Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1772
Heitersheim (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald)

Johanniterschloß Heitersheim: zwischen Zehntscheune und Fruchtspeicher

Die meisten heraldischen Zeugnisse finden wir von dem 1728-1754 amtierenden und sehr baufreudigen Großprior Philipp Wilhelm Graf von Nesselrode-Reichenstein, der um 1730 ff. tiefgreifende Umbauten am Schloß vornehmen ließ und einige Gebäude neu errichten ließ. Der Zeitgeschmack war barock, und die Repräsentation wurde immer wichtiger, und entsprechend prunkvoll wurden die neuen Gebäude und ihr heraldischer Schmuck. Im Barock wurden bereits große Teile der mittelalterlichen Bausubstanz durch Neubauten ersetzt, so auch die Zehntscheuer an der Nordseite. Des Großpriors kunstsinnige Baulust betraf vor allem die Vorburg, wo er die Zehntscheune umbauen und den mächtigen Fruchtspeicher neu bauen ließ, und außerdem ließ er das Kanzleigebäude neu errichten, wodurch der äußere Schloßhof jetzt von äußerst repräsentativen Bauten umstanden war.

Abb.: Vorburg, rechts im Bild das moderne Schwesternhaus St. Ludwig mit Kirche, in der Mitte Reste des großen Speichers. Ab 1893 hatte der Orden der Schwestern des hl. Vinzenz von Paul die Gebäude erworben. Im 20. Jh. wurde viel historische Bausubstanz durch großflächige Neubaumaßnahmen ersetzt, die heute die Rekonstruktion des ursprünglichen Aussehens erschweren.

Philipp Wilhelm Graf v. Nesselrode-Reichenstein (1678-16.1.1754) war der Sohn von Franz Graf v. Nesselrode-Reichenstein (1635-5.12.1707), bergischer Erbkämmerer und Erbmarschall, kaiserlicher Kämmerer, kurkölnischer Geheimrat, Statthalter im Vest Recklinghausen, fürstbischöflich-münsteranischer Kanzler, und dessen Frau Anna Maria v. Wylich. Der Vater, der am 3.8.1685 zu Wien den Reichsfreiherrenstand bestätigt bekommen hatte, hatte die freie Reichsherrschaft Reichenstein nebst Bürgel käuflich erworben und wurde am 3.10.1702 Reichsgraf. Des Bauherrn älterer Bruder Bertram Carl Graf v. Nesselrode-Reichenstein setzte den Stamm fort. Bevor Philipp Wilhelm Großprior wurde, wirkte er als Großbailli und Flottenkommandant in Malta, wo er auch in La Valetta begraben ist.

Abb.: Vorburg, Scheune und Reste des Anbaus des großen Speichers mit dem Wappen des Großpriors Philipp Wilhelm Graf von Nesselrode-Reichenstein zwischen den beiden heute offenen Arkaden, datiert auf 1733.

Die Bauinschrift auf der aufwendig gestalteten Wappentafel zwischen den Arkadenbögen lautet: "CELSISSIMVS & REVERENDISSIMVS D(OMI)NVS D(OMI)NVS PHILIPPVS WILHELMVS C S(ANCTI) R(OMANI) I(MPERII) COMITIBVS DE NESSELRODE & REICHENSTEIN Em. Ordenis Equestris Sancti Joannis Hierosolymitani Supremus per Alemaniam Magister S(ancti) R(omani) I(mperii) Princeps Sacrae Caesareae Maiestatis Actualis Consilarius Intimus Dominus Jn Hambach Bubigheim & c(etera) Ac Commendator Francofurti & c(etera) Hoc Aedificium Extrui fecit Anno Salutis MDCCXXXIII".

Das eigentliche Wappen ist nur ein winziger Teil einer überladenen Komposition. Zwei Löwen dienen als Schildhalter, und diese "Kernszene" wird kartuschenähnlich von Ornamenten und blattähnlichen Elementen eingerahmt. Außerhalb dieser inneren Einfassung werden wir an das militärische Selbstverständnis des Ordens erinnert: Oben in der Mitte ist ein Helm mit Federzier zu sehen, daneben jeweils im Bogen von oben nach unten Standarten mit achtspitzigen Malteserkreuzen, Lanzen, Feldzeichen, Schwerter, Fahnen, Harnische, Schilde und ganz unten Kanonenrohre.

Das Wappen ist geviert: Feld 1 und 4: in Rot ein durchgehendes silbernes Kreuz (Johanniterorden), Feld 2 und 3: erneut geviert (Trennlinien hier nicht sichtbar) mit Herzschild, Feld a und d: in Silber drei aneinanderstoßende, schrägrechts gelegte schwarze Rauten, schrägbalkenweise zusammengestellt (Reichsherrschaft Reichenstein), Feld b und c: in Gold drei aneinanderstoßende, schräglinks gelegte rote Rauten, schräglinksbalkenweise zusammengestellt (Herrschaft Stein / Herrenstein a. d. Sieg), Herzschild: in Rot ein silberner Wechselzinnenbalken (Stammwappen Nesselrode).

