644), Sidonia Christina von Schlitz gen. von Görtz (10.11.1637-7.5.1638) und Katharina Guda von Schlitz gen. von Görtz (-24.8.1647). Überlebt haben hingegen zwei weitere Geschwister, Anna Helena von Schlitz gen. von Görtz (19.11.1636-), vermählt mit Berthold von Cramm, und Hedwig Beate von Schlitz gen. von Görtz (29.3.1648-), vermählt mit Johann Kaspar von Oer. Die bronzene Platte ist in einen Rahmen und ein Zentralfeld aufgeteilt. Der Rahmen besitzt vier Wappen in den vier Ecken; die dortigen Inschriften in erhaben gegossenen Lettern folgen dem Verlauf des Rahmens. Das Zentralfeld ist in fünf Spalten eingeteilt, je eine für jedes Kind. Oben sind jeweils die Namen zu lesen, unten die Sterbedaten, dazwischen Kombinationen von Zitaten, meistens aus den Psalmen.

Im Zentralfeld läuft oben quer über alle fünf Spalten folgende Inschrift: "APOCA. 3 SPRICHT GOTT SIE WERDEN MITT MIR WANDLEN. IN WEIS(S)EN KLEIDERN DEN(N) SIE SINDT DES WEHRT." Ähnlich geht es auch auf dem äußeren Rand weiter, z. B. auf dem rechten vertikalen Randfeld: "PS. 96. DER HERR KOMPT ZU RICHTEN DAS ERD(EN)REICH ER WIRT DEN ERDBODEN RICHTEN MIT GERECHTIGKEIT VND DIUE VÖLCKER MIT SEINER WA(H)RHEIT". Gegenüber auf dem linken vertikalen Randfeld steht: "PS. 24. DIE ERDE IST DES HERREN, VND ALLES WAS DRINNEN IST." Ganz unten horizontal ist zu lesen: "BAR: 4. ZI(E)HET HIN IHR LIEBEN KINDER ZI(E)HET HIN, ICH ABER BIN VERLASSEN EINSAM VERS 24 ICH HABE EVCH ZI(E)HEN LASSEN MIT TRAVREN VND WEINEN GOTT ABER WIRT EVCH MIR WI(E)DER GEBEN MIT WONNE VND FREWDEN EWIGLICH".

Darüber endlich entdeckt man in der zweituntersten Inschrifteneinheit einen textlichen Hinweis auf die Identität der trauernden Eltern: "...DER ALTEN CRONE SEINDT KINDES KINDT, VND DER KINDER EHRE SINT IHRE VÄTER. ALSO SEINT DES WOHLEDLEN GESTRENG VND VESTEN HANS CHRISTOPH VON SCHLITZ GENAN(N)DT VON GÖRTZ DREY HERTZLIEBE SÖHNLEIN VND ZWEY DÖCHTERLEIN ALHIER IN IHRER VATTER GRAB VERSAM(M)BLET, VMB VND ZV DEN FV(E)SSEN IHRES GROS(S)VATTERN IOHAN(N) EVSETACHY VON SCHLITZ GENAN(N)DT VON GÖRTZ GELEGET, VND HAT IHRE HOCHBETRV(E)BTE MVTTER FRAW HELLENA ELISABET(H) VON GÖRTZ GEBOREN(E) VON DER MALSBVRG AVS HERTZIICHER LIEBE DIESES GRABMAHL IHNEN AVFRICHTEN LASSEN." Am Anfang wird der erste Satz (der Alten Krone sind Kindeskinder, und der Kinder Ehre sind ihre Väter) dem Psalm 17 zugeordnet, korrekt ist Sprüche 17, Vers 6.

Die erste Spalte hat folgenden Text (Ausschnitt Abb. unten): "HERMAN(N) EUSTACHIUS VON SCHLITZ GENAN(N)T VON GÖRTZ. - IOB. 19. ICH WEIS(S) DAS(S) MEIN ERLÖSSER LEBET. - VND MEINE AVGEN WERDEN IHN SCHAVEN. - ESAI. 26. SAGT GOTT. GEHE HIN MEIN VOICK IN EINE KAMMER - PS. 16. DV THUST MIR KVNT DEN WEG ZVM LEBEN. - PS. 16. DER HERR ABER IST MEIN GVTH VND MEIN THEIL. - PS. 39. SI(E)HE MEINE DAGE SINT EINER HANDBREIT BEY DIR. - IST IN GOTT SANFT ENTSCHLAFFEN. 24. OCT(OBRIS). 1640 SEINES ALTERS. 2. IAHR WENIGER 15. WOCHEN".

