Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 2268
Amorbach (Landkreis Miltenberg, Unterfranken)
Kellerei Amorbach
Die ehemalige Kellerei des Hochstifts Mainz liegt etwas versteckt hinter einem Tor in der Kellereigasse in einer idyllisch grünen und etwas vernachlässigten Zone nördlich des Marstalls. Drei Flügel umschließen hufeisenförmig ein nach Osten offenes, verwildertes Grüngelände. Die südliche Bebauung schließt mit dem eigentlichen Wohnhaus des Ensembles ab (Kellereigasse 6), die nördliche Bebauung mit einer Zehntscheuer (Kellereigasse 12). Drei Kurfürsten bauten an diesem Gebäude zur Verwaltung der Mainzer Liegenschaften: Diether von Isenburg hatte den Bau 1482 im letzten Jahr seiner zweiten Amtszeit beginnen lassen, Adalbert von Sachsen machte weiter, und Berthold von Henneberg vollendete den Bau 1487. Nach der Säkularisierung zog im 19. Jh. das "Herrschaftsgericht" hier ein. Als 1863 eine Ämtertrennung durchgeführt wurde, blieb in dem ehemaligen Kellereigebäude das Amtsgericht. 1932 wurde hier das Amorbacher Heimatmuseum untergebracht. In das Gebäude rechts daneben, das im frühen 19. Jh. als Kaserne genutzt wurde, kam später das Rentamt hinein, ein Vorläufer des Finanzamtes. 1913 zog es aus in einen Neubau.
Das Wappen des Mainzer Fürstbischofs Berthold von Henneberg (regierte 1484-1504) befindet sich hoch oben unter dem Fachwerkgeschoß des polygonalen Treppenturmes und ist geviert, Feld 1 und 4: in Rot ein sechsspeichiges, silbernes Rad, Erzstift Mainz, Feld 2 und 3: Grafen von Henneberg-Römhild, geviert, Feld a und d: in Rot eine golden gekrönte, silberne Säule, Colonna, Feld b und c: in Gold auf einem grünen Dreiberg eine schwarze Henne mit rotem Kamm und ebensolchem Kehllappen, gefürstete Grafschaft Henneberg. Ein Oberwappen fehlt. Direkt oberhalb des oberen Schildrandes ist in den roten Sandstein die Jahreszahl 1487 geschlagen, das Baujahr des Treppenturmes.
Tiefer am Treppenturm befindet sich auf der gleichen Polygonfläche direkt über der Eingangstür ein am oberen Rand auf das Jahr 1483 datierter Wappenstein für Adalbert III. von Sachsen (8.5.1467-1.5.1484), der 1482-1484 Administrator des Kurstaates Mainz war, quasi der Amtsvorgänger des Berthold von Henneberg, entsprechend dem Baufortschritt des Turmes weiter unten angebracht. Sein Wappenschild ist geviert, Feld 1 und 4: in Rot ein silbernes, sechsspeichiges Rad, Erzstift Mainz, Feld 2 und 3: von Schwarz und Gold neunmal geteilt, darüber ein grüner schrägrechter Rautenkranz, Herzogtum Sachsen. Dazu wird ein einzelner Helm geführt, auf einem roten, hermelingestulpten Hut auf einem roten Kissen ein aufrecht stehendes, silbernes, sechsspeichiges Rad, Helmdecken rot-silbern, Erzstift Mainz.
Eine persönliche, familienbezogene Helmzier fehlt, ebenso fehlen die klassischen fürstbischöflichen Insignien, da er nur Administrator war und nie die Bischofsweihe empfangen hatte. Betrachten wir seine Lebensdaten: 1477 wurde er im Alter von 10 Jahren Provisor der Stadt Erfurt und Oberamtmann auf dem Rusteberg bei Rustenfelde im Eichsfeld. 1479 wurde er im Alter von 12 Jahren Mitglied des Mainzer Domstifts. 1480 wurde er im Alter von 13 Jahren zum Koadjutor gewählt. Selbst der Papst, Sixtus IV., hatte Bedenken, bei so einem jungen Schnösel die quasi automatische Nachrückgarantie in einem der wichtigsten Territorien des Heiligen Römischen Reiches abzunicken, doch er tat es schließlich. Am 8.5.1482 trat dann der Ernstfall ein: Ein 15jähriger Teenie rutschte auf den Mainzer Bischofsstuhl. Er starb aber schon, kurz bevor er 17 Jahre alt wurde. Er hatte aufgrund seines jugendlichen Alters nie eine Bischofsweihe empfangen. Formal war er daher nicht Erzbischof gewesen, sondern nur Administrator, ein Laie, der den Kurstaat verwaltete, aber nie die geistliche Herrschaft verliehen bekommen hatte. Deshalb fehlen die entsprechenden Insignien prinzipiell und aus gutem Grund in seinem Wappen.
Im unteren Bereich des Wappensteines sind zwei sehr detailliert gearbeitete Engel als Schildhalter zu sehen, mit steil aufgestellten Flügeln mit dicht gelegten Federn, noch ganz in der Tradition der Spätgotik. Dadurch wird der Großteil der Helmdecke nach oben gezogen, um den Leerraum beiderseits des Kleinods zu füllen; unten sind lediglich zwei kleine Bahnen zu sehen, die vor den Engelsgewändern einen kleinen "Schlenker" hinlegen. Dieser Stein ist ein sehr selten zu findendes Beispiel für Wappen dieses Mainzer Kurfürstadministrators; eine weitere Darstellung befindet sich im Mainzer Dom an seinem Epitaph.
Literatur,
Quellen und Links:
Siebmachers
Wappenbücher, insbesondere Band Bistümer
Adalbert von Sachsen: https://de.wikipedia.org/wiki/Adalbert_von_Sachsen_(1467-1484)
Heinrich Theodor Flathe: Albrecht, in: Allgemeine Deutsche
Biographie, Bd. 1, Duncker & Humblot, Leipzig 1875,
S. 268, https://de.wikisource.org/wiki/ADB:Albrecht_(Erzbischof_von_Mainz)
Berthold von Henneberg: https://de.wikipedia.org/wiki/Berthold_von_Henneberg
Karl August Klüpfel: Berthold (Kurfürst und
Erzbischof von
Mainz), in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 2, Duncker
& Humblot, Leipzig 1875, S. 524-528, https://de.wikisource.org/wiki/ADB:Berthold_(Kurfürst_und_Erzbischof_von_Mainz)
Ernst Bock: Berthold von Henneberg, in: Neue Deutsche
Biographie, Bd. 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955,
ISBN
3-428-00183-4, S. 156 f. http://www.deutsche-biographie.de/pnd118656724.html
Anschlag am Tor des Gebäudes mit Informationen
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