Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 2278
Dürnstein (Bezirk Krems-Land, Niederösterreich)
Stift Dürnstein
Das malerisch am Donauufer gelegene Dürnstein ist eines der touristischsten Ziele Niederösterreichs, weil sich hier die naturräumliche Lage zwischen dem mächtigen Fluß und den von einer Burgruine gekrönten Bergen im Hintergrund einerseits und die enge Altstadt mit historischem Gemäuer, verwinkelten Durchlässen, Schloß, Kloster und Stadtmauer andererseits zu einer Postkartenidylle sondergleichen verbinden, wo fast jeder Pauschalreisende einen Pflichtstopp einlegt. Dazu wird das Pittoreske noch vom Schaurigen überhöht im wahrsten Sinne des Wortes, denn in Dürnstein wurde Richard Löwenherz nach dessen Gefangennahme auf dem Rückweg vom Dritten Kreuzzug auf Befehl von Herzog Leopold V. gefangengehalten, vielleicht in der im 12. Jh. von den Herren von Kuenring errichteten Burg hoch über dem Ort. Entsprechend überlaufen ist die winzige Altstadt im Sommer, aber selbst mit dem Rummel und den ganzen Touristenfallen und Nepp-Geschäften - Dürnstein ist und bleibt einer der pittoreskesten Donauorte, der nach wie vor von den gebauten Zeugen seiner Vergangenheit geprägt wird, von weltlicher und vor allem geistlicher Herrschaft.
Der größte zusammenhängende Baukomplex ist das ehemalige Stift Dürnstein, zwischen Fluß und Hauptstraße gelegen. Zum Wasser hin prägt vor allem der blau-weiß angestrichene Kirchturm (Abb. unten) mit seinem reichen Figurenschmuck und seiner vorgelagerten eleganten Balustrade auf dem bogenförmigen Altan das Ortsbild. Insbesondere hebt er sich farblich von den dahinter gelegenen Stiftsgebäuden ab, die in Braun- und Grautönen gehalten sind. Die blaue Farbgebung des Turmes und der Kirche ist seit 1734 bezeugt, und sie ist spirituelles Programm: Gegen die irdischen Brauntöne setzt sich das Blau als himmlische Farbe wirkungsvoll ab und markiert den sakralen Bereich.
Die Kirche steht leicht schräg in Nordwest-Südost-Richtung mit dem Chor im Südosten. An der südwestlichen Längsseite des Kirchenschiffs grenzt ein dreiflügeliger Kreuzgang an mit mehreren Kapellen und mit einer weiteren Steinbalustrade zum Fluß hin. Nördlich der Kirche erstrecken sich die Stiftsgebäude, die einen viereckigen Hof umschließen. Deren Nordwestflügel ist der Kapiteltrakt mit den Wohnungen für die Chorherren, und in diesem Trakt befindet sich das alte, aus der Gotik stammende Refektorium. An diesen Flügel ist im Norden noch ein weiterer Bau von L-förmigem Grundriß angesetzt, einen zum Fluß hin offenen Hof einschließend. Der Nordostflügel des Karrees enthält die Küche, die Bäckerei und andere Wirtschaftsräume. Der Südwest- und der Südostflügel bilden gemeinsam die Prälatur, und im Südostflügel derselben liegt der besonders aufwendig gestaltete Hauptzugang (Abb. unten). Der vergleichbar aufwendig gestaltete Eingang zur Kirche ist im Südwestflügel zu finden. Hier liegt jedoch noch ein kleiner, schmaler Hof von trapezförmigem Grundriß zwischen dem Südwestflügel und der Kirche, der im Nordwesten von der alten Prälatur abgeschlossen wird. Diese bauliche Inhomogenität entstand bei der Barockisierung, als man die beiden bestehenden nördlichen Trakte um zwei neue südliche ergänzte, um einen cum grano salis rechteckigen Hof zu bekommen, und dieser schmale Winkel war der dabei anfallende "Verschnitt". Im Süden des Südostflügels springen angebaute Trakte vor und schaffen einen dreiseitig umschlossenen Vorplatz. Der östliche Flügel enthält einen Durchgang zur Hauptstraße.
