Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 1587
Colditz (Sachsen, Landkreis Leipzig)
Schloß Colditz
Wenn man sich dem auf einem Bergsporn hoch über der Stadt Colditz und über der Zwickauer Mulde gelegenen Schloß Colditz, einem der bedeutendsten Renaissance-Schlösser Sachsens, von Süden her nähert, gelangt man zuerst an das erste Torhaus diesseits des von einer steinernen Brücke überspannten Grabens, das aus dem frühen 16. Jh. stammt. Es ist niedrig im Vergleich zu den dahinterliegenden Gebäudegruppen und ohne heraldischen Schmuck, allein der getreppte Ziergiebel mit durchbrochenen Stufen schmückt ihn.
Auf der anderen Seite der Schloßbrücke aus dem späten 16. Jh. befindet sich gleich linkerhand des steil aufragenden, aus dem 14. oder 15. Jh. stammenden und 1523 kräftig aufgestockten Schloßturmes das zweite Torhaus von ca. 1584 mit einem prächtigen Allianzwappen über der Durchfahrt.
Abb.: Detail des äußeren Torbogens des zweiten Torhauses mit einem schnauzbärtigen Kopf in einem Medaillon zwischen Diamantbossen.
Dieses Allianzwappen am zweiten Torhaus zeugt von einer Ausbauphase im späten 16. Jh. unter Kurfürst August v. Sachsen (13.7.1526 - 12.2.1586), der 1553 - 1586 als zweiter Kurfürst albertinischer Linie regierte, und seiner Frau Anna von Dänemark (1532 - 1.10.1585). Nicht nur waren mittlerweile viele Gebäude baufällig geworden, sondern das Schloß wurde auch als Jagdschloß den Bedürfnissen der Zeit entsprechend modernisiert, ferner waren zusätzliche Bautrakte zur Verwaltung des Amtes notwendig geworden, die rund um den äußeren Hof erbaut wurden.
Aufbau des kursächsischen Wappens für August I. Kurfürst v. Sachsen (13.7.1526 - 12.2.1586):
Drei Helme:
Aufbau des Wappens für Anna von Dänemark (1532 - 1.10.1585) in dreischichtiger Anordnung:
Interessant ist hier die ungleiche Behandlung der Wappen beider Ehepartner, die sich auch an anderen Objekten beobachten läßt: Während das Wappen des Ehemannes mit drei Helmen dargestellt wird, ist das Wappen der Frau aus königlichem Hause ohne Oberwappen; der Schild wird oben von einer edelsteinverzierten Krone bedeckt. Der Schild der Ehefrau hat zusätzlich zu den beiden Löwen, die die Gesamtkomposition außen flankieren, noch eigene Schildhalter in Form zweier geflügelter Gestalten. Drei geflügelte Engelsköpfe bereichern das Gesims unter den beiden Wappen.
Nach Durchschreiten des zweiten Torhauses gelangt man in den ersten, äußeren Schloßhof (Wirtschaftshof), der im Westen vom Expeditionsgebäude, im Süden vom Marstall, im Osten von dem als Jugendherberge genutzten moderneren Bau von 1864 und im Norden von Saalhaus und Küchenhaus begrenzt wird. In diesem ersten Hof wird besonders deutlich, daß das Schloß zwar im Wesentlichen aus der Renaissance stammt, aber in sich Bauteile vom 11. bis zum 20. Jh. vereint und durch seine Nutzung als Reichsburg, unter Wiprecht von Groitzsch (der die erste Burganlage erbaute), als Stammsitz der Herren von Colditz (Reichsministerialen, bis 1404, dann Verlust der Burg an die Wettiner), kurfürstlicher Herrschaftssitz (Ausbau unter Kurfürst Friedrich II. dem Sanftmütigen und dessen Sohn Ernst), Jagdschloß (unter Kurfürst August), Amtssitz, Witwensitz (Anfang des 17. Jh.), und, nach der Aufgabe durch die Wettiner als Herrschaftssitz 1753, als Armen- und Arbeitshaus (seit 1800), Landesanstalt für Geisteskranke (ab 1829), Sammellager für Vertriebene (1945 bis 1946), Krankenhaus (1946 bis 1996), Gefängnis (1803-1829, 1933-1934), Kriegsgefangenenlager (1939-1945), Jugendherberge, sächsische Landesmusikakademie (seit 2010 im Marstall) und Museum mit den jeweiligen baulichen Erfordernissen geprägt wurde und in den verschiedenen Bau- und Umbauphasen eine äußerst wechselvolle Geschichte widerspiegelt. Die linke Abb. zeigt das Kanzleihaus, welches Zugang zu einem dem zweiten, inneren Schloßhof westlich vorgelagerten, zwischen zwei Wehrgängen gelegenen Zwinger gewährt.
Die rechte Abb. zeigt den Erker des Fürstenhauses, welches den inneren Schloßhof im Osten begrenzt. Dieser Erker mit dem früher offenen Altan entstammt der spätgotischen Ausbauphase. Die übrigen Gebäude rings um den hinteren Schloßhof entstammen der Ausbauphase um 1519-1525 durch Baumeister Hans Zingkeyssen im Stile der frühen Renaissance.
