Bernhard
Peter
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Photos schöner alter Wappen Nr. 1530
Marburg an der Lahn (Hessen)
Marburg, Kopie des Philipps-Steines (Haina-Stein)
Bei dem im Innenhof des Marburger Hochschlosses aufgestellten Stein handelt sich um einen Abguß des Originalsteines in der Klosterkirche Haina in Originalgröße. Während der an der Südwand des Kirchenschiffes aufgestellte Originalstein in Haina farbig gefaßt ist, ist der Abguß einfarbig. Der Original-Stein stammt aus dem Jahr 1542, die Datierung ist zwischen der Figur des Landgrafen und dem Stamm des Baumes vermerkt. Der Stein wurde zur Erinnerung an die Umwandlung der kirchlichen Einrichtungen in Haina (Zisterzienserkloster, 1533), Merxhausen (Augustiner-Chorherren-Stift, 1533), Hofheim (kein Kloster, sondern eine katholische Pfarrei bei Darmstadt, 1535) und Gronau (bei St. Goar, Benediktinerkloster, 1537 aufgelöst, 1542 Spital) in Hospitäler durch Philipp I. Landgraf v. Hessen (13.11.1504 - 31.3.1567) gefertigt und ist eine Art programmatischer Regierungserklärung des Landgrafen und stellt sein Selbstverständnis als wohltätiger Landesherr in Nachfolge der Heiligen Elisabeth von Thüringen und seine Motivation zur Reformierung der Klöster bildlich dar. Der Landesherr war 1524 zum Protestantismus übergetreten und reformierte die Klöster. Diese sog. Hohen Hospitäler übernahmen die Krankenpflege und Altenpflege im ländlichen Raum. Eine wichtige Rolle bei dieser Maßnahme spielte Heinz von Lüder, der 1525-1531 eine Visitation aller hessischer Klöster, Hospitäler und Krankenstifte durchführte und 1543-1559 das Amt des Oberaufsehers über alle hessischen Hohen Hospitäler innehatte. Der Künstler des Steines ist der aus Frankenberg stammende Philipp Soldan. Stilistisch fällt dieser Stein in die Übergangszeit von der Spätgotik zur Renaissance.
Landgraf Philipp I. v. Hessen (13.11.1504 - 31.3.1567), der beim Tod des Vaters 1509 noch minderjährig war und vorzeitig für mündig erklärt wurde, damit er 1518 die Regierung übernehmen konnte, mit noch nicht einmal 14 Jahren, wird im linken Teil des Steines dargestellt, in zeittypischem Plattenharnisch, statt eines Helmes mit einem breitkrempigem Hut auf dem Kopf, dessen Rand von Federn geschmückt ist. In seiner Rechten hält er einen Stab, die gepanzerte Linke ruht auf dem Schildrand. Der Landgraf ging sowohl als Reformator Hessens, der mit dem Marburger Religionsgespräch zwischen Luther und Zwingli auch eine Einigung der protestantischen Lehren zu erreichen suchte, als auch als Gründer der Marburger Universität 1527 in die Geschichte ein. Politisch nachteilig wirkte sich für ihn die zu Recht als Bigamie angesehene morganatische zweite Ehe mit der sächsischen Hofdame Margarete v. d. Saale (1522 - 6.7.1566) aus, noch zu Lebzeiten seiner ersten Frau Christina v. Sachsen (25.12.1505 - 15.4.1549). Es war damals eine äußerst heikle Angelegenheit, und Philipp als Förderer der Reformation schaffte es, die Zustimmung seiner ersten Frau und die der Reformatoren zu erhalten, wobei diese gewiß nicht so ganz freiwillig gewesen sein dürfte und an die Bedingung geknüpft war, unter das Beichtgeheimnis gestellt zu sein. Trotz Geheimhaltung verbreitete sich die zweite Heirat wie ein Lauffeuer, und nun war die Misere da. Schadensbegrenzung war ein Vertrag mit dem Kaiser, der eine Schwächung der Protestanten zur Folge hatte. Die Doppelehe machte Philipp moralisch und damit politisch angreifbar, was zu großem Schaden für Hessen und den Protestantismus führte. Der Schmalkaldische Krieg brachte das Land in wirtschaftliche Schwierigkeiten und den Landesherrn in kaiserliche Haft. Nach seinem Tod wurde die politische Einheit des Landes durch Erbteilung aufgebrochen.