Das Augustiner-Chorherrenstift Dürnstein ("monasterium beat(a)e Mari(a)e virginis in Tirnstain ordinis sancti Augustini canonicorum regularium") ist nicht das einzige und nicht das älteste Kloster in Dürnstein: Zuvor gab es noch das Klarissenkloster, das 1311 erwähnt wird. Das Augustiner-Chorherrenstift wurde am 17.2.1410 urkundlich gegründet. Zuvor hatten bereits Elisabeth von Kuenring (-1379), Vertreterin der letzten Generation der Kuenringer auf Dürnstein und Witwe von Eberhard von Wallsee, sowie Heidenreich von Maissau, ein angeheirateter Cousin Elisabeths und Pfandinhaber der landesfürstlichen Herrschaft Dürnstein, eine ältere Marienkapelle gestiftet, mit Stiftungsbriefen vom 15.6.1378, vom 1.2.1380 und vom 26.1.1395. Die erste Marienkirche stand etwa dort, wo das Presbyterium der heutigen Stiftskirche liegt, und vermutlich stecken ihre alten Mauern noch in der heutigen Bausubstanz drin. Bis 1407 wurde die Marienkapelle unter dem Kaplan Stephan von Haslach um eine Krypta, ein Langhaus und einen Kreuzgang erweitert. An diese gotische Erweiterung erinnern noch die Strebepfeiler außen an der Kirche. Außerdem ließ Stephan von Haslach Dormitorium und Refektorium, Kapitelsaal und Wirtschaftsräume erbauen.
Zuletzt war die Anzahl der Kapläne auf vier erhöht worden, und 1402 wurde noch die Burgkapelle inkorporiert, und so wuchs der Gedanke heran, alles zusammen zu einem einzigen Kollegiatstift zu vereinigen. Der Stifter war Otto von Maissau, der 1403 nach dem Ableben von Leutold von Maissau die Patronatsrechte von Dürnstein übernommen hatte. Im Jahre 1407 erlaubte der Passauer Bischof die Umwandlung der Kapelle in eine weltliche Kollegiatskirche. Als Vorbild für die Regeln des Zusammenlebens im Stift dienten die böhmischen Chorherrenstifte Wittingau (Trebon), von dem "Start-Personal" übernommen wurde, und dessen Mutterkloster Raudnitz (Roudnice), wobei letzteres als Ausgangspunkt einer Erneuerungsbewegung im Orden (Raudnitzer Reform) bekannt war. So wurde das Stift Dürnstein zum ersten Stift in Österreich, das sich am Reformstift Raudnitz orientierte. Otto von Maissau übernahm bei der Stiftung auch die Vogtei über die junge Kanonie, wobei er sie aber von den sonst üblichen Abgaben für diesen Schutz befreite. Im Falle seines kinderlosen Ablebens sollte die Vogtei an Herzog Albrecht V. fallen, der das Stift 1413 in seinen Schutz nahm.
Ein weiterer Ausbau fand nach 1440 statt, nachdem man Gebäude nordwestlich des bisherigen Stiftsareals hinzugekauft hatte. Unter Propst Johannes von Waidhofen wurden diese Gebäude in den Stiftskomplex einbezogen, ferner wurde ein eigener Konventstrakt erbaut, und das Refektorium wurde verlegt, nun in den Mitteltrakt. In dieser Ausbauphase wuchs das Stift auf seine heutige Ausdehnung an; danach folgten nur noch Umbauten des Bestehenden. 1459 wurde dem Stift von Kaiser Friedrich III. das Recht der niederen Gerichtsbarkeit bestätigt, die bereits 1413 von Herzog Albrecht V. gewährt worden war. Von wirtschaftlicher Bedeutung waren andere Privilegien, die Befreiung von Ungeld und Maut, das Recht des Holzschlages und die Salzlieferungen. Politisch wichtig war die Gewährung des Rechts auf freie Wahl der Untervögte und die Gewährung aller Freiheiten, die die anderen gefürsteten Klöster im Land auch hatten, womit Dürnstein quasi den landesfürstlichen Klöstern gleichgestellt und nur dem Fürstbischof von Passau unmittelbar unterstellt war.