Die zweite Spalte besagt: "GEORG MORDIAN VON SCHLITZ GENAN(N)T VON GÖRTZ. - VND ER WIRT MICH HERNACH AVS DER ERDEN AVFERWECVKEN. VND KEIN FREMBTER - PS. 16. DER TODT SEINER HEILIGEN IST WERTH GEHALTEN FVR DEM HERRN. - PS. 27. ICH GLAVBE DAS(S) ICH SEHEN WERDE DAS GUTHE DES HERRN IM LAND DER LEBE(N)DIGEN. DV ERHEIS(CH)T MEIN ERBTHEIL VND MEIN LEBEN IST WIE NICHTS FUR DIR. - IST IN GOTT VERSCHIEDEN 2. AVGVST 1640. SEINES ALTERS. 13. TAGE".

Die dritte Spalte trägt folgende Inschrift: "PHILIPS IOHAN(N) VON SCHLITZ GENAN(N)T VON GÖRTZ - VND WERDE DARNACH MIT DI(E)SER MEINER HAUT VMBGEBEN WERDEN. - PS. 23. ICH WERDE BLEIBEN IM HAVS DES HERRN IMMERDAR - PS. 3. ICH LI(E)GE VND SCHLAFFE VND ERWACHE, DEN(N) DER HERR H(A)ELT MICH. - PH. 3. VNSER WANDEL ABER IST IM HIMMEL. - DAS LOS IST MIR GEFALLEN AVFS LIEBLICHE. - PS. 102. ER DEMU(E)T(I)GET AVF DEM WEGE MEIN(E) CRAFT ER VERKV(E)RZT MEINE TAGE - IST IN GOTT VERSCHI(E)DEN 14. APR(ILIS): 1644. SEINES ALTERS. 16. WOCHEN."

Die vierte Spalte hat folgenden Wortlaut: "SIDONIA CHRISTINA VON GÖRTZ - VND WERDE IN DI(E)SEM MEINEM FLEISCH GOTT SEHEN - PS. 12. ICH ABER WIL(L) SCHAVEN DEIN ANTLITZ IN GERECHTIGKEIT. - ESAI. 26. SPRICHT DER HERR WACHT AVF VND RVHMET DIE IHR LI(E)GET IN DER ERDE. - COR. 15. DER TODT IST VERSCHLVNGEN IN DEN SIEG. - MIR IST EIN SCHÖN ERBTHEIL WORDEN. - PS. 144. IST DOCH DER MENSCH GLEICH WIE NICHTS SEINE ZEIT F(A)EHRT DAHIN WIE EIN SCHATTEN - IST IN GOTT VERSCHI(E)DEN. 7. MAY 1638 IHRES ALTERS 28 WOCHEN."

Die fünfte Spalte informiert den Leser: "CATHARINA GVDA VON GÖRTZ - DEN SELBIGEN WERD(E) ICH MIR SEHEN. - ICH WIL(L) SAT(T) WERDEN WAN(N) ICH ERWACH(E) NACH DEINEM BILDE. - PS. 86. MEIN LEIB VND SEEL(E) FREWEN SICH IN DEM LEBENDIGEN GOTT. GOTT ABER SEY DANCK DER VNS DEN SIEG GEGEBEN HAT. DVRCH VNSER(E)N HERRN IESVM CHRIST. - PH. 1. STERBEN IST MEIN GEWIN(N). - 1. CRON. 30. DEN(N) WIR SEINT FREMBDLING(E) VND G(A)ESTE HI(E)R DIR WIR VNSER VATTER ALLE VNSER LEBEN AVF ERDEN IST WIE EIN SCHATTEN VND IST KEIN (A)VFHALT. - IST IN GOTT SEELIG ENTSCHLAFFEN. 24. AVG(VSTI) 1647 IHRES ALTERS VIERT HALB IAHR."