Der Schild wird von einem achtspitzigen Malteserkreuz unterlegt, dessen obere Spitzen zwei der fünf Helme unschön verdecken. Diese Vermehrung des Stammwappens kam ab dem Erwerb der reichsunmittelbaren Herrschaft Reichenstein auf und wurde mit Diplom vom 19.12.1698 von Kaiser Leopold vollzogen; die neuen Komponenten sind die Wappen der Herren von Stein und der Herren von Reichenstein. Die 1511 ausgestorbenen reichsfreien Herren von Reichenstein hatten über dem Holzbachtal unweit von Puderbach im heutigen Landkreis Neuwied eine gleichnamige, Anfang des 14. Jh. erbaute Burg auf ihrem Allodialbesitz, die jedoch von den Grafen von Wied 1618 endgültig zerstört worden war. Die Freiherren von Nesselrode waren beim Erwerb weniger an der Burg interessiert, zumal sie sich verpflichten mußten, sie nie wieder aufzubauen, sondern an dem mit der Burg Reichenstein verbundenen Recht auf Sitz und Stimme auf der Niederrheinisch-Westfälischen Grafenbank. Die Burg Herrenstein (Herrnstein) liegt hingegen in Winterscheid, einem Ortsteil der Gemeinde Ruppichteroth im Rhein-Sieg-Kreis und ist seit 1436 im Besitz der von Nesselrode. Auch heute noch wird sie von der Familie genutzt.

Das Wappen weist insgesamt fünf Helme auf, wovon drei aus dem Familienwappen sind und zwei sich auf seine Stellung als Großprior und Reichsfürst beziehen: Helm 1 (Mitte): ein Fürstenhut, Helm 2 (rechts innen): auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein rotes, achteckiges Schirmbrett, belegt mit einem durchgehenden silbernen Kreuz, an den sieben freien Ecken je ein Pfauenspiegel (Johanniter), Helm (links innen): auf dem Helm mit rot-silbernen Decken ein wachsender roter Brackenrumpf, der Hals belegt mit einem silbernen Wechselzinnenbalken (Stammwappen Nesselrode), Helm 4 (rechts außen): auf dem Helm mit schwarz-silbernen Decken ein wachsender silberner Rumpf eines "Wildstückes", also einer Hirschkuh, der Hals belegt mit drei aneinanderstoßenden, schrägrechts gelegten schwarzen Rauten, schrägbalkenweise zusammengestellt (Reichsherrschaft Reichenstein), Helm 5 (links außen): auf dem Helm mit rot-goldenen Decken ein goldener Flug, beiderseits belegt mit drei aneinanderstoßenden, schrägrechts gelegten roten Rauten, schrägbalkenweise zusammengestellt (Herrschaft Stein / Herrenstein a. d. Sieg).

Das Wappen der von Nesselrode wird in seiner Entwicklung und in seinen verschiedenen Formen beschrieben im Siebmacher Band: GfA Seite: 43 Tafel: 49, Band: OÖ Seite: 758 Tafel: 154-155, Band: NÖ1 Seite: 312 Tafel: 165, Band: Un Seite: 451 Tafel: 332, Band: Bay Seite: 48 Tafel: 49, ferner im Westfälischen Wappenbuch. Das spezielle Wappen dieses Großpriors findet sich im Siebmacher Band Bistümer.

Balkenkreuz oder achtspitziges Kreuz?
Bei den hier gezeigten komplexen Wappen sieht man gut die beiden Ordenssymbole und ihre unterschiedliche Verwendung nebeneinander: Das silberne Balkenkreuz auf rotem Feld ist das Wappenbild des Ordens, und nur dieses wird in vermehrte Wappenschilde der Amtsträger eingebaut. Das achtspitzige Kreuz hingegen ist das Ordensabzeichen, das als sichtbares Zeichen der Mitgliedschaft z. B. auf den Ordensmänteln getragen wird, so wurde 1489 in einem Ordenskapitel festgelegt, daß auf dem Gewand das Kreuz mit den acht Spitzen getragen werden müsse. Dieses achtspitzige Kreuz fand nicht in das Wappen Eingang, sondern der Schild wurde damit unterlegt. So steht hier das Balkenkreuz für den Orden selbst als Institution und wird von den Amtsträgern geführt als Repräsentant des Ordens, und das achtspitzige Kreuz ist das Symbol für das Dasein als Ordensritter in der Ausübung seiner Ordenspflichten.