Die tiefgreifendste Umgestaltung erfuhr das Stiftsensemble im Barock. Insgesamt vier Pröpste waren dafür verantwortlich: Honorius Arthofer (1668-1678), Karl Donray (1678-1692), Gottfried von Haslingen (1692-1710) und vor allem Hieronymus Übelbacher (1710-1740). Honorius Arthofer begann mit dem Ausbau des Kapiteltraktes. Vorangegangen war eine etwas unglückliche Amtszeit von Reinhard Faust, der sich gründlich mit den anderen Chorherren zerstritten hatte. Die eigentliche Ursache war wohl die Visitation des Stifts durch den Passauer Fürstbischof im Jahre 1665, der einige Mißstände aufgedeckt und angeprangert hatte. Moniert wurden u. a. Vernachlässigung der Klausur, luxuriöse Kleidung, Schlemmerei, Privateigentum der Chorherren, "Privatisierung" von Stiftseigentum und allgemeine Vernachlässigung der Disziplin. Propst Reinhard Faust mußte diese Reformen im Kloster durchsetzen und machte sich dabei wenig beliebt. Schließlich führten die anderen Chorherren Klage gegen ihn beim Passauer Fürstbischof. Die Vorwürfe waren Tyrannei, Herrschsucht, Mobbing der Chorherren, Ungerechtigkeit, eigenmächtiges Wirtschaften und Mißwirtschaft, ein Verhältnis mit der Frau des Hofmeisters, Mitführen eines Terzerols (Pistole) und Bedrohung der Abweichler. Propst Reinhard Faust wiederum beschuldigte seine Konventualen wegen Gehorsamsverweigerung und Rebellion.
Mit einem Vergleich wurden die Wogen, die beinahe zur Absetzung des Propstes geführt hätten, noch einmal geglättet. Tatsache blieb aber, daß Reformen dringendst notwendig waren. Zu dem Kompromiß gehörte auch die Vereinbarung, daß die Wohnsituation für die Konventualen verbessert werden mußte, daß die engen Zellen ausgebaut werden sollten, daß sie nicht gemeinsam mit dem Propst im selben Gebäude wohnen sollten, sondern in den Kapitelbau umziehen sollten. Das gab den Anstoß für die nun einsetzenden Baumaßnahmen. Nach dem Tod des unglückseligen Reinhard Faust wurde Honorius Arthofer zu seinem Nachfolger gewählt, der vorher sogar einer der Rädelsführer der Rebellion gegen Reinhard Faust gewesen war. Unter dem neuen Propst verbesserte sich die Situation im Stift entscheidend, vor allem bewegte sich etwas durch die Baumaßnahmen zum Guten für die Konventualen, auch einten die Bauvorhaben wieder die Gemeinschaft.
Unter Karl Donray gingen die Baumaßnahmen weiter, betrafen aber vor allem die Stiftskirche. Nach Nordosten hin wurde die Kirche durch ein Seitenschiff vergrößert. Das Langhaus bekam eine Achse hinzu, um die das Presbyterium verkürzt wurde, wobei aber der gotische Dachstuhl der Kirche erhalten werden konnte; nur der Dachstuhl für das neue Seitenschiff wurde geschickt angesetzt. Karl Donray war aber ein schwacher Stiftsleiter, gesundheitlich angeschlagen und etwas zu gutmütig, was vom Konvent reichlich ausgenutzt wurde, so daß Karl Donray nach nur wenigen Jahren erklärte, sich seinem Amt nicht mehr gewachsen zu fühlen und resignierte. Gottfried von Haslingen, der aus St. Dorothea berufen wurde, kümmerte sich vor allem erst einmal um die Stärkung der wirtschaftlichen Grundlagen zur Finanzierung der nächsten Bauprojekte. Er begann, das benachbarte Klarissenkloster als Wirtschaftsgebäude umzubauen, und er legte das Fundament für das Kellerschlößl in den Weinbergen außerhalb der Stadtmauern. Beide Projekte wurden von seinem Nachfolger Hieronymus Übelbacher vollendet, dem eigentlichen Bauherrn des barocken Umbaus.