 

Das Wappen heraldisch rechts oben ist das der von Schlitz genannt Görtz, in Silber zwei schwarze, schrägrechte, oben dreimal gezinnte Balken (Zinnenschrägbalken), auf dem gekrönten Helm mit schwarz-silbernen Decken ein silberner, sparrenweise mit zwei schwarzen, schrägen, oben gezinnten Balken (Zinnenschrägbalken) belegter Flug (Siebmacher Band: Han Seite: 15 Tafel: 16, Band: He Seite: 10 Tafel: 10, Aschaffenburger Wappenbuch Tafel 16 Seite 226). Hier steht das Wappen für den Vater der Kinder, Johann Christoph Graf von Schlitz gen. von Görtz (6.1.1608-19.12.1663), und den Großvater väterlicherseits, Johann Eustachius Graf von Schlitz gen. von Görtz (1562-15.1.1609). Letzterer war der Sohn von Eustachius von Schlitz gen. von Görtz (1527-1598) und Agnes von der Hees.

Heraldisch rechts unten ist das gewendete Wappen der von Berlepsch zu sehen, in Gold fünf (2:2:1) grüne, rot behalsbandete Sittiche mit roten Augen und Füßen, auf dem rot-golden bewulsteten Helm mit rot-goldenen Decken zwei schräg nach außen geneigte Schäfte oder Stäbe ("Kürißprügel"), besetzt oben mit je einer silbernen Kugel, darauf je ein schwarzer Hahnenfederbusch. Das Wappen wird beschrieben im Siebmacher Band: He Seite: 4 Tafel: 2, Band: Sa Seite: 7 Tafel: 6, Band: Pr Seite: 34 Tafel: 39, Band: Pr Seite: 85 Tafel: 108, im Münchener Kalender 1915 und in der Niedersächsischen Wappenrolle 2-928. Der Name des zur althessischen Ritterschaft gehörenden, ursprünglich niedersächsischen Geschlechts leitet sich ab von Berlevessen bei Hannover, heute Barlissen (Landkreis Göttingen). Dieser Sitz wurde 1369 zerstört, ein neuer Sitz wurde bei Witzenhausen in Hessen errichtet. Seit dem 14. Jh. hat die Familie das Erbkämmereramt in Hessen. Ein seit 1695 reichsfreiherrlicher und seit 1705 reichsgräflicher Zweig zu Mühlendonk (Myllendonk) ist 1732 erloschen. Karl Friedrich Ludwig Hans von Berlepsch, das war derjenige, der den neugotischen Umbau von Schloß Berlepsch in Auftrag gab, wurde am 27.8.1869 nach dem Rechte der Erstgeburt in den preußischen Grafenstand erhoben; der Titel ist an den Besitz des Majorats Berlepsch gebunden. Weiterhin gab es mehrere Führungsberechtigungsbestätigungen für freiherrliche Titel, am 24.2.1876 für die Brüder Hans und Richard von Berlepsch, am 18.9.1878 für die Deszendenz des ersten Grafen, am 5.10.1881 für Rudolf von Berlepsch auf Seebach und Großgottern (alles preußische Diplome) und am 26.2.1909 für Hans von Berlepsch im Königreich Sachsen. Hier steht das Wappen für die Großmutter väterlicherseits der fünf Kinder, Anna Maria Klara von Berlepsch (1578-1618), Ehefrau von Johann Eustachius Graf von Schlitz gen. von Görtz (1562-15.1.1609). Anna Maria Klara von Berlepsch war die Tochter von Hans Christoph von Berlepsch (-1616) und Dorothea von Meisenbug (-7.9.1623).

 

Das Wappen heraldisch links oben ist das der von der Malsburg, es ist geteilt, oben in Gold ein schreitender, roter Löwe, unten in Blau drei (2:1) silberne Rosen, auf dem Helm mit rechts rot-goldenen und links blau-silbernen Decken zwei ausgestreckte, rot gekleidete Arme, dazwischen ein goldengekrönter, rotbewehrter schwarzer Ochsenkopf (Siebmacher Band: Pr Seite: 54 Tafel: 69, Band: PrE Seite: 131 Tafel: 111, Band: PrE Seite: 212 Tafel: 184, Band: SaA Seite: 103 Tafel: 67, Band: He Seite: 19 Tafel: 20, Jahrbuch des Deutschen Adels, Bd. 2, 1898). Hier steht das Wappen für die Mutter der fünf Kinder, Helene Elisabeth von der Malsburg (3.4.1607-8.5.1669), und den Großvater mütterlicherseits, Hermann von der Malsburg (10.6.1570-3.12.1636) auf Lahr und Escheberg. Letzterer war der Sohn von Otto X. von der Malsburg (1528-18.10.1580) auf Lahr, königlich-französischer Obrist, und Agnes de Wrede (1539-31.8.1607).

