Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 2304
Großostheim (Landkreis Aschaffenburg, Unterfranken)

Die katholische Pfarrkirche St. Petrus und Paulus in Großostheim

Die katholische Pfarrkirche St Petrus und Paulus, der sog. Bachgaudom, bildet mit ihrem leicht erhöhten, an drei Seiten abfallenden Standort einen städtebaulich markanten östlichen Abschluß des Marktplatzensembles. Diese Position ist nicht nur von guter Fernwirkung, sondern war auch eine strategische Lage, denn die alte Kirche war als Wehrkirche mit einer hohen Kirchhofsmauer und mit nur schmalen Fenstern konzipiert worden. Die Kirche wurde um 1250-1270 im romanisch-gotischen Übergangsstil errichtet, aber von diesem Bau haben nur der gedrungen wirkende Kirchturm in der Mitte der Westseite und der fast quadratische, aus Rotsandsteinquadern errichtete Chor mit stumpfem Abschluß überlebt. Vermutlich wurde dieser Bau von Mitgliedern der Aschaffenburger Stiftsbauhütte errichtet.

In der Spätgotik wurde 1446 (Datierung auf dem Kragsturz über der Eisentür) an der Nordseite des Chores eine Sakristei angebaut, die den ältesten gotischen Bauteil darstellt. Bis 1500 entstanden zwei Seitenschiffe mit Pfeilerarkaden und mit sehenswerten Netzrippengewölben, die aus der schmalen, bisher einschiffigen Kirche einen dreischiffigen Raum machten, um der angestiegenen Bevölkerungszahl gerecht zu werden. Dabei ist das südliche Seitenschiff etwas jünger als das nördliche und stilistisch besonders einheitlich. Das nördliche Seitenschiff ist hingegen formenreicher. Nur das Mittelschiff blieb flachgedeckt. Aus dieser spätgotischen Zeit stammen auch wertvolle Ausstattungsstücke im Innern, insbesondere spätgotische Skulpturen, Nebenaltäre und ein steinernes Sakramentshäuschen. Aus der Zeit von 1509-1515 stammt eine achtteilige Beweinungsgruppe aus Lindenholz von Tilman Riemenschneider.

 

Im Barock wurde die Kirche weiter ausgebaut, weil nach den Verlusten während des Dreißigjährigen Krieges die Bevölkerung wieder angestiegen war. Außerdem war damals der Dachstuhl marode und mußte erneuert werden. In dieser Zeit erhielt die Kirche im wesentlichen ihr heutiges Aussehen. Die Seitenschiffe wurden aufgestockt, und ebenso wurde das Mittelschiff in die Höhe gezogen. Die Decke des nun erhöhten Hauptschiffes wurde mit einem flachen Spiegelgewölbe versehen. Oben bekam das Hauptschiff Stichkappen seitlich und eine neue Fensterreihe, die den Stilwandel deutlich anzeigt. Im unteren Teil behielten die Seitenschiffe ihre gotischen Fenster; die beiden Fensterreihen darüber, also die obere der Seitenschiffe und die des Obergadens des Hauptschiffs, sind barock-segmentbogig. Die unteren Fenster wurden aber beim Umbau ihres einst vorhandenen Maßwerks beraubt. Der Hochaltar und das Altarbild stammen von 1737 resp. 1733. 1771 entstanden die Seitengalerien, die Seitenaltäre im Hauptschiff und die Doppelempore, außerdem wurde die Decke mit dem Martyrium St. Peter und Paul bemalt. Orgel und Kanzel entstanden 1740 bzw. 1789. Die Westteile beiderseits des Turmes mit Treppenhäusern im Inneren entstanden bei der Renovierung 1909-1911. Im Süden des Chores befindet sich ferner die neue Sakristei.

Über dem Westportal, welches von einer ionischen Ordnung aus Säulen und Pilastern gerahmt wird, befindet sich in einem Segmentbogengiebel das Wappen des Mainzer Fürstbischofs Reichsfreiherr Emmerich Joseph von Breidbach zu Bürresheim. Er hatte zwei Bistümer inne: 1763-1774 Mainz, und 1768-1774 Worms. Sein späteres, ab 1768 geführtes Wappen bildet Mainz und Worms je zweimal in einem gevierten Schild ab und versetzt das Stammwappen in einen dem Hauptschild aufgelegten Herzschild: Feld 1 und 4: in Rot ein silbernes, sechsspeichiges Rad, Erzstift Mainz, Feld 2 und 3: in Schwarz ein schräg aufwärts gerichteter silberner Schlüssel, begleitet von 4:4 goldenen Schindeln (hier verwittert), Hochstift Worms, Herzschild: in Silber ein roter Drache, Stammwappen Breidbach zu Bürresheim. Anstelle möglicher Helme und Kleinode findet man stets den Kurhut oben auf dem Schild und das gestürzte Schwert sowie den Bischofsstab hinter dem Schild gekreuzt. Die Helmzier des Familienwappens wäre ein roter Drache, die Helmdecken wären rot-silbern. Dieser Fürstbischof war der Bauherr des barocken Umbaus und der Aufstockung aller drei Kirchenschiffe.