Besonders fruchtbar war seine Zusammenarbeit mit Jakob Prandtauer, Baumeister zu St. Pölten. Dieser war maßgeblich an der Gestaltung des Kellerschlößls beteiligt, und er lieferte die ersten Entwürfe für die Umgestaltung des Stifts, die aber später im Laufe der Maßnahmen von anderen Künstlern verändert wurden. Propst Hieronymus Übelbacher hatte in Wien Matthias Steinl kennengelernt, den er gleich als Baumeister einspannte, und dieser machte die weiteren Entwürfe für den Umbau. Ausführender Baumeister vor Ort war Joseph Munggenast.
Die Schwierigkeit war, daß man einerseits kostensparend möglichst viel alte Bausubstanz retten wollte, andererseits aber gerne barocke Konzepte wie regelmäßige Höfe, Symmetrien, Ausrichtung der Bauteile aufeinander etc. verwirklichen wollte. Die vorhandene Bausubstanz war jedoch ein gewachsenes, unregelmäßiges Ensemble ohne übergreifende Gestaltung. Die eingepferchte Lage zwischen Fluß und Stadt machte keine großzügige Neuplanung möglich, es war einfach kein Expansionsgelände vorhanden. Der Nordwest- und der Nordostflügel waren vorhanden, ergaben aber keinen schönen Hof. Deshalb wurden die beiden Flügel im Südwesten und im Südosten neu gebaut, um eine zweistöckige Vierflügelanlage um einen annähernd rechteckigen, in Wirklichkeit leicht trapezförmigen Hof zu erhalten. Den bestehenden beiden Flügeln wurden neue Fassaden vorgeblendet. So wurde in einem verwinkelten Altbestand eine Zone barocker Raumvorstellung möglich.
Die oben beschriebenen Rahmenbedingungen für den Umbau verhinderten einen großzügigen barocken Neubau. Umgekehrt führte die Rücksicht auf den Altbestand zu einer interessanten Fokussierung des Gestaltungswillens auf wirkungsvoll plazierte Schmuckakzente. Die Fassaden selbst sind eher schlicht gehalten, aber das Schmuckprogramm über den Portalen setzt einen großen Formenreichtum frei. Über der Einfahrt der Südostseite (Abb. oben) wird das Löwenfell des Herkules dargestellt. Die Hoffassade besitzt insgesamt zwanzig Kartuschen mit Imperatorenportraits, angefertigt vom Kremser Stukkateur Johann Piazoll, der seinem Vater Domenico Piazoll bei der Dekoration des Stifts nachgefolgt war.
Es gibt neben dem großen Hauptportal und dem im Hof gelegenen Kirchenportal, das von Matthias Steinl entworfen und von Joseph Munggenast ausgeführt wurde, insgesamt acht Seitenportale, die jeweils mit einer Puttengruppe verziert sind, die die vier Tageszeiten und die vier Jahreszeiten, die vier Elemente und die vier damals relevanten Erdteile allegorisch darstellen. Propst Hieronymus nahm persönlich intensiven Anteil an den Umbaumaßnahmen und griff auch selbst gestaltend ein, so daß die barocke Anlage nicht nur das Ergebnis der künstlerischen Fähigkeiten herausragender Barockbaumeister ist, sondern auch eine ganz persönliche Note dieses Propstes trägt.
Die Inschrift über dem Kirchenportal lautet: "LAETATVS SVM IN HIS QVAE DICTA SVNT MIHI IN DOMVM DOMINI IBIMVS PSAL(M) 121 VI" - Ich freute mich darüber (eigentlich: ich bin erfreut), als man mir sagte: Lasset uns ins Haus des Herrn gehen - Psalm 121:6. Über der Inschriftenkartusche sind zwei geflügelte Engelsköpfe unter einer großen Inful dargestellt.