Das vierte und letzte Wappen der Ahnenprobe ist das heraldisch links unten, welches das Wappen der von Canstein zeigt, in Silber ein golden gekrönter schwarzer Vogel (Rabe), auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken ein golden gekrönter schwarzer Vogel (Rabe) vor einer silbernen Säule (Schaft, Stulp), die oben mit schwarzen oder schwarz-silbernen Federn besteckt ist (Westfälisches Wappenbuch, Siebmacher Band: Na Seite: 5 Tafel: 6, Band: He Seite: 6 Tafel: 4). Es handelt sich um einen Zweig der Raben von Pappenheim; der Name ist dem Schloß Canstein bei Marsberg entnommen. Hier steht das Wappen für die Großmutter der Kinder mütterlicherseits, Anna von Canstein (1577-30.1.1638). Sie war die Tochter von Mordian von Canstein (1542-31.10.1581) und Helene von Westphalen (1547-12.9.1621). Wegen dieses Urgroßvaters hat der eine Sohn auch den seltenen Vornamen Mordian erhalten.

Literatur, Links und Quellen:
Stadtkirche Schlitz: https://de.wikipedia.org/wiki/Stadtkirche_Schlitz
Evangelische Christusgemeinde Schlitzerland:
https://www.ecg-schlitzerland.de
Evangelisches Dekanat Vogelsberg:
https://www.vogelsberg-evangelisch.de/gemeinden/christusgemeinde-schlitzerland.html
Geschichte von Schlitz und Stadtrundgang:
http://www.schlitz.de/index.php4?page=53&nav=42&ref=www.schlitz.de&sm=https%3A&sb=
Siebmachers Wappenbücher wie angegeben
Historischer Stadtrundgang Schlitz
http://www.schlitz.de/Historischer-Stadtrundgang-Deutsch---Englisch,__p53.php4
Dehio Hessen S. 733
Genealogie:
http://geneall.net/de/name/1839943/johann-christoph-graf-von-schlitz-gen-von-goertz/ - http://geneall.net/de/name/1839932/anna-maria-klara-von-berlepsch/ - http://geneall.net/de/name/1839930/johann-eustachius-graf-von-schlitz-gen-von-goertz/
Genealogie:
http://geneagraphie.com/getperson.php?personID=I526896&tree=1 - http://geneagraphie.com/getperson.php?personID=I526794&tree=1 - http://geneagraphie.com/getperson.php?personID=I537525&tree=1
Max von Spießen (Hrsg.): Wappenbuch des Westfälischen Adels, mit Zeichnungen von Professor Ad. M. Hildebrandt, 1. Band, Görlitz 1901 - 1903.
Otto Hupp, Münchener Kalender 1915
Niedersächsische Wappenrolle
Johannes Hohlfeld: Ahnentafeln berühmter Deutscher, Folge 4, Leipzig 1938, Zentralstelle für Deutsche Personen- und Familiengeschichte Stamm- und Ahnentafelwerk der Zentralstelle, 306
Veröffentlichung der Innenaufnahmen aus der Stadtkirche Schlitz mit freundlicher Erlaubnis von Herrn Pfarrer Siegfried Schmidt vom 21.12.2016, wofür ihm an dieser Stelle herzlich gedankt sei.
Rudolf Buttlar-Elberberg: Stammbuch der Althessischen Ritterschaft, Kassel 1888:
http://gdz.sub.uni-goettingen.de/dms/load/img/?PID=PPN513401067 - http://gdz.sub.uni-goettingen.de/download/PPN513401067/PPN513401067___LOG_0001.pdf

ev. Stadtkirche: Epitaph für Georg von Schachten - ev. Stadtkirche: Epitaph für Hans von Schlitz gen. von Görtz - ev. Stadtkirche: Epitaph für Wilhelm Balthasar von Schlitz gen. von Görtz - ev. Stadtkirche: Epitaph für Johann Volpert von Schlitz gen. von Görtz - ev. Stadtkirche: Grabplatte für Sidonia Christina von Schlitz gen. von Görtz

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