Bernhard Peter
Galerie: Photos schöner alter Wappen Nr. 1591
Torgau (Sachsen, Landkreis Nordsachsen)

Das Haus in der Schloßstraße 25 in Torgau

Dieses Anwesen (Restaurant Bärenschenke, sog. Kentmann-Haus) ist eines der herausragendsten Gebäude am Schloßvorplatz. Es besteht aus einem zweigeschossigen, später noch einmal aufgestockten Längstrakt und zum Schloß hin aus einem dreistöckigen Quertrakt. Es entstammt der Renaissance und hat überall noch die typischen, doppelt gekehlten Gewände an den Fenstern. Da das Haus häufig umgebaut wurde, ist das Innere nicht mehr authentisch. Das bauplastische Prunkstück ist das Portal zur Schloßstraße, mit einem mächtigen Abschlußgesims und darüber einem Wappenfeld zwischen geschweiften Wangen unter einem Dreiecksgiebel.

Die Inschrift nennt den Bewohner des Hauses: "Johan Kentman M(edicinae) Doctor & Magdalena Sporin". Johann Kentmann ist einer der berühmtesten Torgauer Bürger, nach dem der Torgauer Kunst- und Kulturverein „Johann Kentmann“ e.V. in der Schloßstraße 11 und das Kreiskrankenhaus Torgau "Johann Kentmann" gGmbH benannt sind. Er wurde am 21.4.1518 in Dresden geboren; seine Eltern waren Christoph Kentmann und dessen Frau Martha. Johanns Vater was Kürschner und Ratsmitglied. Nach dem Besuch der Schola Annaebergensis (1532-1534) und der Nicolaischule in Leipzig (1538-1540), dem Studium der Humanmedizin in Leipzig (1540-1542), Wittenberg (1542 ff.), Nürnberg und danach wieder in Leipzig (1546-1546, 1546 dort Magister artium) und während zweier Jahre in Padua (1547-1549), und nach der Erlangung des Dr. med. am 2.9.1549 in Bologna praktizierte er als Arzt erst in Meißen (seit dem 11.11.1550 Stadtphysikus an der Fürstenschule Sankt Afra) und dann in Torgau (20.9.1554 Stadtphysikus), wo er bis zu seinem Tod am 14.6.1574 lebte und arbeitete. Seit 1567 hatte er in seinem 1566 bezogenen Wohnhaus in der Schloßstraße 25 auch seine Praxisräume. Neben seiner Tätigkeit als Arzt war er ein begeisterter Sammler und induktiver Naturforscher ganz im Sinne der großen Forschergestalten des 16. Jh., der sich empirisch mit Geologie, Mineralogie, Botanik etc. befaßte. Ein Werk über Versteinerungen, die er damals noch fehldeutete, war das bereits 1549 erschienene "Plantarum atque Animantium nunquam hactenus impressarum immagines". Eines seiner botanischen Werke war das 1563 fertiggestellte „Kreutterbuch“ für den regierenden Kurfürst August mit 600 von David Redtel gemalten Pflanzenbildern.

Das hier gewendete Wappen für Johann Kentmann ist ein redendes, die lautliche Nähe zwischen "Cent-aur" und "Kent-mann" ist naheliegend. Es wird im Siebmacher Band: Bg9 Seite: 23 Tafel: 28 beschrieben und zeigt in geteiltem Schild einen Centauren, mit Kopfbinde mit abflatternden Enden und einen mit einem Pfeil gespannten Bogen haltend, auf dem gekrönten Helm das menschliche Oberteil des Centauren wachsend. Die Farben werden im Siebmacher nicht angegeben.

Es gibt ein modernes Wappen (Deutsche Wappenrolle DWR Band: I Seite: 40, eingetragen unter Nummer: 1553/30), das sich von diesem historischen Wappen "inspirieren" ließ. Ohne genealogischen Zusammenhang nahm die Familie Kentmann aus Reval/Estland allein aufgrund der Namensähnlichkeit, wohl auch begeistert von der Idee der redenden Umsetzung des Namens, ein an das historische Wappen Kentmann (s.o.) angelehntes Wappen an: In golden-schwarz geteiltem Schild ein Centaur in verwechselten Farben mit roter Stirnbinde mit abflatternden Bandenden, mit angelegtem roten Bogen mit aufgelegtem roten Pfeil, überdeckt von einem roten Schräglinksbalken, der mit drei goldenen, gestielten Lindenblättern nach der Figur belegt ist. Auf dem Helm mit schwarz-goldenen Decken der schwarze Centaur wachsend, mit seinem Bogen, zwischen zwei goldenen Lindenzweigen.

Zurück zum Original: Am 24.4.1551 heiratete Johann Kentmann Magdalena Sporer, die ebenfalls aus einer Arztfamilie stammte, denn sie war die Tochter des Dr. med. Christoph Sporer, der einen fast parallelen Lebenslauf im Vergleich mit seinem Schwiegersohn hatte: Auch er wurde in Dresden geboren, er studierte ab 1522 Medizin in Leipzig, und er wurde um 1530 in Meißen als Mediziner ansässig, blieb aber dort bis zu seinem Tod. Als Johann Kentmann 1550 Stadtphysikus in Meißen wurde, ergab sich die Verbindung, und fünf Monate später wurde geheiratet. Im Jahr der Heirat, 1551, verstarb Dr. med. Christoph Sporer. Auch das Wappen Sporer ist ein redendes, denn es zeigt eine mit dem Rad nach oben gekehrte Reiterspore mit zwei Schnallen an den beiden unteren Enden, auf dem gekrönten Helm zwei aufgereckte Arme, die die Reiterspore aus dem Schild emporhalten. Farben unbekannt, Hinweise willkommen. Die heraldisch abstrahierte Darstellung zeigt den die Ferse umgreifenden Bügel jeweils von oben in Aufsicht, das Sporenrädchen ebenso, ein Verlust der realen Stellung zueinander und eine Konzession an die Erkennbarkeit des Motivs.

Literatur, Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher
Cecilie Hollberg, Tilmann von Stockhausen, Annemarie von Velsen-Zerweck, Renaissancebauten in Torgau, in: Torgau, Stadt der Renaissance, hrsg. von Tilmann von Stockhausen für die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Sandstein Verlag Dresden, 3. Auflage 2009, ISBN 987-3-940319-69-2
Johann Kentmann:
http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Kentmann
Johann Kentmann:
http://www.kkh-torgau.de/geschichte/johann-kentmann.html
Johann Kentmann:
http://www.kleine-galerie-torgau.de/kentmann/bio.php
Artikel „Kenntmann, Johann“ von Wilhelm von Gümbel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 603,
http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Kenntmann,_Johann
Johannes Helm, Johannes Kentmann, 1518-1574, ein sächsischer Arzt und Naturforscher, F. Steiner Verlag, Wiesbaden 1971
"Nachahmer-Kentmann": Deutsche Wappenrolle, Band I.
Sporer:
http://books.google.de/books?id=aPWIA_X9h5AC......e, Manfred Wilde, Alte Heilkunst, Sozialgeschichte der Medizinalbehandlung in Mitteldeutschland, Verlag Müller-Straten, 1999, ISBN 3-932704-67-3, S. 307 ff.

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