Was dem Stift Dürnstein fehlt, ist eine eigene Bibliothek, wie sie sonst in den österreichischen Klöstern meistens als besonders kostbar ausgestatteter Prunkraum existiert. Sicherlich hätte Hieronymus Übelbacher auch eine solche noch gebaut, wenn ihm die Zeit geblieben wäre. Als er 1740 starb, war der alte Bibliotheksraum schon zur Dechantenwohnung umgewidmet worden, und die Bücher waren ausgelagert und in Kisten verpackt. Auch später kam man nie mehr dazu, eine neue, barocke Bibliothek einzurichten. Der Bücherbestand des Stifts Dürnstein kam nach der Aufhebung des Stifts in die Wiener Universitätsbibliothek und in die heutige Nationalbibliothek, mit wenigen Ausnahmen, die über dort übernommene Chorherren in die Herzogenburger Bibliothek gelangten. Das Dürnsteiner Archiv befindet sich heute ebenfalls im Stift Herzogenburg.
Nun zu den Wappendarstellungen. Dazu verlassen wir zunächst den Stiftshof nach Südosten und treten vor das großartige Hauptportal. Die in vergoldeten Majuskeln angebrachte Inschrift im Gebälk über dem Stiftsportal im Prälaturtrakt lautet: "HIERONYMUS AB AN(N)O FUNDA(TI)O(N)IS MCCCLXXVIII CANONIAE TIERNSTAINENSIS XXX PRAEPOSITUS MDCCXVIII" - Hieronymus, der seit dem Jahr der Gründung, 1378, der Kanonie Dürnstein 30. Propst, 1718. Das Stiftsportal ist ein Entwurf von Matthias Steinl. Auf dem Dreiecksgiebel sind die allegorischen Figuren für den Glauben (Fides, mit dem Kreuz) und Hoffnung (Spes, mit dem Anker) zu sehen, in der Mitte das flammende Herz mit den beiden Putten als Symbol der Liebe (Caritas, weist vor allem auch auf die Gottesliebe des Ordensgründers Augustinus hin; das Motiv ist auch donauseitig an der Balustrade vor dem Kirchturm dargestellt). Diese drei bilden die theologischen, christlichen oder auch göttlichen Tugenden. Im ersten Obergeschoß befinden sich zwei verschiedene Allegorien für die weltliche Tugend der Fortitudo in den Aspekten Stärke (links, mit der abgebrochenen Säule) und Wachsamkeit oder Tapferkeit (rechts, mit Rüstung, Helm und Schild), und ganz unten im Erdgeschoß befinden sich noch zwei Atlanten. Diese ganzen Figuren sind ein Werk der Bildhauer Joseph Päbel aus St. Pölten und Johann Schmidt. Im Dreiecksgiebel selbst befindet sich lediglich ein geschmücktes Ovalfenster.
Unterhalb der Bauinschrift ist über dem Fenster des ersten Obergeschosses das Wappen von Propst Hieronymus Übelbacher (amtierte 1710-1740) angebracht, unter dem der zweite barocke Ausbau des Stifts erfolgte. Zwei Ovalkartuschen sind unter einem die Inful tragenden, geflügelten Engelskopf zusammengestellt. Die heraldisch rechte Kartusche trägt das Stiftswappen und innen die Jahreszahl und die Personalisierung durch die Initialen des Propstes "H(ieronymus) P(raepositus) Z(u) T(irnstein) 1718". Das Stiftswappen ist hier auf das Hauptmotiv reduziert, und die Farbgebung ist auf weißen Anstrich und Vergoldung reduziert; in Wirklichkeit gäbe es da noch mehr zu sehen: in Blau ein goldener, mit Blüten gefüllter Flechtkorb mit Tragehenkel, oben bewinkelt von zwei goldenen, schwebenden Tatzenkreuzchen. Sowohl letztere als auch die Blüten fehlen in der Darstellung hier über dem Tor. Das Blumenkörbchen wurde gewählt, weil es sich auf den der hl. Dorothea geweihten Altar bezieht, der von den Herren von Maissau gestiftet worden war. Dieses Symbol der hl. Dorothea wurde bereits von Stephan, Kaplan der Herren von Maissau und herzoglicher Kammerschreiber, geführt, und das Blumenkörbchenwappen taucht sowohl auf seinem Grabstein als auch auf der Stiftungsurkunde von 1410 auf. Für diesen Dorotheenaltar wurde eine eigene Kapelle im Kreuzgang errichtet, und das Symbol ging auf das Stift über.