Eine weitere Ausbauphase des Schlosses erfolgte im späten 16. Jh. unter Kurfürst August und den Baumeistern Hans Irmisch und Peter Kummer d. Ä., wobei insbesondere das zweite Torhaus umgebaut wurde (s. o.) und die Gebäudetrakte rings um den vorderen Schloßhof ausgebaut wurden.
Der Türsturz des südlichen Portals des Kanzleihauses zeigt auf seinem Schlußstein ein einfaches kursächsisches Wappen (gespalten, rechts Kurwürde, in von Schwarz und Silber geteiltem Feld zwei schräggekreuzte rote Kurschwerter, links Herzogtum Sachsen, eigentlich von Schwarz und Gold neunmal geteilt, darüber ein grüner, eigentlich schrägrechter, hier halbkreisförmiger Rautenkranz), datiert auf 1583. Das Kanzleihaus wurde unter Einbeziehung eines älteren, ehemaligen Gefängnisturmes aus dem 15. Jh. erbaut.
Zwischen Kanzleihaus und Beamtenhaus ist an der Westseite der Schloßanlage zwischen zwei Wehrgängen ein kleiner Zwinger, von dem aus man nach Osten abbiegend durch ein reich profiliertes, spitzbogiges, noch aus der Gotik stammendes Tor (sog. Flüsterbogen) den inneren Schloßhof betritt. Dieser wird im Osten durch den Fürstenbau mit den Wohnräumen der Kurfürsten, im Norden vom Kirchenhaus und im Süden vom Küchenhaus begrenzt; die Westseite wird von Kellerhaus nördlich des Tores und Saalhaus südlich desselben gebildet, die durch Wehrgänge verbunden sind, die noch dem Verlauf der Ringmauer der einstigen romanischen Burg folgen. Zwischen Kellerhaus und Kirchenhaus steht ein im unteren Teil achteckiger, oben runder Treppenturm (Wendelstein, Abb. oben links), dessen zierliche Haube mit Laterne die umliegenden Gebäude überragt. In das Kirchenhaus, das im unteren Teil die Kapelle und im oberen Teil Frauengemächer für die Hofdamen enthält, führt ein fein verziertes Portal aus Porphyrtuff im Stile der Spätrenaissance (Abb. oben rechts), um 1602 entstanden, mit reichlich Beschlagwerk auf den Flächen und Konsolen versehen und mit fein verzierten Säulen. Früher wurde das Portal von fünf Figuren bekrönt, die aber entfernt wurden, so daß die Podeste heute leer sind (die Figuren sind jedoch nicht verloren, sondern warten im Depot auf Restaurierung und Wiederherstellung des Ensembles).
Dieses Portal entstammt einer Ausbauphase um 1600 ff, als man das Schloß als Witwensitz für Markgräfin Sophia v. Brandenburg (6.6.1568 - 17.12.1622) herrichtete. Sie war die Frau von Kurfürst Christian I. v. Sachsen (29.10.1560 - 25.9.1591), der 1586 - 1591 als 3. Kurfürst albertinischer Linie regierte und der Sohn von Kurfürst August v. Sachsen (13.7.1526 - 12.2.1586) und Anna von Dänemark (1532 - 1.10.1585) war, und Sophia bekam Schloß Colditz als Leibgeding (als Eigentum zur Vorsorge für die Witwenzeit überschrieben). So sehen wir hier als Allianzwappen zusammengestellt die Wappenschilde Kursachsens (gespalten, rechts Kurwürde, in von Schwarz und Silber geteiltem Feld zwei schräggekreuzte rote Kurschwerter, links Herzogtum Sachsen, von Schwarz und Gold neunmal geteilt, darüber ein grüner, schrägrechter Rautenkranz) und Brandenburgs (in Silber ein roter Adler), getrennt durch einen mit gespreizten Armen beide Kartuschen haltenden Engel.
Literatur,
Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher,
Landesfürsten
Genealogien: Prof. Herbert Stoyan, Adel-digital, WW-Person auf
CD, 10. Auflage 2007, Degener Verlag ISBN 978-3-7686-2515-9
Hinweistafeln am Gebäude
Regina Thiede, Renate Lippmann, Schloß Colditz, Edition Leipzig,
2. Auflage, Leipzig 2008, ISBN 978-3-361-00620-1
Schloß Colditz: http://www.schloss-colditz.com/
Schloß Colditz: http://www.schloesser-und-burgen-im-muldental.de/index.php?article_id=21
Stadt Colditz: http://www.colditz.de/
Virtuelle Führung durch Schloß Colditz: http://www.colditz-4c.com/tour/p01/p01.htm
Albert Peter Bräuer: Schloß Colditz. Seemann, Leipzig 1983
Historische Beschreibung: Georg Grahl, Der Burg Zu Colditz Bau-
und Zier, Tietze, Leipzig 1710, Digitalisat der Universitäts-
und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt http://digitale.bibliothek.uni-halle.de/vd18/content/pageview/2310471
Landesmusikakademie: http://www.lma-sachsen.de/ - http://www.vdkc.de/cms/index.php/service/beitraege-des-vdkc/155-saechsische-landesmusikakademie-schloss-colditz
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