Zurück zu den Anfängen des Ordens: Unter Gerhard Sasso wurde das schwarze Gewand, die Kukulle (Überwurf), als Habit eingeführt, mit einem weißen Balkenkreuz. Damit unterschied man sich von den Templern (rotes Kreuz auf weißem Gewand) und den Deutschordensrittern (schwarzes Kreuz auf weißem Gewand). Von einem eigentlichen Ordenswappen war man zu dieser Zeit noch weit entfernt. Diese Balkenkreuze änderten sich im Laufe der Zeit, Raymund du Puy führte das achtspitzige Kreuz bei den Johannitern ein, und die beiden anderen genannten Orden wandelten ihre Kreuze zu Tatzenkreuzen. Verschiedene Habitvorschriften regelten die Kleidung der Ordensritter. Das weiße Ordenskreuz wurde z. B. 1184 in einer päpstlichen Bulle den Johannitern vorbehalten. Eine weitere Bulle erlaubte 1248 die schwarze Sopraveste mit dem Ordenskreuz, die praktischer als der Mantel war. Die militärische Gewandung konnte aber auch eine rote Grundfarbe haben, so die roten Sopravesten (Überwürfe) mit dem Balkenkreuz, die Papst Alexander IV. 1259 den Rittern erlaubte, ein Motiv, von dem sich das spätere Ordenswappen ableitete.

Auch wenn die achtspitzigen Kreuze bereits auf mittelalterlichen Münzen etc. auftauchen, kommen in der Frühzeit des Ordens viele verschiedene Kreuzformen uneinheitlich nebeneinander vor, es gab keinen allgemeingültigen Standard, sondern die genaue Form variierte je nach Zeit und Region. Das achtspitzige Kreuz mit sich nach innen verjüngenden Armen und eingekerbten Enden setzte sich erst ab der Zeit auf Malta als allgemeines Ordenssymbol in der heutigen Form durch.

Erst in modernen Zeiten kam das achtspitzige Kreuz in eine wappenähnliche Umrahmung, denn die Johanniter-Unfallhilfe führt es zwar in einem runden Signet, doch der Malteser-Hilfsdienst führt es in einer Schildform. Auch heute ist eine Unterscheidung nötig - das achtspitzige Kreuz auf rotem Grund steht für die Werke der beiden Orden, während der souveräne Malteserorden selbst nach wie vor das silberne Balkenkreuz auf rotem Grund als Ordenswappen und als Ordensflagge führt. Der Untergrund des achtspitzigen Kreuzes ist auch je nach Vorkommen verschieden, die beiden genannten Unfallhilfen führen es auf rotem Grund, was die öffentliche Wahrnehmung dieses Symboles entscheidend prägt, doch die Kreuze liegen bei der Ordenstracht der Ritter auf schwarzem Grund, auch heute noch. Als Bestandteil von Halskreuzen steht das achtspitzige Kreuz frei, wie auch in Ordenswappen in den Schild unterlegender Verwendung, im Unterschied zu dem Balkenkreuz, dessen roter Untergrund signifikanter Wappenbestandteil ist und untrennbar mit ihm verbunden ist.

Literatur, Links und Quellen:
Zur Geschichte des Johanniter-Großpriorat Heitersheim, in: Das Markgräflerland, Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur, Jgg. NF 10 (41) Heft 3/4 1979, hrsg. v. d. Arbeitsgemeinschaft Markgräflerland für Geschichte und Landeskunde e. V. und dem Hebelbund Müllheim e. V.
Alfred Graf v. Kageneck, Die Fürsten von Heitersheim, ibid. S. 245-260.
Ingeborg Hecht, Karl Kraus-Mannetstätter, Heitersheim - aus der Geschichte der Malteserstadt, hrsg. Stadt Heitersheim 1972.
Hinweistafeln am jeweiligen Gebäude
Schloßmuseum:
http://www.museum-im-schloss.de/
Schloß Heitersheim:
http://www.ms-visucom.de/cgi-bin/ebidat.pl?id=1614
Herrschaft Heitersheim:
http://de.wikipedia.org/wiki/Herrschaft_Heitersheim
Wappen von Nesselrode: Siebmacher Band: GfA Seite: 43 Tafel: 49, Band: OÖ Seite: 758 Tafel: 154-155, Band: NÖ1 Seite: 312 Tafel: 165, Band: Un Seite: 451 Tafel: 332, Band: Bay Seite: 48 Tafel: 49
Wappen von Nesselrode: Max von Spießen (Hrsg.): Wappenbuch des Westfälischen Adels, mit Zeichnungen von Professor Ad. M. Hildebrandt, 1. Band, Görlitz 1901 - 1903.
Herrschaft und Burg Reichenstein:
http://www.burgruine-reichenstein.de/ - http://www.burgruine-reichenstein.de/geschichte.html - http://burgrekonstruktion.de/main.php?g2_itemId=754/
Burg Herrnstein:
http://www.graf-von-berg.de/burgen/herrnstein/index.htm
Heinz Kirchner, Georg v. Truszczynski, Ordensinsignien und Auszeichnungen des souveränen Malteser-Ritterordens, hrsg. vom Malteser-Hilfsdienst e. V., 1974
Johannes E. V. Kirchberger, Die Wappen der religiösen Orden, Jb. Adler, Wien, 1895
Wappen des Ordens und seiner Einrichtungen:
http://www.orderofmalta.int/der-orden-und-seine-einrichtungen/520/wappen/?lang=de

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