Die heraldisch linke Kartusche enthält die persönlichen Elemente des Propstwappens: Geviert, Feld 1 und 4: ein gekrönter Adler, Feld 2 und 3: ein gekrönter Löwe. Auch hier fallen ein paar wichtige Details unter den Tisch, die bei den Wappendarstellungen in der Kirche zu sehen sind: Der Adler hält einen geflochtenen Laubkranz im Schnabel, der Löwe hält in seinen Pranken ein geöffnetes Buch, er ist doppelschwänzig, und er wächst nicht direkt aus der Teilungslinie, sondern aus einem abgeteilten Schildfuß.
Besser ist das in der Stiftskirche zu sehen: An der hölzernen, seitlichen Blende vor dem rechten Chorgestühl zum Hauptschiff hin ist das Stiftswappen erheblich detailreicher; man erkennt den Grund, auf dem das hier deutlich mit Blüten gefüllte Flechtkörbchen abgestellt ist, und die zwei seitlichen, schwebenden Tatzenkreuzchen sind auch vorhanden im Gegensatz zur Darstellung außen am Stiftseingang. Über dem Schild befindet sich ein geflügelter Engelskopf, der eine Biretta trägt.
Das Blumenkorbwunder spielt in der Dorotheenlegende eine wichtige Rolle: Theophilus, ein heidnischer Jurist, verspottete die hl. Dorothea, die sich Gott geweiht hatte und jungfräulich bleiben wollte und nach ihrer Verurteilung während der Christenverfolgung unter Diokletian immer wieder den Namen Christi als den ihres himmlischen Bräutigams anrief, und er forderte sie heraus: Er wolle auch an Jesus glauben, wenn sie ihm Blumen und Früchte aus dessen Garten herbeischaffte. Ein Wunder geschah - ein Engel brachte stante pede ein Körbchen voller Rosen und Äpfel. Theophilus hielt Wort und bekannte sich offen zum Christentum. Doch das riß nur auch ihn noch in den Tod: Beide, Dorothea und Theophilus, endeten durch Enthauptung, weil der Statthalter Apricius (nach anderen Fabricius), der zudem zuvor vergeblich um Dorothea geworben hatte, diese Auflehnung und Anfechtung seiner Macht nicht dulden konnte. Über diese Legende wurde die hl. Dorothea u. a. die Patronin der Gärtner und Blumenhändler.
Die hölzerne Abtrennung des Chorbereichs am Kopfbereich des Gestühls auf der anderen, linken Seite trägt ein ebenfalls vollständig vergoldetes Wappen des Wappen von Propstes Hieronymus Übelbacher, das hier wesentlich detailreicher gearbeitet ist als außen über dem Stiftseingang (Abb. oben und unten). Über dem Schild befindet sich ein geflügelter Engelskopf, der eine Inful trägt. Der Schild ist geviert mit Herzschild, Feld 1 und 4: ein gekrönter Adler mit einem geflochtenen Laubkranz im Schnabel, Feld 2 und 3: aus einem Schildfuß wachsend ein gekrönter, doppelschwänziger Löwe, der in seinen Pranken ein geöffnetes Buch hält, Herzschild: Stiftswappen.