Der Schild des landgräflichen Wappens ist geviert mit Herzschild:
Dazu wird nur der Stammhelm geführt, auf dem gekrönten Helm mit rot-silbernen Decken zwei Büffelhörner, außen besteckt mit hier je 6 Lindenzweigen, der letzte jeweils in den Mundlöchern.
"VDMIAE - DES FVRSTEN SPRVCH: Gott hilff verbreiten mir dein eher (Ehre)/ Das ist mein höchster Wunsch und (Be)gehr / Danach das (daß) ich mein Volk regir (regiere) / Daß wir alle beid(e) gefallen dir / Und was ich hie(r) gestifftet hab / Daß solch(e)s ni(ch)t wert (werd) gestellet ab / Und wer das thut, den straff (strafe) dei(ne) Hand / Mit armut, kranckheit, sch(m)ach und scha(nd)t / Bis das (daß) er deinen wo(h)lgefall(en) / Erken(nt) und thu sprecht amen all." Das ist eine Art summarische Regierungserklärung des Landgrafen, der seine Regierung in gottesfürchtiger Art rechtfertigt und sich im Dienste des Glaubens als Stifter von Spitälern übt, zugleich aber seine Stiftungen garantiert und bewahrt sehen will unter Androhung schlimmster Übel für denjenigen, der entgegenhandelt.
"Sankt Elisabeth Spruch / Wer hoffnung hat zu gotts (Gottes) rich (Reich) / Der thu ni(ch)t dem exempel gleich / Wie ungnat (ungnädig) that der reiche man (Mann) / Der unbarmhercziglich leit (läßt) stahn (stehen) / Latzerum (Lazarus) vor der thür (Tür), voler (voller) schwer (Schwären) / Drumb muß er nu(n), wiewo(h)l ungern / Ewiglich leiden grosse qual / In hellen (Höllen) glut des (das) nembt (nehmet) wa(h)r all." Das karitative Wirken der Heiligen Elisabeth von Thüringen wird zum Symbol der Barmherzigkeit und Mildtätigkeit als Richtlinie für die eigene Regierung des Landgrafen.
Diese Programmatik wird bildlich illustriert: Sankt Elisabeth in Nonnentracht, aber gekrönt, schenkt einem von Pusteln bedeckten, abgezehrten Kranken (vermutlich soll ein Leprakranker dargestellt werden) aus einer Kanne in eine Schale ein und reicht mit der Linken ein gebratenes Hähnchen auf einem Teller. Rechts neben ihrem Kopf ist ein Wappenschild zu sehen, gespalten, rechts in Rot auf grünem Dreiberg ein silbernes Patriarchenkreuz, Neu-Ungarn, links siebenmal von Rot und Silber geteilt, Alt-Ungarn. Damit erfüllt Elisabeth v. Ungarn (1207 - 19.11.1231), Gemahlin von Ludwig IV. Landgraf v. Thüringen (28.10.1200 - 11.9.1227) zwei Rollen zugleich, zum einen als Vorfahrin Philipps aus königlichem Hause (gekrönt und mit ihrem Wappen, nicht mit Heiligenschein!), denn sie war die Tochter von Andreas II. Kiraly v. Ungarn (1176 - 26.10.1235) und Gertrud v. Andechs-Meranien (- 28.9.1213), zum andern als Muster der Barmherzigkeit und Mildtätigkeit (durch ihre Taten). In beiden Aspekten sieht der Landgraf sich in einer Kontinuität, sowohl in seiner karitativen Pflicht als auch als Landesherr, beides steht in untrennbarem Zusammenhang. Landgraf Philipp will ihr Werk sowohl hinsichtlich christlicher Verantwortung als auch als Landesherr fortführen.