Weitere Wappen sind im Innern der Kirche zu finden (ohne Abb.): In dem vor der Sakristei gelegenen Raum am östlichen Ende des nördlichen Seitenschiffs trägt ein Gewölbeschlußstein das Wappen des Mainzer Fürstbischofs Dieter von Isenburg (regierte 1459-1482), allerdings in den nicht angemessenen Farben des später regierenden Uriel von Gemmingen. Von der Regierungszeit her müßte es der Isenburger sein, denn als Uriel von Gemmingen den Mainzer Bischofsstuhl bestieg, war das Seitenschiff längst fertig. In der nördlichen Gewölbereihe ist auf einem weiteren Schlußstein das redende Wappen des Stiftskanonikers Buchhold angebracht; es trägt eine Buche im Schild. Unter Pfarrer Buchhold fand die nördliche Erweiterung der Kirche statt. Ein weiterer spätgotischer Schlußstein im südlichen Schiff trägt einen roten Schild mit einer silbernen, gestürzten, offenen Tuchschere; vermutlich stand hier einmal der Altar der Schneiderzunft. Im nördlichen Seitenschiff trägt ein anderer Schlußstein einen Wappenschild mit Hammer und Zirkel; hier stand vermutlich einst der Altar der Maurerzunft. Der Nebenalter links vom Chorbogen (Marienaltar) trägt oben das Vollwappen der Familie Tullian (rot-blau durch einen goldenen Faden (signifikant?) geteilt, oben ein wachsender, silberner, golden bewehrter Adler mit goldenen Flügeln, unten auf Wellen drei goldene Vögel (Enten?), auf dem Helm ein wachsender, silberner, golden bewehrter Adler mit goldenen Flügeln, ohne Literaturbeleg). Die Familie besaß hier eine Grablege.

An der Südseite der Kirche sind zwei sehr ähnlich gestaltete Grabplatten in die Außenmauer eingelassen. Sie sind für den kurmainzischen Centgrafen zu Ostheim, Michael Iffinger, und seine Frau, Ursula Iffinger geb. Bopfinger. Die Inschrift der optisch linken Platte lautet: "ANNO 1614 DEN 9 NOVEMB(RIS) STARB DIE TVGENTSAME FRAW VRSVLA BOPFINGERIN H(ERRN) JOHAN(N) ADAM IFFINGERS EHELICHE HAVSFRAW SELIG DER(EN) SEEL(E) GOTT GN(A)EDIG SEIE AMEN". Die Inschrift der optisch linken Platte lautet: "ANNO 1625 DEN 11 DECEMB(RIS) STARB DER EHRNVEST VND VORNEHM H(ERR) MICHA(EL) IFFINGER CHVRFVRST(LICH) MAINTZ(ISCHER) CENTGRAVE ZV OSTHEIM SELIG DER SEEL GOTT GN(A)EDIG SEI AMEN".

   

Das Wappen der Iffinger ist auf beiden Platten oben in der Mitte des dreieckigen Aufsatzes angebracht. Im Aschaffenburger Wappenbuch wird die Familie unter den Schreibweisen Uffinger bzw. Yffinger geführt. Der Schild ist nach Wolfert rot-silbern gespalten mit zwei Doppelpokalen in verwechselten Farben. Der Pokalfuß ist gelappt; das Gefäß selbst ist schuppenförmig verziert. Die hier nicht dargestellte Helmzier wäre zu rot-silbernen Decken ein Flug, rechts rot, links silbern, beiderseits mit einem silbernen Doppelpokal in verwechselten Farben belegt. Das Wappen ist weder im Neuen Siebmacher noch im Rietstap zu finden.

Literatur, Quellen und Links:
Siebmachers Wappenbücher, insbesondere Band Bistümer
Die Wappen der Hochstifte, Bistümer und Diözesanbischöfe im Heiligen Römischen Reich 1648-1803, hrsg. von Erwin Gatz, erstellt von Clemens Brodkorb, Reinhard Heydenreuter und Heribert Staufer, Schnell & Steiner Verlag 2007, ISBN 978-3-7954-1637-9
Alfred F. Wolfert, Aschaffenburger Wappenbuch, Veröffentlichung des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg e. V., Aschaffenburg 1983, Tafel 84 Seite 66
Rudolf Schäder, Oswald Morhart: Sankt Peter und Paul, ein Bauwerk und seine Geschichte, hrsg. von der kath. Kirchengemeinde St. Peter und Paul, Großostheim
Kath. Pfarrkirche St. Peter und Paul Großostheim, Schnell, Kunstführer Nr. 1242, 2. Auflage 1989, Verlag Schnell & Steiner GmbH, München.
Hinweistafeln vor Ort.
Liste der Baudenkmäler:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Baudenkmäler_in_Großostheim#Gro.C3.9Fostheim
Pfarrei Großostheim:
http://www.pfarrei-grossostheim.de/ - http://www.pfarrei-grossostheim.de/stpeterundpaul.htm
Pfarrkirche Großostheim:
https://de.wikipedia.org/wiki/St._Peter_und_Paul_(Großostheim)
Sehenswürdigkeiten in Großostheim:
http://www.grossostheim.de/tourismus/kunst-kultur/sehenswuerdigkeiten/druckansicht.html
Großostheim:
http://www.spessart-mainland.de/?content=kultur&mo=3&angebot_id=0.82217400-1277198288
Holger Simon: Die frühneuzeitlichen Beweinungsgruppen von Tilman Riemenschneider, in: Tilman Riemenschneider. Werke seiner Glaubenswelt, Bd. 2 (Ausstellungskatalog). Würzburg 2004, S. 85-105
http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/208/1/04RiemBeweingr.pdf
Frühgeschichte von Großostheim und seiner Pfarrkirche:
http://www.geschichte-untermain.de/f_grossostheim_kirche.html
Wolfgang Hartmann: Die ältesten schriftlichen Nachrichten von Großostheim und seiner alten Pfarrkirche, in: 1200 Jahre Großostheim, Großostheim 1999, S. 17-22.

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