Hieronymus Übelbacher wurde 1674 in Hollabrunn als Sohn bürgerlicher Eltern geboren. Mit 18 Jahren trat er im Jahr 1693 ins Noviziat ins Stift Dürnstein ein, und nach einem Jahr legte er die Profeß unter Propst Gottfried ab. Er studierte Philosophie in Olmütz, wo er 1697 promoviert wurde, und Theologie in Wien, wo er seine Studien 1700 mit einer Disputatio abschloß. In Wien war er Verwalter des Dürnsteiner Hofes. Am 21.8.1710 wurde er in Wien zum Dr. theol. promoviert. Am 15.6.1710 wurde er einstimmig als Nachfolger des verstorbenen Gottfried von Haslingen und zum 30. Propst des Stiftes Dürnstein gewählt, ein Amt, das er bis zu seinem Tod am 13.1.1740 innehatte, über 29 Jahre lang. Übelbacher war die treibende Kraft hinter der vollständigen, 1715 begonnenen Barockisierung des Stifts, und auf seine Bautätigkeit geht die Verschmelzung der bestehenden Bauteile zu einem einheitlichen Ganzen unter maximal möglichem Erhalt des Bestandes zurück. Weiterhin machte er aus der gotischen Stiftskirche einen Barockbau. Er ist auch der Bauherr des in den Weinbergen gelegenen, barocken, 1714-1719 errichteten Lusthauses, des Kellerschlössels, das damals wie heute der Erbauung, dem Weingenuß sowie der Geselligkeit diente. Seine Amtszeit ist hervorragend dokumentiert durch seine insgesamt 14 Schreibkalender, in denen er tagebuchartig alles Erlebte und Geplante, Notizen, Gedanken, Termine, selbst Kochrezepte u. v. a. m. notierte. Diese im Stiftarchiv Herzogenburg aufbewahrten gesammelten Notizen geben einen hochinteressanten Einblick in das tägliche Leben und vor allem in den Alltag eines Barockpropstes.
Das gleiche Wappen ist am Scheitel des Chorbogens der Stiftskirche zu sehen (Abb. oben): Der vollständig vergoldete Schild ist inhaltlich gleich, die Umrahmung ist jedoch hier weiß abgesetzt, und hinter dem auf einem raumgreifenden Flügelpaar ruhenden Engelskopf mit Inful ragt der Krummstab schräg hervor.
Ein weiteres Wappen ist auf der Donauseite des Stifts zu sehen, an der Stirnseite des Kapiteltraktes im Westen der Anlage (Abb. unten). Dieser Trakt wurde während der ersten Barockisierungswelle unter Propst Honorius Arthofer 1676 umgebaut und mit neuen Wohnräumen für die Chorherren ausgestattet, fünf in jedem der beiden Wohngeschosse. Der Ausführende war der St. Pöltener Maurermeister Hanns Georg Propst. Das Wappen, welches wir heute hier sehen, stammt nicht authentisch aus der Bauzeit. Einst war hier ein Wappen des damaligen Bauherrn mit seinen Initialen und der Datierung "H(onorius) A(rthofer) P(raepositus) T(iernstein) 1676", welches nicht mehr existiert.
Bei der Generalrestaurierung im 20. Jh. wurde hier im Abschlußjahr 1989 ein neues Wappenpaar angebracht: Die heraldisch rechte Kartusche zeigt das Wappen des Stifts Dürnstein wie beschrieben; die andere Kartusche aber zeigt das Wappen des Propstes Maximilian Fürnsinn vom Stift Herzogenburg. Sein Wappen ist gespalten und halbgeteilt, Feld 1: in Silber ein rotes Tatzenkreuz (Stift Herzogenburg), Feld 2: in Gold ein rotes, flammendes Herz, Feld 3: in Gold ein schwarzer, hersehender Ochsenkopf mit Nasenring. Die Komposition wird durch Inful und Krummstab als Propstwappen ausgewiesen. Die Kombination kam dadurch zustande, daß nach der Aufhebung des Stifts Dürnstein unter Kaiser Joseph II. am 7.8.1788 das Stift als Pfarre dem Augustiner-Chorherrenstift Herzogenburg inkorporiert wurde, welchem es heute noch gehört.
Der am 5.5.1940 in Herzogenburg geborene Maximilian Fürnsinn wurde nach Besuch der Ordenshochschule in Klosterneuburg 1966-1970 und Studium in Wien 1970-1972 im Abschlußjahr zum Priester geweiht und nach Positionen als Kaplan, Novizenmeister und Bauamtsdirektor am 18.4.1979 zum 68. Propst und 17. lateranensischen Abt des Stiftes Herzogenburg gewählt. In diesem Amt wurde er bislang alle 10 Jahre durch Wiederwahl bestätigt. Er war außerdem 1996-2008 Großprior und ist seit 2009 Ehrengroßprior des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem. Ferner ist er Vorsitzender der niederösterreichischen Äbtekonferenz, Vorsitzender der Ordenskonferenz der Diözese St. Pölten, und 1998-2013 war er Vorsitzender der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften Österreichs.