Klosterspruch: "1530 - Ein lange Zeit bin ich gewest (gewesen) / Der hungrigen Harpyen (Harpyien) Nest / Bis daß ein neuer Hercules / Sie hat verjagt aus diesem Nest / Daß ich hinfort nun bleiben soll / Der armen kranken Hospital / Dazu mich geben und geweiht / Ja, gnädiglich auch hat gefreit (d. h. privilegiert) / Und mir gereicht sein milde Hand / Der christlich Fürst in Hessenland / Landgraf Philipp der teure Held / Ein hoher Preis in aller Welt / Nach Christus Geburt die Zahl da war / Fünfzehnhundertdreißig Jahr / Nun bin ich aber so gestift(et) / Daß ich niemand aufnehm um (Mit-)gift / Der Arme hat hier aus milder Gunst / Sein Kost, Behausung / Kleid umsonst / Gibt anders jemand sonst ein(e) Gab(e) / Dem besser(e) Gott Seel und Hab(e)." Landgraf Philipp hat also die "Harpyien" aus den Klöstern vertrieben und sie wieder in den Dienst des Gemeinwohls gestellt und aus den Klöstern Spitäler für die Armen und Kranken gemacht. Interessant ist, daß sich hier der Landgraf mit Herkules vergleichen läßt, er muß wohl an das Ausmisten des Augiasstalles gedacht haben, als er die Klöster in Spitäler umwandeln ließ.
Was nun diese Harpyien waren, erklärt der Spruch "Die harpya / Harpya ist mein alter nam(e) / Nichts schnotters (Schnöderes) aus der helle (Hölle) kam / Von Gott gesa(nd)t zur straff (Strafe) der Sunt (Sünden) / Von hunger ist mir bleich mei(n) mut (Mund) / Nach raub mein krum(m)en clawe (Klauen) starr(en) / Ein stanck (Gestank) las (laß) ich wo ich hin fa(h)r(e)n / Doch gibt mein antlitz schone (schönen) schein / Mein(e) geselle(n) seint hiweck (hinweg) ich (all)ein bin hie(r) / Zum spot (Spott) gebunden an / Das (daß) mich (be)speien jederman(n)." Diese Harpyie wird als Symbol für geldhungrige Mönche gebraucht; sie wird dargestellt als Raubvogel mit mächtigen Krallen und kleinen Stummelflügeln, mit menschlichem Kopf mit schnabelartigem Mund, hier ist sie an einen Geldkasten angekettet, einerseits als Symbol für die materiellen Interessen der vorherigen Klosterbewohner, andererseits ist die Fesselung Symbol der Bezähmung der Mönche, die der Landgraf als Ausbeuter ansah. Die überaus bildhafte Darstellung der Mißstände ist Legitimation für sein Handeln zur Reformierung der Klöster. Der Geldkasten, an dem die Kette hängt, symbolisiert, daß die eingezogenen Mittel aus ehemaligem säkularisiertem Klostervermögen den genannten karitativen Zwecken zum Gemeinwohl zugeführt wurden.
Details: Abb. links: landgräfliche Helmzier, Abb. rechts: landgräflicher Helm mit erhabenen Lettern "PHILIPS LANDTG(RAF)" entlang des Halsschutzes.
Von den vier Hohen Hospitälern wurde Gronau im 30jährigen Krieg zerstört und abgetragen. Die ehemaligen Klöster Haina und Merxhausen sind heute psychiatrische Krankenhäuser, ebenso ist Hofheim heute das Zentrum für Soziale Psychiatrie Philippshospital in Riedstadt. Drei der vier Hospitäler haben also im Sinne ihres Gründers die Zeiten überdauert, und nur die Zerstörer von Gronau müssen gemäß Inschrift befürchten, "mit Armut, Krankheit, Schmach und Schand" gestraft zu werden.
Position des Wappensteines im Grundriß
Literatur,
Links und Quellen:
Siebmachers Wappenbücher
Beschreibung des Steines im
Museum im Landgrafenschloß
Bibliographie zu Landgraf Philipp: http://www.hlgl.de/philipp_inhalt.html
Ausstellung zu Landgraf Philipp: http://web.uni-marburg.de/landgraf-philipp//
Artikel Philipp I. (Landgraf von
Hessen) von Walter Friedensburg in: Allgemeine Deutsche
Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der
Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S.
765783, http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Philipp_I._%28Landgraf_von_Hessen%29
Philipp von Hessen: http://www.philipp-von-hessen.de/01bibliothek/01ecken_kanten01.htm
Die Entwicklung des Hessischen Wappens
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