Liste der Pröpste von Dürnstein unter Hervorhebung des hier mit Wappen vertretenen:
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Literatur,
Quellen und Links:
Liste
der
Baudenkmäler: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_denkmalgeschützten_Objekte_in_Dürnstein
Wolfgang Payrich, Helga
Penz:
Dürnstein 1410-1788, in: Die ehemaligen Stifte der
Augustiner-Chorherren in Österreich und Südtirol,
hrsg. vom
Propst-Gebhard-Koberger-Institut für die Erforschung der
Geschichte der Augustiner-Chorherren unter der Leitung von
Floridus Röhrig, Klosterneuburg 2005, ISBN 3-902177-22-5, S.
51-100
Propst Maximilian Fürnsinn: http://www.stift-herzogenburg.at/index.php?content=152 - https://de.wikipedia.org/wiki/Maximilian_Fürnsinn - http://www.orden-online.de/wissen/f/fuernsinn-maximilian/
Herzogenburger Pfarre Dürnstein: http://www.stift-herzogenburg.at/index.php?content=158
Restaurierung von Dürnstein: http://www.stiftduernstein.at/pfarre/geschichte/restaurierung-heute.html
Dürnstein: http://austria-forum.org/af/Heimatlexikon/Dürnstein
hl. Dorothea: https://de.wikipedia.org/wiki/Dorothea_(Heilige)- http://kirchensite.de/index.php?myELEMENT=61878 - http://www.heiligenlegenden.de/monate/februar/06/dorothea/home.html - http://www.bistum-augsburg.de/index.php/bistum/Heilige-des-Tages/Heilige/DOROTHEA
Wolfgang Pauker: Die Kirche und das Kollegiatstift der ehemaligen
regulierten Chorherrn zu Dürnstein. In: Jahrbuch des Stiftes
Klosterneuburg, 3, 1910, S. 181-344
Helga Penz (Hrsg.), unter Mitarbeit von Edeltraud Kando und Ines
Weissberg: Die Kalendernotizen des Hieronymus Übelbacher,
Propst
von Dürnstein 1710-1740, Quelleneditionen des Instituts
für
Österreichische Geschichtsforschung, Bd. 11,
Böhlau-Verlag,
Wien 2013, ISBN 978-3-205-79459-2, vgl. auch http://www.stift-herzogenburg.at/USERFILES_downloads/239/Dürnsteiner%20Schreibkalender.pdf und http://www.stift-herzogenburg.at/index.php?content=1029
Hieronymus Übelbacher: https://de.wikipedia.org/wiki/Hieronymus_Übelbacher
Hieronymus Übelbacher: http://www.bda.at/text/136/Denkmal-des-Monats/8694/Das-barocke-Lusthaus-des-Propstes-Hieronymus_Das-Schloesschen-inmitten-der-Weingaerten-von-Duernstein-dien
Dürnstein: Eine Burgstadt vom Mittelalter bis zur Gegenwart,
hrsg. von der Gesellschaft der Freunde Dürnsteins,
Dürnstein
1976
Wolfgang Pauker: Die Kirche und das Kollegiatstift der ehemaligen
regulierten Chorherrn zu Dürnstein, in: Jahrbuch des Stiftes
Klosterneuburg 3, 1910, Wien, S. 181-344
Leonore Pühringer-Zwanowetz: Die Baugeschichte des
Augustiner-Chorherrenstiftes Dürnstein und das "neue
Kloster" des Propstes Hieronymus Übelbacher, in: Wiener
Jahrbuch für Kunstgeschichte 26, 1973, S. 96-198
Huberta Weigl: Die Klosteranlagen Jakob Prandtauers, Dissertation
2002, Wien, Bd. 1, S. 288-194
Ortsregister - Namensregister - Regional-Index
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